FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VER¨ANDERLICHER 1

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FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Zusammenfassung. Das ist ein noch recht fehlerhafter Text zu einer Vorlesung, die ich 2004 zum ersten Mal gehalten habe und nun (Sommersemester
2007) zum zweiten Mal halte. Der Text wird im Laufe der Vorlesung überarbeitet.
Bei der Vorlesung handelt es sich um eine Einführung in die mehrdimensionale komplexe Analysis. Das Ziel ist, bis zur Lösung der so genannten
fundamentalen Probleme zu kommen: Erstens: Lösung der Cauchy-RiemannGleichung auf streng pseudokonvexen Mannigfaltigkeiten (d.h. H q (X, O) = 0
für q ≥ 1). Zweitens: Lösung des Levi-Problems, d.h. wir zeigen, dass jede
streng pseudokonvex e Mannigfaltigkeit Steinsch ist. Znächst alles im Cn .
Dabei wird versucht die Vorteile zweier unterschiedlicher Zugänge zur mehrdimensionalen komplexen Analysis zu kombinieren. Einerseits wird am Anfang eine spezielle Integralformel zur lokalen Lösung der Cauchy-RiemannGleichung benutzt. Das ist eine erst in der etwas jüngeren Geschichte (etwa ab
1970) entwickelte Methode, deren Wert insbesonders in den damit möglichen
Abschätzungen bis zum Rand eines Gebiets liegt. Diese Abschätzungen sind
sehr technisch und ziemlich ”unangenehm”, aber, wenn man sie erst mal hat,
führen sie recht schnell zur Lösung der fundamentalen Probleme.
In dieser Vorlesung verzichten wir jedoch auf diese Rand-Abschätzungen
und benutzen lediglich die sehr einfachen inneren Abschätzungen. Der Preis
ist, dass wir wieder auf ein etwas schwierigeres Resultat der Funktionalanalysis zurückgreifen müssen, das schon bei den historisch ersten Lösungen der
fundamentalen Probleme eingesetzt wurde. Es handelt sich um den Satz von
Laurent Schwartz, dass das Bild einer kompakt gestörten linearen Surjektionen zwischen Fréchet-Räumen endliche Kodimension hat. (Benutzt man die
lokalen Rand-Abschätzungen, braucht man nur den einfachen Satz, dass die
kompakt gestörte Identität eines Banachraumes ein Fredholoperator ist.)
Vorausgesetzt wird in dieser Vorlesung ein relativ gutes Verständnis der
mehrdimensionalen reellen Analysis, speziell der Integrationstheorie auf Mannigfaltigkeiten (Satz von Stokes in der Formulierung mit Differentialformen).
Aus der Funktionentheorie einer komplexen Vernderlichen wird nur das Grundwissen vorausgesetzt.
1. Bezeichnungen
• C ist die komplexe Ebene und R die reelle Achse.
• N ist die Menge der natürlichen Zahlen (mit Null), N∗ := N \ {0}.
• Die kanonischen komplexen Koordinaten auf dem Cn (also die Funktionen, die jedem n-Tupel aus Cn seine Komponenten zuordnen) bezeichnen
wir oft mit z1 , . . . , zn . (Für n = 1 schreiben wir natürlich z statt z1 .) Dann
ist z = (z1 , . . . , zn ) das System dieser Koordinaten. Andererseits benutzen
wir den Buchstaben z auch als Bezeichnung für einen Punkt des Cn . Dann
sind z1 , . . . , zn die Komponenten von z, d.h. die kanonischen komplexen
1
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•
•
•
•
•
Koordinaten des Punktes z. Die gleiche Rolle können auch andere Buchstaben spielen wie z.B. w, ζ oder η. Aus dem Zusammenhang sollte jeweils
klar werden, was gemeint ist.
Der komplex n-dimensionale Raum Cn wird auch als reell 2n-dimensionalen
Raum R2n interpretiert, indem man den Punkt (z1 , . . . , zn ) ∈ Cn mit dem
Punkt (x1 , y1 , . . . , xn , yn ) ∈ R2n identifiziert, wobei xj der Realteil und yj
der Imaginaärteil von zj ist.
Die im Sinne dieser Interpretation kanonischen reellen Koordinaten
des Cn bezeichnen wir oft mit x1 , y1 , . . . , xn , yn , wobei die Bezeichnungen
so gewählt sind, dass xj der Realteil, und yj der Imaginärteil der j-ten kanonischen komplexen Koordinate zj ist. (Für n = 1 schreiben wir natürlich
wieder x und y statt x1 und y1 .)
Unter einer Ck -Mannigfaltigkeit, k ∈ N ∪ {∞}, verstehen wir stets eine
C k -Mannigfaltigkeit, die im Unendlichen abzählbar (d.h. eine abzählbare
Vereinigung kompakter Mengen) ist. Mit C l (X), 0 ≤ l ≤ k, bezeichnen wir
dann den Raum der komplexwertigen C k -Funktionen auf X. Verwenden wir
diese Bezeichnung für eine offene Teilmenge X des Cn , so bezieht sich dies
stets auf die Interpretation von Cn als R2n .
Im Unterschied zu der in der Funktionentheorie einer Veränderlichen üblichen Konvention, verwenden wir das Wort ”Gebiet” als Äquivalent für ”offene Menge” (im Cn oder einer C k -Mannigfaltigkeit). Gebiete sind bei uns
also nicht unbedingt zusammenhängend.
Ist X ein topologischer Raum, so bedeutet M ⊂⊂ X, dass M eine relativ
kompakte Teilmenge von X ist. Wenn nichts anderes gesagt ist, so verstehen wir unter einer Umgebung stets eine offene Umgebung, und unter
eine Überdeckung verstehen wir stets eine offene Überdeckung.
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2. Holomorphe Funktionen
Wir erinnern zuerst an das folgende Lemma aus der linearen Algebra:
2.1.
Die komplexe Ebene C sei in der üblichen Weise mit R2 identifiziert,
¡ a b Lemma.
¢
sei eine Matrix reeller Zahlen, und A : C → C sei die durch diese Matrix
c d
definierte reell-lineare Abbildung. Dann gilt: A ist genau dann komplex-linear, wenn
a = d und b = −c.
Beweis. Da die reelle Linearität von A bereits gegeben ist, ist die komplexe Linearität äquivalent dazu, dass
A(i z) = i A(z)
d.h.
µ
für alle z ∈ C,
¶µ ¶ µ
¶µ ¶
a b
−y
−c −d
x
=
c d
x
a
b
y
für alle
µ ¶
x
∈ R2 .
y
Man sieht nun durch Einsetzen, dass letzteres gilt, falls a = d und b = −c ist. Dass
es nur dann gilt, sieht man, wenn man x = 0 und y = 0 setzt.
¤
Aus der Funktionentheorie einer Veränderlichen wissen wir nun, dass eine komplexwertige Funktion f = u + iv (u = Re f , v = Im f ) auf einem Gebiet D ⊆ C
genau dann holomorph ist, wenn sie dort von der Klasse C 1 ist und die CauchyRiemann-Gleichung
∂f
∂f
= −i
∂x
∂y
(2.1)
bzw. die beiden Cauchy-Riemann-Gleichungen
(2.2)
∂u
∂v
=
∂x
∂y
und
∂v
∂u
=−
∂x
∂y
¡ a b¢
erfüllt. (2.2) besagt, dass die Jacobi-Matrix von f die Form −b
a hat. Nach Lemma 2.1 bedeutet dies, dass das Differential von f komplex-linear ist. Es gilt also:
Eine auf einem Gebiet D ⊆ C definierte komplexwertige Funktion f ist genau
dann holomorph, wenn sie zu C 1 (D) gehört und ihr Differential in jedem Punkt von
D komplex linear ist.
Man verallgemeinert dies wie folgt auf den Fall mehrerer Veränderlicher:
2.2. Definition. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge. Unter einer holomophen Abbildung von D nach Cm versteht man eine C 1 -Abbildung f : D → Cm , deren
Differential in jedem Punkt aus D komplex-linear ist. Für m = 1 spricht man von
holomorphen Funktionen. Die Menge aller holomorphen Funktionen f : D → C
bezeichnet man mit O(D).
Die Kettenregel der reellen Analysis besagt, dass die Hintereinanderausführung
zweier C 1 -Abbildung wieder ein C 1 -Abbildung ist, wobei das Differential der Hintereinanderausführung die Hintereinanderausführung der Differentiale ist. Da das
Produkt zweier komplex-linearer Abbildungen wieder komplex-linear ist, folgt mit
Definition 2.2 sofort die folgende komplexe Kettenregel:
• Seien D ⊆ Cn , G ⊆ Cm zwei offene Mengen, und seien f : D → G,
g : G → Ck zwei holomorphe Abbildungen. Dann ist auch g ◦ f holomorph.
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2.3. Definition. Seien D, G ⊆ Cn zwei offene Mengen. Eine bijektive Abbildung f
von D auf G heißt biholomorph, falls sowohl f als auch f −1 holomorph sind.
Der Satz über die Umkehrabbildung der reellen Analysis besagt: Sei das Differential einer C1 -Abbildung f in einem Punkt w invertierbar. Dann (und zwar
genau dann) bildet f eine Umgebung U dieses Punktes C 1 -diffeormorph auf eine
Umgebung V von f (w) ab, wobei das Differential von f −1 in η ∈ V die Umkehrung
des Differentials von f in f −1 (η) ist. Da die Umkehrung einer bijektiven komplexlinearen Abbildunge wieder komplex-linear ist, folgt daraus der folgende Satz über
die Umkehrabbildung für holomorphe Abbildungen:
2.4. Satz. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, sei f : D → Cn eine holomorphe Abbildung, und sei w ∈ D. Dann ist das Differential von f in w genau dann invertierbar,
wenn es
¯ eine Umgebung U ⊆ D von w und eine Umgebung V von f (w) gibt, so
dass f ¯U biholomorph von U auf V abbildet.
Für viele andere Eigenschaften holomorpher Abbildungen f : D → Cm ist es
unmittelbar klar, dass man sie nur für m = 1, also für Funktionen, formulieren
muss, was wir im verbleibenden Teil dieses Abschnitts so halten werden.
2.5. Satz. Für jedes Gebiet D ⊆ Cn und jedes f ∈ C 1 (D) sind die folgenden
Eigenschaften äquivalent:
(i) f ist holomorph auf D.
(ii) Für jeden Punkt ξ ∈ D und jeden Vektor v ∈ Cn ist die Funktion
λ → f (ξ + λ v)
holomorph auf der offenen Menge aller λ ∈ C mit (ξ + λ v) ∈ D.
(iii) f ist bezüglich jeder komplexen Variablen einzeln holomorph, d.h. für jeden
Punkt ξ ∈ D und 1 ≤ j ≤ n ist die Abbildung
λ → f (ξ1 , . . . , ξj−1 , λ, ξj+1 , . . . , ξn )
holomorph auf der Menge aller λ ∈ C mit (ξ1 , . . . , ξj−1 , λ, ξj+1 , . . . , ξn ) ∈ D.1
Beweis. (i)⇒ (ii): Ist f holomorph, so ist die in Frage stehende Abbildung die
Hintereinanderausführung zweier holomorpher Abbildungen, nämlich der komplexaffinen (und somit holomorphen) Abbildung λ → ξ + λv und f .
(ii)⇒(iii): (iii) ist ein Spezialfall von (ii) - man muss nur v = ej setzen, wobei
ej ∈ Cn der j-te kanonische Einheitsvektor ist. (An der j-ten Stelle von ej steht
eine Eins, die anderen Komponenten von ej sind gleich null.)
(iii)⇒(i). Sei ξ ∈ D gegeben, und sei Dξ f das Differential von f in ξ. Wir müssen
zeigen, dass Dξ f komplex-linear ist. Da die reelle Linearität von A bereits gegeben
ist, genügt es zu zeigen, dass
(2.3)
(Dξ f )(i z) = i (Dξ f )(z)
für alle z ∈ Cn .
Dazu fixieren wir zunächst ein beliebiges 1 ≤ j ≤ n und bezeichnen mit φj die
durch
φj (λ) = (ξ1 , . . . , ξj−1 , 0, ξj+1 , . . . , ξn ) + λej
1Ein berühmter Satz von Hartogs ([Ha], 1906) besagt, dass man dabei auf Voraussetzung
f ∈ C 1 (D) verzichten kann, d.h. es gilt: Ist f : D → C eine Funktion mit der Eigenschaft (ii), so
ist sie holomorph. Mit Beweis kann man diesen Satz von Hartogs z.B. in dem Buch von Hörmander
finden ([Ho], Theorem 2.2.8).
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definierte Abbildung φj : C → Cn . Diese Abbildung ist affin und damit differenzierbar, wobei das Differential von φj in jedem Punkt aus C die durch
ψj (λ) = λej ,
λ ∈ C,
n
definierte lineare Abbildung Ψj : C → C ist. Mit der Kettenregel (der reellen
Analysis) folgt daraus, dass (Dξ f ) ◦ ψj das Differential von f ◦ φj im Punkt ξj ist.
Da die Abbildung f ◦ φj nach Voraussetzung holomorph ist, ist (Dξ f ) ◦ ψ komplex
linear. Insbesondere gilt also
¡
¢
(Dξ f ) ◦ ψj (i λ) = i (Dξ f )(λ)
für alle λ ∈ C.
Da dies nun für alle 1 ≤ j ≤ n gilt, folgt daraus (da Dξ f additiv ist)
Dξ f (i z) = Dξ f
n
³X
n
n
´ X
¡
¢ X
¡
¢¡ ¢
i z j ej =
Dξ f i zj ej =
(Dξ f ) ◦ ψj i zj
j=1
j=1
=i
n
X
¡
Dξ f ◦ ψj
j=1
n
X
¢¡ ¢
zj = i
j=1
¡
¢
Dξ f zj ej = i Dξ f (z)
j=1
n
für alle z ∈ C .
¤
Man kann also auch jede der beiden Eigenschaften (ii) und (iii) aus Satz 2.5 als
Definition für den Begriff der holomorphen Funktion benutzen. Damit und mit Hilfe
der entsprechenden Eigenschaften holomorpher Funktionen einer Veränderlichen
erhält man nun leicht die folgenden weiteren Eigenschaften holomorpher Funktionen
mehrerer Veränderlicher (D ist dabei ein beliebiges Gebiet des Cn ):
• Für je zwei Funktionen f, g ∈ O(D) gehören auch f ± g und f · g zu O(D).
• Da die kanonischen komplexen Koordinaten z1 , . . . , zn holomorph sind
(denn sie sind sogar komplex-linear), folgt daraus, dass alle komplexen Polynome, d.h. alle Funktionen der Form
N
X
α
α
aα1 ,...,αn z1 1 . . . zn n
α1 ,...,αn =0
n
auf C holomorph sind.
• Ist f ∈ O(D) und f (z) 6= 0 für alle z ∈ D, so gehört auch 1/f zu O(D).
• (Eindeutigkeitssatz) Ist D zusammenhängend, so gilt: Sind f, g ∈ O(D)
und ist f = g auf einer offene Teilmenge von D, so gilt f = g auf ganz D.
• (Maximumprinzip) Ist D zusammenhängend und f eine nichtkonstante
holomorphe Funktion auf D, so hat |f | kein lokales Maximum auf D.
• (Satz von Liouville) Beschränkte holomorphe Funktione auf Cn sind
konstant.
In der Funktionentheorie einer Veränderlichen hat man für jedes Gebiet mit
hinreichend glattem Rand die Cauchy-Formel zur Darstellung holomorpher Funktionen. Im mehrdimensionalen Fall gibt es solche Formeln nur noch für Gebiete
speziellen Typs.
Besonders einfache Gebiete sind die Produkte von n Kreisscheiben, d.h. Gebiete
der Form
¯¯
n
o
¯
¯
(2.4)
P = z ∈ Cn ¯ ¯zj − aj ¯ < rj für j = 1, . . . , n ,
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die man als Polyzylinder bezeichnet. Dabei ist a = (a1 , . . . , an ) ein Punkt aus Cn ,
der Mittelpunkt des Polysylinders P , und r = (r1 , . . . , rn ) ist ein Vektor positiver
reeller Zahlen, der Multiradius von P . Das Produkt der dazugehörigen Kreislinien
heißt Gerüst (engl.: distinguished boundary) von P und wird mit ∂0 P bezeichnet,
d.h. (wenn P von der Form (2.4) ist)
¯¯
n
o
¯
¯
(2.5)
∂0 P := z ∈ Cn ¯ ¯zj − aj ¯ = rj für j = 1, . . . , n .
Das Gerüst ∂0 P ist eine Teilmenge des Randes ∂P von P , die nur im Fall n = 1
mit dem ganzen Rand übereinstimmt. Wir orientieren das Gerüst ∂0¯P , indem
¯ wir
es mit dem Produkt der Orientierungen der einzelnen Kreislinien ¯z − aj ¯ = rj
versehen, die ihrerseits wie in der Funktionentheorie einer Veränderlichen üblich
entgegen dem Uhrzeigersinn orientiert sein sollen.
2.6. Satz. (Cauchy-Formel für Polyzylinder) Sei P ein Polyzylinder im Cn mit
dem Multiradius (r1 , . . . , rn ) und dem Mittelpunkt (a1 , . . . , an ), und sei f eine in
einer Umgebung von P definierte holomorphe Funktion. Dann gilt für jedes z ∈ P :
(i) Als Iteration komplexer Kurvenintegrale:
Z
Z
1
f (ζ1 , . . . , ζn )
(2.6) f (z) =
.
.
.
dζ1 . . . dζn .
(2πi)n
(ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
|ζn −an |=rn
|ζ1 −a1 |=r1
(ii) Als Integral im Sinne der Integration von Differentialformen, wobei jetzt
ζ1 , . . . , ζn die Komponenten der identischen Abbildung von S1 × . . . × Sn sind:
Z
1
f dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
(2.7)
f (z) =
.
(2πi)n
(ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
S1 ×...×Sn
Beweis von (i). Da f bezüglich jeder Variablen einzeln holomorph ist, erhält man
das durch n-malige Anwendung der Cauchy-Formel für holomorphe Funktionen
einer Veränderlichen:
Z
1
dζn
f (z) =
f (z1 , . . . , zn−1 , ζn )
2πi
ζn − zn
Sn
¶
Z µ
Z
1
dζn−1
dζn
1
f (z1 , . . . , zn−2 , ζn−1 , ζn )
=
2πi
2πi
ζn−1 − zn−1 ζn − zn
Sn
1
= ... =
(2πi)n
Sn−1
Z µ
µZ
...
Sn
S1
dζ1
f (ζ1 , . . . , ζn )
ζ1 − z1
¶
¶
...
dζn
.
ζn − zn
¤
Für die Anwendungen, die wir mit dieser Formel vorhaben, ist die jetzt bewiesene
iterierte Schreibweise völlig ausreichend. Wir könnten daher auf einen Beweis von
(2.7) verzichten und diese Schreibweise als eine Abkürzung für das iterierte Integral
(2.6) ansehen. Da das Schreiben von Integralen im Kalkül der Differentialformen im
späteren Verlauf der Vorlesung jedoch wesentlich sein wird, soll hier (als Übung für
den Umgang mit Differentialformen) auch die Schreibweise (2.7) bewiesen werden.
Beweis von (ii). Sei z = (z1 , . . . , zn ) ∈ P fixiert. Wir setzen
g(ξ) =
f (ξ)(ξ1 − a1 ) . . . (ξn − an )
,
(2π)n (ξ1 − z1 ) . . . (ξn − an )
ξ = (ξ1 , . . . , ξn ) ∈ ∂P0 ,
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ψj (t) = aj + rj eitj ,
t = (t1 , . . . , tn ) ∈]0, 2π[n ,
und ψ = (ψ1 , . . . , ψn ). Dann sind ψ1 , . . . , ψn die Standard-Parametrisierungen der
Kreislinien S1 , . . . , Sn , weswegen das iterierte Integral (2.6) in der Form
¡
¢
Z2π Z2π
f ψ(t1 , . . . , tn ) ir1 eit1 . . . irn eitn
1
¢
¡
¢ dt1 . . . dtn
f (z) =
... ¡
(2πi)n
ψ1 (t1 , . . . , tn ) − z1 . . . ψn (t1 , . . . , tn ) − zn
0
Z2π
=
Z2π
...
0
Z2π
=
0
0
¡
¢¡
¢¡
¢
f ψ(t1 , . . . , tn ) ψ1 (t1 , . . . , tn ) − a1 ψn (t1 , . . . , tn ) − an
¡
¢
¡
¢
dt1 . . . dtn
(2π)n ψ1 (t1 , . . . , tn ) − z1 . . . ψn (t1 , . . . , tn ) − zn
Z2π
. . . (g ◦ ψ)(t1 , . . . , tn ) dt1 . . . dtn
0
0
geschrieben werden kann. Mit dem Satz von Fubini ergibt das
Z
(2.8)
f (z) =
g◦ψ,
]0,2π[n
wobei auf der rechten Seite das Lebesgue-Integral steht (bzw. das mehrdimensionale
n
Riemann-Integral, da g ◦ ψ ¡auf [0, 2π]
¢ stetig ist).
n
Wir setzen nun U = ψ ]0, 2π[ und ϕ = (ϕ1 , . . . , ϕn ) = ψ −1 auf U . Dann
ist (U, ϕ) eine positiv orientierte Karte auf S1 × . . . × Sn (nach Definition der
Orientierung von S1 × . . . × Sn ), und wegen (ζ1 , . . . , ζn )|U = id |U = ψ ◦ ϕ gilt
ζj = ψj ◦ ϕ = aj + rj eiϕj
Daraus folgt
dζj = irj eiϕj dϕj = i(ζj − aj )
auf U .
auf U
und somit
f dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
f (ζ1 − a1 ) . . . (ζn − an )
1
=
dϕ1 ∧ . . . ∧ dϕn
(2πi)n (ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
(2π)n (ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
= g dϕ1 ∧ . . . ∧ dϕn
auf U .
Da da (S1 × . . . × Sn ) \ U vom Maß null ist, gilt daher nach Definition des Integrals
einer n-Form
Z
Z
1
f dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
1
f dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
=
n
n
(2πi)
(ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
(2πi)
(ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
S1 ×...×Sn
U
Z
Z
Z
−1
= g dϕ1 ∧ . . . ∧ dϕn =
g◦ψ.
g◦ϕ =
U
ϕ(U )
Zusammen mit (2.8) ergibt das (2.7).
]0,2π[n
¤
Mit Hilfe der Cauchy-Formel für Polyzylinder erhält man nun eine Reihe weiterer Eigenschaften holomorpher Funktionen. Durch Differenzieren unter dem Integral
folgt z.B., dass jede in einer Umgebung der Abschließung eines Polyzylinders holomorphe Funktion im Inneren dieses Polyzylinders von der Klasse C ∞ ist. Da nun
offenbar für jedes Gebiet D ⊆ Cn und jeden Punkt a ∈ D ein Polyzylinder mit dem
Mittelpunkt a existiert, dessen Abschließung ganz in D enthalten ist, folgt daraus
(2.9)
O(D) ⊆ C ∞ (D)
für jedes Gebiet D ⊆ Cn .
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Eine wichtige Rolle spielen im weiteren die Differentialoperatoren
µ
¶
µ
¶
∂
∂
1
∂
∂
1
∂
∂
und
,
1 ≤ j ≤ n.
:=
−i
:=
+i
∂zj
2 ∂xj
∂yj
∂z j
2 ∂xj
∂yj
Dabei sind z1 , . . . , zn die kanonischen komplexen Koordinaten des Cn und
x1 , y1 , . . . , xn , yn die reellen Koordinaten des Cn mit zj = xj + iyj . Die Operatoren
∂/∂z j sind so definiert, dass ihr Verschwinden äquivalent ist zur Cauchy-RiemannGleichung (2.1) bezüglich zj . Wegen Satz 2.5 ist demnach eine Funktion f ∈ C 1 (D)
genau dann holomorph, wenn
(2.10)
∂f
=0
∂z j
für 1 ≤ j ≤ n.
Mit (2.9) zusammengefasst ergibt das die folgende Aussage (die man ebenfalls als
Definition der Holomorphie ansehen kann):
2.7. Satz. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet. Eine Funktion f : D → C ist genau dann
holomorph, wenn sie zu C ∞ (D) gehört und auf D die Cauchy-Riemann-Gleichungen
(2.10) erfüllt.
2.8. Definition. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei f = (f1 , . . . , fm ) : D → Cm
eine holomorphe Abbildung. Die Matrix
µ
¶
∂fj
Jf (w) :=
(w)
(j ist der Zeilenindex)
∂zk
1≤j≤m,1≤k≤n
heißt komplexe Jacobi-Matrix von f im Punkt w ∈ D. Dabei sind z1 , . . . , zn die
kanonischen komplexen Koordinaten des Cn .
2.9. Satz. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei f = (f1 , . . . , fm ) : D → Cm
eine holomorphe Abbildung. Weiter sei w ∈ D. Dann ist Jf (w) die Darstellungsmatrix des Differentials von f im Punkt w bezüglich der kanonischen komplexen
Koordinaten z1 , . . . , zn des Cn .
Beweis. Seien xj , yj wieder die reellen Koordinatenfunktionen mit zj = xj + iyj .
Dann gilt für h = (h1 , . . . , hn ) ∈ Cn und 1 ≤ j ≤ n
µ
¶
´
∂f
1 ∂f
∂f ³
hj =
−i
xj (h) + iyj (h)
∂zj
2 ∂xj
∂yj
µ
¶
µ
¶
1 ∂f
∂f
1
∂f
∂f
=
xj (h) +
yj (h) +
−i
xj (h) + i
yj (h) .
2 ∂xj
∂yj
2
∂yj
∂xj
Wegen ∂f /∂xj = −i∂f /∂yj ( f ist holomorph) folgt daraus
∂f
∂f
∂f
hj =
xj (h) +
yj (h) ,
∂zj
∂xj
∂yj
d.h.
n
n
X
X
∂f
∂f
xj (h) +
yj (h) ,
Jf (w)h =
∂x
∂y
j
j
j=1
j=1
h ∈ Cn .
¤
Mit dem eben bewiesenen Satz nimmt Satz 2.4 über die Umkehrabbildung holomorpher Abbildunge die folgende Form an:
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2.10. Satz. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, sei f : D → Cn eine holomorphe
Abbildung, und sei w ∈ D. Dann ist die komplexe Jacobi-Matrix von f in w genau
dann invertierbar, wenn ¯es eine Umgebung U ⊆ D von w und eine Umgebung V
von f (w) gibt, so dass f ¯U biholomorph von U auf V abbildet.
Für jeden Multiindex α = (α1 , . . . , αn ) ∈ Nn nichtnegativer ganzer Zahlen setzen
wir zur Abkürzung
µ
¶α1
µ
¶αn
∂
∂
(2.11)
∂α =
...
und
α! = α1 ! . . . αn !.
∂z1
∂zn
(Ist ein αj = 0, so entfällt der entsprechende Faktor, ∂ (0,...,0) die identische Abbildung.) Da man die partiellen Ableitungen bezüglich der reellen Koordinaten xj ,
yj± vertauschen kann, kann man jeden solchen Operator mit jedem der Operatoren
∂ ∂z j vertauschen. Daraus folgt mit Satz 2.7
(2.12)
∂ α O(D) ⊆ O(D)
für jedes Gebiet D ⊆ Cn und jedes α ∈ Nn .
Durch Differenzieren unter dem Integral erhält man nun sofort die folgende Verallgemeinerung von Satz 2.6:
2.11. Satz. (Cauchy-Formel für die Ableitungen) Seien P ein Polyzylinder
in Cn und f eine holomorphe Funktion in einer Umgebung von P . Dann gilt
Z
α!
f (ζ) dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
(2.13) (∂ α f )(z) =
, z ∈ P, α ∈ Nn .
n
(2πi)
(ζ1 − z1 )α1 +1 . . . (ζn − zn )αn +1
∂0 P
Aus dieser Formel folgen weitere Eigenschaften holomorpher Funktionen:
2.12. Satz. (Cauchy-Ungleichung) Seien P ⊂⊂ Cn ein Polyzlinder mit dem
Multiradius r und dem Mittelpunkt ξ. Dann gilt für jede in einer Umgebung von P
holomorphe Funktion f und jeden Multiindex α ∈ Nn
¯
¯
¯
¯
α!
¯ α
¯
(2.14)
mit C := max ¯f (ζ)¯,
¯(∂ f )(ξ)¯ ≤ C α
ζ∈∂0 P
r
α
wobei rα := r1 1 . . . rnαn .
Beweis. Nach (2.13) gilt
α!
(∂ f )(ξ) =
(2πi)n
Z
α
∂0 P
f (ζ) dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
.
(ζ1 − ξ1 )α1 +1 . . . (ζn − ξn )αn +1
Als iteriertes Integral geschrieben folgt daraus
µ
µ
Z
Z
¯
¯
Cα!
¯ α
¯
...
¯∂ f (ξ)¯ ≤
(2π)n
|ζn −ξn |=rn
|ζ1 −ξ1 |=r1
¯ ¯¶
¯dζ1 ¯
α +1
r1 1
...
¯
¶ ¯¯
dζn ¯
α +1
rn n
= C
α!
