* 06/2009 € 7,50 Obst Hagelschutz Gemüse Salat produzieren Zierpflanzen Bio-Zierpflanzen Bio-Zierpflanzen: Geht das? logisch und die konventionell produzierten Pflanzen nicht verwechselbar sein. Deshalb sind andere Sorten zu wählen. Zurzeit wird noch geprüft, ob bei gleichen Sorten nicht auch eine andere Topfart, -form oder -farbe ausreicht. Saatgut oder Stecklinge dürfen aus konventionellen Betrieben stammen, falls es die gleichen Sorten nicht aus Biobetrieben gibt. Prüfen kann das jeder Gärtner einfach im Internet unter www.organicxseeds.com. Aller­ dings muss Saatgut in jedem Falle im Bio­ betrieb ausgesät werden. Unabdingbar: kompakter Wuchs Blick in das Bio-Gewächshaus im GBZ Köln-Auweiler „Bio“ liegt im Trend, Ressourcen- und Umweltschonung könnten in Zukunft mehr und mehr zum Kaufargument werden. Was sich im Obst- und Gemüsebau schon zu einem starken Marktsegment etabliert hat, hat auch bei Baumschulen und Staudengärtnereien bereits einen gewissen Stellenwert. Allein im Bereich der einjährigen Zierpflanzen waren ökologische Kulturmethoden bislang kein Thema. Dies soll sich nun ändern. Die „Anbaugemeinschaft Bio-Zierpflanzen“ testet seit drei Jahren in den Versuchs­ gewächshäusern des Gartenbauzentrums Köln-Auweiler, ob die biologische Erzeu­ gung von Frühjahrsblühern, Beet- und Balkonpflanzen oder beispielsweise Cy­ clamen möglich ist. Auf Initiative ihres heutigen Geschäftsführers Hermann-Josef Schumacher wurde die An­ bau­gemeinschaft im Januar 2007 gegründet. Praktiker und Zulieferfirmen des Gartenbaus sowie Versuchsansteller und Beratung (siehe Kasten) konnten für das Projekt gewonnen werden. Rund 400 m² Gewächshausfläche wurden in Köln-Auweiler gemietet, die Kul­ tur­führung obliegt Dietmar Probst, ehema­ liger Fachlehrer der ehemaligen Meisterschule Auweiler/Friesdorf der Landwirtschaftkammer Nordrhein-Westfalen. Martin Herbener, Ver­ suchs­leiter und Berater für Ökologischen Gartenbau der LK NRW, erläuterte gegenüber der Monatsschrift das Projekt. Ziel ist es zu zeigen, dass der Bio-Anbau von Zierpflanzen funktioniert. Erste Versuche liefen bereits im Jahr 2007, wo unter anderem Cyclamen erfolgreich kultiviert wurden. Seit diesem Jahr ist Robert Koch von der LVG Heidelberg mit in der Anbaugemeinschaft als Ansprechpartner für Versuchsfragen. Denn in der Versuchsanstalt gibt es bereits Erfahrungen Monatsschrift 06/09 mit Zierpflanzen-Versuchen nach EU-ÖkoRichtlinien. Nach Bioland-Richtlinien Bio-Anbau kann nach den EU-Öko-Richt­ linien erfolgen oder nach den (zumeist strengeren) Richtlinien eines Bio-Verbandes. Für das Projekt hat man sich Thomas Strnad von der Bioland-Beratung mit ins Boot geholt. Damit eine Pflanze später als Bioland-Ware verkauft werden darf, muss sowohl die Pro­ duktionsfläche als auch die Jungpflanzen bzw. das Saatgut Bioland-zertifiziert sein. Für einen konventionell wirtschaftenden Betrieb, der nur einen Teil seiner Flächen auf Bio umstellen möchte, gibt es einiges zu beachten. So muss er für die Bio-Flächen einen getrennten zweiten Wasser- und Dünge­ kreislauf einrichten, damit Vermischungen ausgeschlossen sind. Auch dürfen die bio­ Wichtigste Voraussetzung für einen BioAnbau von Zierpflanzen sind absolut kompakt wachsende Sorten, denn Stauchemittel dürfen selbstverständlich nicht eingesetzt werden. Die Gewächshäuser in Köln-Auweiler stammen aus den Jahren 1985/86 und haben eine Doppelverglasung, die ein Längen­wachs­ tum begünstigt. Für den Versuch ist dies gar nicht so schlecht, denn Sorten, die unter diesen Bedingungen kompakt bleiben, lassen sich wohl als „sicher kompakt“ beschreiben, betont Herbener. Wichtige Hinweise zu kompakten Sorten erarbeiten die Kollegen in Veitshöchheim. An der LWG Bayern betreut dort Christine Hochmuth das Projekt „Nachhaltigkeit in der Zierpflanzen-Produktion“. In Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin Eva-Maria Geiger, die jährlich hunderte Sorten sichtet, liefert Hochmuth Sortenempfehlungen. Beet und Balkon 2009 Im Anbau standen in diesem Jahr kompakte Sorten von Angelonien, Margeriten, Stroh­ blumen, Calibrachoa, verschiedene Impatiens, Sanvitalia und Bacopa. Im Februar (KW 7) wurden die insgesamt 6 000 Pflanzen in 12er Töpfe getopft. Die Entscheidung fiel bewusst für relativ große Töpfe, um große, attraktive Bio-Impatiens ’Fiesta Olé Frost’ in kompakter Qualität mit zahlreichen Blüten Zierpflanzen | 383 Mitglieder der Anbaugemeinschaft Bio-Zierpflanzen: Gartenbau Klaus Bongartz Ball Deutschland GmbH (Jungpflanzen und Züchtung) Pöppelmann GmbH & Co. KG (abbaubare Töpfe) Klasmann-Deilmann GmbH (Substrat) Sautter & Stepper GmbH (Nützlinge) Mack bio-agrar GmbH (Pflanzenschutz) Pflanzenreich (Beratung Pflanzenstärkungsmittel) Bioplant Naturverfahren GmbH (Pflanzenstärkungsmittel) LVG Heidelberg (Versuchswesen) LWG Bayern Veitshöchheim (Sortentests) Bioland-Beratung Hermann-Josef Schumacher (Geschäftsführung) Pflanzen anbieten zu können. Testhalber wurden einige in abbaubare Biotöpfe getopft. Im Bio-Anbau zugelassene Erden dürfen maximal 50 % Torf enthalten und nur organisch, beispielsweise mit Hornmehl, aufgedüngt sein. Ausnahmegenehmigungen der Zusammensetzung sind unter Umständen möglich. Eine gute, luftige Struktur ist wichtig für gesunde Wurzeln. Die Temperaturführung lag für Angelonien und Impatiens zunächst bei 16/14 °C (Hei­ zung/Lüftung) und wurde dann stufenweise auf 12/10 °C gesenkt. Die anderen Arten starteten bei 14/12 °C und wurden dann ebenfalls bei 12/10 °C weiterkultiviert. Ge­ stutzt wurde in KW 10, gerückt in den KW 12/13. Da die Umsetzung der organischen Nähr­ stoffe im Substrat langsamer von statten geht und stark von Feuchtigkeit und Tempe­ ratur abhängig ist, ist für die ausreichende Versorgung der Pflanzen eine zusätzliche organische Flüssigdüngung nötig. Dies kann beispielsweise Organic Plant Feed NPK 8-3-3 oder 6-5-6 sein. Zu beachten ist, dass von angesetzten Düngerlösungen nach nur wenigen Tagen Geruchsbelästigungen im Gewächs­ haus ausgehen. Im Versuch enthielt das Substrat bereits 400 mg N/l. Ab der fünften bis sechsten Woche nach dem Topfen wurde zunächst einmal als Kopfdüngung, dann zweimal pro Woche per Dosatron über die Matten­bewäs­ serung flüssig gedüngt. Der Pflanzenschutz sollte im Bio-Anbau un­ bedingt vorbeugend erfolgen, denn kurativ ist er schwierig. So setzt man auf Pflan­ zenstärkungsmittel, Homöopathie und Mikro­ orga­nismen. Ätherische Öle kommen bei­ spiels­weise als Aroma-Therapie gegen In­sek­­ ten­zuflug zum Einsatz. Der Pilzdruck wird über das Bewässerungssystem genommen, bei dem die Pflanzen möglichst nicht von oben nass werden. Auch Nutzpilze etwa gegen Botrytis sind einsetzbar. Trauermücken können wegen des hohen Kompostanteils im Substrat ein großes Problem darstellen. Sie und andere Schädlinge werden selbstverständlich mit Nützlingen bekämpft. Auch eine offene Zucht von Getreideläusen auf Fingerhirse zur Vermehrung von Schlupf­ wespen war in Auweiler zwischen den Beetpflanzen zu sehen. Florfliegenlarven werden zur Herdbekämpfung von Blattläusen eingesetzt. Als sehr kompakt erwies sich die Impatiens walleriana Fiesta Olé-Serie sowie die Argy­ ranthemum frutescens ’Crested Yellow’ und ’Double White’ von Ball. Bio-Strohblumen in guter Qualität Mehrkosten gegenüber ­konventionellem Anbau Da keine Hemmstoffe eingesetzt werden dürfen, müssen die Pflanzen etwas weiter auseinander stehen. Im Versuch waren es Schädlingsbeobachtung mit Leimtafeln und offene Zucht von Getreideläusen auf Fingerhirse als Vermehrungsgrundlage für Schlupfwespen 384 | Zierpflanzen 25–30 Pfl./m². Der erhöhte Platzbedarf allein steigert schon die Produktionskosten. Aus­ gaben für Dünge- und Pflanzenschutzmittel hat