Technische Universität München Ferienkurs Lineare Algebra 1

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Technische Universität München
Ferienkurs Lineare Algebra 1
Gruppen, Ringe, Körper und Vektorräume
22. März 2011
Tanja Geib
Inhaltsverzeichnis
1 Gruppen
1.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
1.2 Die symmetrische Gruppe(Permutationsgruppe) 2
1.3 Gruppen-Homomorphismus . . . . . . . . . .
3
1.4 Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2 Ringe und Körper
5
2.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . .
6
INHALTSVERZEICHNIS
2
3 Vektorräume
7
3.1 Grundlagen und wichtige Beispiele . . . . . .
7
3.2 Erzeugendensysteme . . . . . . . . . . . . . .
9
3.3 Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3.4 Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
3.5 Affine Teilräume . . . . . . . . . . . . . . . .
14
1
1
Gruppen
1.1
Grundbegriffe
Definition[1.1.1] Eine nichtleere Menge G zusammen mit einer Abbildung ◦ :
G × G → G ist genau dann eine Gruppe, wenn sie die folgenden Eigenschaften
erfüllt:
(1) ∀a, b, c ∈ G : a ◦ (b ◦ c) = (a ◦ b) ◦ c Assoziativität
(2) ∃1 e ∈ G∀a ∈ G : a ◦ e = e ◦ a = a neutralesElement
(3) ∀a ∈ G∃1 a−1 ∈ G : a ◦ a−1 = a−1 ◦ a = e inversesElement
Die Gruppe heißt abelsch oder kommutativ, wenn zusätzlich zu (1)-(3) noch folgenden Eigenschaft gilt:
(4) ∀a, b ∈ G : a ◦ b = b ◦ a Kommutativität
Man schreibt meistens (G, ◦) für die Gruppe. Ist ◦ aus dem Zusammenhang klar,
spricht man auch nur von Gruppe G. Wegen ◦ : G × G → G spricht man auch von
einer inneren Verknüpfung von G. Es ist Vorsicht geboten, da sich das neutrale und
inverse Element zwar immer kommutativ verhalten, das jedoch nicht zwangsläufig
für die anderen Elemente gegeben ist (außer in abelschen Gruppen).
Beispiel[1.1.2] Bei (Z, +), (Q\{0}, ·) handelt es sich um abelsche Gruppen, wohingegen (N, +) nichteinmal eine Gruppe ist.
Bei endlichen Gruppen ist es häufig hilfreich die innere Verknüpfung mit Hilfe einer
Verknüpfungstafel darzustellen. Um aus der Verknüpfungstafel heraus zu entscheiden, ob es sich um eine Gruppe handelt verwendet man den folgenden Satz.
Satz[1.1.3] Die Verknüfungstafel einer endlichen Menge mit einer assoziativen inneren Verknüfung ist genau dann eine Gruppentafel, wenn in jeder Zeile und in jeder
Spalte der Tafel jedes Element der Menge höchstens einmal vorkommt.
Beispiel[1.1.4] Die Verknüpfungstafel der abelschen Gruppe ({−1, 1}, ·) sieht folgendermaßen aus:
·
-1
1
-1
1
-1
1
-1
1
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1.2 Die symmetrische Gruppe(Permutationsgruppe)
2
Zum Rechnen mit Gruppen sind folgende Regeln nützlich:
Satz[1.1.5] Sei (G, ◦) eine (nicht notwendig abelsche) Gruppe. Es gilt:
(1) ∀a ∈ G : (a−1 )−1 = a
(2) ∀a, b ∈ G : (a ◦ b)−1 = b−1 ◦ a−1
(3) ∀a, b ∈ G ∃1 x ∈ G : x ◦ a = b
(4) ∀a, b ∈ G ∃1 y ∈ G : a ◦ y = b
(3), (4) folgen daraus, dass jede Gruppe abgeschlossen bezüglich ihrer Verknüpfung
ist.
1.2
Die symmetrische Gruppe(Permutationsgruppe)