.
rα
¤
2.13. Satz. Seien D ⊆ Cn ein Gebiet und fk ∈ O(D), k ∈ N, eine Folge, die auf
den kompakten Teilmengen von D gleichmäßig gegen eine Funktion f : D → C
2
konvergiert
. Dann gilt f ∈ O(D) und, für jedes α ∈ Nn , konvergiert die Folge
¡ α ¢
∂ fk k∈N gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D gegen ∂ α f .
2Man sagt, dass die Folge (f ) auf den kompakten Teilmengen von D gleichmäßig gegen f
k¯
¯
konvergiert, falls limk→∞ supx∈K ¯fk (x) − f (x)¯ = 0 für jede kompakte Menge K ⊆ X .
10
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Beweis. Da man jede kompakte Menge in D durch endlich viele Polyzylinder überdecken kann, deren Abschließungen ¡in D ¢enthalten sind, folgt aus der CauchyUngleichung (2.14), dass die Folge ∂ α fk für jedes α ∈ N auf den kompakten
Teilmengen von D gleichmäßig konvergiert.3 Wegen
µ
¶
∂
∂
∂
∂
∂
∂
=
+
und
=i
−
,
1 ≤ j ≤ n,
(2.15)
∂xj
∂zj
∂z j
∂yj
∂zj
∂z j
±
und ∂fk ∂z j = 0, 0 ≤ j ≤ n, k ∈ N, bedeutet dies, dass alle partiellen Ableitungen beliebiger Ordnung (bezüglich der reellen Koordinaten) der Folge (fk ) auf den
∞
kompakten
± Teilmengen von± D gleichmäßig konvergieren. Folglich gilt f ∈ C (D)
und ∂f ∂z j¡ = lim¢k→∞ ∂fk ∂z j = 0 für 1 ≤ j ≤ n, d.h. (Satz 2.7) f ∈ O(D). Dass
die Folgen ∂ α fk k∈N gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D gegen
∂ α f konvergieren, sieht man durch nochmaliges Anwenden der Cauchy-Ungleichung
(2.14).
¤
2.14. Satz. (Satz von Montel) Sei D ⊆ Cn ein Gebiet. Dann besitzt jede beschränkte Folge aus O(D) eine Teilfolge, die gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D gegen eine Funktion aus O(D) konvergiert.
Beweis. Da der gleichmäßige Limes holomorpher Funktionen holomorph ist (Satz
2.13), genügt es zu zeigen, dass jede beschränkte Folge aus O(D) eine Teilfolge
besitzt, die auf den kompakten Teilmenge von D gleichmäßig konvergiert. Hierfür
wiederum genügt es nach dem Satz von Ascoli (und da man jede kompakte Menge
in D durch endlich viele Polyzylinder überdecken kann, deren Abschließungen in D
enthalten sind) die folgende Aussage zu beweisen:
Seien P ⊂⊂ Cn ein Polyzylinder, (fk ) eine Folge beschränkter holomorpher
Funktionen in einer Umgebung ¡von¯ P¢ und K ⊆ P eine kompakte Menge. Dann ist
die Folge der Einschränkungen fk ¯K gleichgradig stetig.
¡
± ¢
Aus der Cauchy-Ungleichung (2.14) liest man ab, dass die Folgen ∂fk ∂zj k∈N ,
1 ≤ j ≤ n, auf K beschränkt
sind (denn K hat einen positiven ¡Abstand
zu ∂0 P ).
±
±
Wegen
(2.15)
und
∂f
∂z
=
0
bedeutet
dies,
dass
die
Folgen
∂f
∂y
)
k
j
k
j k∈N und
¡
±
∂fk ∂xj )¡k∈N¯ auf
K
beschränkt
sind,
was
insbesondere
die
gleichgradige
Stetigkeit
¢
¯
der Folge fk K nach sich zieht.
¤
3. Potenzreihen
Unter einer Potenzreihe von n komplexen Veränderlichen in einem Punkt ξ ∈
C n versteht man eine Familie (aα )α∈Nn komplexer Zahlen aα zusammen mit dem
Punkt ξ oder, wie man sagt, einen Ausdruck der Form
∞
X
X
aα1 ,...,αn (z1 − ξ1 )α1 . . . (zn − ξn )αn bzw.
aα (z − ξ)α
α1 ,...,αn =0
α∈Nn
3Hier die Details: Sei K ⊆ D eine kompakte Menge. Dann gibt es ein ε > 0, so dass die
abgeschlossene ε-Umgebung Kε von K ganz in D ¡liegt. Dann gehört
für jedes ξ ∈ K der abge√ ¢
√
schlossene Polyzylinder um ξ mit dem Multiradius ε/ n, . . . , ε/ n zu Kε , und aus der CauchyUngleichung 2.14 erhält man die Abschätzung
µ √ ¶α1 +...+αn
¯
¯
¯
¯
n
¯
¯
¯
¯
max ¯∂ α fk (ξ) − ∂ α fl (ξ)¯ ≤ α!
max ¯fk (ξ) − fl (ξ)¯ ,
k, l ∈ N.
ξ∈K
ξ∈Kε
ε
Da (fk )k∈N auf Kr gleichmäßig konvergiert, folgt daraus, dass (∂ α fk )k∈N bezüglich der gleichmäßigen Konvergenz auf K eine Cauchy-Folge und somit konvergent ist.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
11
wobei (z − ξ)α := (z1 − ξ1 )α1 . . . (zn − ξn )αn . Wir werden sagen, dass eine solche
Potenzreihe auf einem Gebiet D ⊆ Cn normal konvergiert4, wenn
¯
¯
X
¯
¯
sup ¯aα (ζ − ξ)α ¯ < ∞
für jede kompakte Menge K ⊆ D.
α∈N
ζ∈K
Ist dies der Fall, so ist klar, dass die Reihe, d.h. die Folge der Partialsummen
X
(3.1)
aα (z − ξ)α ,
N ∈ N,
α∈Nn , α1 +...+αn ≤N
auf den kompakten Teilmengen von D gleichmäßig gegen eine Funktion f ∈ O(D)
5
konvergiert.
Die Werte von f bezeichnet man auch als die Werte der Potenzreihe
P
a
(z
−
ξ)α und man schreibt
α∈Nn α
X
aα (ζ − ξ)α := f (ζ)
für ζ ∈ D.
α∈Nn
P
Als Konvergenzgebiet einer Potenzreihe α∈Nn aα (z − ξ)α bezeichnet man
die Menge aller Punkte ζ ∈ Cn , so dass die Reihe in einer Umgebung von ζ normal
konvergiert. (Offenbar ist diese Menge stets offen. Sie kann leer sein. Nicht leer ist sie
genau dann, wenn ξ dazu gehört.) In der Funktionentheorie einer Veränderlichen ist
dies stets eine Kreisscheibe mit dem Mittelpunkt ξ. Für n ≥ 2 ist das nicht mehr
so einfach. Das Konvergenzgebiet muss weder eine Kugel noch ein Polyzylinder
sein (vgl. Übungsaufgabe 3). Die Polyzylinder spielen aber dennoch eine besondere
Rolle. Es gilt nämlich:
Ist P ein Polyzylinder mit dem Mittelpunkt ξ, und gehört mindestens ein Punkt
aus dem Gerüst6 von P zum Konvergenzgebiet einer Potenzreihe im Punkt ξ, so
gehört der ganze abgeschlossene Polyzyliner P zum Konvergenzgebiet dieser Potenzreihe.
Dies ist in dem folgenden Satz enthalten:
P
3.1. Satz. (Abelsches Lemma) Seien α∈Nn aα (z − ξ)α eine Potenzreihe und
η ∈ Cn ein Punkt mit ηj 6= ξj für 1 ≤ j ≤ n, so dass
¯
¯
¯
¯
(3.2)
sup ¯aα (η − ξ)α ¯ < ∞.
α∈N
¡
Dann gehört der¢Polyzylinder mit dem Mittelpunkt ξ und dem Multiradius |η1 −
ξ1 |, . . . , |ηn − ξn | zum Konvergenzgebiet dieser Reihe.
Beweis. Sei K eine in diesem Polyzylinder enthaltene kompakte Menge. Dann gibt
es ein 0 < q < 1 mit
¯
¯
¯
¯
¯ζj − ξj ¯ ≤ q ¯ηj − ξj ¯
für alle ζ ∈ K und 1 ≤ j ≤ n.
Bezeichnet man die Zahl (3.2) mit C, so folgt daraus
¯
¯
X
X
¯
¯
sup ¯aα (ζ − ξ)α ¯ ≤ C
q α1 +...+αn =
α∈N
ζ∈K
α∈N
C
< ∞.
(1 − q)n
¤
4Das ist möglicherweise nicht genau das, was man sonst in der Funktionentheorie unter normaler Konvergenz versteht. Wir wollen das in dieser Vorlesung aber so benutzen.
5Dabei folgt die Holomorphie von f aus der Holomorphie der Polynome (3.1) und dem Satz
über die Holomorphie des gleichmäßigen Limes holomorpher Funktionen (Satz 2.13).
6Dies gilt nicht für die anderen Punkte des Randes eines Polyzylinders - vgl.Übungsaufgabe 8.
12
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Auf weitere Ausführungen zu den Konvergenzgebieten mehrdimensionaler Potenzreihen sei hier verzichtet. Mehr dazu kann man unter dem Stichwort ReihardtGebiet z.B. in den Büchern [Ho] und [Ra] finden.
Wie bereits bemerkt, definiert jede Potenzreihe auf ihrem Konvergenzgebiet eine
holomorphe Funktion. Umgekehrt ist jede holomorphe Funktion lokal durch Potenzreihen darstellbar; es gilt:
3.2. Satz. (Potenzreihenentwicklungssatz) Seien D ⊆ Cn ein Gebiet, ξ ∈ D
7
und P ⊆ D sei ein Polyzylinder mit dem Mittelpunkt
f ∈ O(D).
P ξ. Weiter sei
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Potenzreihe α∈Nn aα (z − ξ)α im Punkt ξ,
deren Konvergenzgebiet P enthält, so dass
X
(3.3)
f (z) =
aα (z − ξ)α
für alle z ∈ P.
α∈Nn
Dabei gilt
(3.4)
¡ α ¢
∂ f (ξ)
aα =
α!
für alle α ∈ Nn .
Beweis. Wir zeigen zuerst, dass (3.4) gelten muss, wenn eine solche Potenzreihe
existiert (womit dann insbesondere die Eindeutkeitsaussage bewiesen ist). Sei also
eine Potenzreihe mit den genannten Eigenschaften gegeben. Da die Partialsummen
dieser Reihe auf den kompakten Teilmengen von P gleichmäßig konvergieren, folgt
dann aus Satz 2.13
X
α!
(∂ β f )(z) =
aα
(z − ξ)α−β
für alle z ∈ P.
(α
−
β)!
n
α∈N , αj ≥βj
Für z = ξ ergibt das (3.4).
Umgekehrt folgt aus der Cauchy-Ungleichung (2.14), dass
¯ α
¯
¯ (∂ f )(ξ)
¢α ¯
¯
sup ¯
(z − ξ ¯¯ < ∞
für jedes z ∈ P,
α!
α∈N
was mit demP
ableschen
¡ Lemma± (Satz
¢ 3.1) ergibt, dass P zum Konvergenzgebiet der
Potenzreihe α∈Nn (∂ α f )(ξ) α! (z − ξ)α gehört. Es bleibt zu zeigen, dass
(3.5)
f (z) =
X (∂ f )(ξ)
α
(z − ξ)α
α!
n
α∈N
für alle z ∈ P . Sei also z ∈ P gegeben, und sei r der Multiradius von P . Dann gibt
es ein 0 < q < 1 mit |zj − ξj | ≤ q 2 rj für 1 ≤ j ≤ n. Sei P 0 der Polyzylinder mit
dem Mittelpunkt ξ und dem Multiradius q r. Dann gilt für jeden Punkt ζ ∈ ∂0 P 0
¯
¯
¯ zj − ξj ¯
¯
¯
für 1 ≤ j ≤ n.
¯ ζj − ξj ¯ ≤ q
7Warnung: Im Unterschied zur Funktionentheorie einer Veränderlichen, wo es eine größte noch
in D enthaltende Kreisscheibe um ξ gibt, muss es für n ≥ 2 keinen größten in D enthaltenen
Polyzylinder mit dem Mittelpunkt ξ geben - vgl. Übungsaufgabe 3.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
Daraus folgt (geometrische Reihe !)
1
1
³
=
(ζ1 − z1 ) . . . (ζn − zn )
(ζ1 − ξ1 ) . . . (ζn − ξn ) 1 −
13
³
´
−ξn
. . . 1 − zζnn −ξ
n
¶α1
¶α
∞ µ
∞ µ
X
X
z1 − ξ1
z n − ξn n
1
...
=
(ζ1 − ξ1 ) . . . (ζn − ξn ) α =1 ζ1 − ξ1
ζn − ξn
α1 =1
1
X
1
=
(z − ξ)α
α1 +1 . . . (ζ − ξ )αn +1
(ζ
−
ξ
)
1
1
n
n
n
z1 −ξ1
ζ1 −ξ1
´
α∈N
mit absoluter und gleichmäßı́ger Konvergenz in ζ ∈ ∂0 P 0 . Setzt man das in die
Cauchy-Formel (2.7) (angewandt auf P 0 ) ein, so folgt


Z
X
1 
f (ζ) dζ1 ∧ . . . ∧ dζn
 (z − ξ)α .
f (z) =
(2πi)n
(ζ1 − ξ1 )α1 +1 . . . (ζn − ξn )αn +1
n
α∈N
∂0 P 0
Aufgrund der Cauchy-Formel für die Ableitungen (2.13) stimmt das mit (3.5) überein.
¤
4. Holomorphiegebiete
In Übungsaufgabe 2 haben wir gesehen, dass es im Unterschied zur Funktionentheorie einer Veränderlichen für n ≥ 2 Gebiete D ⊆ Cn gibt, so dass jede holomorphe Funktion auf D automatisch in ein größeres Gebiet holomorph fortsetzbar
ist. Gebiete, welche diese Eigenschaft nicht haben, heißen Holomorphiegebiete.
Genauer kann man diese Gebiete wie folgt definieren:
4.1. Definition. Ein Gebiet D ⊆ Cn ist kein Holomorphiegebiet genau dann
wenn folgendes gilt: Es gibt offene Mengen U, V ⊆ Cn mit den folgenden Eigenschaften:
V ist zusammenhängend,
(4.1)
∅ 6= U ⊆ V ∩ D 6= V,
für jedes f ∈ O(D) gibt es ein v ∈ O(V ) mit f = v auf U.
Insbesondere ist also Cn ein Holomorphiegebiet.
Jede offene Menge D in der komplexen Ebene ist ein Holomorphiegebiet. In der
Tat, seien U, V ⊆ C offene Mengen mit
∅ 6= U ⊆ V ∩ D 6= V,
wobei V zusammenhängend ist. Da V außerdem einen nicht leeren Durchschnitt
mit D hat aber nicht in D enthalten ist, muss es einen Punkt a ∈ V ∩ ∂D geben.8
8Die Details: Wir wählen ein a ∈ U und ein b ∈ V \ D. Da V zusammenhängend ist, gibt es
eine stetige Funktion γ : [0, 1] → V mit γ(0) = a und γ(1) = b. Sei M die Menge aller Punkte
t ∈ [0, 1] mit γ(t) ∈ V \ D. M ist nicht leer, da 1 ∈ M . Sei t0 das Infimum von M . Da γ stetig ist,
gilt dann
´
³
(∗)
γ(t0 ) ∈ V ∩ V \ D .
Außerdem gilt t0 > 0, denn γ(0) ∈ V ∩ D und γ ist stetig. Wir wählen eine gegen t0 konvergente
Folge 0 ≤ tj < t0 . Die Folge der Bilder γ(tj ) liegt dann in V ∩ D und konvergiert gegen γ(t0 ).
Also gilt γ(t0 ) ∈ D. Mit (*) folgt daraus
(∗∗)
γ(t0 ) ∈ V ∩ ∂D.
14
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Offenbar gehört dann die Funktion
f (z) =
1
z−a
zu O(D). Ein v ∈ O(V ) mit f = v auf U kann es aber nicht geben, denn, da V \ {a}
zusammenhängend ist, müsste dann nach dem Eindeutigkeitssatz gelten
v(z) =
1
,
z−a
z ∈ V \ {a} .
Die Funktion v hätte also einen Pol im Punkt a ∈ V , könnte also nicht zu O(V )
gehören.
Im Zusammenhang mit dem Begriff des Holomorphiegebiets spielt der Begriff
der holomorph-konvexen Hülle eine wichtige Rolle:
4.2. Definition. Seien D ⊆ Cn ein Gebiet und K ⊆ D eine kompakte Menge.
Dann bezeichnet man die Menge
¾
½
¯
¯
O(D)
b
für alle f ∈ O(D)
K
:= z ∈ D ¯ |f (z)| ≤ max |f (ζ)|
ζ∈K
b O(D) .
als die O(D)-Hülle von K. Die Menge K heißt O(D)-konvex, falls K = K
Falls klar ist, um welches Gebiet D es sich handelt, spricht man auch von
holomorph-konvex anstelle von O(D)-konvex.
b O(D) für jede kompakte Menge K ⊆ D bezüglich D abgeEs ist klar, dass K
O(D)
b
schlossen ist. K
muss aber nicht wieder kompakt sein. Ist dies der Fall, so ist
O(D)
b
K
offenbar O(D)-konvex (was den Bezeichnung Hülle erklärt).
Im Fall D = Cn spricht man auch von polynomial konvex anstelle von O(Cn )konvex. Dies ist durch den folgenden Satz gerechtfertigt:
4.3. Satz. Für jede kompakte Menge K ⊆ Cn gilt
½
¾
¯
b O(Cn ) = z ∈ Cn ¯¯ |p(z)| ≤ max |p(ζ)| für jedes komplexe Polynom p
(4.2) K
ζ∈K
Beweis. Es ist klar, dass ”⊆” gilt, denn jedes komplexe Polynom gehört zu O(Cn ).
Die Umkehrung folgt daraus, dass jedes f ∈ O(C n ) in eine Potenzreihe entwickelt
werden kann (z.B. im Nullpunkt), und dass die Partialsummen dieser Potenzreihe
gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von Cn gegen f konvergieren.
¤
4.4. Satz. Jede konvexe9 kompakte Teilmenge des Cn ist polynomial konvex.
Beweis. Wir müssen für jedes η ∈ Cn \ K ein f ∈ O(Cn ) finden, so dass
max |f (z)| < |f (η)|.
z∈K
n
Sei η ∈ C \ K gegeben. Da K konvex ist, gibt es ein reell-lineares Funktional
ϕ : Cn → R mit ϕ(z − η) < 0 für alle z ∈ K. Sei ϕ∗ : Cn → R das reell-lineare
Weiter gilt: Da die Menge γ([0, t0 [) eine zusammenhängende Teilmenge von V ∩ D ist und einen
e liegen. Somit gilt auch γ(t0 ) ∈ ∂ U
e.
nichtleeren Durchschnitt mit U hat, muss sie vollständig in U
e ∩ ∂D.
Mit (**) folgt γ(t0 ) ∈ V ∩ ∂ U
9Eine Menge M ⊆ Cn heißt konvex, wenn für je zwei Punkte ζ, η ∈ K auch die Strecke
{tζ + (1 − 1)η | 0 ≤ t ≤ 1} zu M gehört.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
15
Funktional, so dass Φ := ϕ + iϕ∗ komplex-linear ist, d.h. ϕ∗ (z) = ϕ(−iz), z ∈ Cn .10
Dann ist
f (z) := eΦ(z−η) ,
z ∈ Cn ,
eine Funktion aus O(Cn ) mit |f (z)| = eϕ(z−η) < 1 = e0 = f (η) für alle z ∈ K.
¤
Der folgende Satz liefert zwei weitere Möglichkeiten, den Begriff des Holomorphiegebiets zu definieren:
4.5. Satz. Für jedes Gebiet D ⊆ Cn sind die folgenden Bedingungen äquivalent:
(i) D ist ein Holomorphiegebiet.
b O(D) ebenfalls kompakt.
(ii) Für jede kompakte Menge K ⊆ D ist K
(iii) Entweder es gilt D = Cn oder für jeden Punkt η ∈ ∂D gibt es eine gegen η
kovergente Folge ζj ∈ D, j ∈ N, und ein f ∈ O(D) mit limj→∞ |f (ζj )| = ∞.
Beweis von (i) ⇒ (ii). Sei D ein Holomorphiegebiet, und K ⊆ D sei eine kompakte
Menge. Dann gibt es ein ε > 0, so dass die abgeschlossenen ε-Umgebung von K, die
n
wir mit Kε bezeichnen, ganz in D liegt. Weiter
¡ ±√bezeichnen
±√ wir
¢ mit Pε (ξ), ξ ∈ C ,
den Polyzylinder mit dem Multiradius r := ε n, . . . , ε n um ξ, und P ε (ξ) sei
die Abschließung von Pε (ξ) in Cn . Dann gilt P ε (ξ) ⊆ Kε für alle ξ ∈ K, und es
folgt mit der Cauchy-Ungleichung (2.14)
¯ (∂ α f )(ξ) ¯
¯
¯
¯
¯
(4.3)
max sup ¯
rα ¯ ≤ max ¯f (ζ)¯
für alle f ∈ O(D).
ξ∈K α∈Nn
ζ∈Kε
α!
Da mit f auch die Funtionen ∂ α f , α ∈ N, zu O(D) gehören, gilt nach Definition
b O(D)
von K
¯ (∂ α f )(ξ) ¯
¯ (∂ α f )(ξ) ¯
¯
¯
¯
¯
max sup ¯
rα ¯ ≤ max sup ¯
r α ¯,
ξ ∈K α∈Nn
b O(D) α∈Nn
α!
α!
ξ∈K
was zusammen mit (4.3)
¯ (∂ α f )(ξ) ¯
¯
¯
¯
¯
(4.4)
max sup ¯
rα ¯ ≤ max ¯f (ζ)¯
n
O(D)
ζ∈K
b
α!
ε
α∈N
ξ∈K
für alle f ∈ O(D)
b O(D)
ergibt. Da D ein Holomorphiegebiet ist, muss deswegen für jeden Punkt ξ ∈ K
die Beziehung P ε (ξ) ⊆ D gelten, denn andernfalls erhalten wir Mengen V, U mit
den Eigenschaften (4.1), wenn wir V = Pε (ξ) setzen und für U die Zusammenhangskomponente von U = V ∩ D nehmen, welche den Punkt ξ enthält.
In der Tat, dann ist ∅ =
6 U ⊆ V ∩ D 6= V , V ist zusammenhängend, und für
jedes f ∈ O(D) gilt: Aus (4.4) und dem abelschen Lemma (Satz 3.1) folgt, dass
X (∂ f )(ξ)
α
v(z) :=
(z − ξ)α ,
z ∈ V,
α!
n
α∈N
eine Funktion v ∈ O(V ) ist, die wegen des Potenzreihenentwicklungssatzes 3.2 auf
U mit f übereinstimmt.
10Hier die Rechnung, welche die komplexe Linearität von Φ zeigt: Nach Definition gilt ϕ∗ (z) =
ϕ(−iz) und somit ϕ(z) = ϕ∗ (iz). Daraus folgt
Φ(iz) = ϕ(iz) + iϕ∗ (iz) = ϕ∗ (iiz) + iϕ(−iiz) = ϕ∗ (−z) + iϕ(z)
³
´
= −ϕ∗ (z) + iϕ(z) = i iϕ∗ (z) + ϕ(z) = iΦ(z) .
16
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
b O(D) folgt nun, dass K
b O(D) eine abgeschlossene
Aus P ε (ξ) ⊆ D für alle ξ ∈ K
n
b O(D) ist bereits klar,
Teilmenge von C ist, denn direkt aus der Definition von K
b O(D) bezüglich D abgeschlossen ist. Da K
b O(D) als Teilmenge der konvexen
dass K
b O(D) also kompakt.
Hülle von K (Satz 4.4) außerdem beschränkt ist, ist K
¤
Beweis von (ii) ⇒ (iii). Sei Bedingung (ii) erfüllt und sei η ∈ ∂D gegeben. Wir
wählen zuerst eine Folge (Γj )j∈N kompakter Mengen Γj ⊆ D, so dass
(4.5)
für jedes kompakte K ⊆ D ein j ∈ N mit K ⊆ Γj existiert.
(Zum Beispiel kann man für Γ0 irgendeine kompakte Teilmenge¯ von ¯D nehmen,
und für Γj , j ≥ 1, kann man die Menge aller z ∈ D mit inf ζ∈∂D ¯z − ζ ¯ ≥ 1/j und
|z| ≤ j nehmen.)
Jetzt konstruieren wir induktiv zwei Folgen (Kj )j∈N und (ζj )j∈N∗ , so dass für
jedes j ∈ N gilt:
Kj ist eine O(D)-konvexe kompakte Teilmenge von D und Γj ⊆ Kj ;
(4.6)
ζj ∈ Kj \ Kj−1 , falls j ≥ 1;
1
|ζj − η| ≤ , falls j ≥ 1;
j
Kj ⊇ Kj−1 , falls j ≥ 1.
O(D)
b
Induktionsanfang: K0 := Γ
.
0
Induktionsvoraussetzung: Seien für ein m ∈ N∗ bereits ein (m + 1)-Tupel
K0 , . . . , Km und, falls m ≥ 1, ein m-Tupel ζ1 , . . . , ζm konstruiert, so dass (4.6)
für j = 0, . . . , m gilt.
Induktionsschritt: Wir wählen ein ζm+1 ∈ D \ Km so, dass |ζm+1 − η| ≤ 1/(m +
1) und bezeichnen mit Km+1 die O(D)-Hülle von Km ∪ Γm+1 ∪ {ζm+1 }. Da die
Bedingung (ii) erfüllt sein soll, ist dann Km+1 kompakt, und es ist klar, dass für
j = m + 1 auch die anderen in (4.6) genannten Bedingungen erfüllt sind.
Da die Mengen Kj O(D)-konvex sind und ζj+1 in D \ Kj liegt, gibt es nun eine
Folge fj ∈ O(D), j ∈ N∗ , mit
¯
¯ ¯
¯
max ¯fj (z)¯ < ¯fj (ζj )¯ ,
j ∈ N∗ .
z∈Kj
Dabei kann man durch Multiplikation mit geeigneten Konstanten erreichen, dass
genauer folgendes gilt:
¯
¯
¯
¯
max ¯fj (z)¯ < 1 < ¯fj (ζj )¯ ,
j ∈ N∗ .
z∈Kj
Ersetzt man dann jedes fj durch eine hinreichend hohe Potenz von fj , so kann man
schließlich erreichen, dass
¯
¯
1
max ¯fj (z)¯ ≤ j
z∈Kj
2
und
P∞
j
¯X
¯
¯
¯
fk (ζj )¯ ≥ j ,
¯
j ∈ N∗ .
k=1
Dann konvergiert die Summe j=1 fj gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen
von D gegen ein f ∈ O(D) mit |f (ζj )| ≥ j − 1.
¤
Beweis von (iii) ⇒ (i). Wir setzen voraus, (i) gilt nicht, d.h. es gebe offene Mengen
e die Zusammenhangskomponente von U in D ∩ V . Wegen
U, V mit (4.1). Sei U
e ∩ ∂D.
D ∩ V 6= ∅ gibt es dann ein η ∈ V ∩ ∂ U
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
17
Angenommen (ii) würde gelten. Dann müssten für dieses η eine Folge (ζj ) und
ein f ∈ O(D) wie in Bedingung (iii) existieren. Zugleich müsste es wegen (4.1) ein
e (Eindeutigkeitssatz !). Wegen
v ∈ O(V ) geben mit v = f auf U und somit auf U
η ∈ V würde v(η) = lim v(ζj ) = lim f (ζj ) folgen, was wegen limj→∞ |f (ζj )| = ∞
j→∞
j→∞
unmöglich ist.
¤
In dem eben durchgeführten Beweis haben wir bei (ii)=⇒ (iii) insbesondere auch
die folgende Aussge gezeigt, den wir weiter unten noch einmal benutzen werden und
deswegen hier festhalten:
4.6. Satz. Für jedes Holomorphiegebiet D ⊆ Cn gibt es eine Folge kompakter Mengen (Kj )j∈N mit den folgenden drei Eigenschaften:
∞
S
(i) D =
Kj ;
j=0
0
0
(ii) Kj ⊆ Kj+1
, j ∈ N, wobei Kj+1
das Innere von Kj+1 ist;
(iii) Jedes Kj is O(D)-konvex.
Man kann übrigens zeigen, dass die in diesem Satz formulierte Eigenschaft auch
hinreichend ist dafür, dass D ein Holomorphiegebiet ist (Übungsaufgabe 13).
Mit dem zweiten Kriterium in Satz 4.5 erhält man:
4.7. Satz. Jedes konvexe Gebiet D ⊆ Cn ist ein Holomorphiegebiet.
Beweis. Sei eine beliebige kompakte Menge K ⊆ D gegeben, und sei Kc die konvexe
Hülle von K. Da K kompakt ist, ist Kc kompakt, und da D konvex ist, gilt Kc ⊆ D.
n
b cO(C ) = Kc und somit
Nach Satz 4.4 gilt K
b O(D) ⊆ K
b cO(D) ⊆ K
b cO(Cn ) = Kc .
