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Aus der Abteilung Herz- und Gefäßchirurgie
der Chirurgischen Universitätsklinik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Physiologie
der Universitätsklinik Tromsø, Norwegen
Der Einfluss von tiefer Hypothermie und
Wiedererwärmung auf den Sauerstoffverbrauch und das
zirkulierende Blutvolumen der Ratte
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i. Br.
Vorgelegt 2005
von Kristina Flemming
geboren in Freiburg
Dekan:
Prof. Dr. med. Christoph Peters
1. Gutachter:
PD Dr. med. T. Doenst
2. Gutachter:
Prof. Dr. Priebe / PD Dr. med. T. Loop
Jahr der Promotion: 2005
Liste der verwendeten Abkürzungen:
av-diff
arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
BV
Blutvolumen
dP/dtmax
maximale Druckänderung pro Zeit
EDP
linksventrikulärer, enddiastolischer Füllungsdruck
HÄS
Hydroxyläthylstärke
Hb
Hämoglobin
HCl
Salzsäure
HF
Herzfrequenz
Hkt
Hämatokrit
HZV
Herzzeitvolumen
KG
Körpergewicht
MAP
mittlerer arterieller Druck
pCO2
Kohlendioxyd-Partialdruck
pO2
Sauerstoff-Partialdruck
rps
rotations per second
SO2
Sauerstoffsättigung
SEM
Standardfehler des Mittelwertes
SV
Schlagvolumen
TPR
peripherer Gefäßwiderstand
VolHÄS
Volumen der HÄS-Injektion
ZVK
zentraler Venenkatheter
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung: ..................................................................................................................... 1
1.1
Hypothermie: Definition, Formen und klinisches Erscheinungsbild ......................... 1
1.2
Die Wirkung von Abkühlung und Wiedererwärmung auf Herz und Kreislauf.......... 3
1.3
Erläuterungen zu einigen Parametern für die Beurteilung der Sauerstoffversorgung
des Gewebes ............................................................................................................... 5
1.4
2
Ziel der Studie............................................................................................................. 7
Material und Methoden: .............................................................................................. 8
2.1
Verwendete Instrumente............................................................................................. 8
2.1.1
Geräte und Materialien ....................................................................................... 8
2.1.2
Medikamente und Chemikalien.......................................................................... 9
2.2
Versuchstiere und Versuchsgruppen .......................................................................... 9
2.3
Versuchsdurchführung.............................................................................................. 10
2.3.1
Anästhesie und Lagerung ................................................................................. 11
2.3.2
Beatmungsfrequenz und -volumen................................................................... 12
2.3.3
Lage und Funktion der Katheter....................................................................... 12
2.3.4
Vorbereitung von Donorblut ............................................................................ 12
2.3.5
Kühlung und Wiedererwärmung ...................................................................... 13
2.3.6
Messung des HZV ............................................................................................ 13
2.3.7
Messung der Blutgase und Berechnung des Sauerstoffverbrauchs.................. 13
2.3.8
Bestimmung des zirkulierenden Blutvolumens................................................ 14
2.4
3
Statistik ..................................................................................................................... 15
Ergebnisse: .................................................................................................................. 16
3.1
Einfluss von Abkühlung und Wiedererwärmung auf die Hämodynamik ................ 16
3.2
Ermittlung von Sauerstoffangebot und -verbrauch während Abkühlung und
Wiedererwärmung .................................................................................................... 19
3.3
Änderungen von Hämodynamik, Sauerstoffgehalt und -ausschöpfung während
Hypothermie ............................................................................................................. 22
3.4
Einfluss von Abkühlung, Hypothermie und Wiedererwärmung auf den pH-Wert,
den pCO2 und die Laktatkonzentration..................................................................... 24
3.5
Einfluss von Abkühlung, Hypothermie und Wiedererwärmung auf das zirkulierende
Blutvolumen und den Hämatokrit ............................................................................ 25
4
Diskussion: .................................................................................................................. 28
5
Zusammenfassung:..................................................................................................... 42
6
Literaturverzeichnis:.................................................................................................. 43
7
Lebenslauf: .................................................................................................................. 48
8
Danksagung:................................................................................................................ 50
9
Appendix: .................................................................................................................... 51
1
1 Einleitung:
Beim Wiedererwärmen von Opfern akzidentieller Hypothermie kommt es häufig zu einer
unvollständigen Erholung des Herzzeitvolumens. In Verbindung mit einem plötzlichen
Blutdruckabfall während oder direkt nach Wiedererwärmung wird dieses Ereignis als
„rewarming shock“ bezeichnet (Tveita 2000). Es wurde postuliert, dass eine Unterversorgung
des Gewebes mit Sauerstoff während Hypothermie und / oder Wiedererwärmung für die Ausbildung des rewarming shock verantwortlich ist (Popovic 1965). In dieser Studie sollte die
Hypothese überprüft werden, dass die mangelhafte Erholung des Herzzeitvolumens bei
Wiedererwärmung nach tiefer Hypothermie mit einer unzureichenden Versorgung des
Gewebes mit Sauerstoff während Hypothermie und / oder Wiedererwärmung assoziiert ist.
Der Sauerstoffverbrauch von Ratten wurde während Abkühlung, tiefer Hypothermie und
Wiedererwärmung zwischen zwei Gruppen verglichen. Während in der ersten Gruppe die
Tiere nach einer Stunde Hypothermie aufgewärmt wurden und sich hämodynamisch
vollständig erholten (Kontrollgruppe), wurden die Tiere der zweiten Gruppe erst nach 5
Stunden wiedererwärmt. In der zweiten Gruppe kam es zu keiner vollständigen Erholung des
Herzzeitvolumens (auf 60% des Ausgangswertes). Der posthypotherme Sauerstoffverbrauch
war jedoch in beiden Gruppen gleich hoch und unterschied sich nicht von den prähypothermen Werten.
Da das zirkulierende Blutvolumen in beiden Gruppen während Abkühlung und Hypothermie
drastisch abnahm, lässt sich schließen, dass wesentliche Anteile des Körperkreislaufs in dieser
Phase von der Perfusion ausgeschlossen, d.h. ischämisch waren. Diese Ischämie während
prolongierter Hypothermie (5 h im Gegensatz zu 1 h) spielt möglicherweise eine Rolle bei der
mangelhaften Erholung des Herzzeitvolumens während Wiedererwärmung.
Zum vollständigen Verständnis dieser Sachverhalte ist es nötig, sich einige pathophysiologische und klinische Grundprinzipien der Wirkung von Hypothermie auf den Organismus vor
Augen zu führen.
1.1 Hypothermie: Definition, Formen und klinisches Erscheinungsbild
Ein warmblütiges Lebewesen wird als hypotherm bezeichnet, wenn seine Körpertemperatur
niedriger als 35°C ist. Milde Hypothermie beim Menschen ist definiert als Körpertemperatur
zwischen 35° und 32,2°C, moderate Hypothermie zwischen 32,1° und 28°C und tiefe
Hypothermie unter 28°C (Hanania 1999). Die erniedrigte Körpertemperatur kann durch
Krankheit verursacht sein, z.B. bei Kollaps, Hypothyreose oder Kachexie, oder durch
2
unfreiwillige Kälteexposition (akzidentelle Hypothermie). In der Chirurgie und Transplantationsmedizin wird Hypothermie gezielt zur Verlängerung der Ischämietoleranz von Organen
eingesetzt. An akzidenteller Hypothermie sterben in den USA jährlich ca. 700 Menschen
(Kempainen 2004). Der Rekord der tiefsten akzidentellen Hypothermie, die von einem
Menschen überlebt wurde, liegt bei 13,7°C Körpertemperatur. Die Patientin wurde im Mai
1999 am Universitätsklinikum Tromsø, Norwegen, behandelt und hat bis auf eine leichte
Polyneuropathie keine bleibenden Schäden behalten (Gilbert 2000). Für die Überlebenschancen von unfreiwillig hypothermen Patienten sind Dauer und Tiefe der Hypothermie,
verfügbare Wiedererwärmungsmethode, Geschwindigkeit der Wiedererwärmung sowie der
allgemeine Gesundheitszustand des Patienten von Bedeutung (Tchuikin 1998; Hanania 1999).
Eine schnelle Normalisierung von Herzzeitvolumen und Blutdruck während Wiedererwärmung ist für das posthypotherme Überleben essentiell (Blair 1956). Das klinische Erscheinungsbild bei milder, moderater und schwerer Hypothermie ist in Tabelle 1 dargestellt. Eine
detailliertere Darstellung des Einflusses von Abkühlung und Wiedererwärmung auf Herz und
Kreislauf findet sich in Abschnitt 1.2.
Tabelle 1: Klinische Manifestationen von Hypothermie
ZNS
Milde Hypothermie
Moderate Hypothermie
Verwirrung, verwaschene
Lethargie, Halluzinationen,
Sprache, eingeschränktes
Verlust des Pupillenrefle-
Urteilsvermögen, Amnesie
xes, EEG-Abweichung
Progrediente Bradykardie
Herz-Kreislauf
Tachykardie, erhöhtes HZV,
(atropinresistent), HZV und
erhöhter Gefäßwiderstand
Blutdruck gesenkt, Arrhythmien, Osbornwelle im EKG
Tiefe Hypothermie
Verlust der cerebro-vaskulären
Regulation, sinkende EEGAktivität, Koma, Verlust des
Okkularreflexes
HZV und Blutdruck sinken,
Kammerflimmern (<28°C)
und Asystolie (<20°C)
Hypoventilation, gesenkter
Atmung
Tachypnoe, Bronchorrhoe
Sauerstoffverbrauch und
gesenkte CO2-Produktion,
Lungenödem, Apnoe
Verlust den Hustenreflexes
Kältediurese
Niere
Hämatologisch
Erhöhter Hämatokrit, Gesenkte Thrombozyten- und Leukozytenkonzentration, Koagulopathie,
DIC
Ileus, Pankreatitis, Stressulcera, Leberdysfunktion
Gastrointestinal
Endokrin
Muskuloskeletal
Nierenperfusion, GFR gesenkt
Hyperglykämie
Muskelzittern
Modifiziert nach Hanania et. al. (Hanania 1999)
Hyper- oder Hypoglykämie
Schwaches Zittern,
„Pseudo Rigor mortis“, Patient
Muskelrigidität
scheint tot
3
1.2 Die Wirkung von Abkühlung und Wiedererwärmung auf Herz und
Kreislauf
Bei Abkühlung kommt es in einem nicht narkotisierten warmblütigen Lebewesen zunächst zu
einer starken Stimulation des sympathischen Nervensystems. Herzfrequenz, Herzzeitvolumen,
Blutdruck und Gefäßwiderstand steigen. Ab einer bestimmten Hypothermietiefe versagt das
sympathische Nervensystem (beim Menschen bei ca. 29°C, (Chernow 1983)) und Herzfrequenz, Herzzeitvolumen, Blutdruck und Gefäßwiderstand beginnen zu sinken. Kälte hat eine
direkte Wirkung auf den Sinusknoten (Eyster 1921), die zu einer Verlangsamung des
Herzschlags (um ca. 20 Schläge pro 10°C Temperaturdifferenz beim Menschen) und damit zu
einer Senkung des Herzzeitvolumens führt (Cooper 1996).
Interessanterweise hat Abkühlung von isolierten, perfundierten Herzen eine positiv inotrope
Wirkung. Dies erkannte bereits Langendorff 1897 in einer Untersuchung des Einflusses von
Wärme und Kälte auf das Herz warmblütiger Tiere (Langendorff 1897). Seitdem ist diese
Wirkung der Hypothermie sowohl an isolierten Herzen als auch in Muskelfaserpräparaten
bestätigt worden (Kusuoka 1991). Es besteht die Annahme, dass eine intrazelluläre Ca2+Erhöhung hierfür verantwortlich ist. Hypothermie hat eine aktivitätssenkende Wirkung auf die
Na+/K+-ATPase (Eisner 1980), die zu einer intrazellulären Na+-Erhöhung führt (Bers 1987;
Shattock 1987). Der so verminderte sarkolemmale Na+-Gradient verlangsamt möglicherweise
in der Diastole den Ca2+-Transport über den Na+/Ca2+-Austauscher aus der Zelle heraus
(Tveita 1998).
Die positiv inotrope Wirkung von Hypothermie kann am intakten Tiermodell nicht bestätigt
werden. Tveita fand in Ratten (15°C) und Hunden (25°C) eine verschlechterte systolische und
diastolische Funktion (Tveita 1998). Greene et al fanden in hypothermen Schweinen (34°C)
eine deutlich herabgesetzte linksventrikuläre Kontraktilität (Greene 1989). Vermutlich wird
die positiv inotrope Wirkung von Hypothermie durch andere, negativ inotrope Faktoren im
intakten Tiermodell verhindert.
Hypothermie führt zu einer Verlangsamung (Gelin 1955; Lynch 1957), teilweise sogar zu
einer Stagnation des Blutflusses in Kapillaren des Rattenmesocaecums (Lynch 1957).
Erythrozyten und Leukozyten aggregieren (Löfström 1957; Svanes 1966) und können Gefäße
verschließen. Bei gleich bleibend tiefer Körpertemperatur kommt es zu einer zunehmenden
Hämokonzentration (Adolph 1946; Spurr 1959; McArthur 1992). Nach 9-10 h bei 15°C
Körpertemperatur kommt es bei Ratten zu einem Herzkreislaufstillstand. Als Todesursache
bei prolongierter Hypothermie werden eine gestörte Mikrozirkulation mit Unterversorgung
4
des Gewebes mit Sauerstoff, gestörte Sauerstoffaufnahme und Störung im Substratstoffwechsel diskutiert (Popovic 1974; McArthur 1992; Lee 2003). Bleibt die Hypothermie bestehen, so
ist ein Überleben warmblütiger Organismen unmöglich. Die Wiedererwärmung ist daher
notwendig, sie bringt jedoch ihre eigenen Gefahren für das Überleben mit sich.
In unterschiedlichen Tiermodellen (verschiedene Spezies, unterschiedliche Hypothermietiefe
und -dauer, unterschiedliche Wiedererwärmungsmethoden) sind ähnliche hämodynamische
Veränderungen im Rahmen der Wiedererwärmung aufgetreten: Die Herzfrequenz steigt in
gleichem Maße, wie sie bei Abkühlung abnimmt (Haterius 1948; Spurr 1954; Tchuikin 1998;
Tveita 2000). Ab einer bestimmten Hypothermiedauer bleibt jedoch eine Normalisierung des
Schlagvolumens aus, so dass das Herzzeitvolumen niedrig bleibt (Talbot 1941; Prec 1949;
Sabiston 1955; Tchuikin 1998). Kann ein normaler Blutdruck bei Wiedererwärmung generiert
werden, so ist dies meistens mit einem hohen peripheren Gefäßwiderstand (Tveita 2000)
vergesellschaftet. Die Mechanismen, die zu dieser unvollständigen Normalisierung der
Hämodynamik führen, sind bisher weitgehend ungeklärt.