Ist eine nichtleere Menge X gegeben, dann bezeichnet A(X) die Menge aller Abbildungen ϕ : X → X. Die Komposition ◦ der Abbildungen ist eine innere Verknüpfung. Im Allgemeinen handelt es sich bei (A(X), ◦) nicht um eine Gruppe, da die
Invertierbarkeit der Abbildungen nicht zwangsläufig gegeben ist. Wählt man jedoch
S(X) als die Menge aller bijektiven Abbildungen, so handelt es sich bei ((S(X), ◦)
um eine Gruppe, der sog symmetrischen Gruppe von X.
Definition[1.2.1] Es sei X eine Menge und S(X) die Menge aller bijektiven Abbildungen ϕ : X → X. ((S(X), ◦) heißt die Gruppe der Permutationen oder die
symmetrische Gruppe von X. Im wichtigen Spezialfall X = {1, 2, 3, ..., n} schreibt
man anstelle von S({1, 2, 3, ...n}) kürzer Sn .
Wichtig!! Für die Permutationen im Fall von Sn wird folgende Schreibweise verwendet:
1
ϕ=
2
3
!
ϕ(1) ϕ(2) ϕ(3)
Beispiel[1.2.2] In S3 kann man somit leicht Inverse oder Kompositionen berechnen:
1 2 3
2 3 1
1 2 3
2 3 1
!
◦
!−1
=
1 2 3
2 1 3
1 2 3
!
3 1 2
!
=
1 2 3
3 2 1
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!
1.3 Gruppen-Homomorphismus
3
Indem man z. B. Inverse „ranmultipliziert“ können so auch Gleichungen mit Unbekannten gelöst werden. Beachte dabei, dass keine Kommutativität gilt!! Es ist darauf
zu achten, ob rechts oder links „heranmultipliziert“ wird.
Bei endlichem X ist die Mächtigkeit der Permutationsgruppe gegeben durch |S(X)| =
|X|!.
1.3
Gruppen-Homomorphismus
Definition[1.3.1] Eine Abbildung f : G1 → G2 von der Gruppe (G1 , ◦) in die
Gruppe (G2 , •) heißt Homomorphismus, wenn gilt
∀a, b ∈ G1 : f (a ◦ b) = f (a) • f (b)
Ein surjektiver Homomorphismus heißt Epiomorphismus, ein injektiver Monomorphismus und ein bijektiver Isomorphismus. Ist G1 = G2 , so nennt man einen Homomorphismus auch Endomorphismus. Ein bijektiver Endomorphismus wird Automorphismus genannt.
Beispiel[1.3.2]
exp : R → R+ , x 7→ ex
ist ein Gruppenhomomorphismus von (R, +) auf (R+ , ·), denn ∀a, b ∈ R gilt
exp(a + b) = ea+b = ea · eb = exp(a) · exp(b).
Definition[1.3.3] Eine Permutation Sn heißt Transposition, wenn sie zwei der Zahlen 1,..., n vertauscht, die anderen aber elementenweise festhält.
Definition[1.3.4] Jede Permutation aus Sn lässt sich schreiben als Komposition von
Transpositionen. Die Transpositionen und ihre Anzahl m sind dabei nicht eindeutig.
Es ist jedoch eindeutig, ob es sich um eine gerade, (−1)m = 1, oder eine ungerade,
(−1)m = −1, Permutation handelt.
Beispiel[1.3.5] Bei der folgenden Permutation handelt es sich um ein Element von
S4 .
1 2 3 4
3 2 4 1
!
=
1 2 3 4
4 2 3 1
!
◦
1 2 3 4
!
3 2 1 4
Es handelt sich um eine gerade Permutation, weil man mit zwei Transpositionen aus
der Identität die gegebene Permutation erhält.
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1.4 Untergruppen
4
Definition[1.3.6] Die folgende Abbildung heißt Signum:
sgn : Sn → {−1, 1}, ϕ 7→
Y ϕ(j) − ϕ(i)
j−i
i<j
Definition[1.3.7] Es seinen i, j, n ∈ N mit 1 ≤ i, j ≤ n, ϕ ∈ Sn . Ein Tupel (i,j) mit
j>i und ϕ(j) < ϕ(i) heißt Fehlstand der Permutation ϕ.
