Astronomie und Praxis: Astrofotografie Mobilität um jeden Preis? Mit dem im Folgenden vorgestellten Produkt richtet sich der Anbieter an reisefreudige Sternfreunde, die unterwegs langbelichtete Himmelsfotos aufnehmen möchten. Ein Amateurastronom beschreibt, wie sich das Nachführsystem AstroTrac unter den rauen Bedingungen einer Exkursion zur Nordseeinsel Helgoland behauptete. Von Christoph Schaefer S chon lange war die AstroTrac Das Nachführsystem AstroTrac TT 320 im Überblick Gewicht: 1,3 Kilogramm Maximale Traglast: bis zu 10 Kilogramm es, extrem leichtes, sehr kleines und damit transportables Nach­ Abmessungen zusammengefaltet: TT320 von Händlern als ein neu­ führsystem angekündigt worden. Für die Himmelsfotografie sowie die visuelle Be­ 43,7 3 8,6 3 4,4 Zentimeter obachtung mit kleineren Teleskopen oder Spannungsversorgung: 12 Volt dem Feldstecher sollte sich die AstroTrac Stromaufnahme: gleichermaßen gut eignen. Die Fragen zu 250 Milliampere Dauer der Nachführung: bis zu zwei Stunden dem Produkt des englischen Herstellers Material: Mechanik aus hartem Aluminium (6082 T6), AstroTrac Limited waren im Vorfeld des Abdeckungen aus Polycarbonat Erscheinens vielseitig: Wie genau ist die Belichtungszeiten: 1 bis 5 Minuten, je nach Beladung auch länger Nachführung am Himmel? Wie hoch lässt Preis: 625 Euro sich das Nachführsystem belasten? Wie einfach ist sie zu bedienen? Wie wird sich Kurzbeurteilung: Hersteller: › sehr präzise und einfach zu bedie- AstroTrac Limited, Petherton House, nende Nachführung der Preis gestalten? Die Auslieferung verzögerte sich mehr­ 7 South Avenue, fach, und im Sommer 2007 hielt ich end­ Yate, Bristol, BS37 5JA lich ein Exemplar der ersten Produktion Tel.: +44 -14 5 4 -31 17 33 in schlichtem gebürstetem Aluminium in E-Mail: [email protected] Web: www.astrotrac.com den Händen. Sofort fiel mir die sehr sau­ vollständig vor Schmutzpartikeln Anbieter: Bauteile zeigten kein spürbares Spiel. Die schützen Baader Planetarium, Zur Sternwarte AstroTrac wiegt nur 1,3 Kilogramm und ist D-82291 Mammendorf unglaublich kompakt, zusammengefaltet Tel.: 0 81 45-88 02 betragen ihre Maße nur 43,7 3 8,6 3 4,4 Fax: 081 45-88 05 Web: www.baader-planetarium.de/ Zentimeter. astrotrac/astrotrac.htm. Hier stellt der aus zwei harten Aluminiumarmen, von Anbieter eine deutschsprachige Bedie- denen einer fest montiert und der zweite nungsanleitung zum Herunterladen über eine Spindel gegen den festen Arm bereit. bewegt wird. Am Oberteil des beweglichen › geringes Eigengewicht und kompakter Aufbau › hohe Traglast von zehn Kilogramm fi gefettete Spindel lässt sich nicht fi teurer Polsucher, nur gegen die Schwerkraft von unten fixierbar fi nicht gerade preiswert und ohne Köcher ausgeliefert bere Verarbeitung des Materials auf, die Im Prinzip besteht das Nachführsystem Arms werden die Kamera oder das Tele­ 98 Mai 2008 Sterne und Weltraum skop oder beides gleichzeitig befestigt (Bild rechts). Die Bewegung zum Antrieb der Spindel und damit den Ausgleich der Erdrotation übernimmt dabei ein kleiner, wenig Strom verbrauchender Schrittmo­ tor im Direktantrieb, wobei die Spindel unter einer Polycarbonatabdeckung als Zugriffsschutz montiert ist. Die gesamte Steuerung der AstroTrack erfolgt über vier eingebaute Tasten, die sich im unteren Be­ reich des beweglichen Arms befinden. Ich erprobte