Über die Effekte von Wiedererwärmung nach Ganzkörper-Hypothermie auf das in situ
schlagende Herz ist wenig bekannt. Bei Hunden kommt es zu einer mangelhaften Erholung
der systolischen Funktion, während sich die diastolische Funktion normalisiert (Tveita 1998).
Der Blutfluss in den Coronarien bei Hunden (25°C) ist herabgesetzt, was jedoch nicht zu
einem Sauerstoff- oder Substratmangel führt (Tveita 1994). Auch im Rattenmodel, das für die
vorliegende Arbeit benutzt wurde, ist posthypotherm die maximale Kontraktionsgeschwindigkeit (dP/dtmax) herabgesetzt (Tveita 1996). Untersuchungen von Laktatkonzentration, ATPund Glykogengehalt im Rattenmyokard ergeben widersprüchliche Ergebnisse im Bezug auf
die Frage, ob das Herz in der hypothermen Phase einer Ischämie ausgesetzt war.
Nach 4 h Hypothermie bei 15°C zeigten in situ Rattenherzen eine generalisierte Schwellung,
charakterisiert durch intrazelluläre Ödeme, die auch die Mitochondrien betrafen (Tveita
1998). Wiedererwärmung führte nicht zu einer Rückbildung der Ödeme. Diesen Veränderungen im Rattenmyokard wurde eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des rewarming
shock beigemessen. Es ist anzunehmen, dass es auch bei den Ratten, die für die vorliegenden
Versuche verwendet wurden, nach 5 h Hypothermie und Wiedererwärmung zu vergleichbaren
Veränderungen des Myokards kam. Ungeklärt ist, ob das hypothermiegeschädigte Herz in der
Lage sein kann, bei Wiedererwärmung eine ausreichende Perfusion aller Organe zu
gewährleisten, so dass der wachsende Sauerstoffbedarf des Organismus gedeckt werden kann.
5
Hypotherme Bedingungen führen zu komplexen physikalischen Veränderungen der Blutgase.
Daher sind eine Erläuterung der Begriffe und eine kurze Einführung in den Einfluss von
Hypothermie auf die einzelnen Parameter sinnvoll.
1.3 Erläuterungen zu einigen Parametern für die Beurteilung der
Sauerstoffversorgung des Gewebes
Der Sauerstoffpartialdruck (pO2) ist definiert als der Teildruck, den der im Blut gelöste
Sauerstoff am gesamten Gasdruck im Blut ausmacht. Die Menge des im Blut gelösten
Sauerstoffs ist im Vergleich zu dem an Hämoglobin gebundenen Sauerstoff sehr gering. Sie
korreliert jedoch mit der Menge des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs und hat daher
diagnostische Bedeutung.
Die Beurteilung der Sauerstoffversorgung des Gewebes mit Hilfe des pO2 ist unter
hypothermen Bedingungen aus folgenden Gründen erschwert: Bei Abkühlung kommt es zu
einer Verschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve nach links, die Affinität von Sauerstoff
zu Hämoglobin wird also stärker. Gleichzeitig erhöht sich bei Abkühlung auf Grund der
sinkenden Entropie die Löslichkeit von Sauerstoff in einer Flüssigkeit, so dass über der
Flüssigkeit ein relativ niedrigerer pO2 gemessen wird, als bei höheren Temperaturen. Das
bedeutet, dass auch bei niedrigem pO2 (über dem Blut gemessen) eine gute Sauerstoffsättigung vorhanden sein kann. Auf der anderen Seite entstehen durch die Abkühlung pH-WertVeränderungen (s.u.), die ihrerseits einen Einfluss auf die Sauerstoffdissoziationskurve haben.
Es existieren keine Referenzwerte, die einen Anhalt für einen adäquaten pO2 während
verschiedener Hypothermie-Tiefen geben könnten. Daher ist der pO2 während der Experimente der vorliegenden Arbeit im Ergebnisteil nur aufgeführt, um die Berechnung des
Sauerstoffgehalts im Blut nachvollziehbar zu machen. Die pO2-Absolutwerte können nicht
direkt interpretiert werden.
Die Sauerstoffsättigung ist definiert als der Prozentanteil des Hämoglobins, der mit Sauerstoff
gesättigt ist. Sie kann mit Hilfe von Nomogrammen unter Berücksichtigung des pH-Wertes
aus dem Sauerstoffpartialdruck ermittelt werden. Eine Temperaturkorrektur des Sauerstoffpartialdrucks ist dabei nicht nötig. Untersuchungen von Ashwood et. al. haben ergeben, dass
die Sättigung bei Temperaturen von 0° bis 42°C während Abkühlung oder Aufwärmung in
einem geschlossenen System (z.B. der Blutgasmaschine), also bei gleich bleibender O2Teilchenzahl aber schwankenden pO2, nahezu konstant bleibt (Severinghaus 1966; Ashwood
1983). Erklärbar ist dieser Sachverhalt unter anderem dadurch, dass während Aufwärmung im
6
geschlossenen System zwar der pO2 steigt, sich die Sauerstoffsättigungskurve aber
gleichzeitig nach rechts verschiebt. Damit ist ein höherer pO2 für die gleiche Sättigung nötig.
Der Sauerstoffgehalt ist definiert als die Sauerstoffmenge pro 100 ml Blut. Er kann aus der
Sauerstoffsättigung, der Hämoglobinkonzentration und der Hüfner’schen Zahl (1,36 ml O2
pro Gramm Hämoglobin) berechnet werden. Über die Messung des Sauerstoffgehalts kann
eine Hypoxämie festgestellt werden. Der Sauerstoffgehalt wird in der vorliegenden Arbeit in
ml Sauerstoff pro 100 ml Blut angegeben.
Die Sauerstoffausschöpfung (arteriovenöse O2-Differenz) ist definiert als die Differenz des
arteriellen und venösen Sauerstoffgehaltes. Auch sie wird in ml Sauerstoff pro 100 ml Blut
angegeben. Sie ist abhängig vom Sauerstoffbedarf der Zellen, von der Perfusion, und von der
Sauerstoffextraktionsfähigkeit des Gewebes.
Das Sauerstoffangebot ist definiert als die Menge an Sauerstoff, die pro Minute im arteriellen
Blut transportiert wird. Sie errechnet sich aus dem arteriellen Sauerstoffgehalt und dem
Blutfluss und wird in ml Sauerstoff pro Minute angegeben.
Die Sauerstoff-Extraktionsfraktion ist definiert als das Verhältnis der arteriovenösen O2Differenz zum arteriellen Sauerstoffgehalt. Sie liefert Informationen über das Ausmaß der
Sauerstoffausschöpfung des Gewebes aus dem arteriellen Blut.
Der Sauerstoffverbrauch ist definiert als die Sauerstoffmenge, die pro Minute vom Körper
verstoffwechselt wird. Sie errechnet sich aus der Sauerstoffausschöpfung und dem
Herzzeitvolumen und wird in ml Sauerstoff pro Minute angegeben. Der Sauerstoffverbrauch
ist während Hypothermie gesenkt (Hildebrandt 1997). Nach dem van’t Hoff-Arrenius Gesetz
halbiert sich die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion pro 10°C Abkühlung. Unter
hypothermen Bedingungen kommt es zu einer Herabsetzung von Stoffwechselvorgängen, der
Sauerstoffbedarf ist daher geringer.
Der pH-Wert sinkt im Prozess des Aufwärmens in der Blutgasmaschine. In einer während
Hypothermie abgenommenen Blutprobe ist der (bei 37°C Elektrodentemperatur gemessene)
pH-Wert im Vergleich zu dem Wert, der tatsächlich im zirkulierenden Blut vorliegt, zu
niedrig. Wie allgemein üblich wurden die Proben zur Bestimmung des pH-Wertes auch in den
vorliegenden Versuchen auf 37°C aufgewärmt. Welcher pH-Wert unter hypothermen
Bedingungen adäquat ist, ist nicht bekannt. Eine Aussage über die klinische Relevanz einer
Azidose während Hypothermie kann daher nicht gemacht werden.
7
Wie in Abschnitt 1.2 beschrieben, führt prolongierte tiefe Hypothermie zu Veränderungen im
Myokard. Es stellt sich Frage, ob das hypothermiegeschädigte Herz in der Lage sein kann, bei
Wiedererwärmung eine ausreichende Perfusion aller Organe zu gewährleisten.
In den sechziger Jahren unternahm Popovic Versuche an Ratten und beobachtete, dass diese
unter hypothermen Verhältnissen (13°-15°C Körpertemperatur) durchschnittlich 9 h lang
überleben konnten. Wärmte man sie jedoch nach 6 h auf, starben die Tiere vor Erreichen der
Normothermie (Popovic 1965). Es war allgemein bekannt, dass Wiedererwärmung zu einem
steigenden Sauerstoffbedarf im Gewebe führt (Popovic 1960). Popovic spekulierte, dass der
hypothermiegeschädigte Kreislauf bei Wiedererwärmung nicht in der Lage ist, den steigenden
Sauerstoffbedarf im Gewebe zu decken. Er ging davon aus, dass eine mangelhafte
Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff während Wiedererwärmung der limitierende Faktor
für ein Überleben des Wiedererwärmungsprozesses ist (Popovic 1965). Diese Hypothese ist
bis heute nicht untersucht worden, obwohl die Frage nach der Ursache des rewarming shock
so aktuell ist wie vor 40 Jahren.
1.4 Ziel der Studie
Es sollte die Hypothese überprüft werden, dass die mangelhafte Erholung des Herzzeitvolumens bei Wiedererwärmung nach tiefer Hypothermie mit einer Unterversorgung des Gewebes
mit Sauerstoff während Hypothermie und/oder Wiedererwärmung assoziiert ist.
Da unklar ist, wie hoch ein ausreichender Sauerstoffverbrauch unter hypothermen Bedingungen bzw. während Wiedererwärmung ist, wurde der Sauerstoffverbrauch von zwei Gruppen
von Ratten verglichen. Die eine Gruppe wurde nach 1 h Hypothermie bei 15°C wiedererwärmt, die andere erst nach 5 h Hypothermie. Vorausgehende Pilotversuche hatten gezeigt,
dass sich die Ratten des verwendeten Modells nach 1 h Hypothermie hämodynamisch
vollständig erholen. Bei Wiedererwärmung nach 4 oder 5 h Hypothermie hingegen kam es zu
einer unvollständigen Erholung des Herzzeitvolumens und die Tiere starben innerhalb der
ersten 2 h nach Wiedererwärmung (Tveita 1998). In der vorliegenden Studie sollte die
Sauerstoffversorgung des Gewebes in den beiden Gruppen sowohl während Hypothermie als
auch bei Wiedererwärmung miteinander verglichen werden. Es sollte untersucht werden, ob
der Sauerstoffbedarf in beiden Gruppen während Hypothermie und Wiedererwärmung
gedeckt wird.
8
2 Material und Methoden:
2.1 Verwendete Instrumente
2.1.1 Geräte und Materialien
•
Beatmungsgerät (Harvard rodent ventilator, model 683; Harvard apparatus, Southnatick, Mass., USA)
•
Blutgasanalysegerät (Rapidlab 800 analyser; Chiron Diagnostics Corp., USA)
•
Druckaufnehmer (Transpac III; Abbot, North Chicago, IL, USA ), Verstärker (Beckman Dynigraph recorder; Beckman Instruments Inc., Schiller Park, IL., USA) und
Computersoftware (speziell für die Physiologische Abteilung der Universität Tromsø,
Norwegen entwickelt. Verwendet wurde Graphical Programming for Instrumentation
„Lab VIEW“, Version 5.0 & 6.0; National Instruments, Austin, TX, USA) zur Aufzeichnung bzw. Ermittlung von Blutdrücken und Kontraktilität (dP/dtmax).
•
Linearrecorder (Mark VII WR3101; Watanabe Instruments, Tokyo, Japan), Schreibbrett (Drawing board model 23180; Calcomp Digitizer products division, Anaheim,
CA, USA) und Computersoftware zur Messung des HZV.
•
Oscillograph (HP 1308A Oscillograph)
•
Temperaturfühler (Thermocouple, Thermoalert TH-5; Columbus Instruments, Columbus, OHIO, USA), verbunden mit analog-to-digital converter (BNC 2090; National
Instruments, Austin, TX, USA) über DC-Amplifier
•
Wasserbad (RTE-110; Neslab Instruments Inc., Newington, N.H., USA), verbunden
mit einem durchspülbaren Aluminiumbrett und U-förmigen Polyethylenschläuchen
zur Kühlung und Wiedererwärmung der Ratten.
•
Zentrifugen:
1. Microzentrifuge Centri A13 (Jouan, Saint Nasaire, Cedex, France)
2. Sorvall RT 6000B Refrigerated Contrifuge ; rotor – Sorvall H1000B, Du Pont ;
3. Kubota 1700, Cubota Corp., Tokyo, Japan ; rotor – Kubota RA 150AM ;
•
Trockengefriergerät (Christ Alpha 1-4; Medizinischer Apparatebau, 3360 Osterode,
Harz)
•
Zur Myokardpulverisierung wurde der Micro-Dismembrator (B. Braun Melsungen
AG, Deutschland) verwendet
9
•
Kanülen:
1. Kanüle mit “FlowSwitch”, 20G/1,1mm x 45mm (Becton Dickinson, Faraday
Road, Swindon, UK) für den linken Ventrikel
2. Venflon Pro, 22G/0,9mm x 25mm (Becton Dickinson Infusion Therapy AB, Helsingborg, Schweden) für die A. femoralis
2.1.2 Medikamente und Chemikalien
1. Pentobarbital: 50 mg/ml, wurde in folgender Zusammensetzung von der Krankenhausapotheke der Universitätsklinik Tromsø, Norwegen, bezogen:
54,8 mg Pentobarbital-Na (entspricht 50 mg Pentobarbital)
290 mg Spiritus fortis
mit Aqua purificatia aufgefüllt zu 1 ml.
2. Heparin: Heparin Leo 5000/100 IU/ml (Lövens Kemikal Fabrik, Ballerup,
Danmark)
3. Cobas Fara II Chemistry System (Roche Diagnostics GmbH, Mannheim, Deutschland)
4. Kits zur Bestimmung von Laktat- und Glucosekonzentration: Laktat: Lactate
1822837 (Roche Diagnostics Corp., Indianapolis, IN, USA); Glucose: GLU
1447513 (Roche Diagnostics Corp., Indianapolis, IN, USA)
2.2 Versuchstiere und Versuchsgruppen
Die in dieser Arbeit beschriebenen Untersuchungen wurden an 18 männlichen Wistar Ratten
durchgeführt. Die Tiere waren zwischen 50 und 60 Tage alt (270 bis 450 g) und hatten vor
den Versuchen freien Zugang zu Futter und Wasser. Die Tierversuche waren von der
zuständigen Tierschutzkommission genehmigt worden (Forsøksdyrutvalget, Postbox 8147
Dep, 0033 Oslo, Norwegen).
