UE Sek I/II 23 Das Leben geht weiter Kontinuität und Wandel in den Provinzen Dieter Belde Der Unterrichtsbeitrag setzt sich nicht mit der "großen Politik" sondern mit dem Leben der "kleinen Leute" auseinander, in einer Zeit, als das Reich der Römer in Westeuropa verschwand und das Mittelalter begann. Informationen liefert hierbei eine Schrift, die zunächst nicht als geschichtliche Quelle gedacht war. E ugippius erwähnt hier in der Lebensbeschreibung des heiligen Severin die Ereignisse des Jahres 476 n. Chr., als der Skire Odoaker den Kaiser des Weströmischen Reiches absetzte. Ein Ereignis, welches bis in die Gegenwart hinein als eine der wichtigen Epochengrenzen angesehen wird. Doch die Menschen jener Zeiten sahen diesen Regierungswechsel kaum als einen entscheidenden politischen Einschnitt an, da sich in der Provinz der Tagesablauf wenig änderte. Ihre Probleme waren anderer Natur. Der Bruch wird erst aus der historischen Distanz deutlich. Auch ist der "Untergang des Römischen Reiches" eigentlich kein politisches oder juristisch punktuelles Ereignis, sondern eher ein Prozeß, der sich langsam im Bewußtsein vollzogen hat. Eher als in politischen und wirtschaftlichen Umgestaltungen liegen die Ursachen für historischen Wandel im Bewußtsein der Menschen, wobei dieses mit politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in einem stetigen gegenseiten Prozeß sich entwickelt. Umso bemerkenswerter ist der Hinweis des Eugippius. Denn einen gewissen Bruch in der historischen Kontinuität gibt es um diesen Zeitpunkt tatsächlich; die gelegentlich zu findende These, die mittelalterliche Welt, besonders die der Städte, sei aus dem Römerreich entstanden, stimmt so nicht (vgl. H. Borger, Stadtarchäologie; in: Archäologie in Deutschland 1/89, S. 22 - 33). Die Archäologie kann an vielen Beispielen zeigen, daß man von Kontiniutät oft nur bei den "Ruinen" sprechen kann, während es bei der Besiedlung durchaus Brüche gegeben hat. Anschaulich zeigt dies der Bericht des Eugippius vom Leben des heiligen Severin. Die Schrift vom Leben des heiligen Severin Über den Autor wissen wir nicht viel. Vermutlich hat er als Abt des Severin-Klosters in Castrum Lucullanum bei Neapel im Jahre 511 n. Chr. den Bericht abgeschlossen. Über Herkunft und weite Teile seines Lebens ist nichts bekannt. In die Mönchsgemeinschaft von Favianis/Mautern, in der Severin gewirkt hatte, trat Eugippius wohl erst nach Severins Tod ein. Das Wissen über Severin hat er somit durch Erzählungen von älteren Mitbrüdern erhalten. Zusammen mit dieser Klostergemeinschaft siedelte er später nach Italien über, wurde Abt eines neugegründeten Klosters und verfaßte dort weitere Schriften. Er kann zu den bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit gezählt werden. Die o.g. Schrift hat ein fest umrissenes Ziel: Lebensbeschreibung eines Heiligen. Dabei wollte Eugippius nicht in der Form einer Biographie lückenlos den Lebensablauf darstellen, sondern die Heiligkeit von Severin beweisen. Hierzu gehören, neben etlichen Prophezeiungen und Voraussagen, die für einen Heiligen üblichen Wunderheilungen und Totenerweckungen.. Über das Vorleben von Severin gibt Eugippius keine Auskunft. Mehr oder weniger chronologisch überliefert er die Ereignisse vom ersten Auftreten Severins in Noricum (ca. 467) bis zu seinem Tod (482). Obwohl Eugippius keineswegs im modernen Sinne Geschichte schreiben will, übermittelt er doch zahllose Fakten, die das Leben gerade der einfachen Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten anschaulich werden lassen. Denn der Text, "gegen den Strich" gelesen, enthält viele Informationen über die sozialen Verhältnisse, die wirtschaftliche und kulturelle Lage und die militärischen