man auch im konventionellen Anbau. Unterm Strich belaufen sich die Mehrkosten für den Bio-Anbau laut Berechnungen im Rahmen des Projekts auf 0,10–0,15 €/Pflanze. Ob sich diese Mehrkosten im Verkauf verdienen lassen, wird wohl über die Zukunft von Bio-Zierpflanzen entscheiden. Fotos: Aldenhoff Erfahrungen mit dem Absatz Die Erfahrungen, die die Anbaugemeinschaft beim Absatz ihrer Versuchspflanzen gemacht hat, sind nur bedingt auf einen Anbau im größeren Stil übertragbar, da für manche Vermarktungsschiene die Mengen einfach zu klein waren. Dennoch gilt allgemein, dass das Vermarktungsfenster bei biologisch kultivierten Beet- und Balkonpflanzen mit knapp zwei Wochen relativ eng ist. Da die Pflanzen nicht mit Hemmstoffen behandelt sind, wach­sen sie ständig weiter und somit aus ihrem „optimalen Verkaufsstadium“ heraus. Im Jahr 2007 wurden einige Pflanzen bei Landgard versteigert und erhielten immerhin die gleichen Preise wie konventionelle Ware, was für eine konkurrenzfähige Qualität der Bio-Pflanzen spricht. Landgard hat inzwischen eine eigene Bio-Linie und war auch 2009 von den Mustern sehr angetan. Allerdings müssten hier für eine erfolgreiche Vermarktung natürlich größere Mengen her. Bei der Zusammenarbeit mit zwei rheinischen Biovermarktern zeigten sich logistische Hindernisse. Einer der beiden wollte keine CC-Karren akzeptieren, sondern verlangte die Lieferung in Pappkartons, was natürlich Monatsschrift 06/09 Weitere Aktivitäten hat sich der Arbeitsaufwand für den Bereich Pflanzenschutz im Betrieb verringert. Um noch offene Fragen zu vielen Aspekten Doch letzteres könnte sich bald ändern. der Bio-Produktion und Vermarktung von Nachdem es Klaus Bongartz gelungen ist, die Zier­pflanzen zu klären, organisierte die An­ Chemie aus seinem Betrieb immer weiter baugemeinschaft einen Workshop in 2008. heraus zu drängen und er bereits im Jahr Die Berater der Landwirtschaftkammer wur- 1997 das „Grüne Zertifikat“ erhalten hat, den ebenfalls schon über die Bio-Zierpflanzen würde er gern den letzten Schritt noch schafinformiert, denn sie sind die Multiplikatoren, fen, um all seine Produkte gemäß der EUdie solche Ideen in die Betriebe transpor­ Öko-Verordnung zu produzieren. Das hieße tieren. Einige Gärtner und auch Landgard allerdings, das Unkraut ohne Herbizide in haben bereits ihr Interesse signalisiert. Im Schach zu halten, was wohl auf Jätearbeiten kommenden Jahr soll es noch einen Ver­ hinauslaufen wird. suchsdurchlauf geben. Klaus Bongartz hat aus eigenem Antrieb Sabine Aldenhoff seine Staudenproduktion auf „umweltgerecht“ umgestellt. Er betont, dass er dies aus eigener Überzeugung tun möchte, um qualitativ hochwertige Produkte anbieten zu können. Er möchte nicht abwarten, bis die Gärtner möglicherweise eines Tages vom Gesetz dazu gezwungen werden. Klaus Bongartz gibt seine Erfahrungen gerne weiter, betont aber, dass es kein Patent­ Vor 15 Jahren wurde er noch belächelt, Pflan­zen brauchen gar keine chemischen rezept gibt. Jeder Gärtner muss für seinen wenn er seinen Pflanzen Knoblauch verab- Pflanzen­schutzmittel mehr, betont Klaus speziellen Betrieb herausfinden, mit welchen reichte, inzwischen ist Klaus Bongartz zum Bongartz. Die Mengen an benötigten chemi- Mitteln er arbeitet. Dabei kommt es auf die Kombination der Mittel an, ein Mittel gefragten Experten geworden, wenn es allein brächte nicht viel. Die Umstellung um die möglichst umweltschonende gehe nicht von heute auf morgen. Eine gärtnerische Produktion geht. Zwei bis gewisse Ausdauer und Geduld müsse drei Besuche von Interessierten beman schon mitbringen. Wichtig sei kommt der Staudengärtner jede Woche, ­neben einem fundierten Fach­wissen, er hält Vorträge und war bereits zweidie Pflanzen gut zu beobachten und mal im WDR-Fernsehen. Für seine Topf­ vorausschauend zu behandeln. Denn kräuter hat er jüngst das