Die Ratten wurden in zwei Gruppen eingeteilt, Abb. 1 zeigt das Versuchsprotokoll. Beide
Gruppen wurden auf 15°C Körpertemperatur abgekühlt. Eine Gruppe wurde nach 1 h bei
15°C auf 37°C wiedererwärmt, die andere erst nach 5 h.
In der 1 h Hypothermie-Gruppe starb ein Tier bei Wiedererwärmung (34°C), in der 5 h
Hypothermie-Gruppen starben drei Tiere bei Wiedererwärmung (34-37°C). In allen 4 Fällen
10
kam es aus ungeklärter Ursache zum Blutdruckabfall und schließlich zum Herzstillstand. Die
verstorbenen Tiere wurden nicht in die Studie miteinbezogen.
Protocol
40
35
Temperatur(°C)
(°C)
temperature
1h-Hypotherm ie
5h-Hypotherm ie
30
25
20
15
10
0
2
4
6
8
10
(h)
tim e Zeit
(hours)
Abb. 1: zeitlicher Verlauf der Körpertemperatur während der Versuche in den beiden
Versuchsgruppen
Die hämodynamischen Parameter wurden während Abkühlung und Wiedererwärmung bei
37°, 34°, 28°, 24° und 20°C gemessen. Während Hypothermie (15°C) konnten nur Blutdruck,
Herzfrequenz und Kontraktilität gemessen werden. Blutgase wurden während Abkühlung und
Wiedererwärmung bei 37°, 28° und 20°C gemessen. Weiterhin wurden sie zu Beginn der
hypothermen Periode und nach 1 h, in der 5 h Hypothermie-Gruppe auch nach 3 und 5 h
Hypothermie gemessen. Das Blutvolumen wurde vor Abkühlung sowie kurz vor und nach
Wiedererwärmung gemessen. Die Laktatkonzentration in Plasma und Myokard wurde nach
Wiedererwärmung gemessen. Zur besseren Übersicht wurde bei den folgenden Diagrammen
die Temperatur auf der x-Achse aufgetragen.
2.3 Versuchsdurchführung
Abb. 2 zeigt den Versuchsaufbau mit Lage der Katheter, der Wärmewechselschläuche und
des Temperaturfühlers.
11
2.3.1 Anästhesie und Lagerung
Vor Beginn der Operation wurde den Ratten ein Bolus Pentobarbital (50 mg/kg) intraperitoneal injiziert: Diese Dosis hat eine ausreichend betäubende Wirkung für den operativen
Eingriff (Gross 1985). Anschließend wurden sie mit ausgestreckten Extremitäten in
Rückenlage auf einem Aluminiumbrett gelagert. Über einen zentralen Zugang zum rechten
Vorhof (siehe Abb. 2) wurden die Ratten vor Beginn der Abkühlung kontinuierlich mit 7,5
mg/kg/h Pentobarbital infundiert.
Hypothermie hat eine eigene betäubende Wirkung, zudem war zu erwarten, dass Medikamente unter tiefer Hypothermie sehr viel langsamer metabolisiert werden, und dass damit die
Gefahr einer Intoxikation mit Pentobarbital groß sein würde. Aus diesem Grund wurde die
Anästhesie zu Beginn des Kühlungsprozesses unterbrochen. Nach dem Wiedererwärmen (vor
Beginn der letzten Messungen) wurde mit einer erneuten Infusion von Pentobarbital
begonnen.
Wärmewechslerschlauch
Arterieller Zugang,
A. carotis
Trachealtubus
Venöser Zugang,
Pentobarbitalinfusion
Aluminiumbrett, durchspült
mit Wasser
Venöser Zugang,
re. Vorhof
Temperaturfühler,
Aortenbogen
Arterieller Zugang,
A. femoralis
Wärmewechslerschlauch
Abb. 2: Versuchsaufbau mit Lage der Katheter,
der Wärmewechslerschläuche und des Temperaturfühlers
12
2.3.2 Beatmungsfrequenz und -volumen
Nach Lagerung wurden alle Ratten tracheotomiert. Die Beatmung mit einem Kleintierrespirator wurde begonnen, wenn die Spontanatmung sistierte (bei etwa 20°C). In der Phase der
Wiedererwärmung, wenn die Spontanatmung von neuem einsetzte (auch etwa bei 20°C),
wurde die Beatmung beendet. Zur Beatmung wurde Raumluft ohne Zusatz von Sauerstoff
oder Kohlendioxyd verwendet. Bei 20°C wurde mit einer Frequenz von 20-24 Atemzüge/min
und einem Volumen von 5-7 ml beatmet, bei 15° mit einer Frequenz von 18 Atemzüge/min.
Kurz vor dem Öffnen des Thorax am Ende des Versuchs wurde erneut beatmet, diesmal mit
einer Frequenz von 60 Atemzüge/min und einem Volumen von 2-3 ml.
2.3.3 Lage und Funktion der Katheter
Die arteriellen und venösen Katheter wurden an spezifischer Stelle markiert, sodass sie
einheitlich positioniert werden konnten. Nach jeder Blutentnahme wurden die Katheter mit
heparinisierter NaCl-Lösung gefüllt (1 IU/ml).
Zur Messung des arteriellen Drucks wurde ein Flüssigkeitsgefüllter arterieller Katheter ca. 2,5
cm tief in die freipräparierte linke Femoralarterie eingeführt. Über diesen Katheter konnten
arterielle Blutproben entnommen werden.
Der Druck im linken Ventrikel wurde über einen flüssigkeitsgefüllten Katheter (∅ 0,28 mm)
gemessen, der über die rechte A. carotis communis in den linken Ventrikel eingeführt worden
war.
Über die linke V. femoralis wurde ein Venenkatheter eingeführt und bis in den rechten
Vorhof vorgeschoben. Über diesen konnten venöse Blutproben entnommen werden. Über die
rechte V. jugularis wurde ein Venenkatheter in den rechten Vorhof vorgeschoben. Über
diesen konnte die Anästhesie verabreicht werden und gekühlte NaCl-Lösung zur Messung des
HZV (Thermodilutionsmethode, s.u.).
Nach Beendigung der chirurgischen Eingriffe folgte eine 40 minütige Stabilisierungsphase
bevor die Experimente begonnen wurden.
2.3.4 Vorbereitung von Donorblut
Die geplanten Messungen machten die Entnahme von insgesamt bis zu 7,5 ml Blut
erforderlich. Das entnommene Blutvolumen wurde nach jeder Probennahme mit Donorblut
13
ersetzt. Das Donorblut wurde von anderen Ratten (Donorratten) gewonnen. Nach Narkose
wurden diese vollheparinisiert (50 IU Heparin i.v.), und anschließend, unter Entnahme von ca.
10 ml Blut aus dem linken Ventrikel (über einen Katheter in der rechten A. carotis
communis), geopfert. Das heparinisierte Blut wurde entnommen, in 4,5 ml-„Vacutainer“ mit
Citrat abgefüllt und im Eisbad aufbewahrt.
2.3.5 Kühlung und Wiedererwärmung
Vor Beginn der Kühlung wurden den Ratten U-förmige Polyethylenschläuche 4 bzw. 6 cm
tief in Ösophagus und Rektum eingeführt. Zur Regulation der Körpertemperatur wurden
diese, gemeinsam mit dem hohlen Aluminiumbrett, mit kaltem oder warmem Wasser aus dem
Wasserbad durchspült. In der Kühlungsphase wurde das Wasserreservoir auf 4-6°C
eingestellt. Sobald die Körperkerntemperatur 15°C erreichte, wurde die Wassertemperatur auf
11-12°C erwärmt. So konnte in der hypothermen Phase eine stabile Körpertemperatur von
15°C erreicht werden. In der Erwärmungsphase wurde das Wasser auf 42°C eingestellt, wobei
die Wassertemperatur in den Schläuchen hierbei etwa 1 bis 2 Grad niedriger war. Die
Körpertemperatur wurde mit einem Temperaturfühler gemessen, der zuvor über die rechte A.
femoralis in den Aortenbogen eingebracht worden war. Der Abkühlungsprozess dauerte 93 ±
14, der Wiedererwärmungsprozess 98 ± 13 Minuten.
2.3.6 Messung des HZV
Das HZV wurde mit einer Thermodilutionsmethode gemessen. Eisgekühlte (0,6-1°C) isotone
NaCl-Lösung wurde über den ZVK in den rechten Vorhof injiziert (0,1-0,15 ml). Das HZV
wurde mit Hilfe folgender Formel errechnet:
HZV = (TBlut – TInj) x (VolInj.) / ∫T dt
(TBlut ist die Temperatur des Bluts im Aortenbogen, TInj die des Injektats und VolInj das Volumen des Injektats)
Während der Hypothermie (15°C) war die Messung des HZV auf Grund des zu geringen
Temperaturunterschieds zwischen Blut und Dilutionslösung nicht möglich.
2.3.7 Messung der Blutgase und Berechnung des Sauerstoffverbrauchs
Arterielle und venöse Blutproben wurden aus Aorta und rechtem Ventrikel entnommen. pO2,
pCO2 und pH-Wert wurden bei 37°C Elektrodentemperatur gemessen.
14
Die Sauerstoffsättigung wurde mit Hilfe von Nomogrammen von Kelman und Nunn unter
Berücksichtigung des pH bestimmt (Kelman 1966). Anschließend wurde der Sauerstoffgehalt
anhand folgender Formel errechnet:
O2-Gehalt = 1,36 x 10-2 x [Hb] x SO2
[ml O2/100 ml Blut]
(1,36 als Hüfner-Zahl in ml/g; Hb ist die Hämoglobinkonzentration in g/dl; SO2 ist die Sauerstoffsättigung in %)
Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz ist die Differenz von arteriellem und venösem
Sauerstoffgehalt.
Der Sauerstoffverbrauch ergab sich aus folgender Formel:
O2-Verbrauch = av-diff x HZV / KG
[ml O2/min/100 g]
(KG ist das Körpergewicht in 100 g)
Bei der Berechnung des Sauerstoffgehalts bei 28 und 20°C ist zu beachten, dass es sich hier
nur um Näherungen handelt. Bei diesen Temperaturen war keine Hämoglobinkonzentration
gemessen worden. Zur Berechnung der Sauerstoffgehalte des Bluts bei 28°C während
Abkühlung / Wiedererwärmung wurden die Hämoglobinwerte verwendet, die bei 37°C vor
Ab-kühlung / nach Wiedererwärmung gemessen worden waren. Zur Errechnung der
Sauerstoffgehalte des Bluts bei 20°C während Abkühlung / Wiedererwärmung wurden die
Hämoglobinwerte verwendet, die bei 15°C nach Abkühlung / vor Wiedererwärmung
gemessen worden waren.
2.3.8 Bestimmung des zirkulierenden Blutvolumens
Das zirkulierende Blutvolumen wurde nach einer Dilutionsmethode von Tschaikowsky
gemessen (Tschaikowsky 1997).
Das Prinzip der der Dilutionsmethode besteht darin, das eine festgelegte Menge einer
geeigneten Substanz sich im intravasalen Plasma gleichmäßig verteilt. Die Konzentration
dieser Substanz ist damit umgekehrt proportional zum intravasalen Plasma-Volumen:
i.v.-Plasma-Volumen = Substanzmenge / Substanzkonzentration
Das i.v-Blutvolumen kann damit folgendermaßen errechnet werden:
i.v.-Blutvolumen = Substanzmenge / Substanzkonzentration / Hämatokrit
Als Dilutionsmarker wurde Hydroxyläthylstärke benutzt (HÄS).
15
Vor und 5 Minuten nach Injektion von 0,5 ml HÄS wurde 0,4 ml Blut aus der A. femoralis
entnommen. Das Blut wurde in Eppendorf Behältern 5min bei 10000 rpm zentrifugiert.
Das Plasma wurde in Kryogefäße gefüllt und mit konzentrierter Salzsäure versetzt
(Verhältnis: 15 µl zu 60 µl Plasma). Anschließend wurden die Behälter 7 min in einem
kochenden Wasserbad inkubiert. Nach der Inkubation wurde die Säure mit 3,33 M Tris Puffer
neutralisiert (55 µl zu 60 µl Plasma) und der pH-Wert mit Indikatorpapier kontrolliert. Zu
diesem Zeitpunkt kann von einer vollständigen Hydrolyse von HÄS zu Glucose ausgegangen
werden (Tschaikowsky 1997). Ausgefälltes Protein und Debris wurden abzentrifugiert (2 min,
17000 rpm). Die Glucosekonzentration wurde gemessen. Das Resultat wurde auf Grund der
Plasmaverdünnung durch HCl und Tris Puffer mit 2,17 multipliziert.
Die Differenz der Glucosekonzentrationen vor und nach Gabe von HÄS ist proportional zur
HÄS-Konzentration im Blut und konnte so als Dilutionsmarker benutzt werden. Das
Blutvolumen wurde mit Hilfe folgender Formel berechnet:
BV = 3082 x VolHÄS / ∆Glucose / (1 - Hct).
(BV ist das Blutvolumen in ml ; 3082 ist ein konstanter Faktor in mg% (ermittelt von Tschaikowsky et. al.,
1997); VolHÄS ist das Volumen der HÄS-Injektion in ml; ∆Glucose ist die Differenz der Glucosekonzentrationen
vor und nach HÄS-Injektion in mg%; Hkt ist der Hämatokrit in %)
2.4 Statistik
Mittelwert und Standardfehler des Mittelwertes
Die Mittelwerte der Stichproben und Standardabweichungen, sowie der Standardfehler des
Mittelwertes (standard error of the mean, SEM) wurden nach den gängigen Formeln
berechnet. Die Ergebnisse sind als
X ± SEM
angegeben. Der Variationskoeffizient ist definiert
als prozentualer Anteil der Standardabweichung vom Mittelwert.
Signifikanzprüfung
Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten von zwei Gruppen wurden mit Hilfe des
zweiseitigen Student-t-Tests auf ihre Signifikanz untersucht. Beim Vergleich der Mittelwerte
innerhalb einer Gruppe zu unterschiedlichen Messpunkten wurde eine Multivarianzanalyse
(Analysis of variance, ANOVA) mit Tukey-Post-Test zur Signifikanzprüfung verwendet. Eine
Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 wurde als signifikant angenommen.
16
3 Ergebnisse:
3.1 Einfluss von Abkühlung und Wiedererwärmung auf die Hämodynamik
Zur Beurteilung der Hämodynamik der Ratten während Abkühlung, Hypothermie und
Wiedererwärmung wurden Herzzeitvolumen (HZV), Herzfrequenz (HF), Schlagvolumen
(SV), peripherer Gefäßwiderstand (TPR), mittlerer arterieller Druck (MAP), Kontraktilität
(LVdP/dtmax) und der linksventrikuläre enddiastolische Füllungsdruck (EDP) bestimmt.