Ereignisse in den Wirren der Völkerwanderungszeit. Dabei ist zu bedenken, daß diese Quelle Einzelcharakter besitzt; kaum eine andere gibt uns in dieser Weise Auskunft über jene Zeit. Die archäologische Forschung der letzten Jahre konnte viele Aussagen des Textes bestätigen, z.B. die Ausgrabungen in Passau-Innstadt (Abb. 1) und Lorch-Enns. Wer war Severin? Aus den Untersuchungen der letzten Jahre läßt sich folgendes Bild über die Person Severins gewinnen: Seine Herkunft ist auf die vornehmsten Kreise Italiens zurückzuführen, eine Verbindung mit dem Kaiserhaus nicht ausgeschlossen. Vor seiner Tätigkeit in Noricum bekleidete er vermutlich höhere Staatsämter. Nach dem gewaltsamen Tod des Kaisers Maiorianus im Jahre 461 floh Severin in die ägyptische Wüste. Dort lernte er asktetisch lebende Mönche kennen, deren Beispiel ihn so beeindruckte, daß er ca. 467 "auf Grund göttlicher Offenbarung" (epistula Eugippii 10) zurückkehrte, um in Noricum für die Bevölkerung zu sorgen. Bis 476 geschah dies in amtlicher Funktion, danach auf eigene Verantwortung. Wie auch in anderen Provinzen übernahmen nun kirchliche Organe die weltlichen Aufgaben. Severin war in dieser Zeit nicht nur der Seelsorger der ihm anvertrauten Bevölkerung, sondern auch Nachfolger der nicht mehr vorhandenen weltlichen Beamten. Er verhandelte mit den Germanenführern, sorgte für die Verwaltung und Verteidigung der Provinz, organisierte die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung und kümmerte sich um den Rückkauf der von Germanen gefangenen Römer. Als die Lage in der ehemaligen Provinz unhaltbar wurde, organisierte er die allmähliche Evakuierung von West nach Ost. Nach dem Tode Severins wurde auf Befehl Odoakers 488 die Provinz von der römischen Bevölkerung geräumt. Bei der Umsiedlung nach Italien wurde der Leichnam Severins mitgeführt, kam zuerst nach Castrum Lucullanum und wurde 1807 nach Frattamaggiore bei Neapel überführt. Das Leben in der Provinz Die Provinzreform Diokletians (284 - 305) hatte auch für Noricum Auswirkungen gehabt: Die Provinz wurde geteilt in Ufernoricum (Noricum ripense) im Norden an der Donau und Binnennoricum (Noricum mediterraneum) im Süden am Alpenrand (s. M2). Für Ufernoricum waren um die Mitte des 5. Jhs. die ruhigen Zeiten vorbei. Bei ihrem Zug nach Gallien zogen die Hunnen zweimal durch diese Provinz und verwüsteten sie schwer. Der archäologische Befund zeigt, daß über den planierten Trümmern nur noch bescheidene, behelfsmäßige Notbauten errichtet wurden. Die neuen Bewohner dieser zum Teil wohl ganz verlassenen 24 oder nur noch dünn von römischer Bevölkerung besiedelten Gebiete geben sich aufgrund der wenigen schriftlichen Quellen nur indirekt zu erkennen. Erkennen kann man die Veränderung in der Besiedlung; einerseits an der andersartigen Keramik - so ist die germanische Keramik im Gegensatz zu der auf der Töpferscheibe gedrehten römischen meist frei von Hand geformt, und andererseits durch einen Wandel in den Begräbnissitten - dabei verraten die dem Toten mitgebenen Gegenstände recht genau die Herkunft des Besitzers. An manchen Orten läßt sich der Bruch in der Besiedlung bei gleichzeitiger Kontinuität der Gebäude beobachten. So konnte man bei der Untersuchung der Offiziersgebäude im Legionslager Castra Regina feststellen, daß die bis dahin sorgfältig instandgehaltenen Gebäude mit der Belegung durch Germanen zwar weiter als Wohnräume benutzt wurden, aber in völlig anderer Weise: So verfiel z.B. die Fußbodenheizung und auf dem mit Lehm ausgebesserten Estrich legte man offene Feuerstellen an. Gerade aus der Beobachtung der archäologischen Fakten läßt sich die Erkenntnis gewinnen, daß in dieser Zeit drei ganz unterschiedliche Volksgruppen im gleichen