Eine kleine Chronik der St. Peter und Paul Kirche zu Lesse Weithin sichtbar steht in der Mitte der Silhouette des Stadtteils Lesse der Kirchturm der evangelisch-lutherischen Kirche St. Peter und Paul. Hohe Bäume umrahmen das Kirchengebäude auf dem Kirchhof, der jahrhundertelang Begräbnisplatz der Gemeinde war, aber schon 1809 wegen Überfüllung geschlossen wurde. Anno 850 bis 950 als Eigenkirche des Adels der Sippe des Adalbero ist Lesse – neben Sauingen, Vallstedt und Drütte – einer der ersten Kirchenorte in unserem Raum. Die erste Erwähnung erfolgte in der Urkunde vom 3. November 1022, in der Kaiser Heinrich II. das neugegründete Kloster St. Michaelis zu Hildesheim in seinen Schutz nimmt. Lesse, das seinen Namen bis heute unverändert erhalten hat, ist darin zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Um 1200 erfolgte der Bau der Kirche aus Natursteinen, die im unteren Teil des Kirchturms noch zum Teil erhalten sind. Diese Fundamente, die von der Vorgängerkirche stammen müssen, fand man auch bei Ausschachtungsarbeiten zum Einbau einer neuen Heizung 1998. Die gebrochenen Natursteine holte man aus den Steinbrüchen des Lichtenberger Höhenzuges. Das mittelalterliche Kirchengebäude hat in den letzten Jahrhunderten mancherlei bauliche Veränderung erfahren. Die häufigen Fehden und Kriegszüge zwangen zur Befestigung von Kirche und Kirchplatz, und der Kirchturm wurde als Wehrturm zum letzten Fluchtort der Dorfbewohner. Eine Grundrisszeichnung der alten Kirche, die 1794 vor dem Abriss angefertigt wurde, ist erhalten geblieben. Sie zeigt den romanischen Ursprung des Gebäudes in seiner Dreiteilung: Chor, Schiff und Turm. 1796 bis 1799 wurde die baufällig gewordene Kirche teilweise abgerissen, neu aufgebaut und vergrößert. Der schlechte bauliche Zustand war schon seit 1709 bekannt. Der Kammerbaumeister Jacob Fricke aus Braunschweig gilt als Architekt des Neubaus. Die Anzahl der Sitzplätze musste erhöht werden; zählte man 1663 noch 367 Einwohner und 1793 schon 1230 Einwohner. 1750 bemängelte Pfarrer Wilhelm Kern den zu geringen Platz für die Dorfgemeinde. Die Zahl der Sitzplätze sollte auf 677 steigen (zum Vergleich: heute stehen 266 Plätze zur Verfügung). Aber es vergingen noch viele Jahre bis zur Ausführung der Baumaßnahmen. An den Neubau erinnert die noch vorhandene Inschrift im Sandstein-Türsturz über dem ehemaligen Südost-Eingang aus dem Jahre 1797. Sie trägt den Namenszug des Baumeisters Johann Heinrich Julius Schweinhage junior und lautet: „In diesem Gotteshause suche nicht Schönheit noch Pracht, nur das was dich beruhiget und Wohl verschafft.“ „Zu Lebzeiten des Pastors H.G.L. Baumgarten wurde dasselbe aufgefürt im Jahre Christi 1797. Steinhauer und Maurermeister Julius Schweinhage.“ 1868, fünf Jahre nachdem der bisherige Dachreiter durch einen Sturm zerstört worden war, wurde der obere Teil mit der 6-flächigen Turmhaube aufgebaut. Dieser hat jetzt eine Höhe von 35 Metern. Die Glocken wurden höher gehängt, die Kirche im Innern völlig restauriert und eine neue Orgel angeschafft (s.u.). 1877 ist die kleine Glocke zersprungen, die Ersatzbeschaffung von 1881 ist ein Geschenk von Prinz Friedrich Carl von Preussen, gegossen aus Bronze von eroberten französischen Geschützen. In die Notzeit nach dem II. Weltkrieg fiel die Erneuerung der durch Sturm und Wetter sowie durch Granatsplitter schadhaft gewordenen Schieferbedeckung des Turmes. Die Schieferarbeiten wurden im sonnigen September und Oktober 1949 vom Lesser Dachdeckermeister Fritz Tuckermann und seinen Handwerkern fachgerecht ausgeführt. Auf das Gestänge der alten Wetterfahne wurde eine neue kupferne Kugel - mit Zeitdokumenten versehen - aufgesetzt. Ein Sturm brach 1972 die Wetterfahne ab. Die neue Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1977. 