Abb. 3 zeigt das Herzzeitvolumen bei Abkühlung und Wiedererwärmung. Während der
Abkühlung auf 20°C kam es zu einer Verminderung des HZV auf etwa die Hälfte der
Ausgangswerte der beiden Gruppen. Wiedererwärmung nach einer Stunde Hypothermie
führte zu einer vollständigen Normalisierung des HZV. Bei Wiedererwärmung nach fünf
Stunden Hypothermie hingegen blieb das HZV signifikant vermindert. Der Wert stieg nur auf
60 ± 2,8% des Ausgangswertes (93,4 ± 5,7 ml/min vs. 155,9 ± 8,7 ml/min).
Herzzeitvolumen (ml/min)
1 80
1 60
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
1 40
1 20
1 00
80
60
40
#
+
15 °C
20
0
40
-40
35
-35
30
-30
A bküh lu ng
25
-25
20
-20
15
-1 5
15
20
25
30
35
40
°C
W iede rerw ä rm ung
Abb. 3: Herzminutenvolumen (HZV) und Körpertemperatur von Ratten
während Abkühlung und Wiedererwärmung nach 1 (-●-) oder 5 (-■-) Stunden
Hypothermie (15°C). n = 7 pro Gruppe. X ± SEM . Die x-Achse zeigt die
Körpertemperatur zu den jeweiligen Messpunkten. Die Abkühlung dauerte 93
± 14 min., Hypothermie 1 bzw. 5 h, die Wiedererwärmung 98 ± 13 min. # = p
< 0,001 vs. Ausgangswert; + = p < 0,001 vs 1 h Hypothermie-Gruppe nach
Wiedererwärmung.
17
Abb. 4 zeigt die Herzfrequenz, das Schlagvolumen, den peripheren Gefäßwiderstand, den
mittleren arteriellen Druck, den linksventrikulären enddiastolischen Füllungsdruck (EDP) und
die Kontraktilität (LVdP/dtmax) während Abkühlung und Wiedererwärmung.
A
B
1,2
#
450
Schlagvolumen (ml/Schlag)
Herzfrequenz (Schläge/min)
500
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
400
350
300
250
200
150
100
15°C
50
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
0,8
0,6
0,4
#
15°C
0,2
#
+
0,0
0
-40
40 -35
35
-30
30
-25
25
-20
20 15
-15
15
20
25
30
35
40
-40
40
°C
-35
35
-30
30
-25
-20 15
-15
25 20
15
20
25
30
35
40
°C
D
C
Mittlerer arterieller Druck (mmHg)
1,6
#
1,4
TPR (mmHg/(ml/min))
1,0
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
#
+
15°C
0,2
0,0
-40
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 -15
15
15
20
25
30
35
40
160
+
#
140
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
120
100
80
60
40
#
15°C
20
0
-40
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 -15
15
15
20
25
30
35
40
°C
°C
F
E
12
20000
EDP (mmHg)
LVdP/dtmax (mmHg/s)
18000
10
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
8
6
4
2
15°C
16000
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
14000
12000
10000
8000
6000
4000
#
15°C
2000
0
0
-40
40
35
-35 30
-30 25
-25 20-2015 -15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
-40
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 -15
15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
Abb. 4: Herzfrequenz (A), Schlagvolumen (B), peripherer Gefäßwiderstand (C), Mittlerer arterieller Druck (D),
enddiastolischer Druck (E) und LVdP/dtmax (F) von Ratten während Abkühlung und Wiedererwärmung nach 1
(-●-) oder 5 (-■-) Stunden Hypothermie (15°C). X ± SEM . n = 7 pro Gruppe. Auf der x-Achse ist die Temperatur
zum jeweiligen Messpunkt aufgetragen. Die Abkühlung dauerte 93 ± 14 min., Hypothermie 1 bzw. 5 h, die
Wiedererwärmung 98 ± 13 min. # = p < 0,05 vs. Wert bei gleicher Temperatur bei Abkühlung; + = p < 0,05 vs.
1 h Hypothermie-Gruppe bei gleichem Messpunkt.
18
Während Abkühlung auf 15°C sanken Herzfrequenz, mittlerer arterieller Druck und
LVdP/dtmax in beiden Gruppen kontinuierlich ab. Der periphere Gefäßwiderstand blieb stabil
und das Schlagvolumen stieg kontinuierlich an. Der enddiastolische Füllungsdruck stieg
ebenfalls leicht an, dieser Anstieg war jedoch nicht statistisch signifikant. Während der
Wiedererwärmung nach 1 h Hypothermie kehrten praktisch alle hämodynamischen Parameter
wieder auf die Höhe der Ausgangswerte zurück. Ein im Vergleich zum Beginn des
Experiments etwas geringeres Schlagvolumen war von einer leichten Tachykardie begleitet,
so dass das Herzzeitvolumen nach Wiedererwärmung wieder beim Ausgangswert lag. Im
Gegensatz hierzu waren nach Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie neben dem
Schlagvolumen auch der mittlere arterielle Druck und LVdP/dtmax erniedrigt, so dass das
Herzzeitvolumen am Ende des Experiments deutlich niedriger war als zu Beginn. Der
periphere Gefäßwiderstand stieg bei Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie 70 % über das
Ausgangsniveau an, normalisierte sich bei 37°C jedoch wieder.
Als Anhaltspunkt für den Sauerstoffbedarf des Herzens während Abkühlung und Wiedererwärmung wurde das Produkt aus Herzfrequenz und linksventrikulärem systolischen Druck
berechnet (Abb. 5). Dieses war in der 5 h Hypothermie-Gruppe posthypotherm niedriger als
der Ausgangswert bzw. der Wert in der Kontrollgruppe. Der Unterschied war jedoch nicht
signifikant.
HF x LVSP (Schläge/min x mmHg)
1e+5
9e+4
3e+4
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
2e+4
15°C
8e+4
7e+4
6e+4
5e+4
4e+4
1e+4
-40
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 -15
15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
Abb. 5: Herzfrequenz (HF) x linksventrikulärer systolischer Druck (LVSP) und
Körpertemperatur von Ratten während Abkühlung und Wiedererwärmung
nach 1 (-●-) oder 5 (-■-) Stunden Hypothermie (15°C). n = 7 pro Gruppe.
X ± SEM . Die x-Achse zeigt die Körpertemperatur zu den jeweiligen
Messpunkten. Die Abkühlung dauerte 93 ± 14 min., Hypothermie 1 bzw. 5 h,
die Wiedererwärmung 98 ± 13 min.
19
3.2 Ermittlung von Sauerstoffangebot und -verbrauch während Abkühlung und Wiedererwärmung
Um die Sauerstoffversorgung des Gewebes während der oben beschriebenen Veränderungen
der Hämodynamik beurteilen zu können, wurden Sauerstoffpartialdrücke, HämoglobinKonzentration, der pH-Wert und die Laktatkonzentration im Blut gemessen und der
Sauerstoffverbrauch des Gewebes errechnet.
Abb. 6 und 7 zeigen die Sauerstoffpartialdrücke und die Sauerstoffsättigung während
Abkühlung und Wiedererwärmung. Die Sauerstoffsättigung konnte über den gemessenen
Sauerstoffpartialdruck mit Hilfe von Nomogrammen und unter Berücksichtigung des pHWertes (siehe Abb. 14) ermittelt werden. Während Wiedererwärmung sank die venöse
Sättigung in beiden Gruppen ab. Der Wert war nach 5 h Hypothermie bereits deutlich
niedriger als nach 1 h, so dass die venöse Sättigung in der 5 h Hypothermie-Gruppe nach
Wiedererwärmung deutlich unter dem Ausgangsniveau war: Sie lag bei 30 %, während zu
Beginn des Experiments noch 60 % des Hämoglobins im venösen Blut gesättigt war. Die
arterielle Sättigung blieb während des gesamten Versuchs unverändert bei knapp 100 %.
30
120
25
pO2 (kPa)
20
15
10
Sauerstoffsättigung (%)
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
15°C
5
0
100
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
80
60
40
20
#
15°C
0
-40
-15
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 15
-40
-15
15
Abkühlung
Wiedererwärmung
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
Abb. 6: arterieller (-○-) und venöser (-▽-) pO2 von
Abb. 7: arterielle (-○-) und venöse (-▽-) Sauerstoffsät-
Ratten während Abkühlung und Wiederaufwärmung
tigung
nach 1 (schwarz) oder 5 (rot) Stunden Hypothermie
Wiederaufwärmung nach 1 (schwarz) oder 5 (rot)
(15°C). X ± SEM . # = p < 0,05 vs. 1 h Hypothermie-
Stunden Hypothermie (15°C). X ± SEM . # = p < 0,05
Gruppe
vs. 1 h Hypothermie-Gruppe
von
Ratten
während
Abkühlung
und
20
14
12
16
#
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
14
12
10
8
6
4
#
#
15°C
2
Hämoglobin (g/dl)
Sauerstoffgehalt (ml/100ml Blut)
18
4
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
2
1 5 °C
#
10
8
6
#
#
0
-40
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 15
-15
15
Abkühlung
Abb.
8:
arterieller
20
25
30
35
40
0
°C
37
(-○-)
und
venöser
(- ▽ -)
15
A b k ü h lu n g
Wiedererwärmung
Abb.
9:
1155*
37*
°C
W ie d e re rw ä rm u n g
Hämoglobinkonzentration
von
Ratten
Sauerstoffgehalt von Ratten während Abkühlung und
während Abkühlung und Wiederaufwärmung nach 1
Wiederaufwärmung nach 1 (schwarz) oder 5 (rot)
(schwarz) oder 5 (rot) Stunden Hypothermie (15°C).
Stunden Hypothermie (15°C). X ± SEM . # = p < 0,05
X ± SEM . # = p < 0,05 vs. Ausgangswert
vs. Ausgangswert
Abb. 8 zeigt den Sauerstoffgehalt im Blut, der sich unter Einbeziehung von Sauerstoffsättigung (Abb. 7) und Hämoglobinkonzentration (Abb. 9) berechnet.
Während Wiedererwärmung blieb der arterielle Sauerstoffgehalt in beiden Gruppen
unverändert. Der Wert nach 5 h Hypothermie lag jedoch höher als nach 1 h und war mit einer
im Vergleich zur 1 h Hypothermie-Gruppe höheren Hämoglobinkonzentration assoziiert. Der
venöse Sauerstoffgehalt sank in beiden Gruppen während Wiedererwärmung ab. Hier war der
Wert nach 5 h Hypothermie niedriger als nach 1 h, so dass der Sauerstoffgehalt in der 5 h
Hypothermie-Gruppe nach Wiedererwärmung signifikant erniedrigt war.
Aus dem arteriellen und venösen Sauerstoffgehalt konnte die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz, also das Maß der Sauerstoffausschöpfung, errechnet werden.
Abb. 10 zeigt die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz während Abkühlung und Wiedererwärmung. Während Abkühlung auf 15°C sank die Sauerstoffdifferenz auf etwa ein Viertel der
Ausgangswerte der beiden Gruppen ab.
Nach Wiedererwärmung nach 1 h Hypothermie normalisierte sich die Sauerstoffausschöpfung
vollständig, während sie nach Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie fast verdoppelt war:
Sie lag um 87 % höher als der Ausgangswert.
21
arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
(ml/100ml Blut)
12
#
+
10
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
8
6
4
2
1 5 °C
0
-4
4 00 -3
3 55 -3
3 00 -2
2 55 -2
2 00 1-1
55
A b kü h lu n g
15
20
25
30
35
40
°C
W ie d e re rw ä rm u n g
Abb. 10: Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz während Abkühlung und Wiedererwärmung von Ratten während Abkühlung auf 15°C und Wiederaufwärmung
nach 1 (-▼-) oder 5 (-▼-) Stunden Hypothermie. X ± SEM . Die x-Achse zeigt die
Körpertemperatur zu den jeweiligen Messpunkten; # = p<0,05 vs. Ausgangswert;
+ = p < 0,05 vs. 1 h Hypothermie-Gruppe bei gleichem Messpunkt
Durch die Berechnung von Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch ist eine Aussage über
die Menge des pro Zeit transportierten und verbrauchten Sauerstoffs möglich.
Aus der Sauerstoffdifferenz und dem Herzminutenvolumen kann der Sauerstoffverbrauch
errechnet werden. Das arterielle Sauerstoffangebot berechnet sich aus dem arteriellen
Sauerstoffgehalt und dem Herzzeitvolumen. Die Werte werden pro 100 g Körpergewicht
angegeben.
Abb. 11 zeigt das arterielle Sauerstoffangebot und den Sauerstoffverbrauch während
Abkühlung und Wiedererwärmung. Abkühlung führte zu einer kontinuierlichen Abnahme von
sowohl Sauerstoffangebot als auch Sauerstoffverbrauch, wobei der Verbrauch stärker abnahm
als das Angebot. Während Wiedererwärmung nach 1 h Hypothermie stieg das Sauerstoffangebot wieder auf etwa drei Viertel des Ausgangswertes, während es nach Wiedererwärmung
nach 5 h Hypothermie nur auf knapp zwei Drittel anstieg. Trotz niedrigerem Sauerstoffangebot in der 5 h Hypothermie-Gruppe kam es in beiden Gruppen zu einer vollständigen
Normalisierung des Sauerstoffverbrauchs.
22
9
9
8
8
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
7
6
5
4
3
2
Sauerstoffverbrauch (ml/min/100g)
10
Sauerstoffangebot (ml/min/100g)
10
7
6
5
#
4
3
2
15°C
1
1
0
0
-40
-15
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
Abb. 11: arterielles Sauerstoffangebot (-▽-) und Sauerstoffverbrauch (-○-) von Ratten
während Abkühlung und Wiederaufwärmung nach 1 (schwarz) oder 5 (rot) Stunden
Hypothermie (15°C). X ± SEM . Die x-Achse zeigt die Körpertemperatur zu den
jeweiligen Messpunkten. * = p < 0,05 vs. 1 h Hypothermie-Gruppe bei gleichem
Messpunkt
3.3 Änderungen von Hämodynamik, Sauerstoffgehalt und -ausschöpfung
während Hypothermie
Die bisherigen Abschnitte befassten sich mit den Veränderungen der jeweiligen Parameter
während Abkühlung und Wiedererwärmung. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse
der Messungen während der hypothermen Phase dargestellt.
Abb. 12 zeigt LVdP/dtmax, linksventrikulären endiastolischen Druck, mittleren arteriellen
Druck und Herzfrequenz während der hypothermen Phase.