K
b O(D) in D relativ abgeschlossen
Da Kc eine kompakte Teilmenge von D ist und da K
O(D)
b
ist, folgt daraus die Kompaktheit von K
.
¤
5. Glatte plurisubharmonische Funktionen und pseudokonvexe
Gebiete
Seien D ⊆ Cn ein Gebiet, und ρ : D → R eine C 2 -Funktion. Wir definieren
n
X
∂2ρ
Lρ (ζ, v) :=
(ζ) vj v k
für ζ ∈ D und v ∈ Cn .
∂zj ∂z k
j,k=1
Für fixiertes ζ ∈ D ist die Abbildung Lρ (ζ, ·) eine quadratische hermitischse Form11
auf dem Cn . Diese Form heißt Levi-Form von ρ im Punkt ζ; die Matrix
µ 2
¶n
∂ ρ
(ζ)
∂zj ∂z k
j,k=1
werden wir als die Levi-Matrix von ρ im Punkt ζ bezeichnen.
11Sei V ein komplexer Vektorraum. Wir nennen eine Abbildung A : V → C antilinear, falls
A(v + w) = A(v) + A(w) und A(λv) = λ Av gilt für alle v, w ∈ V und λ ∈ C. Eine Abbildung
B : V × V → C heißt sesquilinear, falls sie im ersten Argument linear und im zweiten Argument
antilinear ist. Gilt außerdem B(v, w) = B(w, v) für alle v, w ∈ V , so heißt B hermitesch, und
die dazugehörige Abbildung V 3 v → B(v, v) bezeichnet man als hermitische quadratische
Form. Eine solche Form heißt positiv semidefinit, falls B(v, v) ≥ 0 für alle v ∈ V , und positiv
definit oder streng positiv definit, falls B(v, v) > 0 für alle v ∈ V mit v 6= 0.
18
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
5.1. Definition. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet.
Eine C 2 -Funktion ρ : D → R heißt plurisubharmonisch auf D, falls ihre LeviForm in jedem Punkt aus D positiv definit ist, d.h. falls gilt:
(5.1)
Lρ (ζ, v) ≥ 0
für alle ζ ∈ D und v ∈ C n .
Gilt sogar
(5.2)
Lρ (ζ, v) > 0
für alle ζ ∈ D und v ∈ C n mit v 6= 0,
so heißt ρ streng plurisubharmonisch auf D.
Eine stetige Funktion ρ : D → R heißt Ausschöpfungsfunktion von D, falls
die Mengen
¯
n
o
¯
ζ ∈ D ¯ ρ(ζ) ≤ α ,
α < sup ρ(ζ),
ζ∈D
kompakt sind. Dabei spricht man von einer unbeschränkten Ausschöpfungsfunktion, falls supζ∈D ρ(ζ) = ∞, und von einer beschränkten Ausschöpfungsfunktion,
falls supζ∈D ρ(ζ) < ∞.
5.2. Definition. Ein Gebiet D ⊆ Cn heißt pseudokonvex, falls D eine zweimal
stetig differenzierbare Ausschöpfungsfunktion besitzt, die auf ganz D streng plurisubharmonisch ist.
Die Levi-Matrix der Funktion |z|2 = |z1 |2 +. . .+|zn |2 ist offenbar in jedem Punkt
aus Cn die Einheitsmatrix. Es gilt also
L|z|2 (ζ, v) = |v|2 > 0
für alle ζ ∈ Cn und v ∈ Cn mit v 6= 0. Folglich ist |z|2 streng plurisubharmonisch
auf Cn . Da |z|2 offenbar eine unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion der Klasse C ∞
von Cn ist, folgt, dass Cn pseudokonvex ist.
5.3. Satz. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet, das eine zweimal stetig differenzierbare unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion ϕ besitzt, die auf ganz D plurisubharmonisch ist
(also nicht unbedingt streng plurisubharmonisch). Dann wird durch
ρ(z) := ϕ(z) + |z|2 ,
z ∈ D,
eine zweimal stetig differenzierbare unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion von D
definiert, die auf ganz D streng plurisubharmonisch ist. 12
Beweis. Dass die Funktion ρ von der Klasse C∞ ist, ist klar. Da für ζ ∈ D und
0 6= v ∈ Cn
Lρ (ζ, v) = Lϕ (ζ, v) + L|z|2 (ζ, v) = Lϕ (ζ, v) + |v|2 ≥ |v|2 > 0
gilt, sieht man, dass sie streng plurisubharmonisch ist. Weiter gilt für jedes α < ∞
¯
¯
¯
n
o n
o n
o
¯
¯
¯
ζ ∈ D ¯ ϕ(ζ) + |ζ|2 ≤ α ⊆ ζ ∈ D ¯ ϕ(ζ) ≤ α ∩ ζ ∈ D ¯ |ζ|2 ≤ α .
Da ϕ eine unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion von Cn ist, steht auf der rechten
Seite eine kompakte Teilmenge von D. Da die Menge auf der linken Seite offensichtlich in D relativ abgeschlossen ist, ist diese also auch kompakt.
¤
12Im Fall beliebiger komplexer Mannigfaltigkeit (anstelle von Cn ) gilt das nicht mehr, da man
dann die Funktion |z|2 nicht hat.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
19
5.4. Satz. Ist D ⊆ Cn ein Gebiet und f ∈ O(D), so ist |f |2 plurisubharmonisch
auf D (aber nicht unbedingt streng plurisubharmonisch, wie man leicht sieht).
±
Beweis. Da f holomorph ist, gilt ∂f ∂z j = 0 (Satz 2.7) und somit (wie man leicht
sieht)
µ
¶
∂
∂
f=
f = 0.
∂zj
∂z j
Daraus folgt mit der Produktregel, die (wie man leicht sieht) auch für die Operatoren ∂/∂zj und ∂/z j gilt,
µ
¶
∂f ∂f
∂f ∂f
∂ ¯¯ ¯¯2
∂ ¡ ¢
ff =
=
.
f =
∂zj ∂z k
∂zj ∂z k
∂zj ∂z k
∂zj ∂zk
Das ergibt
¯
¯2
¯X
¯
X ∂f µ ∂f ¶
¯ n ∂f ¯
¯
L|f |2 (ζ, v) =
vj v k = ¯
vj ¯¯ ≥ 0
∂zj ∂zk
∂z
j
¯
¯
j=1
j,k=1
für alle ζ ∈ D und v ∈ Cn .
¤
n
5.5. Theorem. Jedes Holomorphiegebiet D ⊆ C ist pseudokonvex.
0
Beweis. Sei (Kj )j∈N wie in Satz 4.6. Dann ist Kj+2 \ Kj+1
eine kompakte Menge,
die keinen Durchschnitt mit Kj hat. Folglich (Kj ist O(D)-konvex) können wir
endlich viele Funktionen fj1 , . . . , fj,l(j) ∈ O(D) finden, so dass
l(j)
X
¯ ¯2
¯fjν ¯ < 1
2j
ν=1
(5.3)
auf Kj
und
(5.4)
l(j)
X
¯ ¯2
¯fjν ¯ > j
auf Kj+2 \ Uj+1
ν=1
gilt.13 Wir setzen
ϕj =
l(j)
X
¯ ¯2
¯fjν ¯ ,
j ∈ N.
ν=1
Da die Funktionen fjν holomorph sind, sind die Funktionen ϕj plurisubharmonisch
auf D.14 Aus (5.3) folgt, dass die Reihe
∞
X
(5.5)
ϕj
j=0
gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D gegen eine stetige Funktion
ϕ : D → R konvergiert.
13Man wählt zuerst für jedes ξ ∈ K
0
j+2 \Kj+1 eine Funktion, die auf Kj kleiner und in ξ größer
als 1 ist. Dann erhebt man diese Funktion in eine hinreichend große Potenz, wodurch sie auf Kj
beliebig klein und in einer gewissen Umgebung Uξ von ξ beliebig groß wird. Schließlich wählt man
endlich viele Punkte ξ so aus, so dass die dazugehörigen Umgebungen Uξ eine Überdeckung von
0
bilden.
Kj+2 \ Kj+1
14Nach Satz 5.4 sind die Funktionen |f |2 plurisubharmonisch und (offensichtlich) ist jede
jν
endliche Summe plurisubharmonischer C 2 -Funktionen wieder plurisubharmonisch.
20
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Es genügt nun zu zeigen, dass auch jede Ableitung dieser Reihe gleichmäßig auf
den kompakten Teilmengen von D konvergiert, denn dann ist ϕ von der Klasse C ∞
und die (positv semidefineten) Levi-Matrizen der Partialsummen von (5.5) konvergieren gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D gegen die Levi-Matrix
von ϕ. (Die Bedingung (5.1) bleibt bei Konvergenz der Levi-Matrizen offenbar erhalten.) Um das zu zeigen, betrachten wir hilfsweise die Funktionen
hj (z, w) :=
l(j)
X
(z, w) ∈ D × D∗ ,
fmν (z)f jν (w) ,
ν=1
¯
©
ª
wobei w := (w1 , . . . , wn ) und D∗ := z ∈ Cn ¯ z ∈ D , und notieren, dass dann gilt
(5.6)
ϕj (z) = hj (z, z) ,
z ∈ D.
Da mit jeder holomorphen Funktion f (z) auch f (z) holomorph ist (was man z.B. an
der Darstellung als Potenzreihe ablesen kann), sind die Funktionen hj holomorph
auf D × D∗ . Aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt

1/2 
1/2
l(j)
l(j)
l(j)
X
X
¯ X
¯
¯¯
¯
¯
¯
¯
¯2
¯2
¯hj (z, w)¯ ≤
¯fjν (z)¯¯f jν (w)¯ ≤ 
¯fjν (z)¯  
¯f jν (w)¯ 
ν=1
für alle (z, w) ∈ Kj ×
weiter
ν=1
ν=1
Kj∗ ,
wobei
Kj∗
¯
ª
:= z ∈ C ¯ z ∈ Kj . Mit (5.3) folgt daraus
©
n
¯
¯
¯hj (z, w)¯ ≤ 1
2j
für alle (z, w) ∈ Kj × Kj∗ . Folglich konvergiert die Reihe holomorpher Funktionen
(5.7)
∞
X
hm
j=0
gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D×D∗ . Nach Satz (2.13) konvergieren dann auch sämtliche Ableitungen dieser Reihe gleichmäßig auf den kompakten
Teilmengen von D × D∗ . Da die Abbildung
D 3 z −→ (z, z) ∈ D × D∗
von der Klasse C ∞ ist, hat das zur Folge, dass jede Ableitung der Reihe (5.5)
gleichmäßı́g auf den kompakten Teilmengen von D konvergiert.
¤
Die Umkehrung von Satz 5.2 ist ebenfalls richtig, d.h. jedes pseudokonvexe Gebiet im Cn ist ein Holomorphiegebiet. Dies ist aber ein sehr tiefliegendes Resultat und wurde erst Anfang der fünfziger Jahre bewiesen. Bis dahin war es als
Levi-Problem bekannt. Inzwischen gibt es eine Reihe unterschiedlicher Lösungen dafür, die aber alle nicht einfach sind. Eines der Ziele dieser Vorlesung ist es,
einen möglichst kurzen Weg zur Lösung des Levi-Problems anzugeben. Die Glattheit
(zweimal stetig differenzierbar) der plurisubharmonischen Ausschöpfungsfunktion
in der obigen Definition eines pseudokonvexen Gebiets läßt sich eliminieren, indem
man den Begriff ”plurisubharmonisch” auch für stetige (oder sogar für oberhalbstetige) Funktionen definiert. Dies hat offensichtliche Vorteile, da man mit stetigen
Funktionen sehr viel freier operieren kann als mit glatten. Zum Beispiel ist das
Maximum stetiger Funktionen stets wieder stetig, während das Maximum glatter
Funktionen nicht wieder glatt sein muss. In Abschnitt 7 werden wir auf diese Weise
zeigen, dass die Pseudokonvexität eine lokale Eigenschaft des Randes eines Gebiets
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
21
ist (Satz 8.4). Der Begriff der stetigen plurisubharmonischen Funktion ist jedoch
etwas schwieriger zu definieren - im nächsten Abschnitt beginnen wir damit im Fall
einer komplexen Veränderlichen - wo man von subharmonischen Funktionen spricht
(also ohne pluri).
6. Stetige subharmonische Funktionen
Hier führen wir den Begriff der stetigen15 subharmonischen Funktion einer
komplexen Veränderlichen ein und beweisen einige einfache Eigenschaften, da dies
in den Grundkursen zur Funktionentheorie einer komplexen Veränderlichen normalerweise nicht behandelt wird. Dabei verwenden wir jedoch ohne Beweis einige
Eigenschaften harmonischer Funktionen einer komplexen Veränderlicher (Mittelwerteigenschaft, Lösung des Dirichlet-Problems für Kreisscheiben), wozu wir auf
die Vorlesung ”Höhere Analysis” oder entsprechende Literatur verweisen, wie z.B.
Kapitel 11 im Buch [Ru] von Rudin.
Wir erinnern nun zunächst an den Begriff der harmonischen Funktion. Eine auf
einem Gebiet D ⊆ C definierte Funktion u : D → R heißt harmonisch, falls auf D
(6.1)
4u = 0
gilt, wobei
∂2
∂2
+
∂x2
∂y 2
der Laplace-Operator ist. Verwendet man die bereits in Abschnitt 2 eingeführten
Operatoren ∂/∂z und ∂/∂z, so kann man (6.1) in der Form
4 :=
∂2u
= 0 auf D
∂z∂z
schreiben, denn es gilt (wie man sofort nachrechnet)
(6.2)
∂2
1
= 4.
∂z∂z
4
6.1. Satz und Definition. Seien D ⊆ C eine offene Menge und u : D → R eine
stetige Funktion. Dann sind die folgenden vier Bedingungen äquivalent:
(i) Seien ξ ∈ D und 0 < r < ∞, so dass die abgeschlossene Kreisscheibe mit
dem Radius r um ξ in D enthalten ist. Dann gilt
Z 2π
¡
¢
1
(6.4)
u(ξ) ≤
u ξ + reit dt .
2π 0
(6.3)
(ii) Für jedes ξ ∈ D gibt es ein ε > 0, so dass die Abschätzung (6.4) für alle
0 < r < ε gilt.
(iii) Für jede kompakte Teilmenge K ⊆ D gilt: Ist v : K → R eine stetige
Funktion, die im Inneren von K harmonisch ist, und gilt
(6.5)
u(z) ≤ v(z)
für alle z ∈ ∂K
u(z) ≤ v(z)
für alle z ∈ K.
so folgt
(6.6)
15Eigentlich versteht man unter einer subharmonischen Funktion eine oberhalbstetige Funktion mit Werten in {−∞} ∪ R, welche die drei äquivalenten Bedingunen (i) - (iii) in Satz und
Definition 6.1 erfüllt (vgl. z.B. [Ho], [Kr], [La]). In dieser Vorlesung brauchen wir aber nur stetige
subharmonische Funktionen mit endlichen Werten.
22
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
(iv) Sei K ⊆ D eine abgeschlossene Kreisscheibe. Ist v eine harmonische Funktion in einer Umgebung von K mit (6.5), so folgt (6.6).
Sind diese Bedingungen erfüllt, so heißt die Funktion u subharmonisch auf D.
Beweis. Die Aussagen (i) ⇒ (ii) und (iii) ⇒ (iv) sind trivial. Es genügt also (ii) ⇒
(iii) und (iv) ⇒ (i) zu beweisen.
Beweis von (ii) ⇒ (iii): Wir zeigen die Verneinung. Dazu nehmen wir an, (iii)
gilt nicht. Dann haben wir eine kompakte Menge K ⊆ D und eine stetige Funktion
v : K → R, die im Inneren von K harmonisch ist, so dass (6.5) gilt, nicht aber
(6.6), d.h.
¡
¢
(6.7)
c := max u(z) − v(z) > 0.
z∈K
Sei Γ die kompakte Menge aller z ∈ K mit u(z) − v(z) = c, und sei ξ ∈ Γ ein Punkt
mit
¯
¯
¯
¯
δ := min ¯ξ − z ¯ = min ¯ζ − z ¯.
z∈∂K
ζ∈Γ , z∈∂K
Wegen (6.7) gehört Γ zum Inneren von K, d.h. δ > 0. Sei nun 0 < r < δ, und sei
Br die offene Kreisscheibe mit dem Radius r um ξ. Dann gilt B r ⊆ K, u − v = c
auf Γ ∩ ∂Br und u − v < c auf (K \ Γ) ∩ ∂Br , wobei (K \ Γ) ∩ ∂Br nicht leer und
bezüglich ∂Br offen ist, also positives Maß hat. Folglich gilt
Z 2π
¡
¢
1
(u − v) ξ + reit dt < c = u(ξ) − v(ξ).
2π 0
Da wegen der Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen (Br ist im Inneren
von K enthalten)
Z 2π
¡
¢
1
v ξ + reit dt = v(ξ)
2π 0
gilt, folgt daraus
Z 2π
¡
¢
1
u ξ + reit dt < u(ξ),
2π 0
d.h. Bedingung (ii) gilt nicht (denn r war beliebig mit 0 < r ≤ ε).
Beweis von (iv) ⇒ (i): Wir nehmen an, (iv) gilt. Um (i) zu zeigen, betrachten wir
ξ ∈ D und 0 < r < ∞, so dass die abgeschlossene Kreisscheibe mit dem Radius r
um ξ, die wir mit K bezeichnen, in D enthalten ist. Wir müssen (6.4) zeigen. Dazu
sei v die auf K stetige und im Inneren von K harmonische Funktion mit v = u auf
∂K (Lösung des Dirichlet-Problems - vgl. z.B. [Ru]). Ist 0 < ε < 1 und
¯
¯
¯v(z) − u(z)¯,
δ(ε) :=
max
|z−ξ|=(1−ε)r
so gilt u ≤ δ(ε) + v auf der Kreislinie mit dem Radius (1 − ε)r um ξ und es folgt
(da (iv) gelten soll) u(ξ) ≤ δ(ε) + v(ξ). Daraus folgt mit dem Mittelwertsatz für
harmonische Funktionen
Z 2π
¢
¡
1
v ξ + (1 − ε)reit dt.
u(ξ) ≤ δ(ε) + v(ξ) = δ(ε) +
2π 0
Für ε → 0 ergibt das (6.4) (denn v = u auf ∂K).
¤
Jede der Bedingungen (i) - (iv) in Satz und Definition (6.1) kann also zur Definition stetiger subharmonischer Funktionen benutzt werden. Nimmt man (ii), so
erhält man sofort eine Reihe von Eigenschaften subharmonischer Funktionen:
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
23
• Jede harmonische Funktion einer komplexen Veränderlichen ist subharmonisch ((6.4) gilt dann mit Gleichheit - Mittelwertsatz!). Insbesondere sind
Real- und Imaginärteil einer holomorphen Funktion subharmonisch.
• Der Betrag einer holomorphen Funktion ist subharmonisch (folgt aus dem
Mittelwertsatz für holomorphe Funktionen).
• subharmonisch ist eine lokale Eigenschaft, womit die folgende Aussage gemeint ist: Sei D ⊆ C ein Gebiet, u : D → R eine stetige Funktionen und
¯
für jeden Punkt ξ ∈ D existiere eine Umgebung Uξ ⊆ D von ξ, so dass u¯U
ξ
subharmonisch ist. Dann ist u subharmonisch auf D.
• Sind u und v zwei stetige subharmonische Funktionen auf einem Gebiet
D ⊆ C, so sind u + v und max(u, v) subharmonisch auf D.
• Ist u eine stetige subharmonische Funktionen auf einem Gebiet D ⊆ C und
c eine nichtnegative reelle Zahl, so ist cu subharmonisch auf D. (Warnung:
Das gilt nicht für negative Zahlen.)
• Ist D ⊆ C ein Gebiet, u eine stetige subharmonische Funktion auf D und A
eine komplex-affine Abbildung (d.h. eine Abbildung der Form A(z) = az +
b), so ist u ◦ A subharmonisch auf dem Gebiet {ζ ∈ C | A(ζ) ∈ D}.16 Falls
A konstant ist, ist das trivial, und für nicht konstantes A folgt es daraus,
dass bei der Transformation A−1 jeder Kreis in einen Kreis überführt wird,
wobei der Mittelpunkt in den Mittelpunkt des neuen Kreises übergeht.
Mit Hilfe von Kriterium (i) in Satz und Definition 6.1 erhält man:
• Sei D ⊆ C ein Gebiet und sei (uj ) eine Folge stetiger subharmonischer
Funktionen, die auf den kompakten Teilmengen von D gleichmäßig gegen
eine Funktion u konvergiert. Dann ist u eine stetige subharmonische Funktion auf D.
Wendet man die Eigenschft (iii) in Satz und Definition 6.1 auf den Fall der konstanten (und damit harmonischen) Funktion v = max u an, so erhält man das folgende
∂K
Maximumprinzip:
• Sei K ⊆ C eine kompakte Menge, und u : K → R sei eine stetige Funktion,
die im Inneren von K subharmonisch ist. Dann gilt
(6.8)
u(z) ≤ max u(ζ)
ζ∈∂K
für alle z ∈ K.
Sei nun ρ : D → R eine zweimal stetig differenzierbare Funktion auf einem Gebiet
D ⊆ C. In Abschnitt 5 hatten wir eine solche Funktion plurisubharmonisch genannt,
wenn auf D
∂2ρ
4ρ = 4
≥0
∂z∂z
gilt. (Der Fall n = 1 war nicht ausgeschlossen.) Der folgende Satz zeigt, dass für
n = 1 die Begriffe subharmonisch und plurisubharmonisch zusammenfallen.
6.2. Satz. Sei D ⊆ C ein Gebiet und u : D → R zweimal stetig differenzierbar.
Dann gilt: u ist genau dann subharmonisch auf D, wenn ∆u ≥ 0 auf D.
16Wir werden sehen (Satz 8.1), dass die Subharmonizität sogar bei Substitution beliebiger
holomorpher Funktionen erhalten bleibt.
24
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Beweis. Für ξ ∈ D bezeichnen wir mit δξ den Abstand von ξ zum Rand von D und
definieren durch
Z 2π
¡
¢
1
u ξ + seit dt, 0 ≤ s < δξ ,
Mξ (s) =
2π 0
eine stetige Funktion Mξ : [0, δξ [→ R. Auf dem offenen Intervall ]0, δξ [ ist Mξ
offenbar stetig differenzierbar. Wir werden jetzt zeigen, dass für die Ableitung die
folgende Formel gilt:
Z
1
(6.9)
Mξ0 (s) =
(∆u) dx ∧ dy ,
0 < s < δξ .
2πs
|z−ξ|<s
Dazu fixieren wir ein s ∈]0, < δξ [ und führen die folgenden Bezeichnungen ein: S
sei die Kreislinie mit dem Radius s um ξ, φ sei die durch φ(t) = ξ + seit definierte
Bijektion von [0, 2π[ auf S, r : C → R sei die Funktion r(ζ) := |ζ − ξ|, ζ ∈ C. Weiter
sei dϕ das auf der punktierten Ebene C \ {ξ} eindeutig definierte Differential des
(nicht eindeutig definierten) Arguments eines Systems von Polarkoordinaten (r, ϕ)
mit
(6.10)
x = Re ξ + r cos ϕ
und
y = Im ξ + r sin ϕ,
und ∂/∂r sei das auf C \ {ξ} eindeutig definierte Vektorfeld, welches durch die
partielle Ableitung nach dem Radius eines solchen Systems von Polarkoordinaten
gegeben ist. Mit diesen Bezeichnungen gilt dann
Z
Z
1
∂u
1
∂u
0
Mξ (s) =
◦φ=
dφ−1 .
2π
∂r
2π
∂r
S
]0,2π[
Wegen dφ−1
¯
= dϕ¯S folgt daraus
¶
Z
Z µ
1
∂u
1
∂u ∂x ∂u ∂y
0
Mξ (s) =
dϕ =
+
dϕ.
2π
∂r
2π
∂x ∂r
∂y ∂r
S
S
Dabei gelten wegen (6.10) die Beziehungen ∂x/∂r = cos ϕ und ∂y/∂r = sin ϕ, was
¶
Z µ
1
∂u
∂u
0
Mξ (s) =
(cos ϕ) dϕ +
(sin ϕ) dϕ
2π
∂x
∂y
S
ergibt. Weiter gilt wegen (6.10)
dx = (cos ϕ) dr − r(sin ϕ) dϕ und dy = (cos ϕ) dr + r(cos ϕ) dϕ
¯
und somit (wegen dr¯S = 0)
¯
¯
dx ¯¯
dy ¯¯
¯
¯
(sin ϕ) dϕ¯ = − ¯
und
(cos ϕ) dϕ¯ =
¯ .
s S
s S
S
S
Zusammen ergibt das
¶
Z µ
1
∂u
∂u
0
Mξ (s) =
dy −
dx .
2πs
∂x
∂y
S
Mit dem Satz von Stokes folgt daraus (6.9).
Ist nun ∆u ≥ 0 auf D, so folgt aus (6.9), dass die Funktion Mξ für alle ξ ∈ D
im Punkt 0 ihr absolutes Minimum annimmt, was wegen Mξ (0) = u(ξ) bedeutet,
dass die Ungleichung (6.4) für alle r mit 0 < r < δξ gilt - u ist also subharmonisch.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
25
Existiert nun umgekehrt ein ξ mit ∆u(ξ) < 0, so folgt daraus, dass die Funktion
Mξ für ein hinreichend kleines ε > 0 auf dem Intervall [0, ε[ streng monoton fällt,
d.h. die Bedingung (6.4) ist für alle r mit 0 < r < ε verletzt - u ist also nicht
subharmonisch.
¤
Mit Satz 6.2 erhält man das folgende Kriterium für die Plurisubharmonizität
glatter rellwertiger Funktion mehrerer komplexer Veränderlicher:
6.3. Satz. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei ρ : D → R eine C 2 -Funktion.
Dann gilt
(i) Die Funktion ρ ist genau dann plurisubharmonisch auf D, wenn sie nach Einschränkung auf den Durchschitt von D mit jeder komplexen Geraden subharmonisch
ist, d.h. wenn für jeden Punkt ξ ∈ D und jeden Vektor v ∈ Cn die Funktion
λ → ρ(ξ + λ v)
subharmonisch ist auf der offenen Menge aller λ ∈ C mit (ξ + λ v) ∈ D.
(ii) Nennt man eine C 2 -Funktion u auf einem Gebiet der komplexen Ebene
streng subharmonisch, wenn dort 4u > 0 ist, so gilt: Die Funktion ρ ist genau dann streng plurisubharmonisch auf D, wenn sie nach Einschränkung auf den
Durchschitt von D mit jeder komplexen Geraden streng subharmonisch ist, d.h.
wenn für jeden Punkt ξ ∈ D und jeden Vektor v ∈ Cn die Funktion
λ → ρ(ξ + λ v)
streng subharmonisch ist auf der offenen Menge aller λ ∈ C mit (ξ + λ v) ∈ D.
Beweis. Für ξ ∈ D und v ∈ Cn setzen wir
¯
n
o
¯
U (ξ, v) = λ ∈ C ¯ (ξ + λ v) ∈ D
und bezeichnen mit ξ + zv die Abbildung
U (ξ, v) 3 λ → ξ + λ v = (ξ1 + λ v1 , . . . , ξn + λ vn ) .
Dann gilt für alle ξ ∈ D und v ∈ Cn (vgl. Übungsaufgabe 15 bezüglich der hier
verwendeten Varianten der Kettenregel)
¡
¢
¢
¶ ¡
n µ
∂ 2 ρ ◦ (ξ + z v)
∂ ξk + z vk
∂ X ∂ρ
=
◦ (ξ + z v)
∂z∂z
∂z
∂z k
∂z
k=1
¢
µ
¶
µ
¶ ¡
n
n
X
∂ ξj + z vj
∂ X ∂ρ
∂2ρ
=
vk
◦ (ξ + z v) v k =
◦ (ξ + z v)
∂z
∂z k
∂zj ∂z k
∂z
k=1
j,k=1
¶
n µ
X
∂2ρ
=
◦ (ξ + z v) vj v k
∂zj ∂z k
j,k=1
auf U (ξ, v), d.h.
¢´
1³ ¡
4 ρ ◦ (ξ + z v) (λ) = Lρ (ξ + λ v, v)
4
für alle ξ ∈ D, v ∈ Cn und λ ∈ U (ξ, v).
Sei nun zuerst ρ plurisubharmonisch auf D, d.h. Lρ (ζ, v) ≥ 0 für alle ζ ∈ D und
v ∈ Cn . Wegen (6.11) gilt dann für alle ξ ∈ D und v ∈ Cn :
¡
¢
4 ρ ◦ (ξ + z v) ≥ 0
auf U (ξ, v),
(6.11)
was nach Satz 6.2 bedeutet, dass ρ ◦ (ξ + z v) subharmonisch auf U (ξ, v) ist.
