Ins weite Land – Matthäus 28, 16 – 20 (Mai 2000) Der Anstoß zur Gestaltung eines Hauskreisabends zu Mt 28, 16-20 Einstieg: 1. Ein Globus / ein Atlas mit Weltkarte steht/liegt auf dem Tisch. Die Teilnehmer assoziieren, was ihnen zum Thema die ganze Welt einfällt. Wie sieht die Welt aus unserer Perspektive aus? Was bestimmt die Abläufe? Zufall? Kausalkette?: wenn in Brasilien ein Schmetterling mit den Flügeln schlägt, gibt es in Thailand einen Sturm... 2. Wo waren wir schon überall? Wie sieht es da mit der Ausbreitung des Evangeliums aus? Auswirkungen der Missionsgeschichte erzählen. Wir lesen den Text. 1. Was sagt der Text über Christus? Was sagt der Text über uns? 2. Wie ist es bei uns mit dem Hingehen? Wer sind alle Völker? 3. Wir entdecken dabei in uns selbst und unserer Umgebung eine Spannung, ja einen merkwürdigen Widerspruch. "Ich schäme mich. Was sage ich einem Menschen, der am Ende ist? Was sage ich ihm/ihr unter vier Augen in seine / ihre Sorgen? Am Grab in sein Alleinsein? Am Krankenbett in seine Schmerzen? Im Todeskampf in seine Angst? Sage ich auch: kann man nichts machen? Es erwischt jeden einmal - nur nicht den Mut verlieren - nimm's nicht so schwer - vielleicht ist es ja morgen schon besser - sage ich das? Sage ich nichts als das? Ich sollte doch kennen den einen und einzigen Namen, der uns gegeben ist unter dem Himmel. Ich kenne ihn auch und doch schweige ich. Ich schäme mich." (Lothar Zenetti, zit. nach: B.Krause, Auszug aus dem Schneckenhaus, Aussaat - Verlag 1996, S. 146 f) Damit soll keine Selbstbeschimpfung inszeniert werden. Das Zitat von L.Zenetti bringt jedoch eine der Schwierigkeiten treffend zur Sprache, die wir Heutigen - fast 2000 Jahre nach dieser denkwürdigen Auftragsvergabe auf dem Berg in Galiläa - mit diesem Auftrag haben. Wer in dieser Runde, der/die das Problem nicht aus eigenem Erleben kennt? Man kann von der Weltgeltung des Evangeliums überzeugt sein, die Notwendigkeit der Weltmission im eigenen Land und über alle Grenzen hinweg proklamieren und gleichzeitig diese Hürde spüren, wenn es um den einen Menschen geht, der da jetzt vor mir sitzt. Jünger machen Das ist das zentrale Wort in dem 'Missionsbefehl' an die Jünger: zu Jüngern machen; zu Nachfolgern ausbilden. Das HINGEHEN ist die dazu nötige Bedingung; TAUFEN und LEHREN sind die Ausführungsbestimmungen. Das Besondere dieses Textes ist: hier werden zwei Dinge verbunden, die erst einmal nicht zusammengehören. Die Erhöhung des Gekreuzigten und die Sendung zu den Völkern. Jesus hat als Auferstandener die weltumspannende (universale) Vollmacht. Dem entspricht der universale Auftrag an alle Menschen. Klar ist das Ziel der ganzen Sache angegeben: Zu Jüngern machen. Das Matthäus - Evangelium wird das Evangelium der Kirche genannt. In ihm finden sich konkrete Beschreibungen über die Vorstellungen Jesu von der Kirche. Die kürzeste und schönste Beschreibung der Kirche: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). Was sollen die dann machen, wenn sie in seinem Namen zusammen sind? Was soll die Kirche heute machen? Wie Jesus nach den Berichten des Evangeliums mit seinen Freunden umgeht, das soll auch den Umgang der Christen untereinander prägen. Christ werden heißt Jünger/in werden. Christ sein bedeutet: in der Nachfolge Jesu und damit zugleich in der Gemeinschaft der Seinen leben. An der Formulierung des Lehrauftrags (V.20) fällt auf, dass Jesus seine Botschaft als 'Gebot' beschreibt. Er macht als der Erhöhte seine eigenen irdischen Worte für das Leben der Seinen an allen Orten zu allen Zeiten verbindlich. Christen können sich für ihr Zusammenleben und ihren Auftrag in der Welt also keinen anderen Auftrag und keine andere Verpflichtung geben als das, was Jesus uns gelehrt hat. Der Auftrag zur Mission unter den Völkern drängt auf eine missionarische Lebenspraxis hin. Die Jüngergemeinde ist geprägt von dem Geist der Nachfolge und des geschwisterlichen Miteinanders. Unser Text als Missionsbefehl zielt also auf das Leben der Kirche selbst in allen ihren Formen und ist nicht zuerst ein Auftrag an einzelne Missionare. Der Inhalt der Lehre Jesu ist die Anleitung zur Gerechtigkeit, dh zu einer konkreten Nachfolge. Diese Gerechtigkeit soll besser sein als die der Schriftgelehrten und Pharisäer. Ohne diese gelebte Gerechtigkeit gibt es keine Gottesherrschaft auf der Erde und im Himmelreich. In der Bergpredigt hat Jesus diese Gerechtigkeit einladend beschrieben. Je authen-tischer die Christusnachfolge im Sinn der Bergpredigt gelebt wird, desto einladender und missionarischer ist die Kirche. Verheißungen haben Ich stelle mir die Szene vor: 11 Männer und einige Frauen gehen auf den Berg in Galiläa und sehen ihn, den Auferstandenen. "Einige aber zweifelten." Der, dessen Tod sie eben noch betrauert haben, sagt diesen Menschen, was