LVdP/dtmax sank während der 5-stündigen Hypothermie kontinuierlich bis fast auf die Hälfte
des Wertes zu Beginn der hypothermen Phase ab: 1638 ± 265 vs. 920 ± 137 mmHG/s. Auch
EDP halbierte sich nahezu. Herzfrequenz und MAP blieben stabil.
Abb. 13 zeigt den arteriellen und venösen Sauerstoffgehalt und die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz während 1 oder 5 h Hypothermie.
23
12
3000
10
EDP (mmHg)
LVdP/dt max (mmHG/s)
2500
2000
1500
#
8
6
4
1000
2
#
500
0
0
0
1
2
3
4
5
0
6 h
2
3
4
5
6h
100
Herzfrequenz (Schläge/min)
50
mittlerer arterieller Druck (mmHg)
1
40
30
20
10
80
60
40
20
0
0
0
1
2
3
4
5
6
0
h
1
2
3
4
5
6 h
Abb. 12: LVdP/dtmax, EDP, Herzfrequenz und mittlerer arterieller Druck während einer bzw. fünf Stunden bei
15°C. Mittelwerte ± Standardfehler. # = p < 0,5 vs. Wert zu Beginn der hypothermen Phase; Schwarze Kreise:
1 h Hypothermie-Gruppe, Rote Vierecke: 5 h Hypothermie-Gruppe
10
16
#
arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
(ml O2/ 100 ml Blut)
Sauerstoffgehalt (ml O2 / 100ml Blut)
18
14
12
10
8
6
4
8
#
6
4
2
2
0
0
0
1
2
3
4
5
h
0
1
2
3
4
5
h
Abb. 13: Arterieller (○) und venöser (▽) Sauerstoffgehalt und arteriovenöse Sauerstoffdifferenz während 1
(schwarz) bzw. 5 (rot) Stunden Hypothermie (15°C) Körpertemperatur. X ± SEM ; # = p < 0,5 vs. Wert zu
Beginn der hypothermen Phase
24
Da in der hypothermen Phase das Herzzeitvolumen nicht gemessen werden konnte, konnte
der Sauerstoffverbrauch (HZV x arteriovenöse Sauerstoffdifferenz) nicht berechnet werden.
Der arterielle Sauerstoffgehalt lag zu Beginn der Hypothermie leicht unter dem Ausgangswert
und stieg während 5 h Hypothermie kontinuierlich an. Dieser Anstieg war mit einer
steigenden Hämoglobinkonzentration bei leichter Hämokonzentration (siehe unten, Abb.19)
verbunden. Der venöse Sauerstoffgehalt lag zu Beginn der Hypothermie über dem
prähypothermen Wert und sank während 5 h auf Höhe des prähypothermen Wertes ab. Die
arteriovenöse Sauerstoffdifferenz verdreifachte sich im Verlauf von 5 h Hypothermie.
3.4 Einfluss von Abkühlung, Hypothermie und Wiedererwärmung auf den
pH-Wert, den pCO2 und die Laktatkonzentration
Die Temperaturänderungen im Verlauf der Experimente und die damit verbundenen
Veränderungen der Sauerstoffversorgung gingen in beiden Gruppen mit unterschiedlich
ausgeprägten Veränderungen des Säure-Base-Haushaltes (pH-Wert, pCO2 und Laktatkonzentration) einher.
Abb. 14 und 15 zeigen den venösen pH-Wert und den arteriellen pCO2 während Abkühlung
und Wiedererwärmung.
7,6
16
7,5
7,2
7,1
7,0
6,9
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
12
pCO2 (kPa)
7,3
pH
14
H
Y
P
O
T
H
E
R
M
I
E
7,4
#
10
8
6
4
15°C
6,8
15°C
2
0,0
#+
#
0
-40
-15
40 -35
35 -30
30 -25
25 -20
20 15
Abkühlung
15
20
25
30
35
40
°C
Wiedererwärmung
37
Abkühlung
15
15
15*
37
37*
°C
Wiedererwärmung
Abb. 14: venöser pH-Wert während Abkühlung und
Abb. 15: arterieller (-○-) und venöser (-▽-) pCO2
Wiedererwärmung von Ratten nach 1 (schwarz)
während Abkühlung und Wiedererwärmung von
oder 5 (rot) Stunden Hypothermie (15°C). X ± SEM .
Ratten nach 1 (schwarz) oder 5 (rot) Stunden
# = p < 0,05 vs. Ausgangswert; + = p < 0,05 vs. zur
Hypothermie (15°C). X ± SEM ; # = p < 0,05 vs. 1 h
1 h Hypothermie-Gruppe
Hypothermie-Gruppe
25
Bei Abkühlung auf 20 °C kam es zu einem deutlichen Abfall des (bei 37 °C Elektrodentemperatur gemessenen) pH-Werts. Während der Wiedererwärmung normalisierte sich der pH-Wert
in der 1 h Hypothermie-Gruppe vollständig, in der 5 h Hypothermie-Gruppe hingegen blieb
die Azidose unverändert bestehen. Abb. 15 zeigt den posthypotherm signifikant erniedrigten
pCO2, mit dem die Azidose nach 5 h Hypothermie und Wiedererwärmung assoziiert war.
Gleichzeitig waren die Laktatkonzentration im Plasma und im Myokard nach Wiedererwärmung in der 5 h Hypothermie-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöht (Abb. 16 und
17). Bei scheinoperierten Ratten (gleiche Operation wie in dem für die vorliegende Studie
verwendeten Model, jedoch 5 h bei 37°C, keine Abkühlung bzw. Wiedererwärmung) lag die
Plasma-Laktatkonzentration am Ende des Experiments bei 1,9 ± 0,1mmol/l, die myokardiale
Laktatkonzentration bei 1 ± 0,01 µmol/l.
12
3,0
#
#
Laktat im Myokard (µmol/l)
Plasmalaktat (mmol/l)
10
8
6
4
2
0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
1h-hyp
5h-hyp
1h-hyp
5h-hyp
Abb.16: Laktatkonzentration im Plasma am Ende
Abb.17: Laktatkonzentration im Myokard am Ende
der Wiedererwärmung nach 1 (schwarz) oder 5
der Wiedererwärmung nach 1 (schwarz) oder 5
(rot) Stunden Hypothermie (15°C).
(rot) Stunden Hypothermie (15°C).
< 0,05 vs. 1 h Hypothermie-Gruppe
X ± SEM
;#=p
X ± SEM
;#=p
< 0,05 vs. 1 h Hypothermie-Gruppe
3.5 Einfluss von Abkühlung, Hypothermie und Wiedererwärmung auf das
zirkulierende Blutvolumen und den Hämatokrit
Ein Hinweis auf eine gestörte Mikrozirkulation während Hypothermie findet sich in den
Veränderungen im zirkulierenden Blutvolumen während der Versuche. Abb. 18 zeigt das
zirkulierende Blutvolumen vor Abkühlung, nach einer bzw. fünf Stunden Hypothermie und
nach Wiedererwärmung.
26
Nach Abkühlung auf 15°C Körpertemperatur und 1 bzw. 5 h Hypothermie lag das
zirkulierende Blutvolumen unter 50 % der Ausgangswerte der beiden Gruppen. Bei
Wiedererwärmung stieg das zirkulierende Blutvolumen in beiden Gruppen an, so dass es am
Ende der Versuche wieder bei etwa ¾ des Ausgangswertes lag. Die beiden Gruppen
unterschieden sich nach Wiedererwärmung nicht signifikant in ihrem zirkulierenden
zirkulierendes Blutvolumen (ml/100g)
Blutvolumen.
12
10
#
8
#
6
#
4
#
+
2
0
vor Kühlung
vor Erwärmung nach Erwärmung
Abb. 18: zirkulierendes Blutvolumen vor Abkühlung und vor und nach
Wiedererwärmung nach 1 (schwarz) oder 5 (rot) Stunden Hypothermie (15°C).
X ± SEM ; # = p < 0,05 vs. Ausgangswert; + = p < 0,05 vs. andere Gruppe bei
Abb.19 zeigt den Hämatokrit vor und nach Abkühlung sowie vor und nach Wiedererwärmung. Bei Abkühlung sank der Hämatokrit leicht und stieg während der hypothermen Phase
wieder leicht an. Nach Wiedererwärmung war der Hämatokrit etwas niedriger als der
Ausgangswert in der 1 h Hypothermie-Gruppe. In der 5 h Hypothermie-Gruppe war er nicht
signifikant unterschiedlich zum Ausgangswert. Die drastische Abnahme des zirkulierenden
Blutvolumens war mit geringen Änderungen des Hämatokrits (um unter 15 % des
Ausgangswertes) verbunden.
27
60
Hämatokrit (%)
50
40
30
20
10
0
vor Kühlung
Anfang Hypothermie
Ende Hypothermie
nach Erwärmung
Abb. 19: Hämatokrit vor Abkühlung, zu Anfang und zu Ende der
hypothermen
Phase
sowie
nach
Wiedererwärmung
nach
(schwarz) oder 5 (rot) Stunden Hypothermie (15°C). X ± SEM ;
1
28
4 Diskussion:
In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass es bei Wiedererwärmung nach 1 h
Hypothermie (15°C) zu einer vollständigen Normalisierung der Hämodynamik kommt,
während dies nach 5 h Hypothermie nicht der Fall ist. Die unvollständige Erholung des
Herzzeitvolumens (auf ca. 60 % des Ausgangswerts) nach 5 h Hypothermie ist im Wesentlichen auf eine verschlechterte myokardiale Kontraktilität (LVdP/dtmax) bei Wiedererwärmung
zurückzuführen. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass das Myokard während der
Wiedererwärmung hypoxisch ist. Da der Ganzkörper-Sauerstoffverbrauch nach Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie sich weder von den prähypothermen Werten noch von den
Werten der Kontrollgruppe (1 h Hypothermie) unterscheidet, ist die Sauerstoffversorgung
während Wiedererwärmung vermutlich ausreichend.
Das deutlich erniedrigte zirkulierende Blutvolumen während tiefer Hypothermie in beiden
Gruppen lässt vermuten, dass wesentliche Anteile des Körperkreislaufs in dieser Phase von
der Perfusion ausgeschlossen sind. Diese regionale Ischämie während prolongierter
Hypothermie (5 h) und eine anschließende Reperfusion der ischämischen Gebiete spielt
möglicherweise eine Rolle bei der unvollständigen Normalisierung des Herzzeitvolumens bei
Wiedererwärmung.
Zu einer mangelhaften Sauerstoffversorgung des Gewebes in den vorliegenden Experimenten
könnte es aus unterschiedlichen Gründen kommen:
1. Vorliegen einer Anämie
2. Eine unzureichende Oxygenierung des Blutes in der Lunge
3. Eine zytotoxisch ausgelöste relative Hypoxie wie bei Sepsis beobachtet: beeinträchtigte Nutzung des aufgenommenen Sauerstoffs (Aghajani 2004)
4. Eine Ischämie durch Störung der Hämodynamik auf peripherer und / oder zentraler
Ebene
1. Für das Vorliegen einer Anämie gab es während der Versuche in keiner der beiden
Versuchsgruppen Anhaltspunkte. Die Hämoglobinkonzentration erreichte mit 9,4 ± 0,3 g/dl
einen akzeptablen Tiefstwert zu Beginn der hypothermen Phase. Dies war mit einer leichten
Hämodilution verbunden – der Hämatokrit fiel von 44,4 ± 0,7 auf 38,4 ± 1,5 %. Ein Verlust
von Vollblut im Sinne einer Blutung (ohne Auswirkung auf die Hämoglobinkonzentration)
wurde weder während der Experimente noch bei der anschließenden Obduktion beobachtet.
29
2. Die arterielle Sauerstoffsättigung lag während der Versuche stabil bei knapp 100 %. Für
eine pulmonale Dysfunktion, die zu einer mangelhaften Oxygenierung des Blutes führen
könnte, gibt es also keinen Anhaltspunkt.
3. Eine eingeschränkte Nutzung des Sauerstoffangebots auf Grund hypothermiebedingten
mitochondrialen Schäden ist theoretisch denkbar, hierüber kann aber an dieser Stelle nur
spekuliert werden. Tveita et. al. beobachteten morphologische Veränderungen der myokardialen Mitochondrien nach Wiedererwärmung im Elektronenmikroskop (Verlust der länglichen
Form). Diese Veränderungen können auf eine mitochondriale Dysfunktion hindeuten. In den
vorliegenden Versuchen wurde jedoch die Sauerstoffversorgung des Gewebes untersucht –
eine Beurteilung der Mitochondrienfunktion war nicht Ziel der Studie.
4. Abkühlung führte in beiden Gruppen zu einer Senkung fast aller hämodynamischer
Variablen. Eine Ausnahme bildeten das Schlagvolumen, das anstieg, und der periphere
Gefäßwiderstand sowie der enddiastolische Druck, die stabil blieben. Diese Ergebnisse
bestätigen die Resultate früherer Experimente am gleichen Modell (Tveita 1996). Ein Anstieg
des Schlagvolumens während Abkühlung wurde auch von Popovic und Tchuikin beobachtet
(Popovic 1965; Tchuikin 1998). Die Ursache hierfür ist unklar. Die physiologische
Herzfrequenz von Ratten liegt bei ca. 450/min in Ruhe. Sie sinkt während Abkühlung
dramatisch (auf bis zu 50 Schläge/min). Es ist denkbar, dass bei dieser langsamen Herzfrequenz die verlängerte Diastole eine stärkere Füllung der Ventrikel zulässt und damit ein
höheres Schlagvolumen ermöglicht, als die Diastole während der physiologischen Herzfrequenz. Wie in der Einleitung beschrieben sind außerdem Änderungen der Ca2+-Homöostase in
den Myozyten möglich, die zu einem steigenden Schlagvolumen führen könnten. Das erhöhte
Schlagvolumen konnte in der vorliegenden Studie jedoch die niedrige Herzfrequenz nicht
kompensieren, so dass das Herzzeitvolumen während Abkühlung auf unter die Hälfte des
Ausgangswerts sank.
