38 PRAXIS : KLEINE KLAVIERSTÜCKE „Die sehen sich so ähnlich – Beziehungen zwischen Dreiklängen uta hussong Dreiklangsverwandtschaften in Muzio Clementis Sonatine C-Dur op. 36/1 werden mithilfe eines Farbkreises sichtbar gemacht. 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Arbeitsblätter ▲ ▲ ▲ Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1, 1. Satz (Arbeitsauftrag und Noten) – S. 41-42 Der Farbkreis – S. 41 Übertragung der harmonischen Analyse auf den Farbkreis – S. 43 Dateien – DVD ▲ ▲ ▲ Der Farb-Quintenzirkel – Bastelvorlage Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1 – Lösungsblatt Übertragung der harmonischen Analyse auf den Farbkreis – Lösungsblatt schott-musikpädagogik.de ▲ Beitrag als PDF-Datei musik & bildung 2.13 Sonatinen verschiedener Komponisten der Klassik werden im Klavierunterricht gern musiziert und sind gut geeignet, das Handwerk des Klavierspielens zu erlernen und auf größere Werke vorzubereiten. Hier soll der Wer t dieser kleinen Werke der Klavierliteratur für den Musikunterricht der allgemein bildenden Schule genutzt werden. Eines dieser belie bten Werke – die Sonatine C-Dur op. 36 Nr. 1 von Muzio Clementi – bietet im ersten Satz „Allegro” auf dem engen Raum von nur 38 Takten eine ganze Menge, was Ausgangspunkt für lohnende Erkenntnisgewinne sein könnte. CLEMENTIS SONATINE UND DER FARBKREIS Es handelt sich um eine Mini-Sonatenhauptsatzform mit den wesentlichen Formteilen, dabei auskommend mit nur wenigen Akkorden, die den SchülerInnen einen er sten Weg zum Verständnis von Beziehungen zwischen Akkorden ebnen kann. Damit diese f ür SchülerInnen durchaus komplizierten Sachverhalte verständlich werden, soll in di esem skizzierten Unterrichts- baustein mit Farben gearbeitet werden. Dafür steht ein Farbkreis zur Verfügung, in dem die Farben in einem nach zwölf „Uhrzeiten“ eingeteilten Kreis angeordnet sind, so wie wir es auch vom Quintenzirkelmodell kennen.1 Warum diese Anordnung? Die ein zelnen Farben weisen von Feld zu Feld „Anteile“ (und damit Ähnlichkeit) der jeweils benachbarten Farben auf. Eine Zuordnung von Dreiklängen zu Farben ermöglicht es, Akkordverwandtschaften untereinander sichtbar zu machen. Ein Beispiel: So wie die Farben Grüngelb – Gelb – Gelborange über die Farbe Gelb „verwandt“ sind und im Farbkreis nebeneinander liegen, so verhält es sic h mit den Dreiklängen F-Dur, C-Dur und G-Dur über den Ton C. Diese Parallelität ist in diesem Unterrichtsvorschlag leitend. DAS ERGEBNIS Die Anordnung der Noten auf dem Arbeitsblatt „Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1, 1. Satz” erfolgt bewusst in Blöcken, die die formale Anlage des Satzes vorgeben, was den SchülerInnen die Schlussfolgerungen aus der farbli- sind die verwandt?“ chen Analyse erleichtert. (Es kann natürlich auch ein Anliegen der Lehrkraft sein, diese zu erarbeiten. Dann bleiben die Noten als „Fließtext“ und die Arbeitsaufträge werden angepasst.) Was kann überhaupt von SchülerInnen daraus geschlussfolgert werden? Dazu werfen wir einen Blick auf das zu erwartende Ergebnis (s. Abbildung „Ergebnis der farblichen Analyse”). Es gibt neun Blöcke, innerhalb derer einige gleich sind: die Farben in den Takten 1 bis 6 entsprechen exakt den Farben der Takte 24 bis 29. einige sich ähneln: Takt 7 und Takt 30 ähneln sich in Kürze und in der Farbgebung. die Farben der Takte 8-11 und 31-34 sich in der Farbabwechslung jeweils zu den Nachbarfeldern ähneln so wie die Farben der Takte 12-15 und 35 bis 38, d. h. ihr Verhältnis ist gleich. der mittlere Block (T. 16-23) durch Länge und Farbwahl heraussticht. Durch die Farben wird auch sichtbar, dass in dem Block von Takt 16-23 eine andere Farbzusammenstellung herrscht als in dem nachfolgenden Block, wo sich die Farben „beruhigen“. © Vesna Cvorovic - Fotolia.com 39 Takt 1 7 8 12 16 24 30 31 35 Ergebnis der farblichen Analyse der Sonatine C-Dur op. 36/1 von Muzio