Zur Berechnung von Signum ist es weit einfacher die Fehlstände einer Abbildung zu
zählen, und Signum wie folgt zu berechnen:
sgn(ϕ) = (−1)Anzahl
der F ehlstände von ϕ
Beispiel[1.3.8] Sei die Abbildung
σ=
1 2 3 4 5
!
4 1 5 2 3
gegeben. Man kann jetzt entweder in die Formel aus [1.3.6] einsetzen, oder die Fehlstände als (1,2), (1,4), (1,5), (3,4) und (3,5) (dh Anzahl der Fehlstände gleich 5)
identifzieren. Beide Male ergibt sich sgn(σ) = −1.
Satz[1.3.9] Die Abbildung sgn : Sn → {−1, 1} ist ein Gruppenhomomorphismus
(für n ≥ 2 sogar ein Epimorphismus) von (Sn , ◦) auf ({−1, 1}, ·), dh es gilt
∀ϕ, ψ ∈ Sn : sgn(ϕ ◦ ψ) = sgn(ϕ) · sgn(ψ)
1.4
Untergruppen
Definition[1.4.1] Eine nichtleere Teilmenge U ⊆ G einer Gruppe (G, ◦), die auch
mit der Verknüpfung ◦ eine Gruppe bildet, heißt Untergruppe von G.
Satz[1.4.2] Eine nichtleere Teilmenge U ⊆ G ist genau dann eine Untergruppe von
(G, ◦), wenn gilt u ◦ v −1 ∈ U ∀u, v ∈ U . Dh U muss abgeschlossen sein, bezüglich
der Verknüpfung, der Inversen und das neutrale Element enthalten.
Für den Untergruppentest kann man wahlweise auch zeigen, dass ∀u, v ∈ U ⇒ u◦v ∈
U und u−1 ∈ U . Wenn man zeigen will, dass es sich nicht um eine Untergruppe
handelt reicht ein Gegenbeispiel, bzw dass das neutrale Element der Verknüpfung
nicht enthalten ist.
Beispiel[1.4.3] Es ist zum Beispiel ({0, ±2, ±4, ±6, ...}, +) eine Untergruppe von
(Z, +). Dies ist leicht einzusehen, da 0 als neutrales Element enthalten ist, ebenso
alle Inversen und gerade Zahlen addiert wiederum gerade ergeben.
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5
Definition[1.4.4] Sei f : G1 → G2 ein Gruppenhomomorphismus von (G1 , ◦) in
(G2 , •) .
(a) Der Kern des Homomorphismus ist das Urbild des neutralen Elements e2 ∈ G2 :
Kern f := {g1 ∈ G1 : f (g1 ) = e2 }.
(b) Das Bild des Homomorphismus ist gegeben durch: Bild f := {f (g1 ) : g ∈ G1 }.
Satz[1.4.5] Sei der Homomorphismus aus [1.4.4] gegeben. Es gilt:
(a) Kern f ist Untergruppe von (G1 , ◦).
(b) Bild f ist Untergruppe von (G2 , •).
2
2.1
Ringe und Körper
Grundbegriffe
Definition[2.1.1] Eine Menge R mit zwei inneren Verknüpfungen
+ : R × R → R, · : R × R → R
heißt Ring, falls gilt
(1) (R,+) ist abelsche Gruppe.
(2) ∀a, b, c ∈ R : a · (b · c) = (a · b) · c : Assoziativität bzgl ·
(3) ∀a, b, c ∈ R : a · (b + c) = a · b + a · c und (a + b) · c = a · c + b · c : Distributivität
(4) Wenn zusätzlich gilt
∃1 ∈ R : 1 · a = a
heißt R Ring mit Einselement (bzw Ring mit 1).
(5) Wenn zusätzlich gilt
∀a, b ∈ R : a · b = b · a
heißt R kommutativer Ring.
Beispiel[2.1.2] (Z, +, ·) und (Q, +, ·) sind kommutative Ringe mit 1.
Satz[2.1.3] Sei R ein Ring. ∀a, b ∈ R gilt:
(a) 0 · a = a · 0 = 0
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2.2 Komplexe Zahlen
6
(b) (−a) · b = a · (−b) = −(a · b)
Definition[2.1.4] Ein Ring (R, +, ·) heißt Körper, wenn (R\{0}, ·) eine kommutative Gruppe ist.
Beispiele[2.1.5] (Z, +, ·) ist kein Körper, da außer für -1 und 1 bzgl der Verknüpfung „ · “ keine Inversen in Z enthalten sind. (Q, +, ·),(R, +, ·) und (C, +, ·) sind