26
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Sei jetzt umgekehrt vorausgesetzt, dass ρ ◦ (ξ + z v) für alle ξ ∈ D und v ∈ Cn
subharmonisch auf U (ξ, v) ist. Nach Satz (6.2) ist dann die linke Seite von (6.11)
nichtnegativ. Insbesondere folgt daraus mit λ = 0, dass für alle ξ ∈ D und v ∈ Cn
Lρ (ξ, v) ≥ 0
gilt. ρ ist also plurisubharmonisch auf D.
Damit ist Teil (i) bewiesen. Teil (ii) beweist man genauso.
¤
7. Stetige plurisubharmonische Funktionen
Wir benutzen nun das Kriterium aus Satz 6.3, um den Begriff der Plurisubharmonizität auf stetige Funktionen zu übertragen:
7.1. Definition. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet. Eine stetige Funktion ρ : D → R heißt
plurisubharmonisch auf D, wenn sie nach Einschränkung auf den Durchschitt von D
mit jeder komplexen Geraden subharmonisch ist, d.h. wenn für jeden Punkt ξ ∈ D
und jeden Vektor v ∈ Cn die Funktion
λ → ρ(ξ + λ v)
subharmonisch ist auf der offenen Menge aller λ ∈ C mit (ξ + λ v) ∈ D.
Aus dieser Definition und den entsprechenden Eigenschaften subharmonischer
Funktionen erhält man die folgenden Eigenschaften stetiger plurisubharmonischer
Funktionen:
• Realteil, Imaginärteil und der Betrag holomorpher Funktionen sind plurisubharmonisch.
• plurisubharmonisch ist eine lokale Eigenschaft.
• Sind u und v zwei stetige plurisubharmonische Funktionen auf einem Gebiet
D ⊆ Cn , so sind u + v und max(u, v) plurisubharmonisch auf D.
• Ist u eine stetige plurisubharmonische Funktionen auf einem Gebiet D ⊆ Cn
und c eine nichtnegative reelle Zahl, so ist cu plurisubharmonisch auf D.
• Sei D ⊆ Cn ein Gebiet und u eine stetige plurisubharmonische Funktion
auf D. Weiter seien a ∈ Cn . Dann ist die verschobene Funktion u(• − a)
plurisubharmonisch auf dem verschobenen Gebiet D + a.
• Sei D ⊆ Cn ein Gebiet und sei (uj ) eine Folge stetiger plurisubharmonischer
Funktionen, die auf den kompakten Teilmengen von D gleichmäßig gegen
eine Funktion u konvergiert. Dann ist u eine stetige plurisubharmonische
Funktion auf D.
Glättet man stetige plurisubharmonische Funktionen durch das übliche Faltungsintegral, so entsteht wieder eine plurisubharmonische Funktion, d.h. es gilt der folgende Satz:
7.2. Satz. Sei ϕ : Cn → [0, ∞[ eine C ∞ -Funktion mit ϕ(ζ) ≡ 0 für |ζ| ≥ 1 und
Z
ϕ dλ = 1,
Cn
wobei dλ das Lebesgue-Maß ist. Ist ε > 0, so bezeichnen wir mit Dε das Gebiet aller
Punkte in D, deren Abstand zum Rand von D größer als ε ist, und wir definieren
für jede stetige Funktion u : D → C
Z
(7.1)
uε (z) : =
u(z − εζ) ϕ(ζ) dλ(ζ) für z ∈ Dε .
Cn
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
27
Dann gilt für jede stetige Funktion u : D → R:
(i) uε ist von der Klasse C ∞ auf Dε für jedes ε > 0.
(ii) limε→0 uε = u gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D.
(iii) Ist u plurisbharmonisch auf D, so ist uε plurisubharmonisch auf Dε für alle
ε > 0.
Beweis. Schreibt man uε in der Form
µ
¶
Z
z−ζ
1
u(ζ) ϕ
uε (z) = 2n
dλ(ζ) ,
ε
ε
Cn
so sieht man durch Differenzieren unter dem Integral, dass (i) gilt. Da
µ
¶
Z
Z
1
z−ζ
ϕ dλ = 1
ϕ
dλ(ζ) =
ε2n Cn
ε
Cn
gilt und
µ
¶
z−ζ
ϕ
=0
für |z − ζ| ≥ ε ,
ε
erhält man aus dieser Schreibweise außerdem die Abschätzung
¯
¯
¯
¯
Z ³
´ µz − ζ ¶
¯
¯ ¯ 1
¯
¯
¯
¯u(z) − uε (z)¯ = ¯
u(z) − u(ζ) ϕ
dλ(ζ)¯¯ ≤ max ¯u(z) − u(ζ)¯.
¯ ε2n
ε
|ζ−z|≤ε
¯
¯
n
C
Da u auf jeder kompakten Menge gleichmäßig stetig ist, folgt daraus (ii).
Indem man das definierende Integral (7.1) furch Riemannsummen ersetzt, sieht
man, dass uε auf jeder kompakten Teilmenge von Dε der gleichmäßige Limes von
endlichen Summen der Form
X
u(• − εζj )ϕ(ζj )cj
mit ζj ∈ Cn und cj > 0 ist. Ist nun u plurisubharmonisch, so ist jedes u(• − εζj )
(als Verschiebung von u) und damit, da auch ϕ(ζj ) ≥ 0, jede solche Summe plurisubharmonisch. Da der gleichmässige Grenzwert plurisubharmonischer Funktionen
wieder plurisubharmonisch ist, folgt daraus, dass uε plurisubharmonisch ist, falls u
plurisubharmonisch ist.
¤
7.3. Lemma. Seien D ⊆ Cn eine offene Menge und u : D → R eine stetige
Funktion. Weiter sei I ⊆ R ein offenes Intervall, das alle Werte von u enthält und
χ : I → R sei eine C 2 -Funktion.
(i) Ist χ konvex und monoton wachsend (d.h. χ00 ≥ 0 und χ0 ≥ 0) auf I und ist
u plurisubharmonisch auf D, so ist auch χ ◦ u plurisubharmonisch auf D.
(ii) Ist χ konvex und streng monoton wachsend (d.h. χ00 ≥ 0 und χ0 > 0) auf
I und ist u von der Klasse C 2 und streng plurisubharmonisch auf D, so ist auch
χ ◦ u streng plurisubharmonisch auf D.
Beweis. Da man stetige plurisubharmonische Funktionen auf jeder kompakten
Menge gleichmäßig durch plurisubharmonische Funktionen der Klasse C ∞ approximieren kann (Satz 7.2), kann man o.B.d.A. auch im Beweis von Teil (i) voraussetzen, dass u von der Klasse C 2 ist. Auch kann man o.B.d.A. n = 1 voraussetzen,
denn eine C 2 -Funktion ist genau dann (streng) plurisubharmonisch, wenn ihre Einschränkung auf jede komplexe Gerade (streng) subharmonisch ist (Satz 6.3 bzw.
28
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Def. 7.1 und Bemerkung ??). Sei also n = 1, und u sei von der Klasse C 2 . Dann gilt
(vgl. Übungsaufgabe 11 für die verwendeten Kettenregeln)
µ
¶
¢ ∂u
∂ 2 (χ ◦ u)
∂ ¡ 0
∂u ∂u
∂2u
(7.2)
=
χ ◦u
= (χ00 ◦ u)
+ (χ0 ◦ u)
.
∂z∂z
∂z
∂z
∂z ∂z
∂z∂z
Da die Werte von u reell sind, gilt außerdem
(7.3)
∂u
∂u
=
∂z
∂z
und somit
¯ ¯2
∂u ∂u ¯¯ ∂u ¯¯
=¯ ¯ .
∂z ∂z
∂z
Es folgt
¯ ¯2
¯ ∂u ¯
∂2u
∂ 2 (χ ◦ u)
00
= (χ ◦ u) ¯¯ ¯¯ + (χ0 ◦ u)
,
∂z∂z
∂z
∂z∂z
±
woraus man wegen 4∂ 2 ∂z∂z = 4 sowohl Teil (i) als auch Teil (ii) des Lemmas
ablesen kann.
¤
Dieses Lemma ist bei der Konstruktion neuer plurisubharmonischer Funktionen
sehr nützlich. Zum Beispiel erhält man:
7.4. Lemma. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet und sei ρ eine Ausschöpfungsfunktion von D
(beschränkt oder unbeschränkt), und A ⊆ D sei eine kompakte Menge, so dass ρ auf
D \ A plurisubharmonisch ist. Dann besitzt D eine unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion, die auf ganz D plurisubharmonisch ist.
Beweis. Erster Fall: Die Funktion ρ ist unbeschränkt. Dann setzen wir
γ(t) =
max √
z∈A , |z|≤ t
ρ(z)
für t > 0
und wählen eine monoton wachsende konvexe C ∞ -Funktion χ : R ¡→ R
¢ mit
χ(t) > γ(t) für alle t > 0. Nach Lemma 7.3 ist dann die Funktion χ |z|2 plurisubharmonisch auf ganz Cn und wegen χ > γ gilt
¡
¢
¡
¢
χ |z|2 > γ |z|2 ≥ ρ(z)
falls z ∈ A.
Folglich ist
³ ¡
´
¢
D 3 z −→ max χ |z|2 , ρ(z)
eine unbeschränkte stetige Ausschöpfungsfunktion von D, die auf ganz D plurisubharmonisch ist.
Zweiter Fall: Sei
c := sup ρ(ζ) < ∞.
ζ∈D
Dann betrachten wir die Funktion χ(t) := − ln(−t), t < 0. Dann gilt
1
1
für alle t < 0.
χ0 (t) = − > 0 und χ00 (t) = 2 > 0
t
t
Wir setzen
³
´
¡
¢
ϕ(ζ) = χ ρ(ζ) − c = − ln c − ρ(ζ) ,
ζ ∈ D.
Nach Lemma 7.3 ist die Funktion ϕ plurisubharmonisch auf D \ A. Weiter gilt für
jedes α < ∞
¯
¯
ª
©
ª ©
z ∈ D ¯ ϕ(z) ≤ α = z ∈ D ¯ ρ(z) ≤ c − e−α ,
was eine kompakte Menge ist (denn ρ ist ausschöpfend für D mit c als Supremum).
Damit haben wir also eine unbeschränkte stetige Ausschöpfungsfunktion ϕ von
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
29
D, die auf D \ A plurisubharmonisch ist, womit der zweite Fall auf den ersten
zurckgeführt ist.
¤
Lemma 7.4 besagt insbesondere, dass aus der Existenz einer beschränkten plurisubharmonischen Ausschöpfungsfunktion stets die Existenz einer unbeschränkten
plurisubharmonischen Ausschöpfungsfunktion folgt. Diese Aussage ist jedoch nicht
umkehrbar. Die komlexe Ebene zum Beispiel besitzt mit |z|2 eine unbschränkte subharmonische Ausschöpfungsfunktion, aber man kann zeigen (vgl. z.B. [LG]), dass
jede auf ganz C beschränkte subharmonische Funktion konstant ist.
Ebenfalls mit Hilfe von Lemma 7.3 zeigen wir nun das folgende wichtige Kriterium für die Pseudokonvexität:
7.5. Satz. Eine offene Menge D ⊆ Cn ist genau dann pseudokonvex, wenn es eine
stetige Ausschöpfungsfunktion besitzt (beschränkt oder unbeschränkt), die außerhalb
einer kompakten Menge plurisubharmonisch ist.
Beweis (nicht in der Vorlesung, enthält wahrsch. einen Fehler im Induktionsschritt).
Nach unserer Definition (Def. 5.2) der Pseudokonvexität ist die Bedingung natürlich
notwendig, denn danach besitzen pseudokonvexe Gebiete sogar unbeschränkte
Ausschöpfungsfunktionen der Klasse C ∞ , die auf ganz D streng plurisubharmonisch
sind.
Wir setzen nun die Existenz einer Ausschöpfungsfunktion voraus, die außerhalb
einer in Cn abgeschlossenen Menge plurisubharmonisch ist. Nach Lemma 7.4 gibt
es dann sogar eine unbeschränkte stetige Ausschöpfungsfunktion ρ von D, die auf
ganz D plurisubharmonisch ist. Wir müssen noch die Existenz einer beliebig oft
differenzierbaren unbeschränkten plurisubharmonisch Ausschöpfungsfunktion ϕ für
D beweisen (nach
5.3 ªgenügt das).
¯
© Bemerkung
Sei Dm := ζ ∈ D ¯ ρ(ζ) < m) , m ∈ N. Es genügt nun eine Folge von C ∞ Funktionen (ϕm )m∈N∗ zu konstruieren, so dass für jedes m ∈ N∗ gilt:
ϕm ist eine plurisubharmonische Funktion auf Dm+1 ;
(7.4)
ϕm > ρ auf Dm ;
ϕm = ϕm−1 auf Dm−2 , falls m ≥ 2.
Denn dann hat ϕ := limm→∞ ϕm die gewünschten Eigenschaften. Wir konstruieren
diese Folge (ϕm )m∈N∗ induktiv:
Induktionsanfang: Aufgrund des Approximationssatzes
¯
¯7.2 können wir eine plurisubharmonische C ∞ -Funktion ψ auf D2 finden mit ¯ψ − ρ¯ < 1 auf D1 . Wir setzen
ϕ1 = ψ + 1.
Induktionsvoraussetzung: Für ein k ∈ N∗ seien bereits Funktionen ϕ1 , . . . , ϕk
konstruiert, so dass (7.4) für m = 1, . . . , k gilt.
Induktionsschritt: Wir wählen eine C ∞ -Funktion ϕ
ek auf Cn mit ϕ
ek = ϕk in einer
ek außerdem so wählen, dass
Umgebung von Dk . Wegen ϕk > ρ auf Dk können wir ϕ
(7.5)
ϕ
ek > ρ
auf Dk+1 .
∞
Weiter können
¯ wir¯ nach Satz 7.2 eine plurisubharmonische C -Funktion ψ auf Dk+3
¯
¯
finden
mit ψ ¯− ρ < 1/2 auf Dk+2 . Dann wählen wir ein ε > 0 so klein, dass auch
¯
¯ψ + ε|z|2 − ρ¯ < 1/2 auf Dk+1 . Dann gilt
ψ + ε|z|2 > k +
1
auf Dk+2 \ Dk
2
und
ψ + ε|z|2 < k −
1
auf Dk−1
2
30
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Schließlich wählen wir eine monoton wachsende konvexe C ∞ -Funktion χ : R → R
mit χ(t) = 0, falls t ≤ k − 1/2 und χ0 (t) > 0, falls t ≥ k + 1/2, und setzen
¡
¢
φ(z) = χ ψ(z) + ε|z|2 ,
z ∈ Dk+3 .
Dann ist φ ≡ 0 auf Dk−1 , und nach Lemma 7.3 ist φ plurisubharmonisch auf
ganz Dk+3 und streng plurisubharmonisch auf Dk+3 \ Dk . Folglich können wir eine
Konstante C > 0 so groß wählen, dass die Funktion
ϕk+1 := ϕ
ek + Cφ
auf der kompakten Menge Dk+2 \ Dk streng plurisubharmonisch ist. Da auf Dk
die Funktion ϕ
ek mit der plurisubharmonischen Funktion ϕk übereinstimmt, folgt,
dass ϕk+1 plurisubharmonisch auf Dk+2 ist. Weiter gilt ϕk+1 = ϕ
ek = ϕk auf Dk−1
(denn φ verschwindet dort), und aus (7.5) folgt ϕk+1 ≥ ϕ
ek > ρ auf Dk+1 . ϕk+1 hat
also alle geforderten Eigenschaften.
¤
8. Der Kontinuitätssatz (nicht in der Vorlesung)
8.1. Satz. 17 Seien D ⊆ Cn und G ⊆ Cm Gebiete, und sei f : G → D eine
holomorphe Abbildung. Dann gilt:
(i) Ist ρ eine stetige plurisubharmonische Funktion auf D, so ist ρ ◦ f plurisubharmonisch auf G.
(ii) Sei ρ von der Klasse C 2 und streng plurisubharmonisch auf D. Weiter sei
m ≤ n und die Matrix
µ
¶j=1,...,n
∂fj
∂zµ µ=1,...,m
habe maximalen Rang auf ganz G. Dann ist ρ ◦ f streng plurisubharmonisch auf G.
Beweis. Der Approximationssatz 7.2 zeigt, dass wir auch beim Beweis von Teil (i)
voraussetzen dürfen, dass ρ zweimal stetig differenzierbar ist. Da f holomorph ist,
folgt dann mit Hilfe der Kettenregel (vgl. Übungsaufgabe 10)
¶
¶
µ
¶
n µ
n µ
X
X
∂ 2 (ρ ◦ f )
∂2ρ
∂fν ∂f µ
∂2ρ
∂fν ∂fµ
=
◦f
=
◦f
∂zj ∂z k
∂zν ∂z µ
∂zj ∂z k
∂zν ∂z µ
∂zj ∂zk
ν,µ=1
ν,µ=1
1 ≤ j, k ≤ m, wobei wir sowohl die kanonischen komplexen Koordinaten des Cn
als auch die des Cm mit z1 , . . . , zn bzw. z1 , . . . , zm bezeichnen. Daraus erhält man
die folgende Transformationsformel für die Levi-Form (die uns auch später noch
interessieren wird):
¶µX
¶µ X
¶
m
n µ
n
n
X
X
∂ 2 (ρ ◦ f )
∂2ρ
∂fν
∂fµ
(8.1)
vj v k =
◦f
vj
vj ,
∂zj ∂z k
∂zν ∂z µ
∂zj
∂zj
ν,µ=1
j=1
j=1
j,k=1
m
v ∈ C , woraus man nun alles abliest.
¤
Damit können wir nun das folgende als Kontinuitätssatz bekannte Lemma beweisen, mit dessen Hilfe wir im Anschluss mit Satz 8.3 eine weitere wichtige Charakterisierung pseudokonvexer Gebiete erhalten.
17Dieser Satz zeigt, dass die Begirffe ”plurisubharmonisch” und ”streng plurisubharmonisch”
auch auf komplexen Mannigfaltigkeit (die wir später definieren werden) einen invarianten Sinn
haben.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
31
8.2. Lemma. (Kontnuitätssatz) Sei K eine offene Kreisscheibe in der komplexen
Ebene, und A : K × [0, 1] → Cn sei eine stetige Abbildung, so dass die Abbildung
A(·, t) für jedes fixierte 0 ≤ t ≤ 1 holomorph in K ist. 18 Weiter sei D ⊆ Cn ein
pseudokonvexes Gebiet. Gilt dann
¢
¡
¢
¡
und
A ∂K × [0, 1] ⊆ D,
A K × {0} ⊆ D
so folgt
(8.2)
¡
¢
A K × [0, 1] ⊆ D.
Beweis. Da D pseudokonvex ist, haben wir eine unbeschränkte stetige
Ausschöpfungsfunktion
ρ von D, die auf ganz D plurisubharmonisch ist. Die Menge
¡
¢
A ∂D × [0, 1] ist nach Voraussetzung in D enthalten, und als stetiges Bild eines
Kompaktums ist sie kompakt. Folglich existiert
(8.3)
M :=
¡max
¢ ρ(ζ) < ∞.
ζ∈A ∂D×[0,1]
¡
¢
Sei T die Menge aller 0 ≤ t ≤ 1 mit A K × {t} ⊆ D. Wir müssen zeigen, dass T =
[0, 1] gilt. T ist offen bezüglich [0, 1] (denn D ist offen und A ist stetig). Ausserdem
ist T nicht leer, denn nach Voraussetzung ist 0 ∈ T . Da [0, 1] zusammenhängend
ist, genügt es daher zu zeigen, dass T abgeschlossen ist. Dazu betrachten wir eine in
T enthaltene Folge (tj )j∈N , die gegen ein t0 ∈ [0, 1] konvergiert, sowie ein beliebiges
τ0 ∈ K. Wir müssen zeigen, dass
(8.4)
A(τ0 , t0 ) ∈ D.
Nach Satz 8.1 (i) sind die Funktionen K 3 z → (ρ◦A)(z, tj ) subharmonisch. Daraus
folgt mit dem Maximumprinzip (6.8) und (8.3)
¡
¢
¡
¢
ρ A(τ0 , tj ) ≤ max ρ A(τ, tj ) ≤ M für alle j ∈ N,
τ ∈∂K
¯
¡
¢
©
ª
d.h. die Folge A(τ0 , tj ) j∈N ist in der Menge ζ ∈ D¯ρ(ζ) ≤ M enthalten. Da
diese Menge kompakt
ist (denn
ρ ist unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion von D)
¡
¢
und da die Folge A(τ0 , tj ) j∈N gegen A(τ0 , t0 ) konvergiert, folgt, dass A(τ0 , t0 ) zu
dieser Menge gehört. Insbesondere gilt (8.4).
¤
8.3. Satz. Ein Gebiet D ⊆ Cn , D 6= Cn , ist genau dann pseudokonvex, wenn die
Funktion
(8.5)
D 3 z −→ − ln dist (z, ∂D)
auf D plurisubharmonisch ist.19
Beweis. Die Funktion (8.5) ist offenbar eine unbeschränkte stetige Ausschöpfungsfunktion von D. Nach Satz 7.5 ist ihre Plurisubharmonizität deswegen hinreichend
für die Psuedokonvexität von D.
Es sei nun voausgesetzt, dass D pseudokonvex ist. Seien ξ ∈ D und v ∈ Cn
gegeben. Wir müssen zeigen, dass die Funktion
(8.6)
λ −→ − ln dist (ξ + λv, ∂D)
18Man nennt so etwas stetige Familie holomorpher Scheiben
¯
¯
19Hierbei ist ∂D der Rand von D unf dist (z, ∂D) := inf ¯ζ − z ¯.
ζ∈∂D
32
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
¯
©
ª
im Gebiet λ ∈ C ¯ ξ + λv ∈ D subharmonisch ist. Dazu verwenden wir das Kriterium (iv) aus Satz und Definition 6.1. Sei also K eine offene Kreisscheibe mit
¯
ª
©
(8.7)
K ⊆ λ ∈ C ¯ ξ + λv ∈ D
eine offene Kreisscheibe, und sei h eine harmonische Funktion in einer Umgebung
von K mit
(8.8)
h(λ) ≥ − ln dist (ξ + λv, ∂D),
falls λ ∈ ∂K. Wir müssen zeigen, dass (8.8) für alle λ ∈ K gilt. Dazu wählen
wir wählen eine holomorphe Funktion f in einer Umgebung von K, deren Realteil
gleich h ist (vgl. z.B. Kapitel 11 in [Ru] für die Existenz einer solchen holomorphen
Funktion). Dann ist (8.8) äquivalent zu
¯
¯
¯ −f (λ) ¯
(8.9)
¯e
¯ ≤ dist (ξ + λv, ∂D)
an. (8.9) gilt also für λ ∈ ∂K. Zu zeigen ist, dass (8.9) für alle λ ∈ K gilt. (8.9) gilt
nun genau dann, wenn für jeden Vektor w ∈ Cn mit |w| < 1
(8.10)
ξ + λv + e−f (λ) w ∈ D
gilt. Wir fixieren also ein w ∈ Cn mit |w| < 1 und zeigen, dass (8.10) für alle λ ∈ K
gilt. Dazu betrachten wir die durch
A(λ, t) = ξ + λv + te−f (λ) w ,
λ ∈ K , 0 ≤ t ≤ 1.
n
definierte stetige Abbildung A : K × [0, 1] → C . Offenbar ist A(·, t) für fixiertes t
holomorph in K. Wegen (8.7) gilt
A(K × {0}) ⊆ D.
Da (8.10) für alle λ ∈ ∂K gültig ist, gilt außerdem
A(∂K × [0, 1]) ⊆ D.
Wir können also den Kontinuitätssatz (Lemma 8.2) auf diese Situation anwenden
und erhalten
A(K × [0, 1]) ⊆ D.
Insbesondere gilt also A(K × {1}) ⊆ D, d.h. es gilt (8.10) für alle λ ∈ K.
¤
8.4. Satz. Die Pseudokonvexität eines Gebiets im Cn ist eine lokale Eigenschaft
des Randes, womit folgendes gemeint ist: Ist D ⊆ Cn ein Gebiet, D 6= Cn , und
gibt es für jeden Punkt ξ ∈ ∂D eine Umgebung Uξ in Cn von ξ, so dass D ∩ Uξ
pseudokonvex ist, so ist D pseudokonvex.
Beweis. Nach Voraussetzung gibt es für jeden Punkt ξ ∈ Cn eine Umgebung Uξ in
Cn von ξ, so dass D ∩ Uξ pseudokonvex ist, was nach Satz 8.3 bedeutet, dass die
Funktion
¡
¢
Uξ ∩ D 3 z −→ − ln dist z, ∂(Uξ ∩ D)
plurisubharmonisch ist. Da für alle z in einer hinreichend kleinen Umgebung von ξ
¡
¢
¡
¢
dist z, ∂(Uξ ∩ D) = dist z, ∂D
gilt, folgt, dass eine Umgebung U∂D in Cn des Randes ∂D gibt, so dass die Funktion
¡
¢
(8.11)
D 3 z −→ − ln dist z, ∂D
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
33
auf D∩U∂D plurisubharmonisch ist. Falls D beschränkt ist, folgt damit die Behauptung wegen Satz 7.5, denn dann ist die Menge D \ U∂D kompakt und die Funktion
(8.11) ist eine Ausschöpfungsfunktion für D.
Falls D unbeschränkt ist, ist eine weiteres Argument erforderlich (siehe,
z.B., [Ho], Seite 48).
¤
Zusammenfassung: Für jedes Gebiet D ⊆ Cn sind die folgenden drei Bedingungen äquivalent (Sätze 7.5 und 8.3):
(i) D besitzt eine unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion, die auf ganz D von der
Klasse C ∞ und streng plurisubharmonisch ist.
(ii) D besitzt eine stetige Ausschöpfungsfunktion (beschränkt oder unbeschränkt), die außerhalb einer kompakten Menge plurisubharmonisch ist.
(iii) Die Funktion D 3 z → − ln dist (z, ∂D) ist plurisubharmonisch auf D.
Sind diese Bedingungen erfüllt, so heißt D pseudokonvex. (In Definition 5.2
hatten wir zunächst Eigenschaft (i) als definierende Eigenschaft gewählt.) Mit Hilfe der Kriterien (ii) und (iii) sieht man (vgl. den Beweis von Satz 8.4), dass die
Pseudokonvexität eine lokale Eigenschaft des Randes ist.
9. Die Leray-Form
Den Begriff der Differentialform setzen wir in dieser Vorlesung voraus. Wenn
nichts anderes gesagt ist, verstehen wir unter einer Differentialform allerdings
stets eine komplexe Differentialform. Da dieser Begriff unterschiedlich interpretiert werden kann, wollen wir hier zuerst ”unsere” Interpretation verabreden (vgl.
auch Abschnitt 21, wo wir eine weitere Interpretition angeben): Sei X eine C ∞ R
Mannigfaltigkeit. Für a ∈ X bezeichnen wir mit TX,a
den reellen Tangentialraum
von X im Punkt a. Unter einer reellen r-Form (oder einer reellen Differentialform vom Grad r), 1 ≤ r ≤ dimR X, auf X versteht man bekanntlich (oder kann
man verstehen) eine Abbildung u, die jedem Punkt a ∈ X eine alternierende reellmultilineare Abbildung
R
R
u(a) : TX,a
× . . . × TX,a
−→ R
|
{z
}
r mal
zuordnet. Unter einer komplexen r-Form auf X verstehen wir eine Abbildung f ,
die jedem Punkt a ∈ X eine alternierende reell-multilineare Abbildung
R
R
f (a) : TX,a
× . . . × TX,a
−→ C,
|
{z
}
r mal
√
zuordnet, oder, was dasselbe ist, eine Abbildung der Form f = u + iv (i = −1),
wobei u und v reelle r-Formen auf X sind. Man bezeichnet dann u als den Realteil,
und v als den Imaginärteil von f . Das Differential df einer komplexen Differentialform f und das äußere Produkt f ∧ g zweier komplexer Differentialformen definiert
man analog wie im rellen Fall oder einfach durch die Formeln df = duf + idvf und
f ∧ g = uf ∧ ug − vf ∧ vg + i(uf ∧ vg + vf ∧ ug ), wenn uf , vf , ug , vg die reellen
Differentialformen sind mit f = uf + ivf und g = ug + ivg . Die komplexwertigen
Funktionen werden in diesem Zusammenhang auch als Formen vom Grad 0 oder
als 0-Formen bezeichnet.
34
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Wir meinen also stets eine komplexe Differentialform, wenn wir von einer Differentialform sprechen. Wenn es wichtig ist, dass eine Differentialform reell ist, werden
wir das explizit sagen.
Wir führen nun eine ”Maschine” zur Produktion von nützlichen Integralkernen
ein. Bei dieser ”Maschine” handelt es sich um eine Abbildung Ω(·, ·), welche jeder
C ∞ -Mannigfaltigkeit Y und je zwei n-Tupeln v = (v1 , . . . , vn ) und u = (u1 , . . . , un )
von C ∞ -Funktionen vj , uj : Y → C eine Differentialform Ω(v, u) zuordnet, genannt
Leray-Form von (v, u), die wie folgt definiert ist:
Ω(v, u) := cn
(9.1)
ω 0 (v) ∧ ω(u)
, wobei
hv, uin
ω 0 (v) :=
ω(u) := du1 ∧ . . . ∧ dun ,
n
X
(−1)j−1 vj dv1 ∧ . . .
dj
dv
. . . ∧ dvn ,
j=1
(n − 1)!
