Suche nach Dunkler Materie Beobachtungen, Experimente, Modelle Seminararbeit SS2002 – RWTH Aachen - Stefan Hölters Suche nach Dunkler Materie Inhalt Kap. 1 Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurve 1.2 Leuchtkraft von Sternen 1.3 Gravitationslinseneffekt 1.4 Aussagen der Messungen Kap. 2 Kandidaten für Dunkle Materie 2.1 2.2 2.3 2.4 Uneigentliche Kandidaten Baryonische Kandidaten Nicht-baryonische Kandidaten - Neutrinos Nicht-baryonische Kandidaten - Exoten [das] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurven Rotationskurven zeigen die Geschwindigkeit von Sternen einer Galaxie in Abhängigkeit vom Abstand zum galaktischen Zentrum • Aussage der Newton-Mechanik Gravitationskraft = Zentripetalkraft G ⋅ m ⋅ Mr m ⋅ v2 = 2 r r v(r ) = G ⋅ Mr 1 ∝ r r Mr = zentrale Masse einer Galaxie r = Abstand Zentrum-Stern [Haw] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurven Was genau ist die Masse Mr ? • • • Gravitationskraft und Potential in einer Galaxie: F = r E = grad ϕ Es gilt: ∆ϕ = −4π ⋅ G ⋅ ρ Gauß´scher Satz: − 4π ⋅ G r 2 E ⋅ 4π ⋅ r = 4π ⋅ G r r 0 V 0 V r2 r r r div E dV = E dA r V ϕ =− ∫ G⋅M r r ∂V ∫ ρdV = ∫ ∆ϕ dV = ∫ div grad ϕ dV = ∫ ∫ ρ dV = 4π ⋅ G ⋅ M 0 V ∫ G⋅M⋅m 0 ∂V 0 V E= G⋅M r 2 r r E dA F = m⋅ E Gesamte Masse innerhalb der Bahn eines Sterns Gravitative Masse einer Galaxie bis zum sichtbaren Rand 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurven • Messung von Sterngeschwindigkeiten mit dem Doppler-Effekt; beobachtet wird meist die 21cm-Linie der Hyperfeinstruktur des Wasserstoffs f ′ − f0 u 0 ± ∆u f0 c f ∆f ′ = f1′ − f 2′ = 0 ⋅ 2∆u c =− ∆f ′ ⋅ c ∆u = = v(r ) 2 ⋅ f0 u0 u 0 − ∆u f1′ u 0 + ∆u f 2′ u 0 = Geschwindigkeit der Galaxie ∆u = Geschwindigkeit des Sterns in der Galaxie f 0 = Frequenz des Lichtes f ′ = verschobene Frequenzen des Lichts 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurven Typisches Diagramm einer Rotationskurve • Messungen ergeben v(r ) ≈ const. • Die Vorhersage war 1 v(r ) ∝ r GM r = const. r v2 ⋅ r 1 ∝ r ⇔ ρ(r ) ∝ 2 M (r ) = G r v2 = [Haw] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.2 Leuchtkraft von Sternen Die Leuchtkraft ist die gesamte abgestrahlte Leistung eines Sterns und hängt von der Masse des Sterns ab • Auf der Erde wird der Strahlungsstrom S gemessen ⇒ Leuchtkraft L L = 4π ⋅ r 2 ⋅ S • r = Abstand Stern - Erde Die Effektivtemperatur Teff eines Sterns ist definiert als L Teff = 2 4π ⋅ R ⋅ σ 1 4 Hertzsprung-Russel-Diagramm σ = Stefan - Boltzmann - Konstante R = Radius des Sterns 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.2 Leuchtkraft von Sternen Das Hertzsprung-Russel-Diagramm • Die Mehrheit aller Sterne fällt in die Hauptreihe • Die Theorie von Eddington über Sterne sagt eine L ∝ M 4 Abhängigkeit vorher Zur Überprüfung müssen die Massen einiger Sterne des Diagramms bestimmt werden [Tip] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.2 Leuchtkraft von Sternen Beobachtungen zur Leuchtkraft-Masse Beziehung werden an Sternen vorgenommen, deren Massen leicht bestimmt werden können • • Messungen an der Sonne v2 ⋅ r FZ = FG ⇔ M = G v= 2π ⋅ r T r = Abstand Erde - Sonne T = 1 Jahr Messungen an Doppelsternen; Hauptstern und Trabant v2 ⋅ r M= G v= 2π ⋅ R = 2π ⋅ R ⋅ f T r = Abstand Erde-Doppelstern R = Abstand Hauptstern-Trabant f = Umlauffrequenz des Trabanten 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.2 Leuchtkraft von Sternen Die Aussage von Eddington werden bestätigt L ∝ M4 • Aus der Häufigkeit der verschieden stark leuchtenden Sterne einer Galaxie und der Anzahl aller Sterne einer Galaxie schließt man auf die Masse aller Sterne in der Galaxie • In einer Galaxie treten außerdem Planeten, Gas- und Staubwolken auf → geringe Massenkorrekturen Leuchtende Masse unserer Galaxie und benachbarter Galaxien 