Körper.
2.2
Komplexe Zahlen
Definition[2.2.1]
C := {a + ib : a, b ∈ R, i2 = −1}
heißt Körper der komplexen Zahlen. Für z = a + ib ∈ C heißt Re(z)=a Realteil
von z und Im(z)=b Imaginärteil von z. Skizziert man komplexe Zahlen als Vektoren
bzw Punkte (a,b) in einem kartesichen Koordinatensystem (Realteil wird auf der
x-Achse aufgetrage, Imaginärteil auf der y-Achse), so nennt man R2 Gaußsche Zahlenebene. Die Länge des Vektors in der Gaußschen Zahlenebene nennt man Betrag
der komplexen Zahl, i. Z.
|z| = |a + ib| = |(a, b)| =
√
a2 + b 2
Mit Polarkoordinaten (r, ϕ) von (a,b) in der Zahlenebene gilt
z = a + ib = r(cos(ϕ) + i · sin(ϕ)) = r · eiϕ , mit r = |z|.
Das Argument von z, arg(z) := ϕ, ist der von der positiven reellen Achse entgegen
dem Uhrzeigersinn gemessenen Winkel zu z=(a,b) (0 ≤ ϕ < 2π).
Satz[2.2.2] Die Abbildung
k : C → C, a + ib 7→ a − ib
ist ein Körperautomorphismus, also bijektiv und es gilt ∀z1 , z2 ∈ C:
k(z1 + z2 ) = k(z1 ) + k(z2 ) , k(z1 · z2 ) = k(z1 ) · k(z2 ) .
Definition[2.2.3] Man bezeichnet k(a+ib)=a-ib als das konjugiert Komplexe von
a+ib. Man schreibt a + ib = a − ib.
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7
Zum Umgang mit dem konjugiert Komplexen sind folgende Regeln von Nutzen:
z1 + z2 = z1 + z2 , z1 − z2 = z1 − z2 , z = z,
z1 · z2 = z1 · z2 , zz12 = zz12 , z · z = |z|2 .
Satz[2.2.4] Formel von de Moivre:
∀n ∈ N : (cos(ϕ) + i · sin(ϕ))n = cos(nϕ) + i · sin(nϕ)
Mit Hilfe der Additionstheoreme kann gezeigt werden, dass im Allgemeinen für
z, z 0 ∈ C gilt
z · z 0 = r · r0 (cos(ϕ + ϕ0 ) + i · sin(ϕ + ϕ0 )
dh in der Gaußschen Ebene entspricht dies einer Drehstreckung (Längen werden
multiplizert, und Winkeln aufaddiert).
Satz[2.2.5] Für alle z, w ∈ C gilt:
• Re(z) =
z+z
2
• Im(z) =
z−z
2i
• |z · w| = |z| · |w|
• |z + w| ≤ |z| + |w| Dreiecksungleichung.
3
3.1
Vektorräume
Grundlagen und wichtige Beispiele
Definition[3.1.1] Es seien V 6= ∅ eine Menge, und K ein Körper. Ferner seien
+ : V × V → V eine innere Verknüpfung in V und · : K × V → V eine äußere
Verknüpfung von V mit K. V heißt K-Vektorraum (K-VR, oder auch linearer Raum),
wenn gilt:
(V1 ) (V,+) ist abelsche Gruppe,
(V2 ) Die Multiplikation mit Skalaren ist auf folgende Weise mit (V,+) verträglich:
(a) (α + β) · v = α · v + β · v ∀α, β ∈ K, v ∈ V ,
(b) (αβ) · v = α · (β · v) ∀α, β ∈ K, v ∈ V ,
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3.1 Grundlagen und wichtige Beispiele
8
(c) α(w + v) = α · w + α · v ∀α ∈ K, v, w ∈ V ,
(d) 1 · v = v, ∀v ∈ V .
Bei den fett-geschriebenen Elementen aus V handelt es sich um Vektoren.
Beispiel[3.1.2] V=(0,+) ist mit der Multiplikation mit Skalaren k · 0 := 0 ∀k ∈ K
für jeden beliebigen Körper K ein Vektorraum, der sog nulldimensionale VR.
Beispiel[3.1.3] Für jeden Körper K ist das n-fache kartesische Produkt V = K n
mit der Addition
(v1 , v2 , ..., vn ) + (w1 , w2 , ..., wn ) = (v1 + w1 , v2 + w2 , ..., vn + wn )
und der Multiplikation mit Skalaren
k · (v1 , v2 , ...vn ) = (k · v1 , k · v2 , ..., k · vn )