geographischen Raum zusammentrafen: die christliche Provinzbevölkerung, die sich als römisch empfand (Romani), die vom Senat einquartierten hunnisch-germanischen Gruppen, die zum Teil römisches Kulturgut übernommen hatten (Foederati), und die Germanenscharen, die auf ihren Beutezügen die Provinz regelmäßig heimsuchten. Die ansässige Bevölkerung lebte dabei unter dem recht zweifelhaften Schutz der nördlich der Donau wohnenden germanischen Rugier, denen sie hierfür tributpflichtig waren. Der Steuerdruck auf die ländliche Bevölkerung war gewaltig gewachsen, hinzu kamen Einquartierungen und Requisitionen. Durch den Abfluß von Gold und Silber herrschte Geldmangel. Das Wirtschaftsleben erlahmte, man kehrte zum Tauschhandel zurück. Da der Transport unsicher wurde und wichtige Provinzen als Lieferanten von notwendigen Produkten ganz ausfielen, kam es vorwiegend in den Städten zu Versorgungsengpässen, zu Hungersnöten und zu Unruhen. Die Großgrundbesitzer hatten jedoch ihre Landhäuser burgartig befestigt und hielten sich zum Schutz bewaffnete Knechte. Viele Bauern begaben sich in ihren Schutz, sofern sie ihr Land nicht ganz aufgegeben hatten. Den vom Staat angesiedelten Barbarenscharen mußte ein Drittel vom Besitz abgetreten werden. Die kleine Gruppe der privilegierten Reichsbevölkerung (honestiores) war für das Steueraufkommen haftbar geworden, und diese Aufgabe wurde erblich. Noricum war nunmehr eine arme Provinz. Als Alarich von Rom Siedlungsland verlangte und Noricum als Besitz forderte, tat er es mit dem Hinweis, daß es "weitgehend verwüstet wäre und doch nur geringen Steuerertrag brächte". -.__- Abb. 1 : Vom archäologischen Befund zur Rekonstruktion - Beispiel Passau Die römische Zeit Passaus ist recht verwickelt und nicht völlig geklärt. Die Lokalisierung des spätantiken Batavis ganz an der Spitze der Landzunge scheint jetzt gesichert (Abb. 2). Schon im 2. Jh. hatte es auf der schmalen Landzunge ein Kastell für die Neunte Bataverkohorte gegeben. Am linken Ufer existierte seit der Zeit Domitians (81 - 96) ein kleines Kastell namens Boiodurum. Dieses scheint den Alamannenüberfall im 3. Jh. nicht überstanden zu haben. 1974 fand man beim Ausschachten für einen Kindergarten die Mauern des spätantiken Befestigungswerkes Boiotro, das bislang nur aus der Literatur bekannt war und dessen Existenz angezweifelt wurde. Der fächerförmige Grundriß der Ecktürme war schon von einer Reihe anderer Militärbauten donauabwärts bekannt, und die Besiedlung im 5. Jh. konnte nachgewiesen werden. 1976 konnte man durch Grabungen belegen, daß auch der Bau der südwestlich von Boiotro gelegenen Kirche St. Severin bis in die Zeit Severins zurückreicht. Damit war der Text des Eugippius bestätigt. Die Grabungen zeigten auch, daß es eine "Kontinuität der Trümmer" gegeben hatte, die bis in die Gegenwart immer wieder verwendet worden waren. (Rechte Uferseite auf der Anhöhe: Veste Oberhaus; Mitte Landzunge: Passauer Dom). Foto: Adolph, Stadt Passau. Luftbild freigegeben unter Nr. GS 300/388/88 Erläuterung der Materialien Es folgen einige Kapitel aus der Vita Sancti Severini, die das vorher Beschriebene deutlich werden lassen. Da viele, abgeschlossene Episoden für den Unterricht angeboten werden sollten, wurde der Text frei übersetzt. Die Episoden sind nach übergeordneten Themen ausgewählt, die folgenden Erklärungen und Hinweise sollen das Verständnis erleichtern: Zu M 1: Neben charakteristischen Legendenmotiven enthält der Text wichtige Hinweise auf die Verhältnisse in der Provinz. Man kann erkennen, daß Severin über ein gut funktionierendes Informationssystem verfügt; die Mönche und seine Untergebenen dürften ihn mit Informationen versehen haben. Daß die reiche Witwe aus der grundbesitzenden