AbCertwenn sich beispielsweise der Mehltau Zertifikat für die Produktion gemäß EUin empfindlichen Kulturen erst einmal Öko-Verordnung erhalten. ausgebreitet habe, sei er mit orga­ Sein Credo lautet „Alle reden vom nischen Mitteln kaum noch in Griff zu Umwelt­schutz – wir praktizieren ihn“. kriegen. Dabei darf man sich den aufgeschlosseZugegebenermaßen gibt es Unter­ nen Unternehmer nicht als fanatischen schiede, ob man Stauden oder BeetÖko vorstellen. Früher produzierte er und Balkon­pflanzen biologisch produseine Stauden auch rein konventionell. zieren möchte. Eine Staude braucht in Doch die Pflanzenschutz­sprit­zungen haben ihm nie Spaß gemacht. So beder umweltfreundlichen Kultur keinen gann er nach und nach, Alternativen zu größeren Standraum als bei konventioneller Kultur. Beet- und Balkon­pflanzen suchen. Er probierte und probiert noch hingegen, die nicht gestaucht werden, heute alles aus, macht seine Erfahrungen müssen einen größeren Standraum beund entscheidet dann, ob es in seinem kommen und verursachen damit höheBetrieb weiter angewendet wird oder re Produktionskosten. Außerdem ist ihr nicht. Parallel dazu hat er den Einsatz Vermark­tungsfenster anders als bei biovon chemischen Pflanzen­schutzmitteln logisch produzierten Stauden sehr eng. immer weiter heruntergefahren. Andererseits dürfte das Thema Unkraut­ Am Anfang stand der Knoblauch, der bekämpfung bei Beet- und Balkon­ Stoffe enthält, die den Stoffwechsel der pflanzen, die im Gewächshaus auf Pflanzen stärken und vor Infektionen Tischen o. ä. produziert werden, kosschützen. Heute erhalten alle Stauden Klaus Bongartz kultiviert in Nettetal seit Jahren ­ Foto: Aldenhoff tenmäßig nicht ins Gewicht fallen. im Betrieb ein- bis zweimal pro Woche umweltgerecht Stauden Klaus Bongartz ist sich bewusst, dass über das Gießwasser Knoblauchextrakt, homöopathische Mittel (inklusive Aroma­ schen Pflanzenschutzmitteln konnten über er die Mehrkosten für das Jäten, sollte er thera­pie gegen Insekten) und weitere Pflan­ die Jahre deutlich reduziert werden. Zwei einmal komplett auf „Bio“ umgestellt haben, zen­stärkungsmittel. Die für alle Pflanzen ein- Drittel machen Herbizide aus, mit denen die über die erzielten Preise für seine Ware wieheitliche Erde erfüllt die Anforderungen an Freiland­stellflächen behandelt werden. Die der hereinholen muss. Ebenso überzeugt ist ein Biosubstrat und enthält nur 50 % Torf, Kosten für die organischen Pflanzen­stär­ er allerdings, dass es zunehmend Verbraucher dafür aber noch Kom­post und nachwachsen- kungs­mittel, mineralischen Dünger und geben wird, die – im schlimmsten Fall durch Pflan­zenschutz beziffert Bongartz auf ins­ Skandale – sensibilisiert und gerne bereit de Rohstoffe sowie organischen Dünger. Das Resultat sind gesunde, vitale, stress­ gesamt 1 Cent pro Pflanze. Da die Mittel sind, für biologisch produzierte Zierpflanzen tolerante Pflanzen, die auch ohne Stauche­ dem Gießwasser beigemischt werden und mehr zu bezahlen. mittel kompakt wachsen. 60–70 % aller wesentlich seltener Sprit­zungen nötig sind, Sabine Aldenhoff Arbeits- und Verpackungskosten erhöht. Vor­ teil ist aber, dass sich beim Verkauf über Bio­ läden ganz andere Preise durchsetzen lassen. Letztendendes wird der Verbraucher entscheiden, ob Bio-Zierpflanzen eine Zukunft haben. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. In gut sortierten Gartencentern müssen die Bio-Pflanzen eigens herausgestellt werden. Es gilt, beim Verbraucher eine Sen­ sibilität für „umweltschonende Produktion“ zu schaffen. Es reicht nicht, dass Verbraucher bei Umfragen immer wieder betonen, dass sie für „Bio“ gerne mehr bezahlen. Entschei­ dend ist, ob sie, vor die Wahl gestellt, tatsäch­ lich zur „teureren“ Bio-Zierpflanze greifen. Beim Praktiker nachgefragt: Klaus Bongartz Monatsschrift 06/09 www.monatsschrift.de Zierpflanzen | 385