ein K-Vektorraum. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem n-dimensionalen
arithmetischen K-Vektrorraum.
Beispiel[3.1.4] Ist K ein Körper, S eine beliebige, nichtleere Menge und
V := K S = {f : S → K}.
Dann ist V mit den Verknüpfungen
(f + g)(s) := f (s) + g(s) ∀f, g ∈ V, s ∈ S
(k·f )(s) := k · f (s) ∀f ∈ V, k ∈ K, s ∈ Sein K-Vektorraum.
Satz[3.1.5] Es sei K ein Körper, und V ein K-VR. Dann gilt:
(1) 0 · v = 0 ∀v ∈ V
(2) α · 0 = 0 ∀α ∈ K
(3) α · v = 0 ⇒ α = 0 ∨ v = 0 ∀v ∈ V, ∀α ∈ K
(4) (−α) · v = −α · v = α · (−v) ∀v ∈ V, ∀α ∈ K
Aufgrund der ähnlichen Rechenweise von Skalaren und Vektoren hier, wird im folgenden darauf verzichtet die Vektoren fett zu schreiben.
Definition[3.1.6] Es seien K ein Körper, V ein K-Vektorraum und U ⊆ V . Die
Menge U heißt Untervektorraum (UVR, oder einfach Unterraum, oder (linearer)
Teilraum), falls gilt:
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3.2 Erzeugendensysteme
9
(U1 ) U 6= ∅
(U2 ) u1 , u2 ∈ U ⇒ u1 + u2 ∈ U „abgeschlossen bzgl Addition“
(U3 ) u ∈ U, k ∈ K ⇒ k · u ∈ U „abgeschlossen bzgl Multiplikation“.
Aus (U1 ) − (U3 ) folgt, dass U selbst ein K-Vektorraum. (U,+) ist Untergruppe von
(V,+). Assoziativität und Distributivität werden geerbt. Beispiele zu UVR gibt es
in den Übungen.
Satz[3.1.7] Der Durchschnitt beliebig vieler Untervektorräume eines Vektorraumes
ist ein Untervektorraum.
Die Vereinigung von Untervektorräumen ist im allgemeinen kein Untervektrorraum.
3.2
Erzeugendensysteme
Definition[3.2.1] Sei V ein K-Vektorraum und M ⊆ V ist Teilmenge von V. Der
von M erzeugte oder auch aufgespannte Unterraum (auch lineare Hülle oder Spann
genannt) ist der Durchschnitt aller UVR U von V, die M enthalten, i. Z.
Lin(M ) :=
\
U.
M ⊂U
Andere häufig gebräuliche Schreibweisen von Lin(M) sind span(M) oder hM i. Ist
V=Lin(M), dann heißt M Erzeugendensystem von V. Lin(M) ist immer UVR von
V, es ist sogar der kleinste UVR der M enthält.
Beispiel[3.2.2] Es ist zum Beispiel Lin(∅) = {0} (die leere Menge ist das Erzeugendensystem des nulldimensionalen VR) oder für K = R, V = R2 ist M =
{(1, 0), (0, 1)} wegen Lin(M ) = R2 ein Erzeugendensystem von R2 . Das kann man
sich gut vorstellen: es ist ein Erzeugendensystem, weil man mit Hilfe dieser beiden
Vektoren und Skalarmultiplikation jeden Punkt im R2 erreichen kann. Allgemein
kann man sagen: ist M = {v}, dann ist der von M erzeugte Unterraum gegeben
durch span({v}) = {λ · v : λ ∈ K} (allgemeiner steht das in Satz[3.2.4]).
Definition[3.2.3] Es seien K ein Körper, v1 , ..., vn ∈ V endlich viele Vektoren eines
P
K-VR V und M ⊆ V eine nichtleere Teilmenge von V. Jeder Vektor v = ni=1 ci vi
mit ci ∈ K heißt Linearkombination (LK) von v1 , ..., vn . Ein Vektor v heißt Linearkombination der Menge M, wenn er Linearkombination von endlich vielen Vektoren
v1 , ..., vn ∈ M ist.
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3.3 Basen
10
Satz[3.2.4] Es sei M ⊆ V eine nichtleere Teilmenge von V und M ∗ die Menge aller
Linearkombinationen von M. Dann gilt