Oberschicht Severin das Getreide überläßt, ist ein Zeichen dafür, daß sie sich seiner zu dieser Zeit noch staatlichen Autorität beugt. Man erkennt auch, 25 Abb. 2: Lageplan von Passau in römischer Zeit Quelle: Führer zu römischen Militäranlagen in Süddeutschland. Stuttgart 1983, S. 169 Abb. 3: Tabula Peutingeriana (Ausschnitt). Die Tabula besteht im Original aus einer 6 m langen Rolle zusammengeklebter Pergamentblätter und wurde wohl im 12./13. Jh. gezeichnet. Der Kopist benutzte dabei Vorlagen aus dem 3. und 5. Jh. n. Chr. Diese Karte ist eine der wichtigsten Quellen für den Verlauf römischer Straßen Die Tabula Peutingeriana arbeitet mit einer starken Längsstreckung, was zu groben Verzerrungen in der Darstellung führt. Einige Orte sind durch Vignetten hervorgehoben. Die Vignette "Doppelturm" bedeutet, daß dem Reisenden dort eine gut ausgestattete Herberge zur Verfügung steht, Eine Vignette, die ein Haus mit Eingang und Fenstern zeigt, bezeichnet eine Unterkunft im Bereich eines Heiligtums. Ein Haken in der Straßenführung mit Ortsnamen und Meilenzahl (Meile = 1480 m) zeigt eine Straßenstation an. Für Noricum ripense werden hervorgehoben die Städte Iuvavum (Mitte oben) und Ovilia. Angabe der Ortsnamen auf der Karte meist im Ablativ. Foto: Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz daß Noricum auf den Import von Lebensmitteln angewiesen war und daß der Transport auf der Donau noch durchgeführt werden konnte. Zu M 2: Die Karte (ergänzend auch Abb. 3) sollte bei der Erarbeitung der Materialien herangezogen werden: die landschaftlichen, politischen Bedingungen, die Voraussetzungen von Verwaltung und Verkehrswesen und die Reiseziele Severins können mit ihrer Hilfe verfolgt werden. Zu M 3: Die Auswirkungen der Ereignisse des Jahres 476 werden dargestellt. Seit diesem Zeitpunkt bleiben die Soldzahlungen der Regierung aus, die Garnisonen an der Donaugrenze lösen sich auf, die Städte sind bedroht und das Binnenland ist nicht mehr sicher. Zu M 4 und M 5: Die Materialien geben Hinweise auf die Probleme des Warentransports und auf die Versorgung überfüllter Städte. Anstelle der Steuern, die auch aus Geldmangel nicht mehr erhoben werden konnten, hatte Severin die Abgabe eines Zehnts organisiert, der aus Agrarprodukten und Kleidern bestand. Die Flüchtlinge mußten neben der Verteilung von Lebensmitteln auch mit warmer Winterkleidung ausgestattet werden. Zu M 6: Es wird deutlich, daß Severin hier auch militärischen Widerstand organisiert und einem römischen Beamten Befehle erteilen kann, also in amtlichem Auftrag handelt. Zu M 7: Man erfährt hier von den umfangreichen Evakuierungsmaßnahmen von West nach Ost. Wie auch an anderen Orten übernehmen Geistliche in dieser Zeit bei fehlenden Beamten die Verwaltungsaufgaben, hier sogar militärische Aufgaben. Aufgrund seiner Erfahrung erkennt Severin aber, daß man nur kurze Zeit erfolgreich Widerstand leisten kann. Weitsichtig rät er daher zur Umsiedlung. Es ist klar, daß gerade für die bäuerliche Bevölkerung dies die Aufgabe jeder Existenzgrundlage bedeutet und ein schwerer Schritt ist. Daher folgen nicht alle diesem Rat. Zu M 8 - 10: Batavis (heute Passau-Altstadt) liegt schon in der Provinz Raetia, dort war noch in Severins Zeit ein Militärstützpunkt. Am anderen Innufer (heute PassauInnstadt) in der Provinz Noricum lag das Römerkastell Boiotro. Außerhalb des Kastells war eine Kirche, neben der Severin das kleine Kloster errichtete. Diese Anlage wurde 1974 ausgegraben und muß die von Eugippius gemeinte sein. Wegen der Nähe der Orte liegt dann eine Verwechslung vor. Nach dem Ende der Verwaltung durch die Römer übernehmen in vielen Fällen diese kirchlichen Stützpunkte die Organisation der Verwaltung. Die