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.3 Gravitationslinseneffekt Der Lichtweg wird durch Massen gekrümmt Annahmen • Licht wird innerhalb eines Objektdurchmessers vom Punkt der größten Annäherung abgelenkt; • Licht gehe sehr nah am Objekt vorbei y α R FY = mMG R2 x M α` = m&y& y& = &y& ⋅ t = MG 2R 2 ⋅ M ⋅ G ⋅ = 2 v R ⋅c R [Haw] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.3 Gravitationslinseneffekt • Wegen des kleinen Ablenkwinkels gilt y& MG 2R 1 2MG ⋅ = α= = 2 ⋅ &x R c c Rc 2 • Neben kleinen Korrekturen sagte Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie vorher 2MG α = 2⋅ [Haw] Rc 2 Messungen während der Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 bestätigten diese Vorhersage Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.3 Gravitationslinseneffekt • Aus der Messung der Ablenkwinkels folgt die Masse des ablenkenden Objekts α ⋅ R ⋅ c2 M= 4G R Radius des ablenkenden Objekts M Masse des ablenkenden Objekts α tatsächlicher Ablenkwinkel Gravitative Masse einer Galaxie [Tip] 1. Bestimmung der Masse von Galaxien 1.4 Aussagen der Messungen • Rotationskurven - Der beobachtbarer Rand der Galaxie ist nicht der tatsächliche Rand - Der Grossteil der Masse einer Galaxie leuchtet nicht • Vergleich der durch verschiedene Methoden ermittelten Massen - Methode der Massenbestimmung über die Leuchtkraft liefert nur Bruchteil der aus Rotationskurven und Gravitationslinsen-Effekt bestimmten Massen 97% der Masse in Galaxien und im Universum sind nicht sichtbar Dunkle Materie 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.1 Drei Gruppen von Kandidaten • „uneigentliche“ Kandidaten - neues Gravitationsgesetz für kleine Beschleunigungen - zeitabhängige Gravitationskonstante • Baryonische Dunkle Materie • Nicht-baryonische Dunkle Materie heiss = Ekin gross gegen Ruhemasse kalt = Ekin klein gegen Ruhemasse [Haw] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.2 Baryonische Dunkle Materie Mögliche „realitätsnahe“ Objekte sind: • Planeten, Braune Zwerge, Weisse Zwerge, Schwarze Löcher Objekte, die keine Sterne geworden sind, oder Überreste von Sternen • MACHOs „massive compact halo objekts“ [Haw] Bislang selten beobachtete, schwere Objekte aus baryonischer Materie Suche mittels Gravitationslinsen-Effekt : micro-lensing 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.2 Baryonische Dunkle Materie Helligkeitsvariationen durch MACHO´s • Eine unvollständige Bedeckung erzeugt Zweifachbilder, die nicht aufgelöst werden können scheinbare Leuchtkraftverstärkung ist deutlich messbar und achromatisch, also in allen Spektralbereichen Die Dauer solcher Ereignisse reicht von Stunden bis zu Jahren [Kla] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.3 Nicht-Baryonische Dunkle Materie Favorisiert werden heute gemischte Modell • • 20% baryonische Dunkle Materie 80% nicht-baryonische Dunkle Materie Eigenschaften möglicher nicht-b. Kandidaten • • • • stabil schwer gravitativ und schwach wechselwirkend elektrisch neutral [Haw] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.3 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Neutrinos Besteht die Dunkle Materie aus Neutrinos? dn γ 1 du • Planck Formel: = ⋅ dω hω dω 1 du Teilchendichte für Photonen: n γ = dω = 20,2 T 3 hω dω 1 T = 2,7K ⇒ n γ ≅ 400 3 cm 7 Teilchendichte für Neutrinos: n υ = ⋅ 20,2 T 3 3 1 3 K ⋅cm 8 T = 1,95K ⇒ n υ ≅ 130 1 3 ∫ 1 K ⋅cm 3 3 cm • Masse des Universums: M = 1011 Galaxien ⋅1011 Sterne ⋅10 58 Protonen Stern = 1080 m p Volumen des Universums: V = 43 π ⋅ R 3 = 43 π ⋅ (1011 Ly)3 ≅ 1087 cm 3 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.3 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Neutrinos • • • 1080 m P 1 Protonen Dichte von Protonen: ρ P = 87 3 = 10 10 cm m3 3 Protonenmassen Dichte im All mit Dunkler