Lin(M ) = M ∗ .
Weniger formal ausgedrückt: Der span(M) gibt den Raum wieder, der mit allen
linear unabhängigen Vektoren und Skalarmultiplikation dieser mit Elementen des
Körpers K erreicht wird.
Beispiel[3.2.5] Seien K und V wie in Beispiel [3.2.2] und M = {(1, 0), (2, 0), (0, 1), (1, 1)}
, dann ist der Spann gegeben als (span(M )) = {λ · (1, 0) + µ · (0, 1) : λ, µ ∈ R}. Der
Vektor (3, 1) = 3 · (1, 0) + 1 · (0, 1) ist eine Linearkombination der Menge M.
Definition[3.2.6] Es seien K ein Körper, V ein K-Vektorraum und U eine Menge
von Teilräumen von V. Der Summenraum von U ist
!
X
[
U := Lin
U .
U ∈U
U ∈U
Ist U = {U1 , ..., Un }, so schreibt man den Summenraum auch in der Form U1 +...+Un .
Satz[3.2.7] Es seien K ein Körper, V ein K-VR und U = {U1 , ...Un } eine Menge
von paarweise disjunkten UVR von V. Der Summenraum U1 + ... + Un besteht genau
P
aus den Vektoren v ∈ V , die sich in der Form v = ni=1 ui mit ui ∈ Ui schreiben
lassen.
3.3
Basen
Definition[3.3.1] Es seien K ein Körper, V ein beliebiger K-VR. Vektoren v1 , ..., vn ∈
V heißen linear unabhängig (l.u.), wenn der Nullvektor nur die sog triviale Linearkombination
0 = 0 · v1 + ... + 0 · vn
P
zulässt, dh wenn aus 0 == ni=1 ci vi zwingend folgt, dass ci = 0 ∀i ∈ {1, ..., n}.
Gibt es eine nichttriviale LK, so heißen die Vektoren linear abhängig (l.a.). Eine
Teilmenge M ⊆ V heißt l.u., wenn je endlich viele(!) Vektoren aus M l.u. sind, sonst
l.a..
Satz[3.3.2] Es seien K ein Körper, V ein beliebiger K-VR. Dann gilt:
(1) Teilmengen linear unabhängiger Mengen in V sind linear unabhängig.
(2) Obermengen linear abhängiger Mengen sind linear abhängig.
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3.3 Basen
11
(3) Ein einzelner Vektor v ∈ V \{0} ist immer linear unabhängig.
Satz[3.3.3] Es seien K ein Körper, V ein beliebiger K-VR. Eine aus mindestens
zwei Vektoren bestehende Teilmenge M ⊆ V ist genau dann linear abhängig, wenn
ein Vektor m ∈ M existiert, der sich als Linearkombination von M \{m} schreiben
lässt, dh wenn es endlich viele ci ∈ K und vi ∈ M gibt, mit m 6= vi und
m=
n
X
ci vi .
i=1
Definition[3.3.4] Es seien K ein Körper, V ein beliebiger K-VR. Eine Teilmenge B
eines K-Vektorraumes V heißt Basis von V, wenn gilt
(1) Lin(B)=V
(2) B ist linear unabhängig.
Ein Vektorraum hat keine eindeutige bevorzugte Basis. Die Menge M in Beispiel
[3.2.2] ist auch Basis des R.
Beispiel[3.3.5] Im arithmetischen VR K n bilden die Vektoren e1 = (1, 0, 0, ..., 0), e2 =
(0, 1, 0, ..., 0), ..., en = (0, 0, ..., 1) eine Basis, die sog kanonische Basis oder Standardbasis. Die Vektoren e1 , ..., en heißen (kanonische) Einheitsvektoren des K n .
Satz[3.3.6] Es seinen K ein Körper, V ein K-Vektorraum und B ⊆ V . Die folgenden Aussagen sind paarweise äquivalent ((4) nur für Vektorräume ungleich dem
Nullraum):
(1) B ist eine Basis von V.
Eine Basis ist ein linear unabhängiges Erzeugendensystem.
(2) Lin(B)=V, aber für jedes C ( B gilt Lin(C) 6= V .
Eine Basis ist ein minimales Erzeugendensystem.
