H A U S W U R Z U N D CO . Dekorativ: Eine Vielfalt an Dickblattgewächsen zwischen Platten. SOMMERLICHE RUHEPOLSTER Reizvoll: Hauswurze zwischen Pflastersteinen. 34 BIOTERRA 4 / 2015 FOTO: GAP-PHOTOS HA US WURZ UND C O. Perfekt angeordnet: Rosette einer Hauswurz. Auch die Blüten sind ein kleines Wunder. Ihre Blattrosetten bilden das ganze Jahr über ansehnliche Teppiche, über denen im Sommer kleine Blüten schweben. Dabei sind Hauswurze, Mauerpfeffer und Leberbalsam so genügsam, dass man sich entspannt im Liegestuhl zurücklehnen kann – selbst in heissen Sommermonaten. Von Carmen Hocke r «Wie könnte man Gartenneulinge für Dickblattgewächse wie Hauswurz Sempervivum und Mauerpfeffer Sedum begeistern?» Die Antwort des Gärtnermeisters Martin Dietwyler klingt zunächst etwas nüchtern: «Mit ihrer Anspruchslosigkeit.» Zugegeben, Hauswurze zählen nicht zu den ersten Pflanzen, die einem beim Stichwort Gartenfülle in den Sinn kommen. Manch eine Gartenliebhaberin lässt sie sogar jahrelang links liegen. Bis eines Tages der Funke überspringt. WEHRHAFT UND ANSCHMIEGSAM In Bauerngärten war die winterharte Hauswurz schon immer anzutreffen. Mit ihrem flach wachsenden, auf dem Untergrund haftenden Wurzelgeflecht nimmt sie Regenwasser auf und speichert es in den dickwandigen Blättern. Die Hauswurz ist eine Überlebenskünstlerin, die sich unterschiedlichen Bedingungen anpassen kann. Die Pigmentierung der Blätter variiert je nach Jahreszeit und Standort, ist bei Kultursorten aber auch genetisch bedingt. Mit ihren spitz zulaufenden Rosettenblättern wirken Sempervivum aus der Nähe betrachtet fast bedrohlich. Dabei gibt es Arten wie die Spinnweb-Hauswurz Sempervivum arachnoideum, die sich buchstäblich an ihre Umgebung anschmiegen: Sie hüllen Findlinge mit ihren winzigen Rosetten ein und verschmelzen Steinplatten miteinander. Auch die Teppiche von Mauerpfeffer und Gold-Fetthenne zeichnen Wegkanten weicher oder umschliessen gekieste Sitzplätze organisch. Überall, wo sie auf Stein treffen, nehmen sie architektonischen Elementen ihre Härte. AM LIEBSTEN UNTER SICH Sempervivum und Sedum fühlen sich unter ihresgleichen am wohlsten. Die anspruchslosen, niedrig wachsenden Stauden lieben es allesamt trocken und sonnig. Ein nährstoffreicher und humoser Boden bekommt ihnen nicht. Lebendige Bilder entstehen, wenn Sorten unterschiedlicher Färbung ineinanderwachsen. In einem formal gestalteten Garten kann es reizvoll sein, die Blattrosetten bewusst architektonisch entlang eines geradlinigen Weges anzuordnen. Oder in einem schmalen Pflanzgefäss, das als Schmuckstück in einen Gartentisch eingelassen wird. In der Natur siedeln sich Dickblattgewächse dort an, wo andere Pflanzen keine Chance haben. Deshalb sollten sie auch im Garten konkurrenzlos sein. Da sie zum Licht streben, dürfen ihre Pflanzpartner nicht zu viel Schatten werfen. Empfehlenswert ist die Kombination von Mauerpfeffer und früh blühenden Zwiebelblumen wie Traubenhyazinthe, Blaustern und Narzisse. Ziehen die Zwiebelblüher nach der Blüte ein, schliesst sich der niedrige Teppich und erfreut den Betrachter mit seinen eigenen Blüten. Grundsätzlich fühlen sich Hauswurz und Mauerpfeffer in der Nachbarschaft