1956/57 wurde eine grundlegende Umgestaltung des Innenraumes vorgenommen. Der ganze Kirchenraum war stark gedunkelt und renovierungsbedürftig geworden. An den Brüstungen der Emporen und der Altarwand hingen Trauerkränze aus den beiden Weltkriegen, inzwischen verstaubt und unansehnlich. Alles Holzwerk war stark vom Wurm befallen. Der Kirchraum wurde entkernt und die Altarwand, die Seitenemporen und sämtliche Bänke ausgebaut. Der Chorraum wurde um 4 Stufen in rotbrauner Ziegelsteinpflasterung höher gelegt. Die Sakristei fand nördlich in der Altarnische ihren Platz. Auf der anderen Seite wurde die Kanzel so gestellt, dass jeder Prediger gut zu sehen und zu hören war. Aus dem Holz der alten Kirchenbänke wurden neue einfache Bankreihen vom Tischler gefertigt und auf einem hölzernen Fußboden aufgestellt. Eine besondere Wirkung erhält der Kirchraum durch die farbige Fensterverglasung mit bildlichen Darstellungen. Das Fenster über der ehemaligen Tür der Südwand trägt die Initialen und die Jahreszahl H.B.1912. Es ist eine Stiftung der Lesser Bauernfamilie Heinrich Behme (heute Willgerodt auf der Bereler Straße). 1973 wurde das Kirchendach neu gedeckt und 1977/78 der Innenraum mit neuer Farbe versehen. Wann der Gemeindegesang in unserer Kirche das erste Mal durch eine Orgel unterstützt wurde, wissen wir heute nicht mehr. Aus den Aufzeichnungen des Rechnungsbuches – aus dem Neubau des Kirchenschiffes im Jahre 1796 – geht hervor, dass die alte Orgel wieder eingebaut wurde. 1868 wurde beschlossen, eine neue Orgel - entsprechend der Größe des Kirchraums anzuschaffen. Zu den Kosten von 980 Reichstalern spendete der Fabrikant Wilhelm Wilkens aus Baltimore/USA, der aus Lesse ausgewandert war und zu Besuch weilte, 200 Taler. Diese mechanische Schleifladen-Orgel mit 21 Registern auf 2 Manualen und Pedalen erklang fast 100 Jahre in unserer Kirche, bis sie 1965 durch den Orgelbaumeister Weissenborn aus Braunschweig umfassend erneuert wurde. Erst 1962 wurde eine elektrische Läuteanlage für die Glocken eingebaut, bis dahin wurde sie von Balgentretern betätigt. Von der alten Kirchturmuhr wissen wir aus einem Brief von 1920, dass das alte Uhrwerk oft versagte. In diesem Jahr stiftete der Lesser Landwirt Hermann Mumme aus Dankbarkeit für die Erhaltung seines Augenlichtes eine neue mechanische Kirchturmuhr. Sie wurde in der Kirchturmuhrfabrik Weule aus Bockenem herstellt. Da die Turmuhr als öffentliche Uhr angesehen wird, hat die Stadt Salzgitter diese Uhr 1964 vertraglich übernommen und trägt seitdem die Unterhaltungskosten. Als 1984 die Kniestedter Kirche in Salzgitter-Bad entweiht und zu einem Veranstaltungsraum umgebaut wurde, hat man deren Barockaltar in die Lesser Kirche umgesetzt. Dieser Altar wurde 1999 an die Landeskirche zurückgegeben und durch den heutigen ersetzt. Darüber wurde ein modernes, farbiges Glasfenster eingebaut, das Szenen aus dem Leben des Apostel Petrus zeigt. Es ist ein Geschenk eines Lesser Landwirtsehepaares und ist von Verena Halbrehder von Falkenstein entworfen und in der Glaswerkstatt Schneemelcher in Quedlinburg entstanden. Rechts vom Altar befindet sich die Kanzel, in schlichtem Eichenholz gehalten. Links vom Altar, fast ebenerdig, ist der Taufstein aufgestellt, der aus dem 19. Jahrhundert stammt. Norbert Zachries, Orts- und Heimatpfleger für Lesse im Herbst 2016