Clementi musik & bildung 2.13 40 PRAXIS : KLEINE KLAVIERSTÜCKE Bei gleichzeitiger Beachtung des Farbkreises fällt auch auf, dass die neue F arbe (hier türkis) aus dem linken Teil des Zirkels stammt und dazu noch schraffiert (in Moll) ist . Bei der Annahme und Vorgabe, dass „Gelb“ die G rundtonart des Stücks ist, stammen alle Farben bis auf die Farbe Hellgrün in Takt 36 aus dem rechten Teil des Farbkreises. Außerdem werden in den Teilen vor und nach dem mittleren Block (bis auf T. 36-37) nur Nachbarfarben benutzt und sind somit direkt mit diesen „wie Geschwister“ verwandt. Aus diesen Schlussfolgerungen lassen sich viele Erkenntnisse gewinnen, die je nach Intention des Lehrers im Unterricht weiter eine Rolle spielen werden. Der erwähnte Farbkreis (s. Arbeitsblatt „Der Farbkreis”) weist im äuß eren Bereich klare Farben auf, was hier den Dur-Tonarten entspricht. Der innere Bereich ist in der gleichen Farbe nur dunkler schraffiert, um so d ie parallelen Molltonarten optisch erkennbar zu machen. Durch Drehen wird ermöglicht, die Tonika eines Stücks individuell farblich festzulegen. Der Farbkreis kann individuell durch eine drehbare durchsichtige Folie mit Dreiklangsabbildungen und Akkordnamen in den zwölf Dur- und Molltonarten zum „Farb-Quintenzirkel“ ergänzt werden (eine Vorlage zum Basteln findet sich auf der Heft-DVD). Die du rchsichtige Folienscheibe wird dazu mit einer Versandklammer mit dem Farbkreis verbunden und gibt so den SchülerInnen Orientierungshilfe. ZUSÄTZLICH BENÖTIGTE MATERIALIEN: ▲ Hilfeblatt: ggf. individuell nach den Bedürfnissen der SchülerInnen zu erstellen, z. B. ein Blatt mit Dreiklängen im Violin- und Bassschlüssel Beschreibbare Karten (DIN A5) für Schülerergebnisse Textmarker und /oder Filzstifte, Buntstifte ▲ ▲ musik & bildung 2.13 HINWEISE FÜR DEN UNTERRICHT Der vorliegende Unterrichtsbaustein ist für die Jahrgangsstufen 7 bis 9 u. a. im Zusammenhang mit Musik im historisch-kulturellen Kontext geeignet, z. B. in einem Unt errichtsvorhaben mit abendländischer Kunstmusik des 18. / 19. Jahrhunderts. Welche Voraussetzungen bestehen aufseiten der SchülerInnen, um die Aufgaben ohne Überforderung zu bewältigen? Die Sc hülerInnen können Noten im Vi olin- und Bassschlüssel (mit Hilfen) lesen; sie wissen, dass Dreiklänge durch Terzenschichtung gebildet werden; sie kennen Tonarten bis zu drei Vorzeichen; sie k ennen das Modell Quintenzirkel; sie u nterscheiden Dur und Moll. Für die Takte 3-4 und 26-27 muss ggf. eine Hilfestellung erfolgen, da die Analyse (G-Dur über Orgelpunkt C) von SchülerInnen dieses Ausbildungsstands nur in Ausnahmefällen geleistet werden kann. Eine Möglichkeit der Vorentlastung könnte sein, das Ergebnis dieser Takte von vornherein vorzugeben. Nach dem Aufbau der Lernsituation hinsichtlich des Umgangs mit dem Hörbeispiel der Sonatine, den jeder Lehrer ganz individuell auf die Lerngruppe abgestimmt gestalten wird, kann der folgende Hinweis den weiteren inhaltlichen Weg aufzeigen: „Wir befinden uns in der Zeit zwischen 1750 und 1800 und zu dieser Zeit setzte sich ein bestimmter Kompositionsplan in neuen Wer ken durch, der die Menschen damals begeisterte. Warum war das so, was steckte hinter dem Plan? Wir werden das herausarbeiten und dann ergründen, was das mit den Menschen, die damals die Gesellschaft bildeten, zu tun hat.