die AstroTrac mit einer mobilen Ausrüstung (Bild Seite 100, oben). Sie umfasste ein Holzstativ von Berlebach mit Kugelgelenkstange und integrierter Dosenlibelle zur Nivellierung, einen Neun­ zig-Grad-Neigekopf von Manfrotto, der unterhalb der AstroTrac montiert war und zur Azimuteinstellung diente, sowie einen oberhalb der Montierung fixierten Kugel­ kopf von Linhof, der das freie Ausrichten einer Kamera in Rektaszension und Dekli­ nation ermöglicht (Bild Seite 100, unten). Als digitale Kameraeinheit nutzte ich eine von der Firma Baader Planetarium für astrofotografische Zwecke modifi­ zierte Canon 400D, die ich über einen Adapter an ein ApoTelyt-Objektiv von Leica mit 180 Millimeter Brennweite montierte. Der Chip der Kamera erfasst nur einen Teilausschnitt des vom Objektiv erzeugten Bildfelds. Diesem Ausschnitt entspricht eine scheinbare Brennweiten­ verlängerung. Sie beträgt das 1,6-Fache der Originalbrennweite des Teleobjektivs, also 288 Millimeter. Countdown für den Campingeinsatz Zur Stromversorgung nutzte ich einen Zwölf-Volt-Bleiakku mit einer Kapazität von 7,2 Amperestunden. Die gesamte Aus­ rüstung, einschließlich des Stativs, wog AstroTrac durch die verwendete Optik lag bei rund zwei Kilogramm. Bedingt durch die Kon­struktion der Montierung ist es leider nicht möglich, die gefettete Spindel vollständig vor Baader Planetarium 6,5 Kilogramm, die Gesamtbelastung der Staub, Sand und Flusen zu schützen. Dies ist bei einem rauen Einsatz zu beachten, Die Reisemontierung AstroTrac lässt sich in Verbindung mit einem beispielsweise in der Wüste oder wie bei herkömmlichen Fotostativ mit Kugelkopf nutzen. Sie kompensiert meiner eigenen Exkursion in die Dünen die Erddrehung und führt Optiken mit einem Gesamtgewicht von von Helgoland. Deshalb fertigte ich für bis zu zehn Kilogramm den Sternen nach. den Transport und zur Aufbewahrung der Montierung einen speziellen Köcher an, der einen wasserdichten Schraubver­ schluss aufweist. Der Köcher lässt sich an einem 35-Liter-Rucksack fixieren. www.astronomie-heute.de Mai 2008 99 Christoph Schaefer Auf seiner Exkursion zu den Sternen führte der Autor nur den links gezeigten Rucksack mit, an dem er einen für die AstroTrac angefertigten Plastikköcher befestigte. So transportierte er die in der Mitte gezeigte Ausrüstung einschließlich des Holzstativs. Die Detailaufnahme rechts zeigt die zwischen dem Neigekopf und Kugelkopf des Stativs eingebetteten Arme der AstroTrac sowie einen Sucher zur Ausrichtung auf den Himmelspol. Der Polsucher der AstroTrac ist in einer Magnethalterung so gelagert, dass er sich um seine Längsachse drehen lässt (links). Das Bild unten zeigt einen Blick durch den Polsucher. Die auf einer drehbaren Skalenscheibe aufgedruckten Sternbilder Kassiopeia (oben rechts im Bild), Kreuz des Südens (oben links), beziehungsweise Großer Wagen (unten links) werden mit dem Himmelsanblick zur Deckung gebracht. Auf diese Weise lässt sich die Astro Trac auf den Christoph Schaefer Baader Planetarium nördlichen oder südlichen Himmelspol ausrichten. 