Verhandlungen zwischen Severin und dem Alemannenkönig enden mit einem beachtlichen Verhandlungserfolg für Severin, da die Gefangenen ohne Gegenleistung freigegeben werden. Daß wilde Barbaren durch die Furchtlosigkeit von Heiligen bezwungen werden, ist ein typisches Motiv von Heiligen-Legenden. Zu M 11 : Die Absicht der Rugier wird klar formuliert: sie wollen in einer Überraschungsaktion die flüchtige Bevölkerung in Städte umsiedeln, die ihnen tributpflichtig sind. Severin kann das nicht abwenden, erreicht aber durch Verhandeln, daß die Umsiedlung friedlich durchgeführt wird. Somit ist in dieser Episode der Erfolg Severins eher gering, und er deutet an, daß die Lage für die römische Bevölkerung an der Donau insgesamt immer unhaltbarer wird. Literatur Eugippius, Vita Sancti Severini/Das Leben des heiligen Severin; übers. u. hrsg. von Th. Nüßlein, Stuttgart 1986 (Reclam). Eugippius, Vita Sancti Severini; mit Einführung, Übersetzungshilfen, Erläuterungen und einem Anhang hrsg. von Th. Nüßlein, Bamberg 1985 (BVA). Severin zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Katalog zur Ausstellung des Landes Oberösterreich, Linz 1982. (Dieser Katalog enthält weitere Literaturhinweise). Leben in der Provinz 26 M 1 Kap. 3 M2 Raetien und Ufernoricum zur Zeit Severins Eine schlimme Hungersnot war über die Stadt Favianis hereingebrochen. Deren Einwohner glaubten, es gebe nur ein Hilfsmittel, wenn sie aus der Stadt Comagenis den Mann Gottes durch fromme Bitten einlüden. Jener wußte schon im voraus, daß sie kommen würden und wurde vom Herrn ermahnt, daß er mitgehen solle. Als er dort angekommen war, riet er den Bürgern mit folgenden Worten: "Durch Buße werdet ihr von der großen Hungersnot befreit werden können." Als die Bürger den Anordnungen folgten, erkannte der selige Severein durch göttliche Eingebung, daß eine Witwe mit Namen Procula einen großen Getreidevorrat versteckt halte. Er ließ sie vorführen und beschuldigte sie heftig. ... Durch diese Worte wurde die Frau heftig erschreckt und fing an, die Vorräte an die Armen zu verteilen. Kurze Zeit später erschienen einige mit Waren beladene Schiffe aus Rätien unerwartet am Ufer der Donau, die viele Tage durch das dicke Eis des Inns festgehalten worden waren. Als dies auf Befehl Gottes plötzlich geschmolzen war, brachten sie den Hunger leidenden Menschen jetzt Lebensmittel ... Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Quelle: nach Fischer, Th.: Römer und Bajuwaren an der Donau. Regensburg 1988, S. 42 M 3 Kap. 20 M5 Zu der Zeit, als das Römerreich noch bestand, wurden die Soldaten vieler Städte als Bewacher der Grenze von öffentlichen Geldern unterhalten. Als diese Gewohnheit aufhörte, schwanden zugleich mit den Grenzbefestigungen auch die Soldaten. Nur in Batavis hielt noch eine kleine Abteilung aus. Einige davon waren nach Italien gezogen, um den letzten Sold zu holen. Diese waren auf der Reise unbemerkt von Barbaren umgebracht worden. Zur selben Zeit wollte Maximus aus Binnennoricum, entflammt von der Hitze des Glaubens, mitten im Winter, wenn die Wege jenes Gebietes von starrendem Eis versperrt werden, zum seligen Severin kommen in kühnem Wagemut oder, wie später deutlich wurde, in unerschütterlichem Glauben. Angeworben hatte er viele Begleiter, die auf ihrem Rücken Kleidung für Gefangene und Arme tragen sollten, die die fromme Sammlung der Einwohner von Noricum zusammengebracht hatte. Als sie zu den höchsten Alpengipfeln kamen, fiel die ganze Nacht über so viel Schnee, daß sie sich unter dem Schutz eines großen Baumes verbargen und wie in einer großen Grube eingeschlossen waren. Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Kap. 29 M 7 Kap. 27 Zur selben Zeit verließen die Einwohner der Stadt Quintanis, durch die häufigen Überfälle der Alemannen erschöpft, ihre Wohnsitze und zogen zur Stadt Batavis. Aber ihre Zufluchtstätte blieb den Barbaren nicht verborgen. Im Glauben, daß sie die Bewohner zweier Städte in einem Angriff ausplündern könnten, wurden sie noch mehr angetrieben. (Severin organisiert den militärischen Widerstand, der auch erfolgreich ist; danach rät er den Bewohnern, nach Lauriacum überzusiedeln, die meisten folgen dem Rat; die andern werden wenige Tage später bei einem erneuten Überfall entweder getötet oder verschleppt.) Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde M 4 Kap. 28 M 6 Kap. 4 M 8 Kap. 19 Nach dem Untergang der Städte am oberen Teil der Donau wurden alle Leute in die Stadt Lauriacum evakuiert, die auf die Warnungen des heiligen Severin gehört hatten. Er warnte sie ständig, nicht ihrer Tapferkeit zu vertrauen, sondern sich zu schützen durch Gebete, Fasten und Geben von milden Gaben. Außerdem befahl der Mann Gottes allen Armen an einem bestimmten Termin zusammenzukommen, um ihnen nach Bedarf Öl zu verteilen. Dies konnte hierher nur mit größten Problemen von Händlern geliefert werden. (Lauriacum, heute LorchEnns, war Sitz des Statthalters und auch Bischofssitz). Zur selben Zeit raubten bei einem unerwarteten Raubzug barbarische Räuber, was auch immer sie außerhalb der Mauern an Mensch und Vieh gefunden hatten. Darauf rannten einige der Bürger zum Mann Gottes und berichteten ihm unter Tränen von dem erlittenen Unglück, zugleich zeigten sie Beweise für den jüngsten Raubzug. Severin erkundigte sich bei Mamertinus, damals Tribun (Stadtkommandant), der später Bischof wurde, ob er einige Bewaffnete zur Verfügung hätte, mit denen er sofort den Räubern folgen könne. Batavis heißt eine Stadt zwischen zwei Flüssen, nämlich Inn und Donau, wo der heilige Severin ein kleines Kloster für wenige Mönche auf gewohnte Weise gegründet hatte, weil er selbst wegen der Bitten der Bürger häufig dorthin kam, besonders wegen der beständigen Einfälle der Alemannen, deren König Gibuld ihn sehr schätzte. Quelle: vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde Leben in der Provinz 27 M9 Modellzeichnung von Boiotro (Boidurum). Links die Kirche, rechts das Kastell Quelle: Eugippius, Vita Sancti Severini; hrsg. v. Th. Nüßlein, Bamherg1985, S. 169 M 10 M 11 Kap. 31 Übersichtsplan von Passau ( Batavis) in römischer Zeit. Weite Schraffur: mittelkaiserzeitliche Besiedlung; enge Schraffur: spätkaiserzeitliche Besiedlung Feletheus, der König der Rugier, hörte, daß die restliche Bevölkerung aus allen Städten, die den Schwertern der Barbaren entkommen waren, sich auf Veranlassung des Dieners Gottes nach Lauriacum begeben hätten, und er kam mit seinem gesamten Heer und dachte daran, diese Menschen plötzlich zu ergreifen, wegzuschleppen und in den ihm benachbarten und tributpflichtigen Städten, von denen eine Favianis war, anzusiedeln; diese Städte waren von den Rugiern nur durch die Donau getrennt. Deswegen waren alle sehr aufgeregt und wandten sich flehentlich an den heiligen Severin, daß er dem König entgegenginge und ihn mild stimmte. (Severin zieht sofort los und trifft noch weit vor der Stadt auf den König. Dieser ist ganz überrascht, und es kommt zu einem längeren Gespräch zwischen den beiden. Am Ende zieht der König, milde gestimmt, ab und nimmt die geflüchtete Bevölkerung mit, um sie in den von ihm abhängigen Städten anzusiedeln. Severin aber prophezeit jetzt schon, daß alle bald in eine Provinz des römischen Landes (Italien) auswandern müßten.) Quelle: Führer zu römischen Militäranlagen in Süddeutschland. Landesdenkmalamt Baden-Württemherg, Stuttgart 1983, S. 117 Quelle: Vita Sancti Severini; übersetzt von D. Belde