Im Gegensatz zu 1 h Hypothermie kam es während 5 h bei 15°C zu einer weiteren
Verschlechterung der myokardialen Kontraktilität. Gleichzeitig sank der linksventrikuläre
enddiastolische Füllungsdruck von 6,7 ± 1,6 mmHg auf 3,3 ± 0,8 mmHg, was auf einen
sinkenden venösen Rückstrom hindeutet. Der periphere Blutdruck blieb stabil. Schlagvolumen, peripherer Widerstand und Herzzeitvolumen konnten in dieser Phase aus methodischen
Gründen nicht gemessen werden. Geht man jedoch davon aus, dass sich der Sauerstoffverbrauch der Zellen während gleich bleibend tiefer Hypothermie nicht ändert, so kann die
ansteigende arteriovenöse Sauerstoffdifferenz als Indikator eines sinkenden Herzzeitvolumens
interpretiert werden. Das sinkende Herzzeitvolumen ist auf eine Verminderung des
30
Schlagvolumens zurückzuführen, da die Herzfrequenz stabil blieb (HZV = HF x SV). Das
Schlagvolumen war vermutlich durch die sinkende Kontraktilität und die sinkende Vorlast
während Hypothermie beeinträchtigt. Diese Ergebnisse – sinkendes Herzzeitvolumen,
sinkendes Schlagvolumen und verschlechterte Kontraktilität bei stabiler Herzfrequenz
während Hypothermie – bestätigen die Beobachtungen in früheren Experimenten am gleichen
Model (Tveita 1996). Sie entsprechen auch den Beobachtungen von Popovic und Tchuikin
von Ratten während der ersten 3-5 h bei 15-13°C (Popovic 1965; Tchuikin 1998). Es handelt
sich damit um zuverlässig reproduzierbare hämodynamische Auswirkungen von Abkühlung
und tiefer Hypothermie auf Ratten. Es ist unklar, welche Faktoren die sinkende myokardiale
Kontraktilität während prolongierter Hypothermie verursachen. Störungen des osmotischen
Gleichgewichts und der Membranstabilität der Myozyten sowie die Ausbildung von intraund extrazellulären Ödemen sind am Myokard beobachtet worden (McConnell 1973;
Macknight 1977; Steigen 1992; Tveita 1998). Myokardialer Sauerstoffmangel und Störungen
der Ca2+-Homöostase werden diskutiert (Tveita 1996; Kondratjev 2004).
Die oben beschriebenen hämodynamischen Veränderungen machen ein Vorliegen einer
beeinträchtigten Gewebeperfusion während Hypothermie wahrscheinlich. Die Analyse der
drastischen Veränderungen im zirkulierenden Blutvolumen liefert weitere Anhaltspunkte für
eine Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff in dieser Phase:
Am Ende der hypothermen Periode war das zirkulierende Blutvolumen in beiden Gruppen auf
unter die Hälfte des Ausgangsniveaus gesunken (siehe Abb. 18). Dieses Ergebnis bestätigt
Beobachtungen anderer Autoren während prolongierter Hypothermie (Spurr 1959; Popovic
1960; McArthur 1992). Es gibt fünf Möglichkeiten, die die Reduktion des zirkulierenden
Blutvolumens erklären können:
a) Wesentliche Anteile des Körperkreislaufs waren möglicherweise während der Hypothermie von der Perfusion ausgeschlossen. Das Blut, das in diesen Anteilen stagnierte,
konnte nicht von der HÄS-Dilutionsmethode zur Messung des Blutvolumens erreicht
werden.
b) Es könnte durch eine ungenügende Flüssikeitssubstitution oder durch Volumenverschiebungen nach extravasal zu einer Hämokonzentration gekommen sein.
c) Es könnte zu Verlusten von Vollblut an das Gewebe oder eine Körperhöhle im Sinne
einer Blutung gekommen sein.
d) Massive Polyurie könnte zu einem Volumenverlust geführt haben.
e) Die Messwerte könnten artefaktbehaftet sein.
31
a) Es ist denkbar, dass es während Hypothermie zu einem intravaskulären Stagnieren des
Blutflusses kommt. Dies ist von verschiedenen Autoren vermutet worden: Lynch et al
untersuchten den Blutfluss im Mesocaecum von Ratten (19°C) und in Hamsterbacken (115°C) und konnten Blutstagnationen in einem Großteil der Kapillaren unter dem Mikroskop
beobachten (Lynch 1957). Rodbard et al hatten eine Verkleinerung von sowohl Plasmavolumen als auch Thiozyanatraum (entspricht etwa dem Extrazellulärraum) bei hypothermen
Hühnern und Kaninchen gemessen und folgerte, dass Blut in einem Teil der Kapillaren
stagniert (Rodbard 1951). Chen und Chien beobachteten eine Abnahme des Plasmavolumens
bei gleichzeitiger Abnahme des Lymphflusses im ductus thoracicus. Sie gingen von einer
Sequestrierung von Plasma in verschlossenen Gefäßen aus (Chen 1977). Eine Stagnation des
Blutflusses in beträchtlichen Abschnitten der Zirkulation ist daher eine plausible Erklärung
für die Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens im vorliegenden Versuch.
Über die Ursache der Stagnation bei Hypothermie kann nur spekuliert werden. Der niedrige
Blutdruck und eine erhöhte Blutviskosität (durch die tiefe Temperatur, Hämokonzentration
und Blutzellaggregation auf Grund der niedrigen Flussgeschwindigkeit) könnten eine Rolle
spielen. Die Befunde legen eine partielle Stagnation des Blutflusses als wahrscheinlichste
Erklärung für das erniedrigte zirkulierende Blutvolumen nahe.
b) Es gibt jedoch auch weitere Möglichkeiten, die in Betracht kommen. Hämokonzentration
während prolongierter Hypothermie ist ein häufig beobachtetes Phänomen (Adolph 1946;
Spurr 1959; McArthur 1992). In der vorliegenden Arbeit war der Hämatokrit jedoch relativ
stabil (leichte Hämodilution bei Abkühlung und leichte Hämokonzentration während
Hypothermie, siehe Abb. 19). Eine Verschiebung von Plasma in das Interstitium oder nach
intrazellulär ist als alleinige Erklärung für einen Verlust von fast ⅔ des zirkulierenden
Blutvolumens ausgeschlossen. Auch wenn der Hämatokrit innerhalb des Körpers variieren
kann und die Messergebnisse daher ungenau sein können ist ein Blutvolumenverlust in
diesem Ausmaß nicht allein durch Hämokonzentration möglich.
c) Die Tatsache, dass es während Wiedererwärmung relativ schnell zu einer weitgehenden
Normalisierung des zirkulierenden Blutvolumens kommt, schließt wiederum eine massive
Blutung als Erklärung für das erniedrigte zirkulierende Blutvolumen während Hypothermie
aus. Außerdem ergab die Obduktion der Tiere keinen Hinweis auf eine Blutung.
d) Eine Polyurie wäre während der Versuche bemerkt worden. Die Ratten in der hypothermen
Phase schieden jedoch nur minimale Mengen von Urin aus.
32
e) Schließlich ist denkbar, dass die Methode zur Bestimmung des zirkulierenden Blutvolumens unter hypothermen Bedingungen unzuverlässige Werte misst. Die Methode nach
Tschaikowsky basiert auf der gleichmäßigen Verteilung von Hydroxyläthylstärke (HÄS) im
zirkulierenden Blutvolumen. Die HÄS wird in einer 5 Minuten nach der HÄS-Injektion
entnommenen Blutprobe zu Glucose hydrolysiert. Die Differenz der Glucosekonzentrationen
vor und nach Injektion ist proportional zum zirkulierenden Blutvolumen. Diese Methode ist
bisher nur im normothermen Kreislauf getestet worden, und es stellt sich die Frage, ob sie
auch für den hypothermen Kreislauf geeignet ist. Mögliche Fehlerquellen ergeben sich aus
einer ungleichen Verteilung der HÄS im zirkulierenden Blutvolumen während Hypothermie
und einem möglichen Abbau von HÄS im Blut.
Nach Injektion von HÄS wurde 5 Minuten abgewartet, bevor die HÄS-Konzentration
bestimmt wurde. In früheren Versuchen am gleichen Modell wurde bei 15-13°C Körpertemperatur noch ein Herzzeitvolumen von mindestens 20 ml/min gemessen (Tveita 1996). Wenn
man davon ausgeht, dass eine 300 g schwere Ratte über ein Blutvolumen von etwa 30 ml
verfügt (ca. 10 ml/100 g KG, gemessen bei Normothermie), wurde demnach im Laufe von 5
Minuten das Blutvolumen mehr als 3-mal durch den Kreislauf gepumpt. Daher ist wahrscheinlich, dass sich die HÄS im zirkulierenden Blutvolumen gleichmäßig verteilen konnte.
Wie oben erklärt ist es allerdings möglich, dass das zirkulierende Blutvolumen unter
hypothermen Bedingungen nicht mit dem gesamten intravasalen Blutvolumen übereinstimmt.
Es ist unwahrscheinlich, dass es zu einer Verfälschung der Ergebnisse durch Abbau der HÄS
(durch Amylase) im Zeitraum von 5 Minuten kommt, da auch unter normothermen
Verhältnissen noch nach 15 Minuten 100 % der HÄS-Infusion im Plasma nachweisbar sind
(Halmagyi 1984). Unter tief hypothermen Verhältnisse kann von einer noch geringeren
Amylase-Aktivität ausgegangen werden.
Aus den oben aufgeführten Überlegungen kann geschlossen werden, dass es während
Hypothermie zu einer ausgedehnten Stagnation des Blutflusses kommt. Sie ist nach 5 h
Hypothermie noch etwas deutlicher ausgeprägt als nach 1 h Hypothermie: Das Blutvolumen
sank in der 5 h Hypothermie-Gruppe von ca. 10 ml/100 g vor Abkühlung auf 3,21 ± 0,22,
während es in der 1 h Hypothermie-Gruppe nur auf 3,95 ± 0,16 ml/100 g sank. Dies spricht
dafür, dass das zirkulierende Blutvolumen zwischen der 2. und der 5. Stunde Hypothermie
weiter sank und spiegelt sich vermutlich auch im oben beschriebenen sinkenden enddiastolischen Füllungsdruck wieder.
33
Das Ganzkörper-Sauerstoffangebot und der Sauerstoffverbrauch konnten in der hypothermen
Phase nicht berechnet werden, da das Herzzeitvolumen nicht gemessen werden konnte. Die
verschlechterte Hämodynamik während Hypothermie und das Stagnieren von fast ⅔ des
zirkulierenden Blutvolumens deuten im vorliegenden Versuch jedoch stark darauf hin, dass
ein Teil des Gewebes während einer Periode von einer bzw. fünf Stunden nicht oder nur
schlecht perfundiert war. Trotz normalem arteriellen Sauerstoffgehalt im zirkulierenden Blut
während Hypothermie (ca. 13 ml/100ml Blut, siehe Abb. 13) kann es so zu einem Sauerstoffmangel in Teilen des Gewebes gekommen sein. In der Literatur gibt es zahlreiche
Hinweise darauf, dass Sauerstoffmangel auf Grund von schlechter Mikrozirkulation ein
wichtiger begrenzender Faktor für die Lebensdauer warmblütiger Lebewesen unter
hypothermen Bedingungen (ohne Wiedererwärmung) darstellt (Hershenson 1989; McArthur
1992; Lee 2000).
Es stellen sich an diesem Punkt zwei Fragen:
1. Beschränkte sich im vorliegenden Versuch der Sauerstoffmangel im Gewebe auf die
hypotherme Periode, oder kam es auch während Wiedererwärmung zu einer Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff?
2. Begrenzt der Sauerstoffmangel während prolongierter Hypothermie nicht nur das
Überleben unter hypothermen Bedingungen, sondern auch die Erholung der Hämodynamik während Wiedererwärmung und damit ein Überleben nach Erreichen der Normothermie?
Während Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie kam es im den vorliegenden Versuchen
nicht zu einem Sauerstoffmangel im Gewebe:
Bei unvollständiger Normalisierung des HZV in der 5 h Hypothermie-Gruppe war
•
das Sauerstoffangebot während Wiedererwärmung im Vergleich zur Kontrollgruppe
erniedrigt (siehe Abb. 11: ca. 4 vs. ca. 6 ml/min/100g).
•
die Sauerstoffausschöpfung (arteriovenöse Sauerstoffdifferenz) fast doppelt so hoch
wie in der Kontrollgruppe (siehe Abb. 10).
•
der Sauerstoffverbrauch in beiden Gruppen gleich hoch. In beiden Gruppen war der
Sauerstoffverbrauch während Hypothermie auf ca. ⅓ herabgesetzt, normalisierte sich
jedoch während Wiedererwärmung vollständig (siehe Abb. 11).
34
Das auf Grund des herabgesetzten Herzzeitvolumens niedrige Sauerstoffangebot in der 5 h
Hypothermie-Gruppe konnte also durch eine erhöhte Sauerstoffausschöpfung kompensiert
werden.
Für diese Konstellation der Ergebnisse gibt es 2 unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten:
1. Es ist theoretisch denkbar, dass der Sauerstoffbedarf während Wiedererwärmung nach 5 h
Hypothermie höher ist als bei Wiedererwärmung nach 1 h Hypothermie. In diesem Fall
limitiert möglicherweise das Sauerstoffangebot den Verbrauch und hält ihn auf gleicher Höhe
wie in der Kontrollgruppe. Einzelne Autoren beobachteten posthypotherm einen im Vergleich
zu prähypotherm erhöhten Sauerstoffverbrauch (Blair 1964; van der Linden 1989) in Hunden
bzw. hypotherm operierten Kindern. Durch tiefe Hypothermie wird die intrazelluläre Na+und Ca2+-Homöostase gestört (Boutilier 2001). Es ist theoretisch möglich, dass nach 5 h
Hypothermie mehr ATP – und damit Sauerstoff – benötigt wird, um die Ionen-Homöostase
wieder herzustellen, als nach nur 1 h Hypothermie.
Die oben aufgeführten Studien wurden jedoch bei hypothermen Kreislaufstillstand unter
milder Hypothermie bzw. bei extrakorporaler Zirkulation (Blair, van der Linden) durchgeführt. Es ist also unklar, ob sich deren Ergebnisse mit den Ergebnissen der vorliegenden
Arbeit (intaktes Rattenmodell, tiefe Hypothermie ohne Kreislaufstillstand) vergleichen lassen.
Gegen die Annahme, dass der Sauerstoffbedarf bei Wiedererwärmung nach tiefer Hypothermie im Vergleich zum Ausgangswert grundsätzlich erhöht ist spricht folgende Tatsache: Die
Kontrollgruppe des vorliegenden Versuchs konnte sich hämodynamisch vollständig erholen
und hatte damit ein hohes Sauerstoffangebot zur Verfügung. Dennoch war der Sauerstoffverbrauch nach Wiedererwärmung nicht höher als vor Abkühlung. Auch Tchuikin fand bei
Wiedererwärmung von Ratten nach 1h Hypothermie (10°C) keinen im Vergleich zu
prähypothermen Werten erhöhten Sauerstoffverbrauch (Tchuikin 1998). Für einen erhöhten
Sauerstoffbedarf speziell bei Wiedererwärmung nach prolongierter Hypothermie gibt es in der
Literatur keine Hinweise.
2. Die wahrscheinlichere Interpretationsmöglichkeit ist, dass das im Vergleich zur
Kontrollgruppe niedrigere Sauerstoffangebot ausreichend hoch ist, um den Sauerstoffbedarf
zu decken. Beide Gruppen waren während Wiedererwärmung exakt gleichen Bedingungen
ausgesetzt, es ist daher nicht zu erwarten, dass die eine Gruppe aufgrund exogener Faktoren
mehr Sauerstoff benötigte, als die andere.