Materie: ρ = m3 29 m P 9 eV ≅ 3 ⋅ 10 Der Großteil fehlt: ∆ρ = 10 cm 3 m3 3 m Theoretische Masse der Neutrinos: m υ = 3 ⋅10 9 3 ⋅ ≅ 20eV 6 m 130 ⋅10 Stück eV • 1 Messungen an solaren Neutrinos: Neutrino-Oszillation, z.B. υ e → υ µ Massenunterschiede der verschiedenen Neutrinos etwa δm 2 = 10 −6 eV 2 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.3 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Neutrinos 2 Hypothesen zu Neutrinos • • Hierarchie Masse des Elektron-Neutrinos ist Null: m υe = 0eV → m υµ = 10 −3 eV Entartung Elektron-Neutrino hat Masse: m υe = m υµ + δ Im sogenannten Mainz-Experiment wurde ermittelt • m υe ≤ 2,8eV mit Vertrauensgehalt von 95% • Für die Rechungen im Standardmodell gilt weiter m υe ≈ 0eV Neutrinos sind keine Kandidaten für die Dunkle Materie 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie Überlegungen zum Higgs-Boson • • • Higgs-Teilchen ist im Standardmodell notwendig zur Erzeugung von Masse Die QFT erlaubt für das Higgs-Boson Vierpunkt-Wechselwirkungen Zu jedem Prozess mit Higgs-Bosonen gibt es Λ Diagramme höherer Ordnung: → Massenkorrektur ∫p o Problem bekannt aus der QED für das Elektron [Ber] [Ber] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten Korrekturen an der Higgs-Boson - Masse • Elektron: Korrekturen handhabbar, da Λ2 ∆m e ∝ ⋅ln 2 m • me ≈ 1,7 m e,0 ∆m = +∞ Spin 1/2 ∆m = +∞ Higgs-Boson: Korrekturen quadratisch ∆M H ∝ c ⋅ Λ 2 • • Spin 0 divergenten Masse ! Spin 1/2 ∆m = −∞ Lösung: Supersymmetrische Teilchen ∆m = −∞ lösen Problem der divergenten Masse schaffen Symmetrie von Bosonen und Fermionen Spin 0 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten SUSY-Teilchen: Standardmodell → Minimales Supersym.S.M. (MSSM) • • • Zu jedem Teilchen würde es ein bis auf den Spin identisches Teilchen geben; es wurde noch kein solches SUSY-Teilchen gefunden mehr als doppelte Anzahl von Teilchen im Standardmodell ~ ~ Zum Beispiel: Winos, Zinos, Photinos: W ± Z 0 ~γ Ähnlich wie bei B 0 , W 0 → Z 0 , γ setzen sich aus den Linear± 0 ~ ~ kombinationen von W ±, Z 0 , ~γ neue Teilchen zusammen: χ χ Neutralino ist am leichtesten und stabil: LSP lightest supersymmetric particle Im Universum müssen Teilchen aus dem Urknalls zu finden sein 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten SUSY-Teilchen • • SUSY-Teilchen werden paarweise erzeugt und vernichtet, folgende Reaktionen sind z.B. möglich Einige Reaktionsprodukte erzeugen mit bekannter Wahrscheinlichkeit e+e- - Paare bestimmter Energie e-,e+ e-,e+ e-,e+ [Wim] Wenn es SUSY-Teilchen gibt, dann muss es mehr Elektronen und Positronen im Universum geben, als das kosmologische SM vorhersagt 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten Elektronen und Positronen im All • Messungen mit HEAT („high energy antimatter telescop“) Ballonexperiment: e-- und e+Durchgänge in der oberen Atmosphäre Abweichung von Vorhersage des SM Anpassung der neuen, freien Parameter an die Messungen von AMS01 und HEAT [HEAT] [Wim] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten Nebeneffekt: Vereinheitlichung der Kopplungskonstanten e+/(e++e-) Anpassung der Parameter → Vorhersage für AMS02 AMS-01 HEAT Vorhersage AMS-02 [Wim] [Sch] positron energy [GeV] [Wim] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten AMS-02 auf der ISS [Sch] 2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.4 Nicht-Baryonische Dunkle Materie: Exoten AMS-02: Schema des Aufbaus [Sch] 3. Quellennachweis [Ber] [Das] [Haw] [Kla] [Sch] [Tip] [Wim] C. Berger, Elementarteilchenphysik, 2002 www.dassonnensystem.de S. Hawking, Das Universum in der Nußschale, 2001 H.V. Klapdor-Kleingrothaus / K.Zuber, Teilchenastrophysik,1997 S. Schael, Seminar MPI für Physik, Januar 2002 P.A. Tipler, Physik, 1995 W. de Boer, AMS Dark Matter WG, April 2002 [Sch]