Sache ist: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." Diese Ansage öffnet den Jüngern und Jüngerinnen damals und heute die Augen für die weltweite Dimension der Herrschaft Jesu. Damit erfüllt der erhöhte Jesus das Universum. Diese Proklamation lässt keinen Raum mehr für irgendwelche Sondervollmachten anderer Mächte und Gewalten. Nichts hat mehr einen selbständigen Bereich eigenen Rechtes. Weder Rasse noch Klasse, weder Tod noch Leben noch irgendwelche menschlichen Selbstherrlichkeiten sind in der Lage, diese All - Macht des Erhöhten einzuschränken! Wir erkennen auch: damit, dass der erhöhte Jesus die universale Vollmacht erhalten hat, ist er noch nicht von Himmel und Erde anerkannt! Der Widerstand der Mächte und Gewalten gegen ihn ist zwar - im Licht von Ostern betrachtet - jetzt schon vergeblich, aber immer noch real erfahrbar. Die universale Vollmacht des Auferstandenen wird einstweilen "nur" in der zum Vertrauen einladenden Proklamation Jesu offenbar! Darum ist der Satz ‚Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden' alles andere als eine allgemeingültige, von allen anerkannte Wahrheit. Jesus lädt damit alle, die ihn hören, ein, seine weltumspannende Herrschaft anzuerkennen. Die Jüngerinnen und Jünger, von denen es heißt: ‚sie fielen vor ihm nieder', haben Jesus so verstanden. Mit ihrer Anbetung entsprechen sie ganz konkret und leiblich der Vollmacht Jesu. Sie erkennen seine Herrschaft über sich und die ganze Welt an. Denn alle die werden gerettet, die seine Herrschaft anbetend anerkennen und seine Jüngerinnen und Jünger werden. Das soll weitergehen. Die Jüngerinnen und Jünger sollen den Völkern dazu dienen, das zu werden, was sie selber sind. Gehet hin... die Jünger können nicht unter sich bleiben. Sie gehen über ihren eigenen Kreis und die ihnen vertraute Umgebung hinaus. Was wäre das heute: über die christlich geprägte Umgebung hinaus? Ist unsere Umgebung noch christlich geprägt? War sie es wirklich jemals? Dadurch, dass in jedem Dorf eine Kirche steht und das Grundgesetz eine christlich beeinflusste Präambel hat, ist unsere Umgebung noch nicht wirklich vom Glauben an Christus durchdrungen. Die Menschen aufsuchen, die den erhöhten Herrn nicht kennen - das ist unsere Aufgabe heute. Alles andere können wir als Kirchengemeinde getrost in die zweite Reihe stellen oder ganz vergessen! Das Hingehen, die Geh - Struktur, ist das Kennzeichen der Gemeinde. Die Komm - Struktur hat ausgedient! Wie viele Gemeinden sperren sich gegen eine konsequent geplante missionarische Gemeindearbeit, weil sie sagen: wir haben ein gutes Angebot. Da können die Leute ja kommen. Das zeigt sich in der Anfangszeit des Gottesdienstes genauso wie in der Sprache und Liturgie. Ist unser Gottesdienst so, dass auch Fremde gerne ein zweites Mal kommen? Mittel finden Für alle, die im Vertrauen auf den Sendenden bereit sind, sich in die angezeigte Richtung senden zu lassen, ist der Text auch eine Zumutung. Der Auferstandene sieht als ‚Mittel' zur Gewinnung der Völker nur das WORT vor. In der guten Nachricht, die den gekreuzigten Jesus als Herrn der Welt bekannt macht, seine Herrschaft einladend ausruft und seine Wegweisung in die Gestaltung des Lebens einbringt, wird Er als der Gegenwärtige erfahren. Sie sollen die Nachricht von der Zuwendung Gottes zu allen Menschen sagen und einfache Handlungen vollziehen: die Menschen ‚im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit Wasser taufen.' Sie sollen Brot und Wein hinstellen auf einen Tisch und zu einem Mahl einladen, bei dem Gott der Gastgeber ist und wir seine Gäste sind. Mit diesem Wort und diesen seltsamen Handlungen sollen sie die Völker für den Mann aus Nazareth gewinnen! Die Theologische Erklärung von Barmen (1934) stellt unseren Vers (20) der 6. These als biblisches Leitwort voran. Sie lautet: "Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk!" Mit dieser thesenhaften Zusammenfassung können wir das Ganze auf die Realität unserer eigenen Gemeinde beziehen und geeignete Mittel finden: Unsere Gemeinde wirkt nach außen, indem sie mit Leidenschaft danach fragt: Was wollen wir erreichen? Und: Was wollen und was brauchen die Menschen um uns herum? Wie erleben Menschen in unserem Ort unsere Kirchengemeinde? Wie wirkt sich ihre Existenz im Erscheinungsbild unsere Ortes aus? Tragen wir dazu bei, dass das Evangelium begeisterte ‚Fans' bekommt? Welchen Eindruck nimmt jemand mit, der/die zum ersten Mal in unsere Ge-meinde kommt? Wir nehmen Maß am Weg Jesu. Sein Leben, Sterben und Auferstehen ist für die Körpersprache unserer Gemeinde prägend. Wir geben unserem Glauben eine möglichst anziehende Gestalt, die uns selbst gut tut und darum von selbst positive Auswirkungen auf die Umgebung hat. Hermann Kotthaus, Hauskreisreferat der EKiR / GMD Düsseldorf