35
Die entscheidende Frage bei der Bewertung der beiden Interpretationsmöglichkeiten ist, ob
die Sauerstoffausschöpfung (arteriovenöse O2-Differenz) während Wiedererwärmung nach 5
h Hypothermie maximal war, dem Blut also nicht mehr Sauerstoff entzogen werden konnte.
In diesem Fall wäre nicht auszuschließen, dass der Sauerstoffverbrauch in dieser Gruppe
angebotslimitiert war.
Die „Extraktionsfraktion“ (arteriovenöse O2-Differenz / art. Sauerstoffgehalt) beschreibt den
Anteil des arteriellen Sauerstoffs, der dem Blut vom Gewebe entzogen wird. Die durchschnittliche Extraktionsfraktion bei 37°C nach Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie lag
bei 0,68 ± 0,03 (siehe Appendix). Als maximale Werte der Extraktionsfraktion unter
normothermen Bedingungen werden in der Literatur 0,74 ± 0,02 (Kaninchen, Skelettmuskel);
0,71 ± 0,1 (Hund, Ganzkörper) und 0,69 ± 0,12 (Hund, Ganzkörper) angegeben (Nelson 1987;
Schumaker 1987; Curtis 1997). Eine maximale Extraktionsfraktion bei Ratten ist in der
Literatur bisher nicht beschrieben.
Die Extraktionsfraktion in der 5h-Hypothermie-Gruppe lag damit nach Wiedererwärmung nur
knapp unter den beschriebenen maximalen Werten. Da sie von vielen unterschiedlichen
Faktoren beeinflusst wird (z.B. Toxine im Blut, Verschiebungen der Sauerstoffsättigungskurve) ist jedoch fraglich, in wie weit diese Werte mit den vorliegenden Ergebnissen verglichen
werden können.
Betrachtet man die Variation der Extraktionsfraktion innerhalb der 5 h Hypothermie-Gruppe,
so ergibt sich, dass sie bei der Mehrzahl der Ratten nicht maximal war: Bei einer Ratte betrug
sie nach Wiedererwärmung über 0,8 (siehe Appendix). Eine andere Ratte wies bei 28°C eine
Extraktionsfraktion von über 0,9 auf, obwohl bei dieser hypothermen Temperatur von einer
erschwerten Sauerstoffausschöpfung durch die Verschiebung der Sauerstoffsättigungskurve
ausgegangen werden kann (Schumaker 1987).
Das Potential der Sauerstoffausschöpfung war also bei Wiedererwärmung nach 5h
Hypothermie bei der Mehrzahl der Tiere nicht voll ausgeschöpft.
Damit kann angenommen werden, dass bei der Mehrzahl der Tiere der GanzkörperSauerstoffverbrauch angebotsunabhängig war und das Sauerstoffangebot in der Phase der
Wiedererwärmung ausreichend hoch war. Eine relevante Hypoxie im Gewebe in dieser Phase
ist damit unwahrscheinlich. Im Herzen wurden keine Hinweise auf eine Hypoxie festgestellt:
Als Indikator für den Sauerstoffbedarf des Herzens kann das Produkt aus dem linksventrikulären systolischen Druck und der Herzfrequenz herangezogen werden (Manners 1979). Im
vorliegenden Versuch lag dieses Produkt posthypotherm in der 5 h Hypothermie-Gruppe
36
etwas niedriger als in der Kontrollgruppe (kein signifikanter Unterschied). Geht man davon
aus,
dass
der
myokardiale
Sauerstoffverbrauch
(entsprechend
dem
Ganzkörper-
Sauerstoffverbrauch) in der 5 h Hypothermie-Gruppe gleich hoch war wie in der Kontrollgruppe, konnte kein relevanter myokardialer Sauerstoffmangel vorliegen.
In früheren Versuchen am Hundemodell (25°C) wurden posthypotherm keine vermehrte
Laktatproduktion im Myokard als Hinweis auf myokardiale Ischämie gefunden (Tveita 1994;
Tveita 1996). Die Analyse von energiereichen Phosphaten (Kreatinphosphat, ATP, ADP) im
posthypothermen Hundemyokard ergab normale, teilweise sogar erhöhte Werte (Tveita 1994)
bei deutlich herabgesetzter Pumpfunktion. Im früher verwendeten Rattenmodel (4 h bei 1315°C) hingegen wurde posthypotherm eine erniedrigte Konzentration an energiereichen
Phosphaten im Myokard gemessen. Sie war jedoch bereits am Ende der hypothermen Periode
erniedrigt und sank während Wiedererwärmung nicht weiter (Tveita 1996).
Im vorliegenden Versuch konnte im posthypothermen Myokard nur eine leicht erhöhte
Laktatkonzentration von 2 ± 0,5 µmol/l gemessen werden (Myokard-Laktatkonzentration bei
normothermen Ratten nach 5 h bei gleicher Lagerung/Operation: 1 ± 0,01 µmol/l). Da das
Herz Laktat zur Energiegewinnung verwerten kann, entsprach die leichte Laktaterhöhung im
Myokard am ehesten einer vermehrten Aufnahme von Laktat aus der Peripherie: Im Plasma
lag die Laktatkonzentration nach 5 h Hypothermie und Wiedererwärmung bei 8,2 ± 1,5
mmol/l (Plasma-Laktatkonzentration bei normothermen Ratten nach 5 h bei gleicher
Lagerung / Operation: 1,9 ± 0,1 mmol/l).
Der Zeitpunkt der vermehrten Laktatproduktion in der Peripherie ist unklar, da vor
Wiedererwärmung aus methodischen Gründen die Laktatkonzentration nicht gemessen
werden konnte. Wie oben dargestellt, ist jedoch wahrscheinlich, dass es während der
fünfstündigen hypothermen Periode zu einer Ischämie und damit zu einer erhöhten
Laktatproduktion in den Teilen des Gewebes kam, die von der Zirkulation ausgeschlossen
waren.
Obwohl die Sauerstoffversorgung der Ratten in beiden Gruppen während Wiedererwärmung
wie oben dargestellt gleich gut war, kam es in der 5 h Hypothermie-Gruppe zu einer deutlich
eingeschränkten Kreislauferholung:
Nach 5 h Hypothermie stieg das Herzzeitvolumen nur auf 60 % des Ausgangsniveaus. Auch
Schlagvolumen, Kontraktilität und mittlerer arterieller Blutdruck waren nach Wiedererwärmung erniedrigt, während die Herzfrequenz sich vollständig normalisierte. Diese Konstellation der hämodynamischen Parameter bestätigt frühere Beobachtungen am gleichen Model
37
nach 4 h bei 13-15°C (Tveita 1996; Tveita 1996), und ist auch von zahlreichen anderen
Autoren bei der Wiedererwärmung von sowohl Versuchstieren als auch menschlichen Opfern
akzidenteller Hypothermie beschrieben worden (Talbot 1941; Prec 1949; Sabiston 1955;
Tchuikin 1998; Tveita 2000).
Das gesenkte Herzzeitvolumen bei normaler Herzfrequenz nach Wiedererwärmung nach 5 h
Hypothermie ist auf das erniedrigte Schlagvolumen zurückzuführen. Bei normaler
Herzfrequenz kann das Schlagvolumen durch die folgenden Parameter beeinträchtigt werden:
•
gesenkte Vorlast (niedriger venöser Rückstrom)
•
erhöhter peripheren Gefäßwiderstand
•
verschlechterte Kontraktilität
(hier wird vorausgesetzt, dass anatomische Faktoren wie Myokarddicke, Kammergröße und
Klappenbeweglichkeit, die auch einen Einfluss auf das Schlagvolumen haben können,
während der Versuche gleich blieben).
Der posthypotherme linksventrikuläre enddiastolische Füllungsdruck (EDP) entsprach in
beiden Gruppen dem Ausgangswert. Einen normalen EDP bei herabgesetztem Schlagvolumen
und Herzzeitvolumen fanden Tveita et al. auch bei früheren Experimenten am gleichen
Modell (Tveita 1996). Bei in situ schlagenden posthypothermen Hundeherzen wurde in
früheren Studien zusätzlich die enddiastolische Segmentlänge von Myokardfasern als Marker
für die Ventrikelfüllung gemessen. Auch diese war bei posthypotherm herabgesetztem
Schlagvolumen und Herzzeitvolumen normal (Tveita 1994; Tveita 1998). Der im Vergleich
zum Ausgangswert unveränderte enddiastolische Füllungsdruck nach Wiedererwärmung im
vorliegenden Versuch spricht gegen einen unzureichenden venösen Rückstrom. Gleichzeitig
war das zirkulierende Blutvolumen jedoch posthypotherm um ca. ¼ herabgesetzt. Dies steht
im Gegensatz zu früheren Untersuchungen am gleichen Model, bei denen posthypotherm kein
gesenktes Blutvolumen nachgewiesen werden konnte (Tveita 1996), und weiteren vergleichbaren Hypothermie-Versuchen, bei denen posthypotherm sogar ein erhöhtes Blutvolumen
gemessen wurde (Fedor 1959; Klussmann 1959). Eine ungenügende Substitution von
Flüssigkeitsverlusten könnte das leicht herabgesetzte zirkulierende Blutvolumen nach
Wiedererwärmung im vorliegenden Versuch erklären. Ein so entstandener Volumenmangel
könnte die Vorlast verringern und sich negativ auf das Schlagvolumen auswirken. Zum einen
war jedoch der enddiastolische Druck im linken Ventrikel wie oben beschrieben nicht
38
herabgesetzt, zum anderen war das zirkulierende Blutvolumen in beiden Gruppen gleichermaßen erniedrigt. Das Schlagvolumen in der Kontrollgruppe war posthypotherm jedoch nur
leicht erniedrigt und konnte mit einer leicht erhöhten Herzfrequenz kompensiert werden. Das
posthypotherm reduzierte Schlagvolumen kann also nicht alleine mit einer reduzierten
enddiastolischen Ventrikelfüllung erklärt werden.
Wie oben erwähnt kann auch eine Störung der Gefäßregulation, z.B. durch starke periphere
Vasokonstriktion, zu einer Beeinträchtigung des Schlagvolumens führen. In früheren
Versuchen am selben Modell konnten posthypotherm verdoppelte bis vervierfachte Werte des
peripheren Gefäßwiderstandes gemessen werden (Tveita 1996; Tveita 1998). Auch im
vorliegenden Versuch kommt es während Wiedererwärmung zu einem signifikanten Anstieg
des peripheren Gefäßwiderstandes: Bei 34°C während Wiedererwärmung lag er mit 1,26
mmHg/(ml/min) um 70 % höher als der Ausgangswert. Der Anstieg des Gefäßwiderstandes
kann unterschiedliche Ursachen haben. Am wahrscheinlichsten handelte es sich um
autoregulative Vasokonstriktion zur Erhaltung des Blutdrucks bei verschlechterter
Pumpfunktion des Herzens. Ein zunehmendes Gewebsödem, das die Gefäße komprimiert,
und Veränderungen der Fließeigenschaften des Blutes, beispielsweise durch intravaskuläre
Blutzellaggregation und Änderung der Viskosität, können theoretisch auch eine Rolle spielen.
Der steigende periphere Gefäßwiderstand bei Wiedererwärmung bis 34°C kann das
Schlagvolumen eingeschränkt haben. Dagegen spricht jedoch, dass das Schlagvolumen und
das Herzzeitvolumen in dieser Gruppe schon zu Anfang der Wiedererwärmungsphase
niedriger war als in der anderen Gruppe, während sich der periphere Gefäßwiderstand in den
beiden Gruppen noch nicht unterschied.
Bei weiterer Erwärmung und Einsetzen der Pentobarbitalinfusion kam es zu einer Normalisierung des peripheren Gefäßwiderstandes. Die damit sinkende Nachlast ging jedoch nicht mit
einer Erhöhung des Herzzeitvolumens einher, so dass es zu einem Blutdruckabfall kam. Dies
ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Pentobarbital nicht nur die Nachlast senkt, sondern
auch eine negativ inotrope Wirkung hat (zwischen 34° und 37°C sank LVdP/dtmax). Ab 34°C
ist damit äußerst schwer zu beurteilen, ob die Veränderungen der Nachlast das
Schlagvolumen beeinflusst haben oder nicht.
Die Kontraktilität (LVdP/dtmax) war nach Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie mit 8965
± 1452 mmHg/s im Gegensatz zu 13644 ± 1787 mmHg/s vor Abkühlung deutlich herabge-
39
setzt und bietet eine plausible Erklärung für das niedrige Schlagvolumen und damit das
niedrige Herzzeitvolumen.
Anhand der vorliegenden Ergebnisse kann geschlossen werden, dass das niedrige posthypotherme Herzzeitvolumen am ehesten auf eine herabgesetzte Kontraktilität zurückzuführen
war. Eine reduzierte Vorlast konnte nicht nachgewiesen werden. Die periphere Gefäßregulation war auf Grund des unklaren Einflusses der Pentobarbitalinfusion nicht zu beurteilen.
Als Ursachen für die schlechte posthypotherme Kontraktilität wurden in der Literatur neben
myokardialer Ischämie (Tveita 1994) Störungen im Ca2+-Haushalt der Myozyten und
herabgesetzte Sensitivität der Myofibrillen auf Ca2+ (Tveita 1998; Aasum 1999; Kondratjev
2004), strukturelle Schäden der Myozyten (Tveita 1998) und Mangel an energiereichen
Phosphaten (Tveita 1994; Tveita 1996) diskutiert. Eindeutig richtungsweisende Erkenntnisse
konnten jedoch bisher nicht gewonnen werden. Auf der Basis der vorliegenden Daten kann
nur eine Aussage über die Frage nach myokardialer Hypoxie gemacht werden: Wie oben
beschrieben gab es im vorliegenden Versuch jedoch keinen Anhalt für Sauerstoffmangel im
Herzen. Es stellt sich also die Frage, welche Faktoren die hämodynamische Normalisierung in
der 5 h Hypothermie-Gruppe beeinträchtigt haben. Die Betrachtung der Veränderungen des
zirkulierenden Blutvolumens während Wiedererwärmung wirft eine neue Erklärungsmöglichkeit auf:
Während Wiedererwärmung stieg das zirkulierende Blutvolumen in beiden Gruppen
gleichermaßen von unter der Hälfte auf ca. drei Viertel des Ausgangswertes. Den Ratten
wurden keine größeren Flüssigkeitsmengen verabreicht und eine relevante Neubildung von
Blut war innerhalb von ca. 90 min Wiedererwärmungszeit nicht zu erwarten. Auch der
Hämatokrit änderte sich nicht – damit ist eine Hämodilution durch Einstrom von extravaskulärer Flüssigkeit in die Gefäße unwahrscheinlich. Der Anstieg des Blutvolumens lässt sich am
ehesten als Ausdruck einer normalisierten Mikrozirkulation bei Wiedererwärmung mit
Mobilisierung des oben beschriebenen stagnierenden Blutvolumens interpretieren.