.
(2πi)n
©
ª
Diese Form Ω(v, u) ist zunächst natürlich nur in der Menge hv, ui 6= 0 definiert, die wir als das Regularitätsgebiet von Ω(v, u) bezeichnen werden. Häufig
wird das Regularitätsgebiet jedoch bis auf eine Menge vom Maß Null mit ganz Y
übereinstimmen, und durch entsprechende Wachstumsbedingungen wird gesichert
sein, dass Ω(v, u) als Form mit lokal integrierbaren Koeffizienten auf ganz Y definiert ist. Wir zeigen nun noch zwei wichtige Eigenschaften der Leray-Form. Dabei
ist Y stets irgendeine C ∞ -Mannigfaltigkeit und v = (v1 , . . . , vn ), u = (u1 , . . . , un )
sind zwei beliebige Vektoren von C ∞ -Funktionen vj , uj : Y → C.
hv, ui := v1 u1 + . . . + vn un
und
cn := (−1)
n(n−1)
2
9.1. Lemma. Die Leray-Form Ω(v, u) ist auf ihrem Regularitätsgebiet geschlossen.
Beweis. Offenbar gilt
(9.2)
dω 0 (v) = n ω(v)
©
ª
Für hv, ui 6= 0 folgt daraus
auf ganz Y.
dω 0 (v) ∧ ω(u) dhv, uin ∧ ω 0 (v) ∧ ω(u)
−
hv, uin
hv, ui2n
¢
Pn ¡
hv, uin−1 j=1 vj duj + uj dvj ∧ ω 0 (v) ∧ ω(u)
ω(v) ∧ ω(u)
=n
−n
hv, uin
hv, ui2n
n
ω(v) ∧ ω(u)
hv, vi ω(v) ∧ ω(u)
=n
−n
= 0.
hv, uin
hv, ui2n
dΩ(v, u) =
¤
∞
9.2. Lemma. Für jede komplexwertige C -Funktion ψ auf Y gilt
(9.3)
ω 0 (ψv) = ψ n ω 0 (v)
und somit
(9.4)
Ω(ψv, u) = Ω(v, u),
überall dort wo hv, ui 6= 0 und ψ 6= 0.
Beweis. Nach Definition von ω 0 (v) ist
X
^¡
¢
ω 0 (ψv) =
(−1)j+1 ψvj
vk dψ + ψ dvk .
1≤j≤n
k6=j
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
35
Wegen dψ ∧ dψ = 0 folgt daraus
X
ω 0 (ψv) = ψ n ω 0 (v) + ψ n−1 dψ ∧
(−1)j+l vj vl
1≤l<j≤n
+ ψ n−1 dψ ∧
X
^
dvk
k6=j,l
(−1)j+l+1 vj vl
1≤j<l≤n
^
dvk = ψ n ω 0 (v).
k6=j,l
¤
10. (p, q)-Formen, ∂-Operator, Dolbeault-Kohomologie (Definitionen)
Sind zj die kanonischen komplexen Koordinaten des Cn und xj , yj die dazugehörigen reellen Koordinaten mit zj = xj + iyj , so sind dzj = dxj + idyj und
dz j = dxj − idyj (komplexe) Differentialformen auf dem Cn , und es gilt
¢
¢
1¡
1¡
(10.1)
dxj = dzj + dz j
und
dyj = dzj − dz j .
2
i
Wir bezeichnen mit Ipn , 1 ≤ p ≤ n, die Menge aller Multiindizes I = (j1 , . . . , jp )
natürlicher Zahlen mit 1 ≤ j1 < . . . < jp ≤ n und setzen zur Abkürzung |I| = p,
dzI = dzj1 ∧ . . . ∧ dzjp
und
dz I = dz j1 ∧ . . . ∧ dz jp
für jedes solche I. Dann folgt aus (10.1), dass jede r-Form f auf einem Gebiet
D ⊆ Cn , r ≥ 1, eindeutig in der Form
X
X
(10.2)
f=
fIJ dzI ∧ dz J
0≤p,q≤r , p+q=r
I∈Ipn , J∈Iqn
geschrieben werden kann, wobei die fIJ komplexwertige Funktionen auf D sind, die
man als die Koeffizienten von f bezeichnet. (Ist p = 0 oder q = 0, so wird nur
über J ∈ Iqn bzw. I ∈ Ipn summiert und man hat Koeffizienten fJ bzw. fI statt
fIJ .)
Eine solche Differentialform f heißt stetig oder von der Klasse C 0 , wenn ihre
Koeffizienten stetig sind, sie heißt k-mal stetig differenzierbar oder von der
Klasse C k , k ∈ N∗ , falls ihre Koeffizienten k-mal stetig differenzierbar sind, und
sie heißt beliebig oft differenzierbar oder von der Klasse C ∞ , falls ihre Koeffizienten beliebig oft differenzierbar sind.
Für jedes Gebiet D ⊆ Cn bezeichnen wir mit Crk (D), k ∈ N ∪ {∞}, r ∈ N,
den Raum aller Differentialformen vom Grad r und der Klasse C k auf D. Wir
erinnern daran, dass Crk (D) = 0 gilt, sobald r > 2n ist (denn Differentialformen
sind alternierend). C•k (D) sei die direkte Summe aller Crk (D), 0 ≤ r ≤ 2n.
Zur weiteren Vereinfachung der Schreibweise werden wir statt
X
X
auch
I∈Ipn , J∈Iqn
|I|=p , |J|=q
schreiben. Eine Differentialform f auf einem Gebiet D ⊆ Cn heißt (p, q)-Form oder
Form vom Bigrad (p, q) , p, q ∈ N, wenn sie eine Differentialform vom Grad p + q
ist und, falls p + q ≥ 1 gilt, von der Form
X
f=
fIJ dzI ∧ dz J
|I|=p , |J|=q
ist. Wegen dzj ∧ dzj = 0 und dz j ∧ dz j = 0 für 1 ≤ j ≤ n verschwindet eine
(p, q)-Form, sobald p > n oder q > n ist. Ist f eine (p, q)-Form, so spricht man auch
36
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
davon, dass f den holomorphen Grad p und den antiholomorphen Grad q hat.
Ist dabei p = n so sagt man, dass f von maximalem holomorphen Grad ist
(denn p > n ist nur für f ≡ 0 möglich); entsprechend sagt man, dass f maximalen
antiholomorphen Grad hat, falls q = n.
Da die Darstellung (10.2) eindeutig ist, zerfällt jede r-Form f , r ∈ N, auf eindeutige Weise in eine Summe
X
f=
fp,q ,
0≤p,q≤r , p+q=r
wobei fp,q eine (p, q)-Form ist, die man als die (p, q)-Komponente von f bezeichnet.
k
Für jedes Gebiet D ⊆ Cn bezeichnen wir mit Cp,q
(D), k ∈ N∪{∞}, p, q ∈ N, den
k
k
Unterraum aller Formen vom Bigrad (p, q) aus Cp+q
(D). Insbesondere ist C0,0
(D)
k
k
der Raum der komplexwertigen C -Funktionen auf D, und es gilt Cp,q (D) = 0,
sobald p > n oder q > n. Sei D ⊆ Cn ein Gebiet. Eine wichtige Rolle spielen in der
komplexen Analysis die Differentialoperatoren
1
0
(D) −→ Cp,q+1
(D)
∂ : Cp,q
1
0
∂ : Cp,q
(D) −→ Cp+1,q
(D) ,
und
0 ≤ p, q ≤ n,
1
(D) setzt man
die wie folgt definiert sind: Für f ∈ C0,0
X ∂f
X ∂f
∂f =
dz j
und
∂f =
dzj ,
∂z j
∂zj
j=1
j=1
und für
X
f=
1
(D) ,
fIJ dzI ∧ dz q ∈ Cp,q
(p, q) 6= (0, 0),
|I|=p , |J|=q
definiert man
X
∂f =
∂fIJ ∧ dzI ∧ dz J
und ∂f =
|I|=p , |J|=q
X
∂fIJ ∧ dzI ∧ dz J .
|I|=p , |J|=q
P
Ist f ∈ Cr1 (D) und f = p+q=r fp,q ihre Zerlegung in (p, q)-Komponenten, so setzt
P
P
man ∂f = p+q=r ∂fp,q und ∂f = p+q=r ∂fp,q .
10.1. Bemerkung. Es gilt d = ∂ + ∂, d.h. (ausführlicher) für jedes Gebiet D ⊆ Cn
und jede Form f ∈ C•1 (D) gilt
(10.3)
df = ∂f + ∂f.
1
Beweis. Es genügt dies für Funktionen f ∈ C0,0
(D) zu beweisen, und für diese folgt
es mit der Rechnung
n
X
∂f
∂f
∂f + ∂f =
dz j +
dzj
∂z j
∂zj
j=1
¶
µ
¶
¶
n µ µ
X
1 ∂f
∂f
1 ∂f
∂f
=
+i
(dxj − idyj ) +
−i
(dxj + idyj )
2 ∂xj
∂yj
2 ∂xj
∂yj
j=1
=
n
X
∂f
∂f
dxj +
dyj = df.
∂x
∂y
j
j
j=1
¤
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
37
2
10.2. Bemerkung. Es gilt ∂ = 0 und ∂ 2 = 0, d.h. (ausführlicher) für jedes Gebiet
D ⊆ Cn und jedes f ∈ C•1 (D) gilt ∂(∂f ) = 0 und ∂(∂f ) = 0.
Beweis. Es genügt den Fall zu betrachten, wenn f vom Bigrad (p, q) ist. Wegen
d2 = 0 und d = ∂ + ∂ gilt dann
2
0 = d2 f = (∂ + ∂)(∂ + ∂)f = ∂ f + ∂ 2 f + ∂∂f + ∂∂f
2
Dabei gilt: ∂ f ist vom Bigrad (p, q+2), ∂ 2 f ist vom Bigrad (p+2, q), und ∂∂f +∂∂f
ist vom Bigrad (p + 1, q + 1). Da die Zerlegung nach Bigraden eindeutig ist, folgt
2
∂ f = ∂ 2 f = ∂∂f + ∂∂f = 0.
¤
Sei D ⊆ Cn ein Gebiet. Eine Form f ∈ C•1 (D) heißt ∂-geschlossen, falls ∂f = 0
0
1
gilt, und eine Form f ∈ Cp,q
(D) mit q ≥ 1 heißt ∂-exakt, falls ein u ∈ Cp,q−1
(D)
1
existiert mit ∂u = f . Die ∂-Geschlossenheit einer Funktion f ∈ C0,0 (D) bedeutet
1
gerade, dass f holomorph ist, denn für Funktionen f ∈ C0,0
(D) ist die Gleichung
∂f =
n
X
∂f
dz j = 0
∂z
j
j=1
äquivalent zu den Cauchy-Riemann-Gleichungen (2.10). Wir bezeichnen mit
k
k
Zp,q
(D), p, q ∈ N, k ∈ N∗ ∪{∞}, den Raum der ∂-geschlossenen Formen aus Cp,q
(D).
∗
k
k
Insbesondere ist Z0,0 (D) = O(D) für alle k ∈ N ∪ {∞} (vgl. Satz 2.7). Zp,q (D)
2
k+1
trägt die Struktur eines komplexen Vektorraumes und wegen ∂ = 0 ist ∂Zp,q−1
(D)
1
(D), q ≥ 1,
ein Unterraum davon, falls q ≥ 0. Das heißt, dafür, dass für ein f ∈ Cp,q
die Gleichung
(10.4)
∂u = f
1
(D)
Cp,q−1
gelöst werden kann, ist die ∂-Geschlossenheit von f eine
mit einem u ∈
notwendige Bedingung. Man bezeichnet die (zu lösende) Gleichung (10.4) als die inhomogene Cauchy-Riemann-Gleichung oder einfach als Cauchy-RiemannGleichung. Zur Beschreibung dieser Gleichung hat man die Dobeault-Gruppen
H p,q (D), 0 ≤ p, q ≤ n, eingeführt, die wie folgt definiert sind:
(10.5)
∞
H p,0 (D) = Zp,0
(D)
für 0 ≤ p ≤ 1
und
(10.6)
H p,q (D) =
∞
Zp,q
(D)
∞
∂Zp,q−1
(D)
für 0 ≤ p ≤ n und 1 ≤ q ≤ n,
∞
wobei mit dem Bruch der Faktorraum von Zp,q
(D) nach dem Unterraum
∞
∂Zp,q−1 (D) gemeint ist. Für q ≥ 1 kann man die Dimension (als komplexer Vektorraum) der Dolbeault-Gruppe H p,q (D) als ein Maß für die ”Unlösbarkeit” der
Cauchy-Riemann-Gleichung (10.4) im Fall von C ∞ -Formen ansehen.
Ein Ziel dieser Vorlesung ist es zu zeigen, dass für jedes pseukonvexe Gebiet
D ⊆ Cn gilt:
H p,q (D) = 0
für alle 0 ≤ p ≤ n und 1 ≤ q ≤ n,
∞
d.h. die Cauchy-Riemann-Gleichung (10.4) ist für jedes f ∈ Zp,q
(D), 0 ≤ p ≤
n, 1 ≤ q ≤ n, lösbar. Dabei ergibt sich dann auch die positive Lösung des am
Ende von Abschnitt 5 genannten Levi-Problems (ob jedes pseudokonvexe Gebiet
ein Holomorphiegebiet ist).
38
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
11. Die Bochner-Martinelli-Formel
Dies ist eine Verallgemeinerung der Cauchy-Formel auf Gebiete im Cn . Zuerst
müssen wir die Orientierung von Cn vereinbaren. Sind z1 , . . . , zn die kanonischen
komplexen Koordinaten von Cn und x1 , . . . , xn , y1 , . . . , yn , die unterliegenden reellen Koordinaten mit zi = xi + iyi , so bieten sich zunächst sowohl die Form
dx1 ∧ . . . ∧ dxn ∧ dy1 ∧ . . . ∧ dyn als auch die Form
µ ¶n
i
dz1 ∧ dz 1 ∧ . . . ∧ dzn ∧ dz n
(11.1)
dx1 ∧ dy1 ∧ . . . ∧ dxn ∧ dyn =
2
als orientierungsgebend an. Der Unterschied zwischen beiden Orientierungen ben(n−1)
steht in dem Faktor (−1) 2 . Wir wählen hier die Orientierung, die dadurch definiert ist, dass die Form (11.1) positiv ist. Manchmal wird in der Literatur auch die
andere Orentierung verwendet. Dies hat den Vorteil, dass im Bochner-Martinellin(n−1)
Kern 11.2 das Vorzeichen (−1) 2
verschwindet. Wir entscheiden uns trotzdem
für die Orientierung (11.1), da es dafür andere Gründe20 gibt.
Im Zusammenhang mit Integralformeln ist es oft zweckmäßig, auch andere Buchstaben (als die meist üblichen z1 , . . . , zn ) zur Bezeichnung der kanonischen komplexen Koordinaten des Cn zu verwenden. Jetzt sei z.B. ζ = (ζ1 , . . . , ζn ) der Vektor
der kanonischen komplexen Koordinaten des Cn , und für ieden Punkt z ∈ Cn setzen
wir
¡
¢
(11.2)
K 0,0 (ζ, z) := Ω ζ − z, ζ − z ,
auf Cn \ {z}
(vgl. (9.1) für die Definition von Ω(·, ·)) oder, ausführlich geschrieben,
Ã
! Ã n
!
n
^
^
X
ζ − zj
0,0
j−1 j
dζ k ∧
dζk .
(11.3)
K (ζ, z) = cn
(−1)
|ζ − z|2n
j=1
k6=j
k=1
0,0
(Die Rolle der oberen
wird in Abschnitt 13 klar.) Die Form K 0,0 (ζ, z)
¡ n Indizes
¢
∞
gehört zu Cn,n−1 C \ {z} und ist dort, wie jede Leray-Form , geschlossen (Lemma
9.1), was dasselbe ist wie ∂-geschlossen, da K 0,0 (ζ, z) vom Bigrad (n, n − 1) ist. Es
gilt also
¡ n
¢
∞
K 0,0 (ζ, z) ∈ Zn,n−1
C \ {z}
für alle Punkte z ∈ Cn .
Die Form K 0,0 (ζ, z) heißt Bochner-Martinelli-Kern im Punkt z.
11.1. Definition. Seien D ⊆ Cn ein beliebiges Gebiet und f eine stetige Differentialform auf D, so dass mindestens eine der folgenden beiden Bedingungen erfüllt
ist:
• f hat kompakten Träger oder
• das Gebiet D ist beschränkt und die Koeffizienten der Form f sind beschränkt auf D.
An der ausführlichen Schreibweise (11.3) sieht man, dass K 0,0 (ζ, z) im Punkt z eine
Singularität der Ordnung 2n − 1 hat, also lokal integrierbar ist. Deswegen ist durch
Z
³
´
0,0
(11.4)
KD f (z) = f (ζ) ∧ K 0,0 (ζ, z) ,
z ∈ D,
D
20Nämlich: Jede komplexe Mannigfaltigkeit X besitzt eine so genannte natürliche Orientierung,
die dadurch charakterisiert werden kann, dass die Volumenform jeder hermiteschen Metrik auf X
positiv ist. Für X = Cn wird diese durch die Form (11.1) definiert.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
39
0,0
0
eine stetige21 Funktion KD
f ∈ C0,0
(D) wohldefiniert, wobei wir die folgende Konvention benutzen: Steht unter einem Integral eine Differentialform, deren Grad von
der reellen Dimension des Integrationsgebiets verschieden ist, so ist dieses Integral
gleich null. Da die Bochner-Martinelli-From K 0,0 (ζ, z) vom Bigrad (n, n−1) ist, be0,0
deutet dies, dass KD
f gleich null ist, falls f vom Bigrad (p, q) mit (p, q) 6= (0, 1).22
11.2. Definition. Sei jetzt D ⊆ Cn ein beschränktes Gebiet, dessen Rand ∂D
stückweise von der Klasse C 1 ist, und f sei eine stetige Differentialform auf ∂D.
Dann definieren wir durch
Z
³
´
0,0
(11.5)
K∂D
f (z) =
f (ζ) K 0,0 (ζ, z) ,
z ∈ D,
∂D
0,0
K∂D
f
eine Funktion
auf D, die offenbar (da K 0,0 (ζ, z) für ζ 6= z von der Klasse C ∞
ist) auf ganz D von der Klasse C ∞ ist. Dabei benutzen wir wieder die Konvention
0,0
aus der vorangegangenen Definition. K∂D
f ist also gleich null, sobald f positiven
Grad hat, also keine Funktion ist.
11.3. Theorem (Bochner-Martinelli-Formel). Es sei D ⊆ Cn ein beschrnktes Gebiet mit stückweise C 1 -Rand ∂D. Dann gilt für jede C 1 -Funktion f : D → C 23
(11.6)
0,0
0,0
f = K∂D
f − KD
∂f
auf D.
Insbesondere gilt für jede C ∞ -Funktion f : D → C, die in D holomorph ist (d.h.
für die ∂f = 0 auf D gilt),
(11.7)
0,0
f = K∂D
f
auf D.
11.4. Bemerkung. Für n = 1 gilt
K 0,0 (ζ, z) =
1 ζ −z
1
1
dζ =
dζ
2πi |ζ − z|2
2πi ζ − z
und
∂f
∂f
dζ ∧ dζ = 2i
dx ∧ dy ,
∂ζ
∂ζ
weswegen die Bochner-Martinelli-Formel (11.6) die Form
Z
Z
1
f (ζ)
1
∂f /∂ζ
(11.8)
f (z) =
dζ −
dx ∧ dy
2πi
ζ −z
π
ζ −z
∂f ∧ dζ =
∂D
D
annimmt. Falls f holomorph ist, d.h. falls ∂f /∂ζ ≡ 0 gilt, ist das die CauchyFormel. Für allgemeines (glattes) f nennt man diese Formel Cauchy-Formel für
glatte Funktionen oder Cauchy-Green-Formel. Das zweite Integral in (11.8)
heißt Pompeiju-Integral (nach dem Rumänischen Mathematiker D. Pompeiju).
21Wir verzichten hier auf den einfachen Beweis dieser Stetigkeit - mit Satz 13.3 beweisen wir
dann aber eine allgemeinere und genaueren Aussage.
22Wir hätten uns bei der Definition von K 0,0 f also auch gleich auf (0, 1)-Formen f beschränken
D
0,0
können. Manchmal ist es jedoch praktisch, für die anderen Formen KD
f = 0 definiert zu haben
- vgl. Abschnitt 13, wo es noch mehr solche ”Definitionen der Null” gibt.
23Das Theorem gilt natürlich auch unter der schwächeren Voraussetzungen, dass sowohl f als
auch (das distributionentheoretisch definierte) ∂f auf D stetig sind. Wir verzichten hier auf diese
Feinheit.
40
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Beweis der Bochner-Martinelli-Formel. Sei ein Punkt z ∈ D fixiert. Wir bezeichnen für ε > 0 mit Bε (z) die offene Kugel um z mit dem Radius ε. Wegen
dζ K 0,0 (ζ, z) = 0 auf Cn \ {z} gilt dann
³
´
0,0
dζ f (ζ) KD
(ζ, z) = (df )(ζ) ∧ K 0,0 (ζ, z).
Wegen d = ∂ + ∂ und (∂f )(ζ) ∧ K 0,0 (ζ, z) = 0 (denn K 0,0 (ζ, z) hat maximalen
holomorphen Grad), folgt daraus
³
´
dζ f (ζ) K 0,0 (ζ, z) = (∂f )(ζ) ∧ K 0,0 (ζ, z).
Das ergibt mit dem Satz von Stokes für alle hinreichend kleinen ε > 0 die Beziehung
Z
Z
Z
0,0
0,0
f (ζ) K (ζ, z) =
f (ζ) K (ζ, z) −
(∂f )(ζ) ∧ K 0,0 (ζ, z).
∂D
∂Bε (z)
D\B ε (z)
Es ist klar, dass die rechte Seite dieser Beziehung für ε → 0 gegen die rechte Seite
der zu beweisenden Beziehung (11.6) konvergiert. Es bleibt deswegen zu zeigen,
dass
Z
f (z) = lim
ε→0
∂Bε (z)
f (ζ) K 0,0 (ζ, z)
gilt. Mit der Definition von Ω(·, ·) (vgl. (9.1) und durch nochmalige Anwendung des
Satzes von Stokes erhält man
Z
Z
ω 0 (ζ − z) ∧ ω(ζ − z)
0,0
K (ζ, z) = cn
|ζ − z|2n
∂Bε (z)
cn
= 2n
ε
∂Bε (z)
Z
cn
ω (ζ − z) ∧ ω(ζ) = 2n
ε
Z
0
∂Bε (z)
dζ ω 0 (ζ − z) ∧ ω(ζ).
Bε (z)
Wegen
dζ ω(ζ − z) ∧ ω(ζ) = nω(ζ) ∧ ω(ζ) = n (−1)
= n (−1)
n(n−1)
2
n(n−1)
2
dζ 1 ∧ dζ1 ∧ . . . ∧ dζ n ∧ dζn
2n in dx1 ∧ dy1 ∧ . . . ∧ dxn ∧ dyn
und der Definition von cn (vgl. (9.1)) folgt daraus
Z
Z
n!
K 0,0 (ζ, z) = n 2n
dx1 ∧ dy1 ∧ . . . ∧ dxn ∧ dyn
π ε
∂Bε (z)
Bε (z)
±
Da das Volumen einer Kugel vom Radius ε im Cn gleich π n ε2n n! ist, ergibt das
entsprechend der von uns getroffenen Wahl für die Orientierung von Cn :
Z
K 0,0 (ζ, z) = 1.
(11.9)
∂Bε (z)
Weiter liest man aus (11.3) ab, dass die Form |ζ − z|2n−1 K 0,0 (ζ, z) auf Cn \ {z}
beschränkt ist. Es gibt deswegen eine von ε unabhängige Konstante C < ∞ mit
¯ Z
¯
¯
¯
³
´
¯
¯ C
¡
¢
¯
¯
0,0
f (ζ) − f (z) K (ζ, z)¯ ≤ max ¯f (w) − f (z)¯ 2n−1 Vol ∂Bε (z) ,
¯
¯
¯ w∈∂Bε (z)
ε
∂Bε (z)
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
41
¡
¢
wobei wir mit Vol ∂Bε (z) das Volumen der Sphäre ∂Bε (z) bezeichnen. Da dieses
Volumen proportional zu ε2n−1 und f stetig ist, folgt daraus
Z ³
´
lim
f (ζ) − f (z) K 0,0 (ζ, z) = 0,
ε→0
∂Bε (z)
was zusammen mit (11.9) die zu beweisenden Aussage (11.6) ergibt.
¤
12. Das direkte Bild von Differentialformen bezüglich einer
Projektion
Für je zwei natürliche Zahlen p, n mit 1 ≤ p ≤ n bezeichnen wir wieder (wie
schon in Abschnitt 10) mit Ipn die Menge aller Multiindizes I = (j1 , . . . , jp ), mit
j1 , . . . , jp ∈ {1, . . . , n} und j1 < . . . < jp . Ist X eine reelle C 1 -Mannigfaltigkeit
und (U ; x1 , . . . , xn ) ein C1 -Koordinatensystem auf X, so benutzen wir für alle I =
(j1 , . . . , jp ) ∈ Ipn , 1 ≤ p ≤ n, die Abkürzung
dxI := dxj1 ∧ . . . ∧ dxjp .
Weiter setzen wir I0n = {∅} und dx∅ = 1, wobei 1 die konstante Funktion mit dem
Wert 1 ist.
Sei X eine C 1 -Mannigfaltigkeiten der rellen Dimension n, und sei Y eine C 1 Mannigfaltigkeit der reellen Dimension m, wobei wir voraussetzen, dass X orientiert
ist.
Ist f eine Differentialform vom Grad r auf X × Y , so werden wir sagen, dass f
auf den Fasern der Projektion X × Y → Y vom Grad k ist, falls für je zwei
Systeme lokaler C 1 -Koordinaten (U ; x1 , . . . , xn ) auf X und (V ; y1 , . . . , ym ) auf Y
X
¯
f ¯U ×V =
fIJ dxI ∧ dyJ
|I|=k , |J|=r−k
gilt , wobei die fIJ komplexwertige Funktionen auf U × V sind und die bezüglich
der Proiektionen X × Y → X und X × Y → Y definierten Liftungen von dxI und
dyJ ebenfalls mit dxI und dyJ bezeichnet werden. Hierbei schreiben wir wieder
X
X
statt
.
m
I∈Ikn , J∈Ir−k
|I|=k , |J|=r−k
Es ist klar, dass dann jede Differentialform f auf X × Y auf eindeutige Weise in
der Form
r
X
f=
fk
k=0
darstellbar ist, wobei fk eine Differentialform ist, die auf den Fasern der Projektion
X × Y → Y den Grad k hat. Wir bezeichnen fk als die Komponente von f , die
auf den Fasern der Projektion X × Y → Y vom Grad k ist.
Es sei nun f eine Differentialform vom Grad r auf X × Y , die auf den Fasern
der Projektion X × Y → Y den maximalen Grad n = dimR X hat. Weiter seien
gegeben: Ein Punkt z ∈ Y , eine orientierungsgebende n-Form ϕ auf X und ein
lokales C 1 -Koordinatensystem (V ; y1 , . . . , ym ) auf Y mit z ∈ V . Dann gilt
X
¯
(12.1)
f ¯X×V =
fI ϕ ∧ dyI ,
|I|=r−n
42
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
wobei die fI eindeutig bestimmte komplexwertige Funktionen auf X × V sind und
die Liftungen von ϕ und dyI bezüglich X × Y → X bzw. X × Y → Y ebenfalls mit
ϕ und dyI bezeichnet werden. Sei f (·, z) die auf X definierte Funktion, die man
durch Einschränken von f auf X × {z} erhält. Wir werden sagen, dass die Form f
längs der Faser X × {z} integrierbar ist, wenn die Formen fI (·, z) ϕ für alle
m
I ∈ Ir−n
auf X × {z} integrierbar sind. In diesem Fall definieren wir durch
µZ
¶
¶
X µZ
(12.2)
f (z) =
fI (·, z)ϕ dyI (z).
X
¡R
X
|I|=r−n
¢
eine (r − n)-Form X f (z) im Punkt z ∈ Y . Es zeigt sich, dass diese Definition
invariant ist, d.h. dass weder die¡RAussage
”f ist längs der Faser X × {z}Y integrier¢
bar” noch die Differentialform X f (z) von der Wahl von ϕ und (V ; y1 , . . . , ym )
abhängen.
In der Tat, seien ϕ
e und (Ve ; ye1 , . . . , yem ) eine andere Wahl, sei
X
¯
(12.3)
f ¯X×Ve =
feJ ϕ
e ∧ de
yJ ,
|J|=r−n
|I|=r−n
und sei {αIJ }|J|=r−n die Matrix von C 1 -Funktionen auf V ∩ Ve mit
X
(12.4)
dyI =
αIJ de
yJ
auf V ∩ Ve .
|J|=r−n
Aus (12.4) folgt, dass
X
X
fI ϕ ∧ dyI =
|I|=r−n
Ã
|J|=r−n
X
!
