6 Harmonische Funktionen Generell kann man die allgemeine Lösung des elektrostatischen Randwertproblems auch als Summe einer speziellen Lösung der Poisson-Gleichung und einer Lösung der Laplace-Gleichung schreiben, wobei die Lösung der Laplace-Gleichung für die Erfüllung der Randbedingungen Sorge trägt: φ(r) = φspeziell (r) + φhomogen (r). Als spezielle Lösung kann das Helmholtz-Integral herhalten: Z ρ(r 0 ) φspeziell = dV 0 . 0 V |r − r | Die homogene Lösung muß dann neben der Laplace-Gleichung ∆φhomogen = 0 die Randbedingung φhomogen |∂V = φ0 − φspeziell |∂V bzw. erfüllen. 6.1 ∂φhomogen σ(r) ∂φspeziell = − − ∂n0 0 ∂n0 ∂V ∂V Harmonische Funktionen Es ist offensichtlich, dass die Lösungen der Laplace-Gleichung eine wichtige Rolle in der Elektrostatik spielen. Man bezeichnet die Lösungen der Laplace-Gleichung ∆φ = 0 als harmonische Funktionen. 6.1.1 Eindimensionale Laplace-Gleichung d2 φ =0 dx2 Lösung: Gerade φ(x) = mx + b Eigenschaften der Geraden: An jedem Punkt x ist φ(x) durch den Mittelwert von φ an zwei benachbarten Punkten gegeben: 1 φ(x) = [φ(x + R) + φ(x − R)]. 2 φ hat keine lokalen Maxima oder Minima. Extrema von φ gibt es höchstens an den Endpunkten des betrachteten Intervals (eindimensionales Volumen). 6.1.2 Zweidimensionale Laplace-Gleichung ∂2φ ∂2φ + 2 =0 ∂x2 ∂y Zweidimensionale Potentialprobleme entstehen, wenn ein dreidimensionales System in einer Richtung translationsinvariant ist. Zur Lösung zweidimensionaler Probleme bedient man sich oftmals differenzierbarer komplexer Funktionen. Zu diesem Zweck wird die xy-Ebene mittels z = x +iy auf die komplexe Zahlenebene abgebildet. Eine komplexe Funktion f (z) = f (x + i y) = u(x, y) + i v(x, y) läßt sich als Summe aus Realteil u(x, y) und Imaginärteil i v(x, y) darstellen mit reellen Funktionen u und v. Eine komplexe Funktion ist differenzierbar in z0 , wenn der Grenzwert des Differenzenquotienten f (z) − f (z0 ) lim z→0 z − z0 für jede beliebige Annäherung an z0 existiert und den gleichen Wert hat. Insbesondere muss dann gelten wobei ux = ∂u , etc. ∂x df = dz f (z0 + ∆x) − f (z0 ) = ux + ivx ∆x→0 ∆x , f (z0 + i ∆y) − f (z0 ) = −i uy + vy lim ∆y→0 ∆y lim Daraus ergeben sich für die partiellen Ableitungen von u und v die Cauchy-Riemann’schen Differentialgleichungen ux = v y und uy = −ux . (Beachte: die Cauchy-Riemann’schen Differentialgleichungen entsprechen der Bedingung verschwindender Rotation des elektrischen Feldes in drei Dimensionen.) Nach zweifacher Differentiation folgt unter Berücksichtigung der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen: ∆u = uxx + uyy = 0 und ∆v = vxx + vyy = 0, d.h. jede komplex differenzierbare Funktion f (z) stellt eine Lösung der LaplaceGleichung dar. Wegen ∇u · ∇v = ux vx + uy vy = 0 stehen die Linien u =const und v =const senkrecht aufeinander. Betrachtet man den Realteil u des komplexen Potentials f als elektrostatisches Potential, dann bilden die Linien konstanten u Äquipotentiallinien. Entsprechend repräsentieren die Linien konstanten v in diesem Fall die Feldlinien des Problems. Betrachte als Beispiel das komplexe Potential f (z) = − λ ln(z). 2π0 In Polarkoordinaten ist z = reiϕ und ln(z) = ln(r) + iϕ. Das Potential λ ln(r) 2π0 ist das Potential eines unendlich langen Drahtes in z-Richtung, dessen Ladung pro Längeneinheit λ beträgt. Der Imaginärteil ist u=− v=− λ ϕ. 2π0 Dem entsprechend repräsentieren die Linien ϕ = const die Feldlinien des Drahtes. Der Betrag des elektrischen Feldes ist durch E= λ 1 = |f 0 (z)| 2π0 r gegeben. Randwertproblem in zwei Dimensionen Beispiel: Streufeld eines Plattenkondensators y yo x −yo Wenn y = ±y0 für x < 0 Äquipotentiallinien sein sollen, ist es zweckmäßig, einen impliziten Ansatz für das Potential zu machen: z = 1 + i f + ei f . Dieser Ansatz begründet sich darauf, dass für einen Draht (hier die Kante des Kondensators) f = ln(z) gilt und das Potential eines homogenen elektrischen Feldes in y-Richtung durch das komplexe Potential f = iE0 z beschrieben werden kann. Trennung nach Real- und Imaginärteil liefert x = 1 − v + eiv cos(u) y = u + e−v sin(u). Die Spannung u auf den Kondensatorplatten betrage ±π. Dies ist für x = 1 − v − e−v und y = ±π erfüllt. Da e−v > 1 − v für alle v, sind diese Äquipotentialflächen in der Tat zwei parallele Halblinien x < 0, y = ±π. Man kann nun v eliminieren und erhält: x = 1 + ln(y − u) − ln(sin(u)) + (y − u) cot(u). x = x(y) gibt dann die Äquipotentiallinien für die Spannungen −π < u < π an. 6.1.3 Dreidimensionale Laplace-Gleichung Die harmonischen Funktionen in drei Dimensionen haben ähnliche Eigenschaften wie wie die Gerade. Mittelungseigenschaft: Der Wert von φ an einem Punkt P ist der Mittelwert von φ über eine Kugeloberschale, die um P zentriert ist. Beweis: Benutze ein Koordinatensystem, welches seinen Ursprung in P hat. ∆φ = 0 impliziert, daß ρ = 0 innerhalb einer Kugel vom Radius R. Auswertung der formalen Lösung der Poisson-Gleichung mit r = 0 liefert: 1 ⇒ φ(0) = 4π I df S 0 " # 1 ∂ ∂ 1 φ(r 0 ) − φ(r0 ) 0 0 . 0 0 r ∂n ∂n r Nun ist: I 1 ∂ 1 df 0 · (∇φ(r 0 )) df 0 0 φ(r0 ) = r ∂n R S S Z 1 dV 0 ∇ · (∇φ(r 0 )) = R V Z 1 dV 0 ∆φ(r 0 ) = 0 = R V 0 I 1 ⇒ φ(0) = − 4π I S df 0 φ(r 0 ) ∂ 1 ∂n0 r 0 ∂ 1 1 ∂ 1 = 0 0 = − 02 0 0 ∂n r ∂r r r 1 ⇒ φ(0) = 4πR2 I S df 0 φ(r 0 ). Aus dieser Mittelungseigenschaft folgt sofort, daß φ im Innern des betrachteten Volumens keine Extrema aufweisen kann.