(3) B ist linear unabhängig, aber für jedes C ) B ist C linear abhängig.
Eine Basis ist eine maximale linear unabhängig Menge.
(4) Jeder Vektor aus V kann auf genau eine Weise als Linearkombination von B
dargestellt werden.
Basis ist Erzeugendensystem, das eine eindeutige Darstellung erlaubt.
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3.4 Existenz
3.4
12
Existenz
Jeder Vektorraum besitzt ein Erzeugendensystem (z. B. sich selbst). Im endlichdimensionalen Fall erhält man die Basis einfach dadurch, dass man wie in Satz[3.3.3]
Vektoren „entfernt“ bis man ein l.u. Erzeugendensystem erhält.
Definition[3.4.1] Es seien K ein Körper und V ein K-VR. Besitzt V eine endliche Teilmenge E ⊆ V mit Lin(E) = V , dann heißt V endlichdimensional, sonst
unendlichdimensional.
Satz[3.4.2] [Basissatz] Jeder Vektorraum hat eine Basis.
Satz[3.4.3] [Basisergänzungssatz] Es seien K ein Körper, V ein K-VR und A ⊆ V
linear unabhängig. Dann gibt es eine Basis B von V mit A ⊆ B, dh A lässt sich zu
einer Basis B von V ergänzen.
Satz[3.4.4] [Kleiner Austauschsatz] Es seien K ein Körper und V ein endlich erzeugeter K-VR mit Basis B = {b1 , ..., bn }. Besitzt b ∈ V die (eindeutige) Darstellung
b = λ1 · b1 + ... + λn · bn
mit λ1 , ..., λn ∈ K und λj 6= 0 für ein j zwischen 1 und n, so erhält man eine andere
Basis B’ von V, wenn man bj gegen b austauscht, dh B 0 = {b1 , b2 , ..., bj−1 , b, bj+1 , ..., bn }
ist auch eine Basis von V.
Satz[3.4.5] [Steinitzscher Austauschsatz] Es seien K ein Körper und V ein endlich
erzeugeter K-VR mit Basis B = {b1 , ..., bn }. Sind a1 , ..., ak ∈ V l.u. , so gilt k ≤ n
und es gibt eine Permutation π ∈ Sn , so dass
B 0 := {a1 , .., ak , bπ(k+1) , ..., bπ(n) }
ebenfalls eine Basis ist.
Aus dem Steinitzischen Austauschsatz kann man direkt folgern, dass zwei verschiedene Basen eines Vektorraumes gleichmächtig sind. Mit etwas Umformulierung lässt
sich das auch auf unendliche Basen übertragen.
Definition[3.4.6] Es seien K ein Körper und V ein endlich erzeugeter K-VR mit
Basis B = {b1 , ..., bn }. Dann heißt dim(V ) := |B| = n die Dimension von V. Ist V
nicht endlich erzeugt, ist der Vektorraum unendlichdimensional und man schreibt
dim(V ) = ∞.
Satz[3.4.7] Es seien K ein Körper und V ein endlich erzeugter K-Vektorraum, dh
dim(V ) < ∞. Für jeden UVR U von V gilt dann:
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3.4 Existenz
13
(1) dim(U ) ≤ dim(V )
(2) Ist dim(U ) = dim(V ), so ist U=V.
Jeder Vektor eines Vektorraums lässt sich als Linearkombination der Basisvektoren
darstellen. Ist die Reihenfolge der Basisvektoren festgelegt, lässt sich jeder Vektor
über einen zugehörigen n-Tupel (λ1 , ..., λn ) ∈ Kn darstellen. Zur Verdeutlichung der
Reihenfolge der Basisvektoren schreibt man B = (b1 , ..., bn ) und spricht von einer
geordneten Basis.
Definition[3.4.8] Es seien K ein Körper und V ein endlichdimensionaler K-VR und
B = (b1 , ..., bn ) eine geordnete Basis von V. Ist
v=
n
X
νi bi mit ν1 , ..., νn ∈ K
i=1
die eindeutige Darstellung von v ∈ V bzgl B, so heißt