∧ de
yJ
αIJ fI ϕ
auf
X × (V ∩ Ve ),
|I|=r−n
was mit (12.1) und (12.3)
feJ ϕ
e=
(12.5)
X
αIJ fI ϕ
auf
X × (V ∩ Ve )
|I|=r−n
©
ª
ergibt. Da die Matrix αIJ (z) invertierbar ist, folgt aus (12.5) zunächst, dass die
Formen feJ (·, z)ϕ
e genau dann integrierbar sind, wenn die Formen fI (·, z)ϕ integrierbar sind, womit gezeigt ist, dass die Aussage ”f ist längs der Faser X × {z}
integrierbar” invariant ist. Weiter folgt aus (12.5)


¶
Z
X µZ
X
X

feJ (·, z)ϕ
e de
yJ (z) =
αIJ (z)fI (·, z)ϕ de
yJ (z)
X
|J|=r−n
|J|=r−n
=
X µZ
|I|=r−n
was mit (12.4) die Beziehung
¶
X µZ
feJ (·, z)ϕ
e de
yJ (z) =
|J|=r−n
ergibt, d.h.
¡R
X
X
X |I|=r−n
¶ X
fI (·, z)ϕ
αIJ (z)de
yJ (z),
X
|J|=r−n
X µZ
|I|=r−n
¶
fI (·, z)ϕ dyI (z)
X
¢
f (z) ist ebenfalls invariant definiert.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
43
Die Form f wird nun integrierbar längs der Fasern der Projektion X×Y →
Y genannt, wenn sie für jeden Punkt z ∈ Y längs der Faser X × {z} integrierbar
ist. Die dann auf ganz Y wohldefinierte Differentialform
µZ
¶
Y 3 z −→
f (z)
R
bezeichnen wir mit X f . Die Form
der Projektion X × Y → Y .
R
X
X
f heißt direktes Bild von f bezüglich
Es sei nun f eine beliebige Differentialform vom Grad r auf X × Y . Ist r ≥ n
(= dim X) und ist fn die Komponente von f , die auf den Fasern der Projektion
X × Y → Y maximalen Rang n = dimR X hat, so werden wir sagen, dass f längs
der Fasern der Projektion X × Y → Y integrierbar ist, falls fn längs der
Fasern der Projektion X × Y → Y integrierbar ist. Ist dies der Fall, so definieren
wir
Z
Z
fn .
f=
X
X
R
Insbesondere ist also X f = 0, falls die Komponente von f , die auf Fasern der
Projektion X × Y → Y maximalen Rang hat, verschwindet. Außerdem vereinbaren
wir
Z
f := 0
falls r < n.
X
R
Die Form X f heißt direktes Bild von f bezüglich der Projektion X×Y → Y .
13. Die Koppelman-Formel
Hier betrachten wir den Raum C2n , den wir uns als Produkt Cn ×Cn vorstellen. ∆
sei die Diagonale in diesem Produkt. Mit ζ = (ζ1 , . . . , ζn ) bezeichnen wir die Liftung
des kanonischen komplexen Koordinatensystems des Cn bezüglich der Proiektion
von Cn × Cn auf die erste Komponente, und mit z = (z1 , . . . , zn ) bezeichnen wir
die Liftung des kanonischen komplexen Koordinatensystems des Cn bezüglich der
Projektion von Cn × Cn auf die zweite Komponente. Wir setzen
¡
¢
(13.1)
K(ζ, z) = Ω ζ − z, ζ − z
auf Cn × Cn \ ∆
(vgl. (9.1) für die Definition von Ω(·, ·)), d.h. (ausführlich geschrieben)
Ã
! Ã n
!
n
X
^
^
i−1 ζ i − z i
(dζ k − dz k ) ∧
(dζk − dzk )
(13.2) K(ζ, z) = cn
(−1)
|ζ − z|2n
i=1
k6=i
k=1
Die Form K(ζ, z) heißt Koppelman-Kern oder Bochner-MartinelliKoppelman-Kern. Sie ist offenbar von der Klasse C ∞ auf Cn × Cn \ ∆ und vom
Bigrad (n, n − 1). Außerdem ist K(ζ, z) geschlossen, wie jede Leray-Form (Lemma
9.1).
Weiter sei für jede stückweise C 1 -Untermannigfaltigkeit Y von Cn folgendes vereinbart: Ist f eine Differentialform auf Y , so bezeichnen wir mit f (ζ) die Liftung
von f auf Y × Cn bezüglich der Projektion Y × Cn → Y , und mit f (z) bezeichnen
wir die Liftung von f auf Cn × Y bezüglich der Projektion Cn × Y → Y .
13.1. Definition. Seien D ⊆ Cn ein beliebiges Gebiet und f eine stetige Differentialform auf D, so dass mindestens eine der folgenden beiden Bedingungen erfüllt
ist:
44
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
• f hat kompakten Träger oder
• das Gebiet D ist beschränkt und die Koeffizienten der Form f sind beschränkt auf D.
Da die Koeffizienten von K(ζ, z) auf der Diagonale ∆ eine Singularität der Ordnung
2n − 1 haben (sieht man an der ausführlichen Schreibweise (13.2)), ist dann die
Form f (ζ) ∧ K(ζ, z) längs der Fasern der Projektion D × D → D auf die zweite
Komponente integrierbar (vgl. Abschnitt 12). Das direkte Bild von f (ζ) ∧ K(ζ, z)
bezüglich dieser Projektion bezeichnen wir mit
Z
f (ζ) ∧ K(ζ, z)
oder
KD f.
D
13.2. Definition. Sei jetzt D ⊆ Cn ein beschränktes Gebiet mit stückweise C 1 Rand ∂D, und sei f eine stetige Differentialform auf ∂D. Dann ist f (ζ) ∧ K(ζ, z)
stetig auf ∂D × Cn und folglich integrierbar bezüglich der Fasern der Projektion
∂D × D → D. Das direkte Bild von f (ζ) ∧ K(ζ, z) bezüglich dieser Projektion
bezeichnen wir mit
Z
f (ζ) ∧ K(ζ, z)
oder
K∂D f.
∂D
Offenbar ist K∂D f von der Klasse C ∞ auf D (auch wenn f nur stetig ist), denn
K(ζ, z) ist für ζ 6= z von der Klasse C ∞ .
Das Integral KD f muss nicht differenzierbar sein, wenn f nicht differenzierbar
ist, aber wir haben den folgenden wichtigen Regularitätssatz:
13.3. Satz. 24 Seien D ⊆ Cn und f wie in Definition 13.1. Ist f von der Klasse C k
auf D, k ∈ N ∪ {∞}, so ist KD f für jedes 0 < α < 1 von der Klasse C k+α auf D.
Beweis. Es genügt den Satz für jedes endliche k zu zeigen. Seien also k ∈ N und
0 < α < 1 gegeben. Wir fixieren einen Punkt η ∈ D und zeigen, dass KD f in einer
Umgebung von η von der Klasse C k+α ist. Dazu wählen wir eine C ∞ -Funktion χ
mit kompaktem Träger in D und χ ≡ 1 in einer Umgebung Uη ⊂⊂ D von η. Dann
gilt KD f = KD (χf ) + KD ((1 − χ)f ) und es ist klar, dass KD ((1 − χ)f ) in Uη von
der Klasse C ∞ ist. Es bleibt also zu zeigen, dass KD (χf ) in Uη von der Klasse C k
ist.
Dabei können wir o.B.d.A. annehmen (wegen der Zerlegung (10.2)), dass f von
die Form f = ϕ dζ I ∧ dζJ hat mit I ∈ Ipn , J ∈ Iqn , wobei ϕ eine beschränkte
C k -Funktion auf D ist. Weiter kann man q ≥ 1 annehmen, da sonst KD f = 0 ist.
Aus (13.2) liest man dann ab, dass KD (χf ) eine endliche Linearkombination von
Ausdrücken der Form
ψj dz K ∧ dzL
24Definition: Seien U ⊆ Rm eine offene Menge, k ∈ N ∪ {∞} und 0 < α < 1. Eine Funktion
f : U → C heißt lokal Hölder-stetig mit dem Exponenten α auf U , falls für jede kompakte
Menge K ⊆ U eine Konstante C < ∞ existiert mit
¯
¯
¯
¯α
¯
¯
für alle x, y ∈ K.
¯f (x) − f (y)¯ ≤ C ¯x − y ¯
Eine Funktion f : U → C heißt von der Klasse C k+α auf U , falls sie k-mal stetig differenzierbar
ist und jede partielle Ableitung der Ordnung k von f auf U lokal Hölder-stetig mit dem Exponenten
α ist. Eine Differentialform auf U heißt von der Klasse C k+α , falls ihre Koeffizienten von der
Klasse C k+α sind.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
n
ist mit K ∈ Iq−1
, L ∈ Ipn , 1 ≤ j ≤ n und
Z
ηj − ξ j
ψj (ξ) =
χϕ
dλ,
|η − ξ|2n
D
45
ξ ∈ D,
wobei η1 , . . . , ηn die kanonischen komplexen Koordinaten auf Cn sind und dλ das
Lebesgue-Mass auf Cn ist. Deswegen genügt es zu zeigen, dass die Funktionen ψj
auf D von der Klasse C k+α sind. Da χ kompakten Träger in D hat, erhält man mit
Hilfe der Substitution η → η + ξ
Z
ηj
χ(η + ξ)ϕ(η + ξ) 2n dλ , ξ ∈ D.
(13.3)
ψj (ξ) =
|η|
Cn
± 2n
Daraus liest man ab (denn η j |η| ist integrierbar und χϕ ist von der Klasse Ck ),
dass ψj von der Klasse C k ist (Differenzieren unter dem Integral).
Sei nun P irgendeine partielle Ableitung der Ordnung k. Wir müssen noch zeigen,
dass P ψj auf D lokal Hölder-stetig mit dem Exponenten α ist. Aus (13.3) folgt
Z ³ ³
³
´
´´
ηj
P ψj (ξ) =
P• χ(η + •)ϕ(η + •) (ξ) 2n dλ , ξ ∈ D,
|η|
Cn
woraus man mit der Substitution η → η − ξ
Z
³
´
¡ ¢ ηj − ξ
(13.4)
P ψj (ξ) =
P χϕ
dλ ,
|η − ξ|2n
n
C
ξ ∈ D,
erhält. Sei nun K ⊆ D eine kompakte Menge. Dann folgt aus der letzten Gleichung
0 ¯
Z ¯¯
¯³
¯
´
³
´
η j − ξ ¯¯
¯
¯ ηj − ξj
0 ¯
(13.5)
−
¯ P ψj (ξ) − P ψj (ξ )¯ ≤ C ¯
¯ dλ(η)
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
D
0
0
für alle ξ, ξ ∈ K mit ξ 6= ξ , wobei
¯ ¡ ¢ ¯
¯
¯
C := max ¯P χϕ (ξ)¯.
ξ∈K
Wir schätzen nun noch das Integral auf der rechten Seite von (13.5) ab. Seien
ξ, ξ 0 ∈ K mit ξ 6= ξ 0 gegeben. Dann gilt
¯
0 ¯
Z
¯ η −ξ
η j − ξ j ¯¯
¯ j
j
−
¯
¯ dλ(η) ≤ I1 (ξ, ξ 0 ) + I2 (ξ, ξ 0 ),
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
|η−ξ|< 12 |ξ−ξ 0 |
wobei
Z
dλ(η)
|η − ξ|2n−1
0
I1 (ξ, ξ ) =
Z
0
und I2 (ξ, ξ ) =
dλ(η)
.
|η − ξ 0 |2n−1
|η−ξ|< 21 |ξ−ξ 0 |
|η−ξ|< 12 |ξ−ξ 0 |
Bezeichnet man mit S2n−1 (r) das Volumen der Sphäre vom Radius r im R2n und
mit V2n (r) das Volumen der Kugel vom Radius r im R2n , so gilt
Z
I1 (ξ, ξ 0 ) =
|η|≤ 21 |ξ−ξ 0 |
dλ(η)
=
|η|2n−1
0
1
2 |ξ−ξ |
Z
0
S2n−1 (r)
S2n−1 (1)
dr =
|ξ − ξ 0 |
2n−1
r
2
46
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
und, da |η − ξ 0 | ≥ 21 |ξ − ξ 0 | für |η − ξ| ≤ 12 |ξ − ξ 0 |,
¡
¢
Z
22n−1 V2n 21 |ξ − ξ 0 |
22n−1
V2n (1)
0
dλ(η) =
I2 (ξ, ξ ) ≤
=
|ξ − ξ 0 |.
|ξ − ξ 0 |2n−1
|ξ − ξ 0 |2n−1
2
|η|≤ 12 |ξ−ξ 0 |
Setzt man C 0 =
S2n−1 (1)
2
Z
(13.6)
+ V2n2(1) , so ergibt das zusammen die Abschätzung
¯
0 ¯
¯ η −ξ
¯
¯
η j − ξ j ¯¯
¯ j
j
−
¯
¯ dλ(η) ≤ C 0 ¯ξ − ξ 0 ¯
2n
0
2n
¯ |η − ξ|
|η − ξ | ¯
|η−ξ|< 21 |ξ−ξ 0 |
sowie, durch Vertauschen
Z
(13.7)
von ξ und ξ 0 ,
¯
0 ¯
¯ η −ξ
¯
¯
η j − ξ j ¯¯
¯ j
j
−
¯
¯ dλ(η) ≤ C 0 ¯ξ − ξ 0 ¯.
2n
0
2n
¯ |η − ξ|
|η − ξ | ¯
|η−ξ 0 |< 12 |ξ−ξ 0 |
Weiter gilt
0
0
ηj − ξ j
(η j − ξ j )|η − ξ 0 |2n − (η j − ξ j )|η − ξ|2n
ηj − ξj
−
=
|η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n
|η − ξ|2n |η − ξ 0 |2n
´ ¡
¡
¢³¡
¢ 2n−1
P
0¢
ηj − ξj
|η − ξ 0 | − |η − ξ|
|η − ξ|ν |η − ξ 0 |2n−ν−1 − ξ j − ξ j |η − ξ|2n
ν=0
=
|η − ξ|2n |η − ξ 0 |2n
¡
0
= |η − ξ | − |η − ξ|
X
¢ 2n−1
ν−2n
|η − ξ|
0 −ν−1
|η − ξ |
¡
ηj − ξ j
¢
ν=0
0
ξj − ξj
−
|η − ξ 0 |2n
¯
¯
Wegen ¯|η − ξ 0 | − |η − ξ|¯ ≤ |ξ − ξ 0 | folgt daraus
¯
!
Ã2n−1
0 ¯
¯ η −ξ
X
η j − ξ j ¯¯
1
¯ j
j
0
ν−2n+1
0 −ν−1
−
|η − ξ|
|η − ξ |
+
¯ ≤ |ξ − ξ |
¯
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
|η − ξ 0 |2n
ν=0
für |η − ξ 0 | ≥ 12 |ξ − ξ 0 | und somit |η − ξ 0 | ≥ 13 |η − ξ|, so ergibt das
¯
0 ¯
¯ η −ξ
η j − ξ j ¯¯
1
¯ j
j
(13.8)
−
.
¯
¯ ≤ C1 |ξ − ξ 0 |
2n
0
2n
¯ |η − ξ|
|η − ξ | ¯
|η − ξ|2n
mit C1 = (2n + 1)/32n . Wir wählen nun 1 < R < ∞ mit |η| ≤ R für η ∈ D (D ist
beschränkt). Dann folgt aus (13.8)
¯
0 ¯
Z
¯ η −ξ
η j − ξ j ¯¯
¯ j
j
−
¯
¯ dλ(η)
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
η∈D , |η−ξ|≥ 21 |ξ−ξ 0 | , |η−ξ 0 |≥ 12 |ξ−ξ 0 |
Z
dλ(η)
= C1 |ξ − ξ 0 |
|η|2n
0
≤ C1 |ξ − ξ |
1
0
2 |ξ−ξ |<|η|<R
ZR
0
= C2 |ξ − ξ |
1
0
2 |ξ−ξ |
ZR
S2n−1 (r)
dr
r2n
1
0
2 |ξ−ξ |
³
´
1
dr
= C2 |ξ − ξ 0 | ln R − ln |ξ − ξ 0 | .
r
2
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
47
mit C2 = C1 S2n−1 (1). Setzt man noch
Cα = C2
ζ,ζ
³
´
¯
¯ζ − ζ 0 |1−α ln R − ln 1 |ζ − ζ 0 | ,
∈K , ζ6=ζ 0
2
max
0
so folgt schließlich
¯
0 ¯
¯ η −ξ
η j − ξ j ¯¯
¯ j
j
−
¯
¯ dλ(η) ≤ C3 |ξ − ξ 0 |α .
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
Z
η∈D , |η−ξ|≥ 12 |ξ−ξ 0 | , |η−ξ 0 |≥ 12 |ξ−ξ 0 |
Zusammen mit (13.6) und (13.7) ergibt das
0 ¯
Z ¯¯
η j − ξ j ¯¯
¯ ηj − ξj
−
¯
¯ dλ(η) ≤ C3 |ξ − ξ 0 |α
¯ |η − ξ|2n
|η − ξ 0 |2n ¯
D
mit der von ξ und ξ 0 unabhängigen Konstanten C3 = 2C 0 + Cα . Zusammen mit
(13.5) ergibt das die gewünschte Hölderstetigkeit von P ψj .
¤
Ist f eine Differentialform auf einer offenen Menge U ⊆ Cn × Cn , so werden wir
sagen, dass f vom Bigrad (r, s) in ζ und vom Bigrad (p, q) in z ist, wenn f die
Gestalt
X
f=
fIJKL dζI ∧ dζ J ∧ dzK ∧ dz L
|I|=p , |J|=q , |K|=r , |L|=s
hat, wobei die fIJKL komplexwertige Funktionen auf U sind.
Da der Koppelman-Kern K(ζ, z) vom Bigrad (n, n − 1) ist, zerfällt er auf eindeutige Weise in eine Summe der Form
X
(13.9)
K(ζ, z) =
K p,q (ζ, z),
0≤p≤n , 0≤q≤n−1
wobei K p,q (ζ, z) vom Bigrad (p, q) in z und (folglich) vom Bigrad (n − p, n − 1 − q)
in ζ ist. Wir nennen K p,q (ζ, z) die Komponente vom Bigrad (p, q) in z des
Koppelman-Kerns. K 0,0 (ζ, z) ist offenbar der Bochner-Martinelli-Kern aus Abschnitt 11. Aus praktischen Gründen setzen wir noch
(13.10)
K p,n (ζ, z) = 0
und
K p,−1 (ζ, z) = 0
für p = 0, . . . , n.
13.4. Definition. Sind D und f wie in Definition 13.1, so bezeichnen wir mit
Z
p,q
f (ζ) ∧ K p,q (ζ, z)
oder
KD
f
D
das direkte Bild der Form f (ζ) ∧ K p,q (ζ, z), 0 ≤ p ≤ n, −1 ≤ q ≤ n, bezüglich der
Projektion D × D → D auf die zweite Komponente
Sind D und f wie in Definition 13.2, so bezeichnen wir mit
Z
p,q
f (ζ) ∧ K p,q (ζ, z)
oder
K∂D
f
∂D
das direkte Bild von f (ζ) ∧ K p,q (ζ, z), 0 ≤ p ≤ n, −1 ≤ q ≤ n, bezüglich der
Projektion ∂D × D → D.
48
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
13.5. Bemerkung. Sind D und f wie in Definition 13.1 und ist f vom Bigrad (p, q)
r,s
auf D, 0 ≤ p, q ≤ n, so gilt KD
f = 0 für (r, s) 6= (p, q − 1) und somit 25
p,q−1
KD f = KD
f
(13.11)
.
In der Tat, sei (r, s) 6= (p, q − 1). Da K r,s (z, ζ) in ζ vom Bigrad (n − r, n − s − 1) ist,
ist dann f (ζ) ∧ K r,s (z, ζ) vom Bigrad (n − r + p, n − s − 1 + q) 6= (n, n) in ζ, d.h. die
Komponente von f (ζ) ∧ K r,s (z, ζ), die auf den Fasern der Projektion X × Y → Y
r,s
maximalen Grad 2n hat, verschwindet, und folglich gilt (nach Definition) KD
f = 0.
13.6. Theorem (Koppelman-Formel). Sei D ⊆ Cn ein beschränktes Gebiet mit
stückweise C 1 -Rand, und sei f eine (p, q)-Form der Klasse C 1 auf D, 0 ≤ p, q ≤ n.
Dann gilt26
p,q
p,q
p,q−1
(−1)p+q f = K∂D
f − KD
(∂f ) + ∂KD
f
(13.12)
auf D.
13.7. Bemerkung. (i) Für q = 0 nimmt (13.12) die Form
p,0
p,0
(−1)p f = K∂D
f − KD
(∂f )
(13.13)
an (denn nach Definition ist K p,−1 = 0). Ist auch p = 0, so ist das die BochnerMartinelli-Formel 11.6.
(ii) Für q = n nimmt (13.12) die Form
p,n−1
f
(−1)p+n f = ∂KD
(13.14)
an (denn nach Definition ist K p,n = 0). Da man jedes Gebiet von beliebig gut durch
relativ kompakte Gebiete mit C 1 -Rand ausschöpfen kann, ergibt das zusammen mit
Satz 13.3 bereits die folgende Aussage:
k
Ist D ⊆ Cn ein beliebiges Gebiet und f ∈ Cp,n
(D), k ∈ N∗ ∪ {∞}, so wird für
jedes Gebiet G ⊂⊂ D durch
(13.15)
p,n−1
u := (−1)p+n KG
f
T
k+α
(G) definiert, welches die Gleichung ∂u = f |G löst.
ein u ∈ 0<α<1 Cp,n−1
Für n = 1 gilt
1
1
K 0,0 (ζ, z) =
dζ,
2πi ζ − z
weswegen man dann diese Aussage auch wie folgt formulieren kann:
Ist D ⊆ C ein beliebiges Gebiet in der komplexen Ebene und f : D → C eine
k-mal stetig differenzierbare Funktion, k ∈ N∗ ∪ {∞}, so wird für jedes relativ
kompakte offene Teilmenge G von D durch
Z
1
f (ζ)
(13.16)
u(z) = −
dζ ,
z ∈ D,
π
ζ −z
G
25Die entsprechende Beziehung für K
∂D f gilt nicht immer, weil der Bigrad einer Differentialform nach Einschränkung auf reelle Untermannigfaltigkeiten nicht mehr erkennbar sein muss zum Beispiel: Ist z die kanonische¯ komplexe
¯ Koordinate in der komplexen Ebene C und R die in
C liegende reelle Achse, so gilt dz ¯ = dz ¯ .
R
R
26Wir bemerken, dass man in der Gleichung (13.12) wegen (13.11) die Operatoren K p,q und
D
p,q−1
p,q−1
KD
durch KD ersetzen kann. Weiter sei bemerkt, dass KD
f wegen Satz 13.3 von der Klasse
p,q−1
1
C ist, weswegen der Term ∂KD
f in (13.12) wohldefiniert ist. Schließlich sei bemerkt, dass
man die Identität (13.12) auch unter schwächeren Voraussetzungen gilt. Zum Beispiel reicht es
aus, dass man nur noch verlangt, dass sowohl f als auch (das distributionentheoretisch definierte)
∂f stetig sind auf D.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
49
T
eine Funktion u ∈ 0<α<1 C k+α (G) definiert, welche auf G die Gleichung ∂u/∂z =
f (z) löst.
Mit etwas mehr Mühe kann man zeigen, dass das sogar für G = D gilt.
Beweis der Koppelman-Formel. Da alle Terme in (13.12) linear in f sind,
können wir o.B.d.A. annehmen, dass f (ζ) von der Form f (ζ) = ϕ(ζ) dζ I ∧ dζJ
ist, mit einer C 1 -Funktion ϕ auf D und Multiindizes I ∈ Iqn , J ∈ Ipn . Es gilt
dζj ∧ (dζj − dzj ) = −dζj ∧ dzj = −(dζj − dzj ) ∧ dzj und somit
à n
!
n
^
^
n
dζj ∧
(dζk − dzk ) = (−1)
(dζk − dzk ) ∧ dzj
für 1 ≤ j ≤ n.
k=1
k=1
Mit (13.2) ergibt das dζj ∧ K(ζ, z) = −K(ζ, z) ∧ dzj , woraus man weiter
dζJ ∧ K(ζ, z) = (−1)p ∧ K(ζ, z) ∧ dzJ
und folglich
dζJ ∧ K p,q (ζ, z) = (−1)p ∧ K 0,q (ζ, z) ∧ dzJ .
erhält. Daraus folgt
¢
¢
p,q ¡
0,q ¡
K∂D
ϕ dζ I ∧ dζJ = (−1)p K∂D
ϕ dζ I ∧ dzJ ,
¢
¢
p,q ¡
0,q ¡
KD
∂ϕ ∧ dζ I ∧ dζJ = (−1)p KD
∂ϕ ∧ dζ I ∧ dzJ ,
¢
¢
p,q−1 ¡
0,q−1 ¡
ϕ ∧ dζ I ∧ dζJ = (−1)p ∂KD
ϕ ∧ dζ I ∧ dzJ ,
∂KD
wobei jetzt sowohl mit ζ (vor der Anwedung der Operatoren) als auch mit z (nach
der Anwendung der Operatoren) die kanonischen komplexen Koordinaten auf dem
Cn gemeint sind. Wir können deswegen außerdem p = 0 annehmen. Sei also f (ζ) =
ϕ(ζ)dζ I . Wir müssen
¢
¢
¢
0,q ¡
0,q ¡
q,q−1 ¡
(−1)q ϕ dz I = K∂D
ϕ dζ I − KD
∂ϕ ∧ dζ I + ∂KD
ϕ dζ I
zeigen. Da auf beiden Seiten (0, q)-Formen stehen, gilt das genau dann, wenn für
∞
jedes v ∈ Cn,n−q
(D) mit kompaktem Träger
Z
Z ³
¢´
0,q ¡
(−1)q ϕ dz I ∧ v =
K∂D
ϕ dζ I ∧ v
D
Z∂D³
−
0,q ¡
KD
∂ϕ
∧ dζ I
¢´
q
Z ³
∧ v + (−1)
D
¢´
0,q−1 ¡
KD
ϕ dζ I ∧ ∂v
D
gilt, wobei wir im letzten Integral partiell integriert und dv = ∂v benutzt haben.
Nach Definition des direkten Bildes einer Differentialform und dem Satz von Fubini
kann man man diese Beziehung auch in der Form
Z
Z
q
ϕ dz I ∧ v =
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z)
(−1)
D
(13.17)
∂D×D
Z
−
∂ϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z)
D×D
+ (−1)
Z
q
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ ∂v(z)
D×D
50
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
schreiben, wobei wir die Formen K 0,q (ζ, z) und K 0,q−1 (ζ, z) durch K(ζ, z) ersetzt
haben, was korrekt ist, da v vom Bigrad (n, n − q) und ∂v vom Bigrad (n, n − q + 1)
ist.
∞
Sei nun ein v ∈ Cn,n−q
(D) mit kompaktem Träger gegeben. Um (13.17) zu zeigen,
betrachten wir für ε > 0 die Umgebung
¯
n
o
¯
Uε (∆) = (t, s) ∈ Cn × Cn ¯ |t − s| < ε
der Diagonalen ∆ sowie die berandete Mannigfaltigkeit
Mε := D × D \ Uε (∆).
Da K(ζ, z) auf Mε glatt und geschlossen ist, gilt dort
´
³
(13.18) d ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z)
= dϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) + (−1)q+1 ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ ∂v(z),
wobei wir wieder dv = ∂v benutzt haben. Außerdem sorgt der in v(z) enthaltene
Faktor dz1 ∧ . . . ∧ dzn dafür, dass K(ζ − z) ∧ v(z) den Faktor dζ1 ∧ . . . ∧ dζn enthält
(wie man aus (13.2) abliest). Daraus folgt
dϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ − z) ∧ v(z) = ∂ϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ − z) ∧ v(z),
weswegen (13.18) die Form
³
´
(13.19) d ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ − z) ∧ v(z)
= ∂ϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ − z) ∧ v(z) + (−1)q+1 ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ − z) ∧ ∂v(z)
annimmt. Da der Träger von v, supp v, kompakt ist, gilt für alle hinreichend kleinen
ε>0
¡
¢ ¡
¢
∂Mε ∩ supp v(z) = ∂D × D ∪ ∂Uε ∩ Cn × supp v .