100 Mai 2008 Sterne und Weltraum Trotz dieses Zusatzaufwands über­ Zur Montage von Polsucherfernrohren di­ Wolkenfelder zogen durch, und ein Wind wiegen meines Erachtens die Vorteile verser Hersteller liefert der Anbieter Adap­ wehte durch die Dünen. Dennoch wollte der Konstruktion. Der Direktantrieb über ter, obwohl die vorbereitete Halterung ich die Chance einer Testserie im Feld end­ Motor und Antriebsspindel vermeidet den Kunden wohl eher auf das hauseigene lich nutzen. Nach der Montage richtete zusätzliche Fehler von möglichen Unter­ Angebot von AstroTrac-Polsuchern lenken ich die Montierung möglichst exakt zum setzungsgetrieben. Die präzise Fertigung soll. Die neueste Version der Halterung ist Himmelsnordpol aus. Durch einige Test­ der Antriebsspindel und die Lagerung in durch den Einbau von drei Neodym-Ma­ belichtungen konnte ich am Monitor der hochpräzisen Kegelrollenlagern minimiert gneten permanent magnetisch und erlaubt Canon 400D leicht die Qualität der Nach­ den das Einstecken des Polsuchers von unten in führung und damit auch die Genauigkeit die ringförmige Aufnahmevorrichtung. der Ausrichtung überprüfen. periodischen Antriebsfehler. Die Schrittweite der Antriebsspindel beträgt 0,3 Bogensekunden, der periodische Feh­ Die magnetische Kopplung ermöglicht Mit der Canon 400D nahm ich mehrere ler des Schneckenrads liegt bei wenigen das freie Drehen zum einfachen Abglei­ Bildserien einer Himmelsregion im Stern­ Bogensekunden über eine Zeitspanne von chen der Skalenscheibe mit der Konstel­ bild Pfeil auf. Dabei stellte ich die Emp­ einigen Minuten. Die damit erreichte Ge­ lation am Himmel. Die Halterung für das findlichkeit der Kamera auf ISO 400 ein nauigkeit entspricht laut Anbieter Baader Polsucherfernrohr ist zum Transport ein­ und nutzte am Leica ApoTelyt eine manu­ einer Montierung mit einem Sechzig-Zen­ geklappt. Im herausgeklappten Zustand elle Blendeneinstellung von 4,5 sowie die timeter-Schneckenrad. lässt sich die Halterung in Fünfzehn-Grad- Fokuseinstellung »unendlich«. Den Fokus Dieser geringe Fehler ermöglicht Be­ Rasterstellungen drehen, um so in jeder überwachte ich durch Testbelichtungen lichtungszeiten von einigen Minuten, Kameraeinstellung einen freien Blick zum am Monitor der Kamera. Ich belichtete beispielsweise mit digitalen Spiegelreflex­ Himmelspol zu haben. fünf Bilder jeweils zwei Minuten, weitere kameras. Das qualitativ hochwertige Nach­ fünf Bilder fünf Minuten und schließlich führsystem sollte natürlich auf einem Mit der AstroTrac auf Reisen robusten Stativ mit stabilen Kugel- bezie­ Nun war alles parat für einen Praxistest stellte ich für jede Serie eine Dunkelstrom­ hungsweise Neigeköpfen gelagert sein. So auf der Nordseeinsel Helgoland. Zusätz­ aufnahme (englisch darkfield) mit gleicher fiel meine Wahl auf ein Hartholzstativ, wie lich zur beschriebenen Astroausrüstung Belichtungszeit. es unter anderem die Firmen Baader und nahm ich noch weitere für den Camping­ Die fünf Minuten belichteten Bilder Berlebach anbieten. einsatz wichtige Gegenstände mit: ein zeigten erwartungsgemäß weitaus mehr fünf Bilder zehn Minuten. Zusätzlich er­ Rote Leuchtdioden mit regulierbarer Einpersonenzelt, eine Isomatte, einen Details als die zwei Minuten belichteten, Hel­ligkeit beleuchten während des Be­ Daunenschlafsack, zwei Stuffbags, einen wohingegen die zehn Minuten belichte­ triebs der AstroTrac das Innere des Poly­ Kocher, Personengeschirr, eine Espres­ ten Bilder wegen des Mondlichts einen carbonatglases, so dass sich im Dunkeln somaschine sowie den AstroTrac-Köcher zu hellen Hintergrund aufwiesen. Visuell jederzeit abschätzen lässt, wie