“ Die Arbeitsaufträge 1 bis 3 lassen den k onkreten Unterrichtsverlauf deutlich werden. Nach der Erarbeitung und der Darstellung der Ergebnisse durch die SchülerInnen wird das Unterrichtsgespräch über die Beobachtungen und deren mögliche Bedeutungen die Idee von zwei widerständigen Standpunkten / Auffassungen, die sich nach einem argumentativen Austausch in eine E inigung begeben, herausstellen. Die Frage, warum die Menschen damals in der Zeit zwischen 1750 und 1800 von dieser Idee „begeistert“ waren, was sich in der Zeit politisch ereignete, was die Französische Revolution damit zu tun hat …, d as alles kann nun weiter – auch fächerübergreifend – erarbeitet werden.2 Aleksander Orłowski: Porträt von Muzio Clementi Danach hat die Rückführung auf das Hören ihren Platz: Akkordverwandtschaften zu sehen ist das eine und bereits erfolgt – Akkordverwandtschaften auch aktiv zu hören, das andere und das eigentliche Ziel: Sensibilisiert durch die intensive Beschäftigung auf der farblichen Ebene ist der Übergang zur differenzierten auditiven Wahrnehmung geebnet und kann vom Musiklehrer bewusstgemacht und weiter ausgebaut werden. Anmerkungen: 1 Die Idee d azu stammt aus dem F arbkreis von Johannes Itten. 2 Vertiefungsmöglichkeit: Für Lehrer, die mit ihrer Lerngruppe noch tiefer in die Materie eindringen möchten, bietet sich ein Vergleich mit einer anderen Sonatine oder Sonate in einer anderen Tonart an. Bei der Verwendung des Farbkreises und der Annahme Tonika = gelb erhält man im Prinzip ein ähnliches farbliches Ergebnis: Die harmonische Anlage der Sonatenhauptsatzform, die For m und „Idee“ k önnen aus der visualisierten harmonischen Analyse als Erkenntnisgewinn abgeleitet werden. 41 Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1, 1. Satz ! 1. Arbeitsauftrag: Dir liegt das Arbeitsblatt „Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1, 1. Satz” mit Klaviernoten vor. Unter jedem der insgesamt 38 Takte befindet sich ein Kästchen. Deine erste Aufgabe ist es, den Dreiklang, den der Komponist in dem Takt verwendet hat, zu benennen und ihn in das Kästchen zu schreiben. Deine Vorgehensweise: Du ermittelst die Töne in jedem Takt im Bass- und Violinschlüssel und findest die Tonart des Taktes heraus. Tipp: Meistens (aber nicht immer) ist der Grundton des Dreiklangs im Bassschlüssel. In den Takten 7, 18 und 22 sind an jeweils zwei Stellen Dreiklänge zu benennen. Das ist in den Noten mit einem zusätzlichen Unterteilungsstrich markiert. Falls du Hilfe brauchst, um die richtigen Grundtöne und die dazugehörigen Dreiklangstöne zu finden, kannst du auf dem Hilfeblatt am Pult nachschauen. Wenn du fertig bist, gehst du zum Materialtisch und wartest auf die nächste Klassenkameradin oder den nächsten Klassenkamerad, die / der auch gerade fertig geworden ist. Ihr nehmt euch beide den 2. Arbeitsauftrag und den Farbkreis mit und sucht euch einen Platz, an dem ihr von jetzt an gut zusammen arbeiten könnt. Der Farbkreis musik & bildung 2.13 42 Muzio Clementi: Sonatine C-Dur op. 36/1, 1. Satz In Takt 7 werden die Zählzeiten „1“ und „4“ analysiert. In den Takten 18 und 22 werden jeweils die Zählzeiten „1“ und „3“ analysiert. musik & bildung 2.13 43 Übertragung der harmonischen Analyse auf den Farbkreis ! 2. Arbeitsauftrag: Namen des Teams: ___________________________________ Als erstes vergleicht ihr eure Ergebnisse. Sind alle Ergebnisse gleich? Wenn nicht, findet heraus, welches eurer Ergebnisse richtig ist. Hier seht ihr nun eine Übersicht über das ganze Stück. Eure Aufgabe ist es, alle Kästchen mit der Farbe der analysierten Dreiklänge auszufüllen. Der Farbkreis ist euer „Farbquintenzirkel“; er gibt euch die Farben an, die ihr verwenden sollt: Die Grundtonart des Stücks stellt ihr auf „12 Uhr“ = gelb. Nehmt nun farbige Stifte und malt die Kästchen mit den entsprechenden Farben aus. Vorsicht in den Takten 7, 18 und 22: Dort verwendet ihr zwei Farben in einem Takt. 1 7 8 12 16 24 30 3. Arbeitsauftrag: 31 35 ! Beschreibt euch gegenseitig euer farbliches Ergebnis und überlegt gemeinsam mithilfe des Farbkreises, welche Erkenntnisse ihr aus dem erstellten Farbschema gewinnen könnt. Schreibt die unterschiedlichen Beobachtungen mit den entsprechenden Taktangaben auf je eine Karte. Folgende Fragen helfen euch dabei: Gibt es im Verlauf des gesamten Stücks Auffälligkeiten? Gibt es gleiche / ähnliche / unterschiedliche Stellen? Wenn Ihr fertig seid, heftet ihr eure Ergebnisse an die Tafel. musik & bildung 2.13