Hieraus und aus (13.19) folgt mit dem Satz von Stokes
Z
Z
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) =
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z)
∂D×D
∂Uε (∆)
Z
−
∂ϕ(ζ) ∧ dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z)
D×D\Uε (∆)
Z
q
+ (−1)
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ ∂v(z)
D×D\Uε (∆)
für alle hinreichend kleinen ε > 0, wobei bezüglich der Orientierungen folgendes
vereinbart sein soll: D trägt die Orientierung des Cn und ∂D trägt die Orientierung
als Rand von D (was zur Folge hat, dass die auf dem Produkt ∂D × D induzierte
Orientierung mit der Orientierung des Randes von Mε übereinstimmt), und ∂Uε
trägt die Orientierung als Rand von Uε (welche der Orientierung des Randes von
Mε entgegengesetzt ist). Es ist klar, dass die rechte Seite der letzten Beziehung für
ε → 0 gegen die rechte Seite von (13.17) konvergiert. Zur Vervollständigung des
Beweises genügt es deswegen zu zeigen, dass
Z
Z
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) = (−1)q ϕ dz I ∧ v
(13.20)
lim
ε→0
∂Uε (∆)
D
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
51
n
n
gilt. Dazu begtrachten wir die biholomorphe© Abbildung
¯ Φ von
ª C × C auf sich
n¯
mit Φ(σ, τ ) := (σ + τ, τ ). Weiter sei Sε := σ ∈ C |σ| = ε . Wegen K(ζ, z) =
Ω(ζ − z, ζ − z) gilt dann
³
´
(13.21)
Φ∗ ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) = ϕ(ζ + z) d(ζ + z)I ∧ Ω(ζ, ζ) ∧ v(z).
Da die Sphäre Sε die reelle Dimension 2n−1 hat und die Leray-Form Ω(ζ, ζ) bereits
vom Grad 2n − 1 ist, gilt
¯
¯
¯
¯
d(ζ + z)I ∧ Ω(ζ, ζ)¯
=
dz
∧
Ω(ζ,
ζ)
.
¯
I
n
n
Sε ×C
Wegen Ω(ζ, ζ) = K
Sε ×C
0,0
(ζ, 0) kann man dies auch in der Form
¯
¯
¯
¯
0,0
d(ζ + z)I ∧ Ω(ζ, ζ)¯
=
dz
(ζ,
0)
¯
I ∧K
n
Sε ×C
schreiben. Da K
Sε ×Cn
0,0
(ζ, 0) von ungeradem Grad 2n − 1 ist, folgt daraus weiter
¯
¯
¯
¯
q 0,0
d(ζ + z)I ∧ Ω(ζ, ζ)¯
=
(−1)
K
(ζ,
0)
∧
dz
,
I¯
n
n
Sε ×C
was in (13.21) eingesetzt
³
´¯
¯
Φ∗ ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) ¯
Sε ×Cn
Sε ×C
¯
¯
= (−1)q ϕ(ζ + z)K 0,0 (ζ, 0) ∧ dz I ∧ v(z)¯
Sε ×Cn
n
ergibt. Wegen Φ(Sε × C ) = ∂Uε (∆) folgt daraus mit dem Satz von Fubini
Z
Z
ϕ(ζ) dζ I ∧ K(ζ, z) ∧ v(z) = (−1)q
ϕ(ζ + z)K 0,0 (ζ, 0) ∧ dz I ∧ v(z)
Sε ×Cn
∂Uε (∆)
Z
= (−1)q
ψε dz I ∧ v,
Cn
wobei
Z
ϕ(ζ + z) K 0,0 (ζ, 0) ,
ψε (z) :=
z ∈ Cn .
Sε
Da aus der Bochner-Martinelli-Formel folgt, dass für alle Punkte z ∈ Cn
lim ψε (z) = ϕ(z)
ε→0
gilt, stimmt das mit der gewünschten Beziehung (13.20) überein.
¤
14. Lösung der ∂-Gleichung für Formen mit kompaktem Träger und
der Fortsetzungssatz von Hartogs
Wir beginnen hier mit einer Lösungstheorie für die ∂-Gleichung auf Gebieten im
Cn . Um die Schreibweise zu vereinfachen, werden wir uns dabei vielfach darauf beschränken, Aussagen über über (p, q)-Formen nur für den Fall p = 0 zu formulieren,
da unmittelbar klar ist, dass diese Aussagen dann auch für beliebiges p gelten. Das
liegt daran, dass jede (p, q)-Form f auf einem Gebiet D ⊆ Cn auf eindeutige Weise
in der Form
X
f=
fI dzI
|I|=p
geschrieben werden kann, wobei die fI vom Bigrad (0, q) sind. Dass die Form f
von der Klasse C k und ∂-geschlossen ist, ist dann äquivalent dazu, dass die Formen
52
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
fI von der Klasse C k und ∂-geschlossen sind. Ebenso ist dann die Lösbarkeit der
Gleichung ∂u = f äquivalent zur Lösbarkeit der Gleichungen ∂uI = fI .
Ist f eine auf Cn definierte stetige (0, q)-Form, 1 ≤ q ≤ n, mit kompaktem
Träger27 und sind D, G ⊆ Cn beschränkte Gebiete mit supp f ⊆ D ∩ G, so gilt
0,q−1
0,q−1
offenbar KD
f = KG
f auf D ∩ G. Es gibt dann also eine auf ganz Cn wohldefinierte Form, die wir mit KC0,q−1
f bezeichnen und die dadurch definiert ist, dass
n
0,q−1
KC0,q−1
f = KD
f
n
auf jedem beschränkten Gebiet D ⊆ Cn mit supp f ⊆ D.
k
(Cn ), k ∈ N∗ ∪ {∞}, 1 ≤ q ≤ n. Ist der Träger von f
14.1. Lemma. Sei f ∈ Z0,q
k
kompakt, so ist die C -Form (Satz 13.3)
u := (−1)q KC0,q−1
f
n
auf ganz Cn eine Lösung von
(14.1)
∂u = f.
Beweis. Für jede offende Kugel B ⊂⊂ C n , die den Träger von f enthält, gilt
0,q−1
f auf B, und aus der Koppelman-Formel folgt
u = KB
0,q
0,q
f = (−1)q K∂B
f − (−1)p+q KB
∂f + ∂u
auf B.
0,q
0,q
Dabei ist K∂B
f = 0 (denn supp f ∩ ∂B = ∅) und KB
∂f = 0 (denn ∂f = 0), d.h.
n
(14.1) gilt auf B, also auf ganz C , da B beliebig groß gewählt werden kann.
¤
k
(Cn ), k ∈ N∗ ∪ {∞}, sei eine Form mit
14.2. Theorem. Es sei n ≥ 2 und f ∈ Z0,1
kompakten Träger supp f . Weiter sei U∞ die unbeschränkte Zusammenhangskomponente von Cn \ supp f . Dann ist die C k -Funktion (Satz 13.3)
u := −KC0,0
n f
auf ganz Cn eine Lösung von ∂u = f , und es gilt u = 0 auf U∞ .
Beweis. Nach Lemma 14.1 müssen wir nur noch zeigen, dass u = 0 auf U∞ . Wegen
∂u = 0 ist u holomorph auf U∞ . Sei B ⊆ Cn eine offene Kugel mit dem Mittelpunkt 0 und dem Radius R, die den Träger von f enthält. Da die Koeffizienten des
Koppelman-Kerns bis auf eine Konstante von der Form
ζ j − zj
|ζ − z|2n
sind, gibt es Konstanten C < C 0 < ∞ mit
¯
¯
C0
C
¯u(z)¯ ≤ max
< 2n−1
(14.2)
2n−1
ζ∈supp f |ζ − z|
|z|
für alle z ∈ Cn \ B.
Wegen n ≥ 2 kann man nun durch jeden Punkt aus Cn \B eine ganz in Cn \B gelegene komplexe Gerade legen. Wegen (14.2) und dem Satz von Liouville verschwindet
u auf jeder solchen Geraden und damit auf ganz Cn \B. Mit dem Eindeutigkeitssatz
für holomorphe Funktionen folgt daraus u = 0 auf ganz U∞ .
¤
27Definition: Seien D ⊆ Cn eine Gebiet, und f eine Differentialform auf D. Als Träger
von f bezeichnet man die kleinste abgeschlossene Teilmenge Γ von D mit f ≡ 0 auf D \ Γ. Wir
bezeichnen den Träger von f mit supp f .
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
53
14.3. Theorem (Fortsetzungssatz von Hartogs). Seien D ⊆ Cn ein Gebiet,
und Γ ⊆ D eine kompakte Teilmenge, so dass D \ Γ zusammenhängend ist. Dann
gibt es für jedes f ∈ O(D \ Γ) ein F ∈ O(D) mit
F =f
auf
D \ Γ.
Beweis. Wir wählen eine offene Umgebung UΓ von Γ, die in D relativ kompakt ist.
Weiter wählen wir eine C ∞ -Funktion Fe : D → C mit Fe = f in einer Umgebung
von D \ UΓ . Wir definieren
(
∂ Fe
auf D
ϕ=
0
auf Cn \ U Γ
Da in einer Umgebung von D \ UΓ die Beziehung Fe = f und damit ∂ Fe = 0 gilt,
∞
ist damit eine Form ϕ ∈ Z0,1
(Cn ) mit kompaktem Träger supp ϕ ⊆ UΓ korrekt
definiert.
Nach Theorem 14.2 gibt es nun eine Funktion u ¡∈ C ∞ (Cn ) mit
¢ ∂u = ϕ auf ganz
n
C und u ≡ 0 auf der unbeschränkten Komponente Cn \supp ϕ ∞ von Cn \supp ϕ.
Wir setzen F = Fe − u auf D. Dann gilt
¡
¢
(14.3)
F = Fe
auf Cn \ supp ϕ .
∞
Weiter gilt ∂F = ∂ Fe − ∂u = ϕ − ϕ = 0 auf D, d.h. F ∈ O(D). Bleibt zu zeigen,
dass F = f auf D \ Γ. Da D \ Γ nach Voraussetzung zusammenhängend ist, genügt
es, eine nichtleere offene Menge V ⊆ D \ Γ zu finden mit F = f auf V .
Wir zeigen, dass
¡
¢
V := (D \ U Γ ) ∩ Cn \ supp ϕ ∞
diese Eigenschaft hat. Zunächst ist klar, dass F = f auf diesem V , denn wir haben
(14.3), und auf D \ U Γ haben wir nach Wahl von Fe die Gleichung Fe = f .
Wir zeigen nun noch, dass V 6= ∅ gilt. Für supp ϕ = ∅ ist
¡ das trivial.¢ Sei also
supp ϕ 6= ∅. Da supp ϕ außerdem beschränkt ist, folgt, dass Cn \ supp ϕ ∞ einen
nicht leeren Rand hat. Sei p ein Punkt aus diesem Rand. Dann gilt auch
¡ p ∈ supp¢ϕ.
Da UΓ eine Umgebung von supp ϕ ist, und da p ein Randpunkt von Cn \supp ϕ ∞
ist, folgt daraus weiter, dass es ein
¡
¢
p0 ∈ UΓ ∩ Cn \ supp ϕ ∞
¡
¢
gibt. Außerdem gilt: Da Cn \ supp ϕ ∞ unbeschränkt, und U Γ beschränkt ist, gibt
es einen Punkt
¡
¢
p00 ∈ Cn \ supp ϕ ∞ \ U Γ .
¡
¢
Da Cn \ supp ϕ ∞ offen und zusammenhängend ist, gibt es nun eine stetige Kurve
¡
¢
γ : [0, 1] → Cn \ supp ϕ ∞
mit γ(0) = p0 und γ(1) = p00 . Da γ stetig, und U Γ abgeschlossen ist, ist γ −1 (U Γ )
eine abgeschlossene Teilmenge von [0, 1]. Sei α das Maximum dieser Teilmenge.
Dann gilt γ(]α, 1]) ∩ U Γ = ∅ und α < 1, denn γ(1) = p00 6∈ U Γ . Wir wählen nun eine
Folge αj ∈]α, 1], die gegen α konvergiert. Dann gilt immer γ(αj ) 6∈ U Γ . Da D eine
Umgebung von U Γ ist, muss aber γ(αj ) ∈ D gelten, falls j hinreichend
groß ¢ist, d.h.
¡
es gilt γ(αj ) ∈ D\U Γ für hinreichend große j. Da stets γ(αj ) ∈ Cn \supp ϕ ∞ gilt,
¡
¢
denn die ganze Kurve γ verläuft in Cn \ supp ϕ ∞ , folgt daraus, dass γ(αj ) ∈ V
für hinreichend große j . V ist also nicht leer.
¤
54
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
15. Konvexe Mengen
Für zwei Punkte a, b ∈ Cn bezeichnen wir mit [a, b] das abgeschlossenen Intervall
zwischen a und b.
¯
n
o
¯
[a, b] := λa + (1 − λ)b ¯ 0 ≤ λ ≤ 1 .
Eine Menge M ⊆ Cn heißt konvex, wenn für je zwei Punkte a, b ∈ M das ganze
Intervall [a, b] in M enthalten ist.
Eine stetige Funktion ρ : D → R, die auf einer offenen Menge D ⊆ Cn definiert
ist, heißt konvex, wenn für je zwei Punkte a, b ∈ D mit [a, b] ⊆ D gilt:
µ
¶
ρ(a) + ρ(b)
a+b
(15.1)
ρ
≤
.
2
2
15.1. Lemma. Sei D ⊆ Rn eine offene Menge, und ρ : D → R sei eine C 2 -Funktion.
Dann sind äquivalent:
(i) Die Funktion ρ ist konvex.
(ii) Sind x1 , . . . , x2n die kanonischen reellen Koordinaten des Cn (d.h. die Realund Imaginärteile der kanonischen komplexen Koordinaten, wobei uns hier die Reihenfolge nicht interessiert), so gilt
(15.2)
2n
X
j,k=1
∂2ρ
(a) tj tk ≥ 0
∂xj ∂xk
für alle a ∈ D und t ∈ R2n .
Beweis. Beweis von (i)⇒(ii): Seien a ∈ D und t ∈ R2n gegeben. Wir wählen ein
ε > 0 so klein, dass das Intervall [a − εt, a + εt] in D enthalten ist, und betrachten
die durch
ρ(a − τ t) + ρ(a + τ t)
ϕ(τ ) =
− ρ(a) ,
−ε ≤ τ ≤ ε,
2
definierte C 2 -Funktion ϕ : [−ε, ε] → R. Offenbar ist ϕ(0) = 0 und, da ρ konvex
ist, gilt ϕ(τ ) ≥ 0 für alle τ ∈ [−ε, ε]. Die Funktion ϕ nimmt also im Punkt 0 ihr
Minimum an. Folglich gilt
0 ≤ ϕ00 (0) =
m
X
j,k=1
∂2ρ
(a) tj tk .
∂xj ∂xk
Beweis von (ii)⇒(i): Seien a, b ∈ D mit [a, b] ⊆ D gegeben. Jetzt betrachten wir
die durch
³
´
ϕ(λ) = ρ λa + (1 − λ)b − λρ(a) − (1 − λ)ρ(b) ,
λ ∈ [0, 1],
definierte C 2 -Funktion ϕ : [0, 1] → R. Dann gilt für alle λ ∈ [0, 1]
m
´
X
∂2ρ ³
ϕ00 (λ) =
λa + (1 − λ)b (aj − bj )(ak − bk ) .
∂xj ∂xk
j,k=1
Mit der Voraussetzung (15.2) erhält man daraus ϕ00 (λ) ≥ 0 für alle λ ∈ [0, 1]. Die
Funktion ϕ0 ist also monoton wachsend auf [0, 1]. Wegen ϕ(0) = ϕ(1) = 0, folgt
daraus
ϕ(λ) ≤ 0
für alle λ ∈ [0, 1] .
In der Tat, nehmen wir an, es gilt
c := max ϕ(λ) > 0 .
0≤λ≤1
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
55
Dann wählen wir ein λ0 ∈ [0, 1] mit ϕ(λ0 ) = c. Wegen ϕ(0) = ϕ(1) = 0 muss λ0 ein
innerer Punkt von [0, 1] sein, und es muss daher ϕ0 (λ0 ) = 0 gelten. Da ϕ0 monoton
wächst, folgt daraus ϕ0 ≥ 0 auf [λ0 , 1]. Somit ist ϕ auf [λ0 , 1] monoton wachsend,
und wir erhalten den Widerspruch 0 < c = ϕ(λ0 ) ≤ ϕ(1) = 0.
Insbesondere gilt also
¶
µ ¶
µ
a+b
ρ(a) + ρ(b)
1
−
≤ 0,
ρ
=ϕ
2
2
2
d.h. es gilt (15.1).
¤
Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei ρ : C → R eine zweimal stetig differenzierbare konvexe Funktion. Nach dem vorangegangenen Lemma ist ρ genau dann
konvex, wenn die Ungleichung (15.2) gilt. Die Funktion ρ heißt streng konvex, falls
sogar
(15.3)
2n
X
j,k=1
∂2ρ
(a) tj tk > 0
∂xj ∂xk
für alle a ∈ D und t ∈ R2n mit t 6= 0.
15.2. Lemma. Sei D ⊆ Cn eine konvexe offene Menge, und sei ρ : C → R eine
zweimal stetig differenzierbare streng konvexe Funktion. Dann hat ρ höchstens einen
kritischen Punkt28 in D, und, falls ein solcher Punkt existiert (was sicher der Fall
ist, wenn ρ eine Ausschöpfungsfunktion von D ist), so nimmt ρ in diesem Punkt
sein strenges absolutes Minimum an.
Beweis. Zunächst folgt aus (15.3), dass die Funktion ρ in all ihren kritschen Punkten ein strenges lokales Minumum annimmt. Angenommen, es gibt mindestes zwei
verschiedene solche Punkte ξ und η. Dann ist
¡
¢
ϕ(λ) := ρ λξ + (1 − λ)η ,
0≤λ≤1
eine zweimal stetig differenzierbare Funktion auf [0, 1], die irgenwo, in einem Punkt
λ0 , ihr absolutes Maximum annimmt. Da ϕ in 0 und 1 jeweils ein strenges lokales
Minimum annimmt, muss λ0 ein innerer Punkt von [0, 1] sein und es muss ϕ00 (λ0 ) ≤
0 gelten. Das ist aber unmöglich, denn aus (15.3) folgt, dass für alle λ ∈ [0, 1] gilt:
2n
´³
´
X
¢³
∂2ρ ¡
00
ϕ (λ0 ) =
λξ + (1 − λ)η xj (ξ) − xj (η) xk (ξ) − xk (η) > 0 .
∂xj ∂xk
j,k=1
Es gibt also höchstens einen kritischen Punkt von ρ.
Wir betrachten nun den Fall, dass ein solcher Punkt ξ existiert. Um zu zeigen,
dass ρ dort sein strenges absolutes Minimum annimmt, betrachten wir ein beliebiges
η ∈ D\{ξ}. Die oben definierte Funktion ϕ hat dann im Punkt ξ ein strenges lokales
Minimum. Folglich gibt es ein ε > 0 mit
ϕ(0) < ϕ(ε)
und
ϕ0 (ε) > 0.
Da ϕ0 streng monoton wachsend ist (denn ϕ00 > 0), folgt daraus
ρ(ξ) = ϕ(0) < ϕ(1) = ρ(η).
¤
Glättet man stetige konvexe Funktionen durch das übliche Faltungsintegral, so
entsteht wieder eine konvexe Funktion. Es gilt:
28Ein Punkt ξ ∈ D heißt kritischer Punkt von ρ, falls dρ(ξ) = 0.
56
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
15.3. Lemma. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei ϕ : Cn → [0, ∞[ eine
C ∞ -Funktion mit ϕ(ζ) ≡ 0 für |ζ| ≥ 1 und
Z
ϕ dλ = 1,
Cn
wobei dλ das Lebesgue-Maß ist. Ist ε > 0, so bezeichnen wir mit Dε das Gebiet aller
Punkte in D, deren Abstand zum Rand von D größer als ε ist, und wir definieren
für jede stetige Funktion u : D → R
Z
(15.4)
uε (z) : =
u(z − εζ) ϕ(ζ) dλ(ζ) für z ∈ Dε .
Cn
Dann gilt für jede stetige Funktion u : D → R:
(i) uε ist von der Klasse C ∞ auf Dε für jedes ε > 0.
(ii) limε→0 uε = u gleichmäßig auf den kompakten Teilmengen von D.
(iii) Ist u konvex auf D, so ist uε konverx auf Dε für alle ε > 0.
Beweis. Die Aussagen (i) und (ii) sind identisch mit den entsprechenden Aussagen
von Satz 7.2. Zum Beweis der Aussage (iii) erstzt man wieder das definierende
Integral (15.4) durch Riemann-Summen. So sieht man, dass uε auf jeder kompakten
Teilmenge von Dε der gleichmäßige Limes von endlichen Summen der Form
X
u(• − εζj )ϕ(ζj )cj
mit ζj ∈ Cn und cj > 0 ist. Ist nun u konvex, so ist jedes u(•−εζj ) (als Verschiebung
von u) konvex. Wegen ϕ(ζj ) ≥ 0 ist daher auch jede solche Summe konvex. Da
der gleichmässige Grenzwert konvexer Funktionen offenbar wieder konvex ist, folgt
daraus, dass uε konvex ist, falls u konvex ist. Damit ist auch Teil (iii) bewiesen. ¤
15.4. Lemma. Sei K ⊆ Cn eine nicht leere kompakte konvexe Menge, und sei U ⊆
Cn eine Umgebung von K. Dann gibt es eine unbeschränkte C ∞ -Ausschöpfungsfunktion ρ von Cn , die auf ganz Cn streng konvex ist und für die gilt:
¯
n
o
¯
(15.5)
K ⊆ ζ ∈ Cn ¯ ρ(ζ) < 0 ⊆ U .
Aus Lemma 15.2 folgt dann weiter: Die Funktion ρ hat in Cn genau einen kritischen
Punkt ξ, sie nimmt dort ihr strenges absolutes Minimum an, und es gilt ξ ∈ K.
Beweis. Es seien x1 , . . . , x2n die kanonischen reellen Koordinatenfunktionen auf Cn
(d.h. die Real- und Imaginärteile der kanonischen komplexen Koordinaten, wobei
uns die Reihenfolge nicht interessiert). Wir wählen 0 < R < ∞ so groß, dass,
bzüglich dieser Koordinaten, K in dem Würfel W mit dem Mittelpunkt 0 und der
Seitenlänge 2R enthatlten ist:
½
¾
¯
¯
(15.6)
K ⊆ W := ζ ∈ Cn ¯ max |xj (ζ)| < R .
1≤j≤2n
Wir setzen
(
xj (ζ) − R
fj (ζ) :=
−xj−2n (ζ) + R
Dann gilt
(15.7)
für 1 ≤ j ≤ 2n
für 2n + 1 ≤ j ≤ 4n.
½
W =
¾
¯
¯
ζ ∈ C ¯ max fj (ζ) < 0 .
n
1≤j≤4n
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
57
Da K konvex ist und da U eine Umgebung von K ist, kann man weiter für jeden
Punkt ξ ∈ Cn \ U eine reell affine Funktional f : Cn → R finden, so dass f (ξ) > 0
aber f < 0 auf K. Da W \ U kompakt ist, können wir daher endlich viele reell affine
Funktionen f4n+1 , . . . , fN auf Cn finden, so dass
´
³
auf K
(15.8)
max f4n+1 , . . . , fN < 0
und
(15.9)
³
´
max f4n+1 , . . . , fN > 0
auf W \ U.
Da die Funktionen f1 , . . . , fN reell affin und damit konvex sind, ist
ψ = max fj
1≤j≤N
n
eine konvexe stetige Funktione auf C . Offenbar sind die Wrfel
¾
½
¯
¯
α ∈ R,
ζ ∈ Cn ¯ max fj (ζ) ≤ α ,
1≤j≤4n
kompakt, woraus folgt, dass ψ eine unbeschränkte Ausschöpfungsfunktion von Cn
ist. Aus (15.6) - (15.9), dass ψ < 0 auf K, ψ > 0 auf Cn \ U .
Es sei nun ϕ eine Funktion wie in Lemma 15.3. Für hinreichend kleines ε > 0 ist
dann nach diesem Lemma
Z
γ(z) :=
ψ(z − εζ) ϕ(ζ) dλ(ζ) ,
z ∈ Cn ,
Cn
∞
eine unbeschränkte C -Ausschöpfungsfunktion von Cn , die auf ganz Cn konvex ist
und für die gilt
γ < 0 auf K
und
γ > 0 auf Cn \ U.
Die gewünschte Funktion ρ erhält man nun, indem man für ein hinreichend kleines
c>0
ρ(ζ) = ψ(ζ) + c|ζ|2
setzt.
¤
16. Der komplexe Gradient konvexer Ränder
In diesem Abschnitt ist D ⊆ Cn eine beschränkte konvexe offene Menge mit
C -Rand ∂D. Weiter sei U eine Umgebung von ∂D, und ρ : U → R sei eine
C ∞ -Funktion mit
¯
n
o
¯
(16.1)
D ∩ U = ζ ∈ U ¯ ρ(ζ) < ∞
und
dρ(ζ) 6= 0 für ζ ∈ ∂D.
∞
Mit z1 , . . . , zn bezeichnen wir wieder die kanonischen komplexen Koordinaten des
Cn , und x1 , . . . , xn , y1 , . . . , yn seien die reellen Koordinaten-Funktionen mit zj =
xj + iyj .
Dann definieren wir durch
µ
¶
³
´
∂ρ
∂ρ
(16.2)
vρ (ζ) = vρ,1 (ζ), . . . , vρ,n (ζ) = 2
(ζ), . . . ,
(ζ) ,
ζ∈U,
∂z1
∂zn
eine C ∞ -Funktion vρ : U → Cn , die wir als den komplexen Gradienten von ρ
bezeichnen. Der Zusammenhang mit dem reellen Gradienten
¶
µ
∂ρ
∂ρ
∂ρ
∂ρ
(ζ), . . . ,
(ζ),
(ζ), . . . ,
(ζ) , ζ ∈ U,
grad ρ(ζ) :=
∂x1
∂xn
∂y1
∂yn
58
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
ist wie folgt (vgl. Abschnitt 9 für die Definition des Products h · , · i):
16.1. Lemma. Es gilt für alle ζ ∈ U und w ∈ D:
¶
¶
n µ
n µ
X
­
® X
∂ρ
∂ρ
(16.3)
Re vρ (ζ), w =
(ζ) xj (w) +
(ζ) yj (w) .
∂xj
∂yj
j=1
j=1
Beweis. Es gilt
¶³
n
n µ
D
E X
´
X
∂ρ
∂ρ
∂ρ
vρ (ζ), w =
(ζ) wj = Re
(ζ) − i
(ζ) xj (w) + iyj (w) .
2
∂zj
∂xj
∂yj
j=1
j=1
Nimmt davon nur den Realteil, so erhält man (16.3).
16.2. Lemma. Es gilt
­
®
(16.4)
vρ (ζ), ζ − w 6= 0
¤
für alle (ζ, w) ∈ ∂D × D .
Beweis. Die reelle Tangentialebene von ∂D in einem Punkt ζ ∈ ∂D besteht genau
aus den Punkten w ∈ Cn , für welche der Vektor ζ −w auf dem Gradienten grad ρ(ζ)
senkrecht steht, d.h. für die gilt
¶
¶
n µ
n µ
X
X
∂ρ
∂ρ
(ζ) xj (w) +
(ζ) yj (w) = 0 .
∂xj
∂yj
j=1
j=1
Da das Gebiet D konvex ist, schneiden die reellen Tangentialebenen von ∂D das
Gebiet D nicht, d.h.
¶
¶
n µ
n µ
X
X
∂ρ
∂ρ
(ζ) xj (w) +
(ζ) yj (w) 6= 0
für alle (ζ, w) ∈ ∂D × D .
∂xj
∂yj
j=1
j=1
Mit Lemma 16.1 folgt daraus (16.4).
¤
Die Funktion
vρ (ζ)
,
hvρ (ζ), ζ − zi
die nach dem vorangegangen Lemma für jedes feste ζ ∈ ∂D holomorph von z ∈ D
abhängt, wird im weiteren eine wichtige die Rolle spielen. Sie übernimmt (im Fall
konvexer Gebiete) die Rolle der Funktion
1
ζ −z
aus der Funktionentheorie einer komplexen Veränderlicher. Im nächsten Abschnitt
werden wir mit ihrer Hilfe eine Integraldarstellung konstruieren, welche (im Fall
konvexer Gebiete) ähnliches leistet wie die Cauchy-Formel im Fall einer komplexen
Veränderlichen.
17. Die Henkin-Formel
In diesem Abschnitt ist D ⊆ Cn eine beschränkte konvexe offene Menge mit
C -Rand ∂D. Weiter sei U eine Umgebung von ∂D, und ρ : U → R sei eine
C ∞ -Funktion mit
¯
n
o
¯
(17.1)
D ∩ U = ζ ∈ U ¯ ρ(ζ) < ∞
und
dρ(ζ) 6= 0 für ζ ∈ ∂D.
∞
Den im vorangegangenen Abschnitt definierten komplexen Gradienten von ρ bezeichnen wir in diesem Abschnitt einfach mit v.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
59
Das Gebiet D trage die Orientierung von Cn und ∂D trage die induzierte Orientierung als Rand von D. Außerdem betrachten wir das Intervall [0, 1] als berandete orientierte Mannigfaltigkeit, deren Orientierung durch die Form dλ gegeben
ist (wobei λ die identische Abbildung von R ist), so dass (als Gleichung zwischen
orientierten Mannigfaltigkeiten) gilt:
¡
¢
(17.2)
∂ ∂D × [0, 1] = ∂D × {1} − ∂D × {0}.