lange die mit einem 35-Liter-Rucksack. Das Gesamt­ ließ sich bei keinem der Bilder auf dem AstroTrac noch laufen kann, bevor das gewicht des Gepäcks einschließlich der Monitor der Canon ein Nachführproblem Ende der Spindel nach maximal zwei Stun­ Astroausrüstung betrug rund neunzehn erkennen. Das ApoTelyt garantierte auch den erreicht ist. Kilogramm. ohne Infrarot- und Ultraviolettfilter eine Die AstroTrac ist für die Aufnahme eines Die Beobachtungsnacht war keines­ hohe Qualität der Aufnahmen, da es im Polsucherfernrohrs vorbereitet. Dieses ist wegs optimal. Am Himmel stand der zu Infraroten weitgehend auskorrigiert ist. jedoch nicht im Lieferumfang enthalten. zwei Dritteln beleuchtete Mond, kleine Im ultravioletten Spektralbereich sollte Anzeige www.astronomie-heute.de Mai 2008 101 z Sagittae Messier 71 δ Sagittae α Sagittae Christoph Schaefer � Sagittae Die mit dem Nachführsystem AstroTrac, einer Canon 400D und einem ApoTelyt-Objektiv mit 180 Millimeter Brennweite erstellte Aufnahme einer Himmelsregion im Sternbild Pfeil (lateinisch Sagitta) zeigt links oben den Kugelsternhaufen Messier 71. Die vergrößerte Darstellung des Sternhaufens (rechts) belegt die hohe Genauigkeit der Nachführung. es durch die Verwendung von Fluoritglas Voraussetzungen. Optiken bis zu einer eher blocken. gut ausbalancierten Gesamtlast von zehn Im Computer legte ich die fünf jeweils Kilogramm sollen sich noch nachführen fünf Minuten belichteten Bilder mit Hilfe lassen, dann allerdings bei höheren Ver­ der Software Registax rechnerisch überein­ größerungen nur bis zu einer maximalen ander und beseitigte mit dem aufgenom­ Belichtungszeit von einer Minute. menen Darkfield den Anteil des Dunkel­ Da ich bereits einige andere kleine stroms. Das resultierende Bild bearbeitete Montierungen im Privatgebrauch testen ich mit Photoshop, wobei ich vornehmlich konnte, ist das hier erhaltene Resultat im den Tonwert und die Gradationskurve Vergleich einfach umwerfend. Die Astro­ leicht anpasste. Die Schärfe der Original­ Trac wird mich nun auf weiteren Reisen aufnahmen blieb dabei unverändert. Das mit 90-Millimeter- und 35-Millimeter-Lei­ Christoph Schaefer ist Resultat und die Auschnittvergrößerung ca-Objektiven im Rucksack begleiten! Chemiker, Molekularbio- des im Randbereich der Aufnahme positio­ Und nun zu der im Titel gestellten nierten Sternhaufens Messier 71 zeigt die Frage »Mobilität um jeden Preis«? Die As­ obige Abbildung. loge und medizinischer Genetiker. Seit vier Jahren troTrac TT320 ist sicher kein Schnäppchen, betreibt er in seiner »Him- Das Bild lässt keinerlei Nachführpro­ aber eine langfristige und gute Investition. melwarte« Astronomie bleme erkennen. Auch bei den zehn Minu­ Wenn man seine Beobachtungstouren mit als Hobby. Besonders ten lang belichteten Aufnahmen war abso­ einer so kleinen, mobilen und hochwer­ interessiert ihn die CCD- lut kein Nachführfehler auszumachen. Die tigen Montierung nun sogar mit Rucksack Fotografie von Planeten, der Sonne und von korrekte Ausrichtung auf den Himmels­ und zum Teil zu Fuß durchführen kann, Deep-Sky-Objekten. Über seine aktuellen nordpol und eine vernünftige Belastung erscheint die Geldausgabe in einem ande­ Beobachtungen informiert er im Internet der Montierung sind natürlich wichtige ren Licht. unter www.himmelwarte.ch 102 Mai 2008 Sterne und Weltraum