anderer trockenheitsliebender Stauden wie Fetthenne, Thymian und Gräser wohl. Konkurrenz lässt sich auch vermeiden, wenn man sie in Töpfe setzt und dazu Gefässe mit anderen Pflanzen arrangiert. Zu den rotlaubigen Sorten könnte beispielsweise das einjährige Rote Lampenputzergras Pennisetum rubrum einen hochsommerlichen Akzent setzen. Mag sein, dass manche Gartenbegeisterte über das Argument der Pflegeleichtigkeit zu den Dickblattgewächsen findet. Springt der Funke jedoch erst einmal über, kann er geradezu eine Sammelleidenschaft entfachen. BIOTERRA 4 / 2015 35 LESERANGEBOT: HAUSWURZ, MAUERPFEFFER, FETTBLATT UND LEBERBALSAM Martin Dietwyler von der Erlebnisgärtnerei in Rüfenach AG hat für Leserinnen und Leser von «Bioterra» fünf sonnenliebende, genügsame Stauden in Bioqualität ausgewählt, die sommerliche Mussestunden schenken. * Bei grosser Nachfrage liefern wir eine vergleichbare Sorte. Hauswurz, Sempervivum tectorum ‘Atropurpureum’, rotlaubig* Hauswurz, Sempervivum ‘Sioux’, grünlaubig* Mauerpfeffer Sedum album Blüte: rosa | Blütezeit: Juni bis Juli | Höhe: 10 bis 15 cm | Eine Form der heimischen Wildart aus den Schweizer Alpen, die schon seit Ende des 18. Jahrhunderts in Kultur ist. Die dunklen Rosetten tragen mahagonibraune Spitzen. Blüte: rosa | Blütezeit: Juni bis Juli | Höhe: 10 bis 15 cm | Auf neutralem Boden sind die Blattrosetten hellgrün. Je saurer der Boden ist, desto mehr färben sich die Spitzen rötlich. Blüte: weiss | Blütezeit: Mai bis Juni | Höhe: 5 bis 10 cm | Die dicht wachsende Form der heimischen Wildart ist ein verlässlicher Bodendecker, der korallenartige Teppiche bildet. Er fühlt sich an sonnigen, mageren Standorten wohl und eignet sich auch zur Unterpflanzung von Solitären. Dickrosettiges Fettblatt Sedum pachyclados Gold-Fetthenne Sedum floriferum ‘Weihenstephaner Gold’ Leberbalsam Erinus alpinus Blüte: weiss bis hellrosa | Blütezeit: Juni bis Juli | Höhe: 5 bis 10 cm | Die blaugrünen Polster erinnern an nebeneinander sitzende Rosen. Auch im Winter sind die Rosetten ein schöner Anblick – in Mauerritzen, Schalen oder auf dem Dach eines Gartenhauses. Das Dickrosettige Fettblatt ist eine Anfängerpflanze, die völlig anspruchslos ist und fast überall, auch mit wenig Erde, wächst. Nur Staunässe verzeiht sie nicht! Blüte: goldgelb, sternförmig | Blütezeit: Juni bis Juli | Höhe: 10 bis 20 cm | Eine historische Züchtung des Sichtungsgartens Weihenstephan, Deutschland, die reich beblätterte Teppiche bildet. Die leuchtend gelben Blüten sitzen auf rötlichen Stängeln. Im Herbst verfärben sich auch die Blätter rötlich. Die Gold-Fetthenne verträgt etwas Feuchte und eignet sich sogar für den Halbschatten. Blüte: pink | Blütezeit: Mai bis Juli | Höhe: 10 cm In Grossbritannien wird der Leberbalsam auch «Feen-Fingerhut» genannt. Obwohl er zur gleichen Familie, den Wegerichgewächsen Plantaginaceae, zählt, ähnelt er den Fingerhüten nicht. Feenhaft ist diese Zwergstaude aus den Hochgebirgen West- und Zentraleuropas jedoch durchaus. Sie gedeiht an sonnigen bis halbschattigen Standorten, auf gut drainiertem, frischem Boden. Bestelltalon Seite 59 36 BIOTERRA 4 / 2015 FOTOS: ERIKA GUSSMANN, CARMEN HOCKER, GAP PHOTOS