Gleichzeitig kam es bei Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie im Gegensatz zu 1 h
Hypothermie nicht zu einer Normalisierung des pH-Wertes: Der pH-Wert lag bei 7,06 ± 0,05
und war mit einem erniedrigtem arteriellen pCO2 und einem erhöhten Plasmalaktatspiegel
verbunden (siehe Abb. 15 und 16). Über den Zeitpunkt der Enstehung der Protonen kann nur
spekuliert werden:
Die Sauerstoffversorgung war in beiden Gruppen während Wiedererwärmung wie oben
beschrieben ausreichend hoch. In der hypothermen Minderperfusionsphase hingegen kam es
40
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Ischämie in Teilen des Gewebes. Dort können im
Laufe von 5 h Hypothermie eine beträchtliche Menge von Protonen entstanden sein, die
möglicherweise im Zuge der Mobilisierung des stagnierenden Blutvolumens während
Wiedererwärmung in den Kreislauf eingeschwemmt wurden und die metabolische Azidose
nach Wiedererwärmung erklären können.
Während die Bedeutung des niedrigen pH-Wertes während Hypothermie nicht beurteilt
werden kann (siehe Einleitung), ist anzunehmen, dass die metabolische Azidose nach
Wiedererwärmung in der 5 h Hypothermie-Gruppe klinische Auswirkungen hat.
Ein niedriger pH-Wert kann sich negativ auf die Kontraktilität auswirken (Chen 1996). Daher
ist denkbar, dass die metabolische Azidose die Normalisierung des Herzzeitvolumens in der 5
h Hypothermie-Gruppe beeinträchtigt hat. In früheren Versuchen am gleichen Model kam es
jedoch auch zu einer unvollständigen Normalisierung des Herzzeitvolumens (auf 40-50 % des
Ausgangswertes), ohne dass dies mit einer Azidose verbunden war (Tveita 1996; Tveita
1996). Auch die genauere Betrachtung des pH-Wertes der einzelnen Ratten im vorliegenden
Versuch macht eine Relevanz der Azidose unwahrscheinlich: Eine Ratte mit einem
posthypothermen pH-Wert von 7,04 hatte ein ähnlich niedriges Herzzeitvolumen wie eine
Ratte mit pH 7,24, während eine Ratte der 1 h Hypothermie-Gruppe mit pH-Wert 7,28, also
nur 0,04 besser, ein im Vergleich zum Ausgangswert normales Herzzeitvolumen hatte (siehe
Appendix). In früheren Versuchen am Hunde-Modell (25°C) wurde der pH-Wert posthypotherm gezielt gesenkt, was jedoch nicht zu einer Minderung der Kontraktilität führte,
sondern zu einer Zunahme der Coronardurchblutung bei gleich bleibendem Herzzeitvolumen
(Wexels 1985). Eine Azidose als alleinige Erklärung für die mangelhafte Erholung des
Herzzeitvolumens nach 5 h Hypothermie in den vorliegenden Versuchen wird damit
unwahrscheinlich. Es ist außerdem unklar, in wie weit eventuelle Folgen einer solchen
Azidose therapierbar sind. In Pilotversuchen am vorliegenden Modell wurde eine Korrektur
der metabolischen Azidose mit Bicarbonat bei Wiedererwärmung durchgeführt, ohne dass
dies einen Effekt auf die Kontraktilität hatte. Zahler et al. konnten 1992 zeigen, dass die
Pufferung einer systemischen Azidose nicht unbedingt einen Effekt auf den intrazellulären
pH-Wert hat, und dass die Pufferung den myokardialen Energiehaushalt sogar weiter
beeinträchtigen kann (das Verhältnis von Kreatinphosphat zu anorganischem Phosphat sank
(Zahler 1992)).
41
Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine Reperfusion der ischämischen Gebiete, ähnlich
wie bei einem Reperfusionsschaden nach normothermer Ischämie, sich unabhängig vom pHWert negativ auf Herz und Kreislauf auswirkt. Hierüber kann anhand der vorliegenden Daten
jedoch nur spekuliert werden:
Reperfusion nach Ischämie unter normothermen Bedingungen kann beim Menschen ein so
genanntes Reperfusions-Syndrom auslösen. Hierbei tritt, beispielsweise nach Embolektomien,
ein Muskelödem in Verbindung mit Hyperkaliämie, Azidose und unter Umständen Schock
ein (Hildebrandt 1997). Über einen Reperfusionsschaden, der die myokardiale Pumpfunktion
beeinträchtigt, wurde auch nach hypothermer Ischämie spekuliert. Bei Reperfusion nach 90
Minuten tief hypothermen Herzstillstand bei Schweinen kommt es beispielsweise zu keiner
vollständigen Erholung des Herzzeitvolumens, was auf einen Reperfusionsschaden
zurückgeführt wurde (Allen 2003). Die pathophysiologischen Hintergründe des ReperfusionsSyndroms sind bis heute nicht geklärt. Es wird diskutiert, dass die Ausschwemmung von
verschiedenen Metaboliten und Mediatoren (freie Sauerstoffradikale, proinflammatorische
Zytokine (TNF-α, IL-1 und IL-6), Prostaglandine, Stickoxid, Plättchen-aktivierender Faktor),
die in den ischämischen Gebieten entstanden sind, eine Rolle spielt (Hildebrandt 1997; Fölsch
2000). Mit den zurzeit verfügbaren Messmethoden scheint eine befriedigende Klärung dieser
Sachverhalte jedoch unmöglich.
Anhand der vorliegenden Ergebnisse kann zusammenfassend gesagt werden, dass die
mangelhafte Erholung des Herzzeitvolumens in der 5h Hypothermie-Gruppe nicht mit einem
gesenkten Sauerstoffverbrauch während Wiedererwärmung einherging. Dies deutet auf ein
ausreichend hohes Sauerstoffangebot in dieser Phase hin. Das deutlich erniedrigte zirkulierende Blutvolumen während tiefer Hypothermie lässt vermuten, dass wesentliche Anteile des
Körperkreislaufs in dieser Phase von der Perfusion ausgeschlossen waren. Diese regionale
Ischämie während prolongierter Hypothermie (5 h) und eine anschließende Reperfusion der
ischämischen Gebiete spielt möglicherweise eine Rolle bei der unvollständigen Normalisierung des Herzzeitvolumens bei Wiedererwärmung.
42
5 Zusammenfassung:
Hintergrund: Beim Wiedererwärmen von Opfern akzidentieller Hypothermie kommt es
häufig zu einer unvollständigen Erholung des Herzzeitvolumen (HZV). Es wurde postuliert,
dass eine Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff während Hypothermie und/oder
Wiedererwärmung hierfür verantwortlich ist. Hypothese: Es sollte überprüft werden, ob die
mangelhafte Erholung des HZV bei Wiedererwärmung nach tiefer Hypothermie mit einer
Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff assoziiert ist. Methodik: Männliche Wistar
Ratten wurden auf 15°C Körpertemperatur abgekühlt. Diese Temperatur wurde entweder für
1 h oder für 5 h konstant beibehalten. Anschließend wurde auf 37°C wiedererwärmt. HZV,
zirkulierendes Blutvolumen und andere hämodynamische Parameter wurden gemessen bzw.
berechnet.
Weiterhin
wurden
Myokardlaktatkonzentration
Blutgase,
gemessen
und
pH-Wert,
der
Hämatokrit,
arterielle
Plasma-
O2-Gehalt,
die
und
O2-
Extraktionsfraktion und der der O2-Verbrauch berechnet. Ergebnisse: Bei Abkühlung sank
das Herzzeitvolumen (HZV) in beiden Gruppen auf weniger als die Hälfte des
Ausgangswertes. 5 h Hypothermie führten zu einer weiteren hämodynamischen
Verschlechterung. Das zirkulierende Blutvolumen sank in beiden Gruppen bei stabilem
Hämatokrit während Abkühlung und Hypothermie auf unter die Hälfte des Ausgangswertes.
Der O2-Verbrauch sank in beiden Gruppen auf weniger als ein Drittel des Ausgangswertes,
der pH-Wert fiel auf ca. 7,1. Wiedererwärmung nach 1 h Hypothermie führte zu einer
vollständigen Erholung aller hämodynamischen Parameter. Bei Wiedererwärmung nach 5 h
Hypothermie hingegen erreichte das HZV nur 60 ± 2,8 % des Ausgangswertes. Der O2Verbrauch normalisierte sich bei Wiedererwärmung in beiden Gruppen gleichermaßen, die
O2-Extraktionsfraktion lag bei 0,68 ± 0,03 in der 5 h Hypothermie-Gruppe. Das zirkulierende
Blutvolumen stieg in beiden Gruppen wieder auf ca. ¾ des Ausgangswertes. Während sich
der pH-Wert nach 1 h Hypothermie normalisierte, blieb er nach 5 h Hypothermie-Gruppe
niedrig. Diese Azidose war mit einem erniedrigten pCO2 und einem vierfach erhöhten
Plasmalaktatspiegel assoziiert. Gleichzeitig wurde im Myokard eine nur leicht erhöhte
Laktatkonzentration von 2 ± 0,5 µmol/l gemessen. Schlussfolgerung: Die mangelhafte
Erholung des HZV während Wiedererwärmung nach 5 h Hypothermie ist nicht mit einem
gesenkten O2-Verbrauch assoziiert. Das während Hypothermie verminderte zirkulierende
Blutvolumen spricht für das Vorliegen einer regionalen Ischämie in dieser Phase, die die
metabolische Azidose sowie die mangelhafte Kreislauferholung bei Wiedererwärmung nach 5
h Hypothermie erklären kann.
43
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48
7 Lebenslauf:
Persönliche Daten:
Geburtsdatum
07.03.1976
Geburtsort
Freiburg
Nationalität
deutsch
Konfession
evangelisch-lutherisch
Familienstand
ledig
Schulausbildung:
1982 bis 1986
Weiherhof Grundschule (Freiburg)
1986 bis 1996
Droste – Hülshoff – Gymnasium (Freiburg)
1993 bis 1994
Auslandsjahr: Colegio San Luis Gonzaga (Cartago, Costa Rica)
Juni 1996
Abitur (Abschlussnote 1,2)
Leistungskurse: Mathematik, Deutsch
Prüfungsfächer: Geschichte, Englisch
Studium:
Okt. 1996 -
Biologie, Albert Ludwigs Universität Freiburg
Sept. 1997
Feb. 1997
Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes
seit Sept. 1997
Humanmedizin, Albert Ludwigs Universität Freiburg
Sept. 1999
Ärztliche Vorprüfung, Note: gut
Sept. 2000
Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Note: gut
Okt. 2000 -
Auslandsstudium an der Universität Tromsø, Norwegen
Sept. 2001
49
Feb. 2002
Beginn der vorliegenden Doktorarbeit zum Thema Hypothermie
in der physiologischen Abteilung der Universität Tromsø,
Norwegen. Betreuung durch Prof. Tveita, Universität Tromsø,
und PD. Dr. T. Doenst, Universität Freiburg
Okt. 2003
Mündliche Präsentation der Ergebnisse auf der jährlichen
Fachtagung der Anästhesisten in Norwegen, Oslo
Okt. 2002 -
Beschäftigung als Wissenschaftliche Hilfskraft im Institut für
Sept. 2003
Hygiene der Universitätsklinik Freiburg
März 2004
Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Note: gut
Famulaturen:
28.02.00 - 24.03.00
Gynäkologie, Marienkrankenhaus Hamburg
01.08.01 - 31.08.01
Innere Medizin, Universitätsklinikum Tromsø, Norwegen
03.09.01 - 30.09.01
Pädiatrie, Universitätsklinikum Tromsø, Norwegen
17.02.03 - 23.03.03
Radiologie, Praxis Dr. Halt, Freiburg
04.08.03 – 20.08.03
Gynäkologie, Praxis Dr. Clever, Freiburg
21.08.03 – 12.09.03
Chirurgische Notaufnahme, Uniklinik Freiburg
PJ:
26.04.00 - 22.08.04
Pädiatrie, Universitätsklinikum Tromsø, Norwegen
30.08.04 - 27.02.05
Innere Medizin, Chirurgie, städtisches Klinikum Karlsruhe
Fremdsprachen:
Englisch
fließend
Spanisch
fließend
Norwegisch
fließend
50
8 Danksagung:
Ich möchte mich bei Herrn Prof. Dr. Torkjel Tveita für die Überlassung des Themas und für
viele anregende Diskussionen bedanken.
Bei Herrn PD Dr. Torsten Doenst möchte ich mich herzlich für seine Betreuung und sein
Engagement für diese externe Doktorarbeit bedanken.
Timofej Kondratjev möchte ich für die Einführung in die Methoden und eine gute russischdeutsche Zusammenarbeit in Professor Tveitas norwegischem Labor danken. Auch Knut
Steinnes, Fredrik Bergheim und Elisabeth Børde möchte ich mich für ihre Hilfe bedanken.
Ganz herzlich danke ich auch Björn Münstermann und meinen Eltern für ihr Vertrauen und
für die Unterstützung bei meinen Projekten nördlich des Polarkreises.
51
9 Appendix:
Tabelle 2: venöser pH und HZV nach 1 bzw. 5 h Hypothermie
1 h-Hypothermie
5 h-Hypothermie
pH-Wert
HZV (ml/min)
pH
HZV (ml/min)
Ratte 1
7,33
172
7,17
99
Ratte 2
7,33
127
7,04
99
Ratte 3
7,28
140
7,12
118
Ratte 4
7,33
151
7,24
97
Ratte 5
7,28
147
6,82
71
Ratte 6
7,33
114
6,99
88
Ratte 7
7,28
125
7,03
82
HZV in ml/min
Tabelle 3: Sauerstoffextraktionsfraktion während der Versuche, 5 h Hypothermie-Gruppe
Ratte 1
Ratte 2
Ratte 3
Ratte 4
Ratte 5
Ratte 6
Ratte 7
37°C
0,287
0,300
0,441
0,713
0,431
0,430
0,302
28°C
0,429
0,277
0,547
0,183
0,413
0,494
0,317
20°C
0,185
0,507
0,364
0,108
0,303
0,256
0,109
15°C
0,066
0,168
0,194
0,048
0,211
0,101
0,078
15°C
0,283
0,444
0,374
0,171
0,673
0,329
0,389
20°C
0,266
0,448
0,484
0,306
0,610
0,611
0,377
28°C
0,524
0,493
0,280
0,443
0,680
0,694
0,949
37°C
0,643
0,702
0,713
0,555
0,809
0,709
0,647
Extraktionsfraktion: arteriovenöse Sauerstoffdifferenz / arterieller Sauerstoffgehalt
Zugehörige Unterlagen
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