ν1


 . 


 ∈ Kn
v/B := 
.




.


νn
die Koordinatendarstellung von v bzgl B.Man rechnet damit wie im K n .
Mit Hilfe des neu eingeführten Dimensionsbegriffs wird der Rang einer Matrix nochmals definiert. Man betrachte dazu folgende

a11 a12 ...

 a21 a22 ...
A=
..

.

am1 am2 ...
Matrix:

a1n

a2n 
 ∈ K m×n


amn
Die Zeilenvektoren z1 := (a11 , ..., a1n ) etc von A erzeugen

den Zeilenraum Z(A) :=
a11




a
21

Lin(z1 , ..., zm ) ⊆ K n . Die Spaltenvektoren s1 := 
.
 .  etc von A erzeugen den
.


am1
m
Spaltenraum S(A) := Lin(s1 , ..., sn ) ⊆ K .
Führt man elementare Zeilenumformungen durch bleiben die Zeilen der Matrix ein
Erzeugendensystem des Zeilenraumes Z(A). Bringt man die Matrix mittels GaußVerfahren auf die Zeilenstufenform hat man das minimale Erzeugendensystem, sprich
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3.5 Affine Teilräume
14
eine Basis gefunden. Durch diese Überlegung lässt sich der Rang der Matrix folgendermaßen definieren:
Definition[3.4.9] Es seien K ein Körper und A ∈ K m×n . Der Rang der Matrix,
i. Z. Rang(A), ist
Rang(A) := dim(Z(A)).
Aus den gleichen Überlegungen für den Spaltenrang gelangt man zu folgendem Satz:
Satz[3.4.10] Es seien K ein Körper und A ∈ K m×n . Dann gilt
dim(Z(A)) = dim(S(A)),
dh Zeilenrang=Spaltenrang (Achtung, zum Ablesen aus der Matrix muss diese erst
in Zeilenstufen- oder Spaltenstufenform gebracht werden!!).
3.5
Affine Teilräume
Ist V ein K-VR und W ⊆ V ein Unterraum von V, dann handelt es sich bei
v ∼ w :⇔ v − w ∈ W
um eine Äquivalenzrelation auf V. Die Äquivalenzklasse [v]∼ = v + W wird auch
Nebenklasse des UVR W genannt. Im geometrischen Zusammenhang nennt man
diese Nebenklasse auch affinen Raum.
Definition[3.5.1] Eine Teilmenge X eines K-Vektorraumes V heißt affiner Unterraum oder Teilraum, falls es ein v ∈ V und einen Untervektorraum W ⊆ V gibt, so
dass
X = v + W := {u ∈ W : ∃w ∈ W : u = v + w}.
Satz[3.5.2] Es sei X = v + W ein affiner Teilraum eines K-Vektorraumes V. Dann
gilt:
(1) Für jedes beliebige v 0 ∈ X gilt: X = v 0 + W .
(2) Ist v 0 ∈ V und W 0 ⊆ V ein Untervektorraum von V mit X = v + W = v 0 + W 0 ,
so gilt W = W 0 und v − v 0 ∈ W ⇔ v 0 ∈ v + W .
Definition[3.5.3] Es sei X ein affiner Unterraum von eines K-Vektorraumes V.
Der eindeutig bestimmte UVR D(X) von V mit X = v + D(X) und v ∈ V heißt
Differenzraum, Richtungsraum oder Tangentialraum von X. Man setzt
dim(X) := dim(D(X)).
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3.5 Affine Teilräume
15
Definition[3.5.4] Es sei K ein Körper. Ein affiner Teilraum X der Dimension 1
eines K-Vektorraumes V heißt Gerade.
Definition[3.5.5] Es sei K ein Körper. Ein affiner Teilraum X der Dimension 2
eines K-Vektorraumes V heißt Ebene.
Definition[3.5.6] Es seien K ein Körper, V ein K-VR. Ein affiner Teilraum X der
Dimension n-1 von V heißt Hyperebene, ein Teilraum der Dimension 0 Punkt.
Wichtig zu beachten ist, wenn man die Hyperebene mit Hilfe der Theorie als lineares
Gleichungssystems schreibt (man erhält eine inhomogene Gleichung), man immer
einen n-1 dimensionalen affinen Teilraum erhält. Das heißt, dass man z. B. eine
Gerade so nicht aus dem R3 erhält.
Definition[3.5.7] Es seien K ein Körper und X, X 0 affine Teilräume eines K-VR V.
Dann heißen X, X’ parallel, i. Z. X kX 0 , wenn D(X) ⊆ D(X 0 )) ∨ D(X 0 )) ⊆ D(X))
ist.
Bei verschiedenen Dimensionen von W, W 0 handelt es sich bei der Parallelität nicht
mehr um eine Äquivalenzrelation.
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