Forschungsschwerpunkte – Dr. Lisa Kaltenegger Die Suche nach extrasolaren Planeten und ihre Charakterisierung entwickeln sich gegenwärtig zu einem der aufregendsten Gebiete der Astronomie. Nach der Entdeckung der ersten felsartigen Planeten in den letzten Jahren stellt sich die faszinierende Frage, ob solche Planeten lebensfreundliche (habitable) Bedingungen aufweisen können. Mehr als 750 Exoplaneten wurden bislang entdeckt, die meisten sind heiße Gasplaneten („heiße Jupiter“), die sehr eng um ihren Stern kreisen. Zwar bleiben massereiche, große Planeten leichter zu finden, doch die Zahl der entdeckten massearmen Planeten steigt viel stärker, was anzeigt, dass es viel mehr von ihnen geben dürfte. Mit der Entdeckung der ersten felsartigen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ist die faszinierende Frage nach Leben im All ins Blickfeld der Forschung geraten. Könnte unter den bekannten Gesteinsplaneten eine zweite Erde sein, mit Wasser und Temperaturen über dem Gefrierpunkt, sodass die Bedingungen biologischer Aktivität zumindest ermöglichen könnten? Lisa Kaltenegger erforscht die spektralen Signaturen in den Atmosphären extrasolarer terrestrischer Planeten, die entscheidende Indizien zur Charakterisierung ferner Welten und auch auf potenzielle Lebensspuren liefern können. Das Ziel ist, Hinweise auf Wasser, Sauerstoff und andere Gase wie Kohlendioxid und Methan zu finden, da die Kombination von Sauerstoff mit einem reduzierenden Gas (wie Methan) ein Nachweis für biologische Aktivität auf einem Planeten ist. Dieser spektrale Fingerabdruck repräsentiert jedoch zunächst nur die heutigen Zustände auf unserer Erde. Gesteinsplaneten um andere Sonnen könnten auch ganz andere Spektren zeigen, etwa weil sie sich in einem anderen Entwicklungszustand befinden. Dies ist ein Forschungsschwerpunkt, dem sich Dr. Kaltenegger, indem sie Geologie und Astronomie kombiniert. Der spektrale Fingerabdruck unserer Erde hat sich seit ihrer Entstehung stark verändert und spiegelt die Veränderungen unserer Sonne, die zu Beginn weniger leuchtkräftig war, sowie unseres Planeten wider. Mithilfe von Fossilienfunden lässt sich ein Modell der Geschichte unserer Erde über geologische Zeiträume entwickeln und der spektrale Fingerabdruck berechnen, den die junge Erde über ihre geologische Entwicklung zeigte. Somit finden sich etwa in der Hälfte der bisherigen Lebensspanne der Erde Spuren von Leben im Fingerabdruck, in Form von Sauerstoff kombiniert mit Methan und Wasser. Auch geologische Ereignisse wie gewaltige Vulkanausbrüche sowie andere geologische Zyklen hinterlassen Spuren in der Planetenatmosphäre, nach denen neue Instrumente, wie JWST, der Nachfolger Hubbles, ab 2018 suchen können. Jeder Planet beziehungsweise Exoplanet besitzt einen charakteristischen spektralen Fingerabdruck, der von Kalteneggers Forschungsgruppe modelliert und auf potenzielle Lebensspuren hin untersucht wird. Forschungsschwerpunkte – Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2012 Dr. Lisa Kaltenegger Stand April 2012 DFG 2 Astronomische Beobachtungen haben bereits drei „Super-Erden“ gefunden, also massearme Planeten in der habitablen Zone ihrer Sterne. Der spektrale Fingerabdruck, den solche Super-Erden zeigen sollten, wird in Dr. Kalteneggers Team berechnet. Ein Fokus liegt auf Absorptionslinien, die den Unterschied zwischen habitablen und nicht habitablen Bedingungen messbar machen. Diese werden schon heute als Test für zukünftige Satelliteninstrumente benutzt. Die habitable Zone um einen Stern, ein weiterer Schwerpunkt der Forschung Kalteneggers, hängt in erster Linie von der Helligkeit des Sterns und der Planetenatmosphäre ab. Die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre bestimmt den Anteil des Sternlichts, der reflektiert oder absorbiert wird, sowie die Erwärmung der Atmosphäre durch Treibhausgase. Das Konzept der habitablen Zone ähnelt einem Lagerfeuer: Zu nahe am Lagerfeuer ist es zu heiß, zu weit entfernt zu kalt, und nur in einer bestimmten Entfernung ist es gerade so warm, dass flüssiges Wasser existieren kann. Das ist zumindest notwendig – wenn auch nicht allein ausreichend –, um Leben zu ermöglichen, wie wir es kennen. Kalteneggers Modelle werden zur Erkennung der besten Kandidaten für habitable Bedingungen zum Beispiel für die NASA Kepler-Mission benutzt, die unter tausenden Planetenkandidaten schon an die 50 Kandidaten für solcher Super-Erden in der habitablen Zone ihrer Sterne entdeckt hat. Die Entdeckung von Gesteinsplaneten in der habitablen Zone um ihre Sterne eröffnet also die faszinierende Aussicht, ihre Charakteristiken im Detail zu untersuchen. Die Erkenntnisse, die wir dabei gewinnen, dürften sicher auch unser Verständnis darüber, was eine habitable Zone und ein habitabler Planet sind, auf den Prüfstand stellen. Dies könnte auch sehr lehrreich sein, um mehr über Entstehung, Entwicklung und Zukunft unseres eigenen Planeten zu erfahren. Lisa Kalteneggers Emmy Noether-Forschungsgruppe (SUPEREARTHS), die am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg angesiedelt ist, hat das Ziel, die Atmosphären möglicher habitabler erdähnlicher Planeten zu erforschen – mit einem stark interdisziplinären Forschungsansatz. Sie ist am MPIA in ein exzellentes Umfeld eingebettet und zugleich in ein internationales Forschungsnetz eingebunden. Der Fokus der Forschung ist die Modellierung von felsartigen Planeten, von 1–10 Erdmassen (Super-Erden), die auf einem etablierten und sehr vielseitig einsetzbarem Atmosphärenmodell aufbaut. Das Hauptziel der Gruppe ist es, die spektralen Signaturen – speziell biologische – in den Atmosphären extrasolarer terrestrischer Planeten zu modellieren, mit einem besonderen Schwerpunkt auf bereits entdeckte Planeten. Eine dieser entdeckten Super-Erden, in der habitablen Zone ihres Sterns, könnte möglicherweise eine der ersten habitablen Welten außerhalb unseres Sonnensystems sein. Der spektrale Fingerabdruck des Planeten, den wir mit zukünftigen Instrumenten erkunden können, kann dies zeigen. Wir leben in einer spannenden Zeit, in der wir den Horizont nicht mehr nach neuen Kontinenten, sondern nach neuen Welten absuchen und ob sie Anzeichen für Leben zeigen. Forschungsschwerpunkte – Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2012 Dr. Lisa Kaltenegger Stand April 2012 DFG