Nach Lemma 16.2 gilt
­
®
(17.3)
v(ζ), ζ − w 6= 0
für alle (ζ, w) ∈ ∂D × D .
Wir können also durch
(17.4) h(ζ, λ, z) := λ
v(ζ)
ζ −z
®,
+ (1 − λ) ­
2
|ζ − ζ|
v(ζ), ζ − z
(ζ, λ, z) ∈ ∂D × [0, 1] × D ,
eine C ∞ -Abbildung h : ∂D × [0, 1] × D → Cn definieren. Offenbar gilt
­
®
(17.5)
h(ζ, λ, z) , ζ − z = 1
für alle (ζ, λ, z) ∈ ∂D × [0, 1] × D .
Wichtig ist die folgende
17.1. Bemerkung. Für jedes fixierte ζ ∈ ∂D ist die Abbildung
v(ζ)
®
D 3 z −→ h(ζ, 0, z) = ­
v(ζ) , ζ − z
holomorph in D.
Wir treffen nun einige Vereinbarungen zur weiteren Verwendung der Buchstaben
z, ζ und λ bei der Bezeichnung von Koordinaten (was uns nicht daran hindert auch
weiterhin Punkte damit zu bezeichnen, wenn klar ist, was gemeint ist):
Mit z = (z1 , . . . , zn ) bezeichnen wir sowohl das System der kanonischen komplexen Koordinaten des Cn als auch dessen Liftung bezüglich der Projektion
(17.6)
∂D × [0, 1] × D −→ D.
Mit ζ = (ζ1 , . . . , ζn ) bezeichnen wir zwar ebenfalls das kanonische komplexen Koordinatensystem des Cn , jedoch auf der Mannigfaltigkeit ∂D × [0, 1] × D bezeichnen
wir damit dessen Liftung bezüglich der Projektion
(17.7)
∂D × [0, 1]× −→ ∂D.
Schließlich steht λ sowohl für die identische Abbildung von R als auch für dessen
Liftung bezüglich der Projektion
(17.8)
∂D × [0, 1] × D −→ [0, 1].
Ist ϕ eine Differentialform auf ∂D, so bezeichnen wir die Liftung von ϕ bezüglich
der Proiektion (17.7) mit ϕ(ζ).
Sei nun ϕ eine Differentialform auf ∂D × [0, 1] × D. Wir werden sagen, dass
ϕ vom Grad null oder vom Bigrad (0, 0) in z ist, wenn ϕ in jedem Punkt
aus ∂D × [0, 1] × D als Linearkombination von äußeren Produkten der Formen
dζ1 , . . . , dζn , dζ 1 , . . . , dζ n und dλ dargestellt werden kann. Für (p, q) 6= (0, 0) sagen
wir, dass ϕ vom Bigrad (p, q) in z ist, wenn ϕ von der Form
X
(17.9)
ϕ=
ϕIJ ∧ dzI ∧ dz J
|I|=p , |J|=q
60
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
ist, wobei die ϕIJ Formen vom Bigrad (0, 0) in z sind. Da die Differentialformen
auf D auf eindeutige Weise in ihre (p, q)-Komponenten zerfallen, zerfällt jede Differentialform ϕ vom Grad r auf ∂D × [0, 1] × D auf eindeutige Weise in eine Summe
der Form
X
(17.10)
ϕ=
ϕp,q ,
0≤p,q≤n , p+q=r
p,q
wobei ϕ eine Form vom Bigrad (p, q) in z ist. Wir werden sagen, dass ϕp,q die
Komponente von ϕ ist, die in z den Bigrad (p, q) hat.
Nach dieser Vorrede und wegen (17.5) ist auf ∂D × [0, 1] × D die Leray-Form
Ω(h, ζ −z) (vgl. (9.1) für die Definition von Ω(·, ·)) wohldefiniert und von der Klasse
C ∞ . Sei Ω0,q (h, ζ − z) die Komponente von Ω(h, ζ − z), die in z vom Bigrad (0, q)
ist, 0 ≤ q ≤ n.
Wir notieren, dass
Ω0,n (h, ζ − z) = 0
(17.11)
gilt, denn nach (9.1) ist Ω(h, ζ − z) von der Form Ω(h, ζ − z) = ϕ ∧ (dζ1 − dz1 ) ∧ . . . ∧
(dζn − dzn ), wobei ϕ eine Form vom Grad n − 1 ist. Daraus folgt Ω0,n (h, ζ − z) =
ϕ ∧ dζ1 ∧ . . . ∧ dζn . Da der Grad von ϕ kleiner als n ist, geht das nur, wenn (17.11)
gilt.
Da die Abbildung h(ζ, λ, z) für λ = 0 in z holomorph ist (Bemerkung 17.1),
erhält man
¯
¯
(17.12)
Ω0,q (h, ζ − z)¯
=0
für alle 1 ≤ q ≤ n − 1.
∂D×{0}×D
Für λ = 1 haben wir das folgende
17.2. Lemma. Sei f eine stetige Differentialform auf ∂D. Dann gilt für 0 ≤ q ≤ n
Z
0,q
f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) = K∂D
(17.13)
f
auf D.
∂D×{1}
Dabei ist das links stehende Integral das in Abschnitt 12 definierte direkte Bild von
0,q
f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) bezüglich der Projektion ∂D × {1} × D −→ D, und K∂D
f ist
das in Abschnitt 13 definierte Koppelman-Integral. (Für q = n steht wegen (17.11)
und (13.10) auf beiden Seiten von (17.13) eine Null.)
Beweis. Wegen
¯
¯
h¯
∂D×{1}×D
¯
ζ − z ¯¯
=
¯
|ζ − z|2 ¯
folgt aus Lemma 9.2 die Beziehung
¯
¯
¯
¯
Ω(h, ζ − z)¯
= Ω(ζ − z, ζ − z)¯
∂D×{1}×D
∂D×{1}×D
∂D×{1}×D
¯
¯
= K(ζ, z)¯
∂D×{1}×D
.
Da die Zerlegung (17.10) eindeutig ist, folgt daraus
¯
¯
Ω0,q (h, ζ − z)¯∂D×{1}×D = K 0,q (ζ, z)¯∂D×{1}×D .
0,q
Mit der Definition von K∂D
f ergibt das (17.13).
¤
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
61
Ist f eine stetige Differentialform auf ∂D, so defineren wir für 0 ≤ q ≤ n − 1
Z
(17.14)
Rq f =
f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z),
∂D×[0,1]
wobei mit dem Integral das direkte Bild von f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) bezüglich der
Projektion ∂D × [0, 1] × D −→ D gemeint ist (vgl. Abschnitt 12). Offenbar wird
∞
dadurch eine Form Rq f ∈ C0,q
(D)-Form definiert.
Ist f : ∂D → C eine stetige Funktion, so definieren wir durch
Z
(17.15)
(Lf )(z) =
f (ζ) ∧ Ω0,0 (h, ζ − z) ,
z ∈ D,
∂D×{0}
eine Funktion auf D. Ausführlich geschrieben sieht diese Definition wie folgt aus:
Z
n
n
X
^
^
vj (ζ)
j−1
(17.16) (Lf )(z) = cn
(−1)
dv
(ζ)
∧
dζk , z ∈ D.
k
hv(ζ), ζ − zin
j=1
k6=j
∂D
k=1
In der Tat, wegen
h(ζ, 0, z) =
folgt aus Lemma 9.2
¯
¯
Ω(h, ζ − z)¯
v(ζ)
,
hv(ζ), ζ − zi
(ζ, z) ∈ ∂D × D ,
Ã
v(ζ)
®, ζ − z
=Ω ­
∂D×{0}×D
v(ζ), ζ − z
¯
³
´¯
1
¯
®n Ω v(ζ), ζ − z ¯
=­
¯
v(ζ), ζ − z
∂D×{0}×D
n
X
vj (ζ)
= cn
(−1)j−1
hv(ζ),
ζ − zin
j=1
^
k6=j
dvk (ζ) ∧
n
^
k=1
!¯
¯
¯
¯
¯
∂D×{0}×D
¯
¯
¯
(dζk − dzk )¯
¯
.
∂D×{0}×D
Da die Zerlegung (17.10) eindeutig ist, folgt daraus weiter
¯
¯
Ω0,0 (h, ζ − z)¯
∂D×{0}×D
n
X
= cn
(−1)j−1
j=1
¯
n
¯
^
^
vj (ζ)
¯
dv
(ζ)
∧
dζ
¯
k
k
¯
hv(ζ), ζ − zin
k6=j
k=1
.
∂D×{0}×D
In (17.15) eingesetzt ergibt das (17.16).
Dieser ausführlichen Schreibweise sieht man nun an, dass die Koeffizienten der
Differentialform im definierenden Integral von Lf holomorph sind. Durch Differenzieren unter dem Integral folgt daraus:
17.3. Bemerkung. Für jede stetige Funktion f : ∂D → C ist die Funktion Lf
holomorph in D.
Weiter definieren wir: Ist f eine stetige Differentialform auf D, so setzen wir für
0≤q ≤n−1
¡ 0,q
¢
Tq f = (−1)q+1 KD
f − Rq f
auf D,
0,q
wobei KD
f das in Abschnitt 13 definierte Koppelman-Integral ist. Dieses Integral
heißt Henkin integral oder Henkin operator.
62
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
17.4. Bemerkung. Sei f eine Differentialform der Klasse C k auf D, k ∈ N ∪ {∞},
0,q
f für alle 0 ≤ α < 1 von der
und sei 0 ≤ q ≤ n − 1. Nach Satz 13.3 ist dann KD
k+α
∞
Klasse C
in D. Da Rq f in D von der Klasse C ist, gilt also
k+α
(D)
Tq f ∈ C0,q
für alle α mit 0 ≤ α < 1.
17.5. Theorem. (i) Für jede C 1 -Funktion f : D → C, die in D holomorph ist, gilt
(17.17)
f = Lf
auf D.
1
(ii) Ist f eine ∂-geschlossene C0,q
-Form auf D, wobei 1 ≤ q ≤ n, so gilt
(17.18)
f = ∂Tq−1 f
auf D.
Aus Teil (ii) dieses Theorems und Bemerkung 17.4 folgt insbesondere die lokale
Lösbarkeit der ∂-Gleichung:
17.6. Folgerung (Dolbeault-Lemma). Seien D ⊆ Cn ein Gebiet, 1 ≤ q ≤ n und
k
k ∈ N∗ ∪ {∞}. Dann gibt es für jedes f ∈ C0,q
(D) mit ∂f = 0 und jeden Punkt
T
k+α
ξ ∈ D eine Umgebung U ⊆ D von ξ und eine Form u ∈ 0<α<1 C0,q−1
(U ) mit
¯
¯
∂u = f U .
Diese Aussage ist als Dolbeault-Lemma oder Dolbeault-GrothendieckLemma bekannt und wurde Anfang der fünfziger Jahre bewiesen. Wegen der Analogie zum Poincaré-Lemma über die lokale Lösbarkeit von du = f ist auch die Bezeichnung ∂-Poincaré-Lemma üblich. Der erste Beweis des Dolbeault-Lemmas,
den man auch in den meisten Büchern findet, ist wesentlich einfacher als der unten
angegebene Beweis von Theorem 17.5, da er ohne die Koppelman-Formel in ihrer
allgemeinen Form (die erst später im Jahre 1967 gefunden wurde) auskommt und
lediglich den Fall n = q = 1 der Koppelman-Formel, d.h. die Cauchy-Formel für
glatte Funktionen (11.8), benutzt. Das gleiche gilt für den Beweis des Fortsetzungssatzes von Hartogs 14.3.
1
Beweis von Theorem 17.5. Sei eine ∂-geschlossene C0,q
-Form f auf D gegeben, 0 ≤
q ≤ n. Nach Theorem 11.3 gilt die Bochner-Martinelli-Formel
(17.19)
0,0
f = K∂D
f,
falls q = 0,
und nach Theorem 13.6 gilt die Koppelman-Formel
(17.20)
0,q
0,q−1
f,
(−1)q f = K∂D
f + ∂KD
falls q ≥ 1.
Vergleicht man das mit (17.17) und (17.18), so sieht man, dass nur Folgendes zu
zeigen ist:
(17.21)
0,0
K∂D
f = Lf
auf B , falls q = 0,
und
(17.22)
0,q
K∂D
f = −∂Rq−1 f
auf D , falls 1 ≤ q ≤ n.
Wir zerlegen den äußeren Differentialoperator auf ∂B × [0, 1] × B in die Summe
d = dζ + dλ + dz . Dabei ist dζ das äußere Differential bzüglich ζ, d.h. der äußere
Differentialoperator längs der Fasern der Projektion ∂B ×[0, 1]×B → [0, 1]×B, und
entsprechend sind dλ , dz die äußeren Differentiale bezüglich λ und z. Weiter sei dz =
∂ z + ∂z die Zerlegung von dz , die der Zerlegung des äußeren Differentialoperators
auf Cn in ∂ + ∂ entspricht.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
63
Da Ω(h, ζ − z) geschlossen ist (Lemma 9.1), muss insbesondere die (0, q)Komponente bezüglich z von dΩ(h, ζ − z) verschwinden, d.h. es muss gelten:
(
−∂ z Ω0,q−1 (h, ζ − z) ,
falls 1 ≤ q ≤ n,
(17.23)
(dζ + dλ )Ω0,q (h, ζ − z) =
0,
falls q = 0.
Da die Form Ω(h, ζ − z) den Faktor (dζ1 − dz1 ) ∧ . . . ∧ (dζn − dzn ) enthält und
Ω0,q (h, ζ − z) vom Bigrad (0, q) in z ist, enthält Ω0,q (h, ζ − z) den Faktor dζ1 ∧ . . . ∧
dζn . Da ∂f den Bigrad (1, q) hat, und da das Produkt von je n + 1 der Differentiale
dζ1 , . . . , dζn verschwindet, folgt
(∂f )(ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) = 0. Da df = ∂f
¡ daraus
¢
(wegen ∂f = 0) und somit dζ f (ζ) = (df )(ζ) = (∂f )(ζ) gilt, folgt daraus
¡
¢
dζ f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) = 0.
¡
¢
Da außerdem dλ f (ζ) = 0 ist, folgt daraus weiter
³
¡
¢´
(dζ + dλ ) f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) = 0.
Zusammen mit (17.23) ergibt das
³
´
(17.24) (dζ + dλ ) f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z)
(
(−1)q+1 f (ζ) ∧ ∂ z Ω0,q−1 (h, ζ − z) ,
=
0,
falls 1 ≤ q ≤ n,
falls q = 0.
Ist q = 0, so folgt aus (17.24) und (17.2) und dem Satz von Stokes
Z
f (ζ) ∧ Ω0,0 (h, ζ − z) = 0,
∂D×{1}−∂D×{0}
d.h. (mit der Definition von Lf )
Z
f (ζ) ∧ Ω0,0 (h, ζ − z) = Lf.
∂D×{1}
Wegen Lemma 17.2 ist das die gewünschte Beziehung (17.21).
Es sei nun 1 ≤ q ≤ n. Dann erhält man durch Differenzieren unter dem Integral
Z
−∂Rq−1 f = (−1)q+1
f (ζ) ∧ ∂ z Ω0,q−1 (h, ζ − z),
∂D×[0,1]
woraus mit (17.24), (17.2) und dem Satz von Stokes folgt:
Z
f (ζ) ∧ Ω0,q (h, ζ − z) = −∂Rq−1 f.
∂D×{1}−∂D×{0}
Dabei stimmt das auf der linken Seite stehende Integral wegen (17.12) mit dem auf
der linken Seite von (17.13) stehenden Integral überein. Es gilt also (17.22).
¤
64
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
18. Approximation auf konvexen Mengen
Sei P ⊆ Cn ein Polyzyliner mit dem Mittelpunkt ξ und f sei eine holomorphe
Funktion in P . Nach Potenzreihenentwicklungssatz 3.2 gehört P zum Konvergenzgebiet der Potenzreihe
X
f (z) =
fα (z − ξ)α
α∈Nn
von f im Punkt ξ. Folglich konvergieren die komplexen Polynome
X
fα (z − ξ)α
α∈Nn , α1 +...+αn ≤N
für N → ∞ auf den kompakten Teilmengen von P gleichmäßig gegen f . Wir haben
also gezeigt:
18.1. Satz. Ist P ⊆ Cn ein Polyzyliner, so kann man jede Funktion aus O(P ) auf
jeder kompakten Teilmenge von P gleichmäßig durch komplexe Polynome approximieren.
Wir wollen diesen Satz für beliebige konvexe konvexe Mengen beweisen. Dazu
betrachten wir zunächst einen weiteren Spezialfall.
Sei ρ : Cn → R eine streng konvexe C 2 -Ausschöpfungsfunktion von Cn , und ξ sei
der kritische Punkt von ρ (vgl. Lemma 15.2). Wir setzen
¯
n
o
¯
Dα := ζ ∈ Cn ¯ ρ(ζ) < α
für α ∈ R.
und
µ
v(ζ) :=
¶
∂ρ
∂ρ
(ζ), . . . ,
(ζ) ,
∂z1
∂z1
ζ ∈ Cn \ {ξ} ,
sei der komplexe Gradient von ρ (vgl. Abschnitt 16). Nach Lemma 16.2 gilt dann
(18.1)
hv(ζ), ζ − zi 6= 0
für alle (ζ, z) ∈ (Cn \ Dα ) × Dα .
Folglich ist die Funktion
(18.2)
1
,
hv(ζ), ζ − zi
z ∈ Dα ,
für jedes ρ(ξ) < α < ∞ und jeden Punkt ζ ∈ ∂Dα wohldefiniert und holomorph
auf Dα .
18.2. Lemma. Sei ρ(ξ) < α < ∞ und ζ ∈ ∂Dα . Dann ist die Funktion
1
hv(ζ), ζ − •i
auf jeder kompakten Teilmenge von Dα gleichmäßig durch komplexe Polynome approximierbar.
Beweis. Sei eine kompakte Menge K ⊆ D gegeben. Wir wählen einen Polyzylinder
P und ein β ∈ R so groß, dass
Dα ⊆ P ⊆ Dβ .
Nach Satz 18.1 genügt es dann zu zeigen, dass die Funktion (18.1) gleichmäßig
auf K durch Funktionen aus O(P ) approximiert werden kann. Dazu setzen wir zu
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
65
Abkürzung Φ(ζ, z) = hv(ζ), ζ − zi und wählen endlich viele Punkte a1 , . . . , aN ∈
Dβ \ Dα , so dass a1 = ζ, aN ∈ ∂Dβ und
¯
¯
¯
¡
¢ ¯¯ 1
¯
¯Φ(ξ, z)¯
max ¯Φ(aj , z) − Φ aj+1 , z ¯ ≤
min
z∈K
2 ξ∈Dβ \Dα , z∈K
für 1 ≤ j ≤ N − 1. Dies ist möglich, da das auf der rechten Seite stehende Minimum
positiv ist, denn nach (18.1) gilt Φ 6= 0, auf der kompakten Menge (Dβ \ Dα ) × K.
Dann gilt
¯
¯
¯
Φ(aj , z) ¯¯ 1
¯
1−
≤
max
z∈K , 1≤j≤N −1 ¯
Φ(aj+1 , z) ¯ 2
und folglich
¶k
∞ µ
X
1
1
1
1
Φ(aj , z)
´=
³
=
1−
,
Φ(aj , z)
Φ(aj+1 , z) 1 − 1 − Φ(aj ,z)
Φ(aj+1 , z)
Φ(aj+1 , z)
k=0
Φ(aj+1 ,z)
wobei die Reihe gleichmäßig in z ∈ K konvergiert. Für j = 1 folgt daraus (durch
Abbrechen der Reihe), dass die Funktion 1/Φ(a1 , •) gleichmäßig auf K durch Polynome in 1/Φ(a2 , •) und Φ(a1 , •) approximiert werden kann. Für j = 2 folgt,
dass die Funktion 1/Φ(a2 , •) gleichmäßig auf K durch Polynome in 1/Φ(a3 , •)
und Φ(a2 , •) approximiert werden kann. Zusammen ergibt das, dass die Funktion
1/Φ(a1 , •) gleichmäßig auf K durch Polynome in 1/Φ(a3 , •), Φ(a1 , •) und Φ(a2 , •)
approximiert werden kann. Und so weiter. Am Ende erhält man, dass die Funktion
1/Φ(a1 , •) gleichmäßig auf K durch Polynome in
1/Φ(aN , •) und Φ(a1 , •), . . . , Φ(aN −1 , •)
approximiert werden kann.
All diese Funktionen sind holomorph auf P . In der Tat, die Funktionen
Φ(a1 , •), . . . , Φ(aN −1 , •) sind sogar komplex linear. Auch die Funktion Φ(aN , •)
ist komplex linear, wobei wegen P ⊆ Dβ , aN ∈ ∂Dβ und (18.1) gilt:
Φ(aN , z) 6= 0
für z ∈ P.
Damit ist auch 1/Φ(aN , •) holomorph auf P .
Die Funktion 1/Φ(a1 , •) kann also gleichmäßig auf K durch Funktionen aus O(P )
approximiert werden. Wegen 1/Φ(a1 , •) = 1/Φ(ζ, •) = hv(ζ), ζ − •i ist damit der
Beweis beendet.
¤
Nun können wir das allgemeine Resultat beweisen:
18.3. Theorem. Sei K ⊆ Cn ein kompakte konvexe Menge, sei U eine Umgebung von K, und sei f : U → C eine holomorphe Funktion. Dann kann man f
gleichmäßig auf K durch komplexe Polynome approximieren.
Beweis. Nach Lemma 15.4 existiert eine unbeschränkte C ∞ -Ausschöpfungsfunktion
ρ von Cn , die auf ganz Cn streng konvex ist und für die gilt:
¯
n
o
¯
(18.3)
K ⊆ D := ζ ∈ Cn ¯ ρ(ζ) < 0 ⊆ U .
Wir benutzen jetzt die Bezeichnungen aus Abschnitt 17. Nach Theorem 17.5 gilt
dann f (z) = (Lf )(z), z ∈ D. Indem man in der ausführlichen Schreibweise (17.16)
66
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
die auf der rechten Seite stehenden Integrale durch Riemann-Summen approximiert,
erhält man, dass f gleichmäßig auf K durch endliche Linearkombinationen der Form
m
X
αν
,
αν ∈ C , ζν ∈ ∂D,
hv(ζν ), ζν − •in
ν=1
approximieren kann. Es bleibt also zu zeigen, dass für jeden fixierten Punkt ζ ∈ ∂D
die Funktion
1
hv(ζ), ζ − •i
gleichmäßig auf K durch komplexe Polynome approximiert werden kann. Das war
aber gerade die Aussage des vorangegangenen Lemmas.
¤
19. Lösung von ∂u = f auf konvexen Gebieten
19.1. Theorem. Sei D ⊆ Cn eine konvexe offene Menge. Weiter seien k ∈ N∗ ∪
k
{∞} und 1 ≤ q ≤ n. Dann gibt es für jedes f ∈ C0,q
(D) mit ∂f = 0 ein u ∈
T
k+α
0<α<1 C0,q−1 (D) mit ∂u = f .
T
<k+1
k+α
Beweis. Zur Abkürzung sei C0,q−1
:= 0<α<1 C0,q−1
. Mit Hilfe von Lemma 15.4
kann man eine Folge (Dm )m∈N von beschränkten offenen konvexen Mengen Dm
finden mit Dm ⊆ Dm+1 für alle m ∈ N und
∞
[
(19.1)
Dm = D.
m=0
Nach Theorem 17.5 (ii) und Bemerkung 17.4
em ∈
¯ können wir zunächst eine Folge u
<k+1
C0,q−1
um = f ¯D für alle m ∈ N∗ . Wir unterscheiden
(Dm ), m ∈ N∗ , finden mit ∂e
m
nun die Fälle q = 1 und 2 ≤ q ≤ n.
Sei zuerst q = 1. Wir zeigen induktiv, dass es dann eine Folge (um )m∈N∗ von
<k+1
Funktionen um ∈ C0,q−1
(Dm ) gibt, so dass ebenfalls gilt
¯
(19.2)
∂um = f ¯D
m
und so dass für m ≥ 2 außerden für alle m ∈ N∗ gilt:
¯
¯
1
(19.3)
max ¯um−1 (ζ) − um (ζ)¯ ≤ m .
2
ζ∈D m−2
Induktionsanfang: u1 := u
e1 .
Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen an, für ein l ∈ N∗ seien bereits Funktionen
<k+1
um ∈ C0,q−1
(Dm ), m = 1, . . . , l, gefunden, so dass (19.2) gilt, falls 1 ≤ m ≤ l, und
(19.3) gilt, falls 2 ≤ m ≤ l.
Induktionsschritt: Es gilt ∂(ul − u
el+1 ) = 0 auf Dl . Folglich ist ul − u
el+1 holomorph auf Dl . Da Dl−1 ⊂⊂ Dl gilt, können wir das Approximationstheorem 18.3
anwenden, und erhalten ein h ∈ O(X) mit
¯
¯
1
el+1 (ζ) − h(ζ)¯ ≤ l+1 .
max ¯ul (ζ) − u
2
ζ∈D l−1
Setzt man ul+1 := u
el+1 + h, so gelten (19.2) und (19.3) auch für m = l + 1.
Nachdem diese Folge konstruiert ist, schließen wir wie folgt weiter: Wegen (19.3)
gibt es eine stetige Funktion u auf D, so dass für jedes l ∈ N gilt: Die Folge
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
67
(um )m≥l+1 konvergiert gleichmäßig auf Dl gegen u. Es bleibt zu zeigen, dass u
sogar von der Klasse C <k+1 ist und dass ∂u = f gilt. Wegen (19.1) genügt es, dies
über jedem Dl zu zeigen.
Sei ein l ∈ N gegeben. Dann konvergiert die Folge (um − ul+1 )m≥l+1 gleichmäßig
auf Dl gegen u − ul+1 . Da die Funktionen um − ul+1 , m ≥ l + 1, auf Dl holomorph
sind (und der gleichmäßige Limes holomorpher Funktionen holomorph ist - Satz
2.13), muss die Funktion u − ul+1 auf Dl holomorph sein. Da ul+1 auf Dl von der
Klasse C <k+1 ist, folgt daraus, dass auch u auf Dl von der Klasse C <k+1 ist und
dass ∂u = ∂ul+1 = f gilt.
Es sei nun 2 ≤ q ≤ n. Dann zeigen wir induktiv, dass es eine Folge (um )m≥2 von
<k+1
Formen um ∈ C0,q−1
(Dm ) gibt, so dass
¯
(19.4)
∂um = f ¯Dm
für alle m ≥ 2 und
(19.5)
¯
¯
um ¯
Dm−3
¯
¯
= um−1 ¯
Dm−3
,
falls m ≥ 3.
Induktionsanfang: Nach Theorem
17.5 (ii) und Bemerkung 17.4 können wir u2 ∈
¯
<k+1
C0,q−1
(D2 ) finden mit ∂u2 = f ¯D2 .
Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen an, für ein l ≥ 2 seien bereits Formen
<k+1
um ∈ C0,q−1
(Dm ), n = 1, . . . , l, gefunden, so dass (19.4) gilt, falls 2 ≤ m ≤ l, und
(19.5) gilt, falls 3 ≤ m ≤ l.
Induktionsschritt: Nach Theorem 17.5 (ii) und ¯Bemerkung 17.4 können wir eine
<k+1
Form u
el+1 ∈ C0,q−1
(Dl+1 ) finden mit ∂e
ul+1 = f ¯D . Dann ist ∂(ul − u
el+1 ) = 0
l+1
auf Dl . Da q − 1 ≥ 1 und Dl−1 ⊆ Dl gilt, können wir deswegen nochmals Theorem
<k+1
17.5 (ii) und Bemerkung 17.4 anwenden und erhalten eine Form h ∈ C0,q−1
(Dl−1 )
mit
¯
¯
∂h = (ul − u
el+1 )¯
.
Dl−1
∞
Wir wählen eine C -Funktion χ : D → R mit χ ≡ 1 auf Dl−2 und χ ≡ 0 außerhalb
von Dl−1 , und setzen
ul+1 = u
el+1 + ∂(χh).
Dann gelten (19.4) und (19.5) auch für m = l + 1.
Nachdem diese Folge konstruiert ist, beenden wir den Beweis wie folgt: Wegen
<k+1
(19.5) und (19.1) gibt es ein u ∈ C0,q−1
(X) mit
¯
¯
¯
¯
u¯
= um ¯
für alle m ≥ 3,
Dm−3
Dm−3
und wegen (19.4) gilt ∂u = f auf D.
¤
20. Das Levi-Polynom
Überall in diesem Abschnitt bezeichnen wir mit z1 , . . . , zn die kanonischen komplexen Koordinatenfunktionen des Cn , und mit xj , yj bezeichnen wir die dazugehörigen reellen Koordinaten mit zj = xj + iyj .
68
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
20.1. Definition. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei ρ : D → R eine C 2 Funktion. Wir definieren
n
n
X
X
∂ρ
∂2ρ
Fρ (ζ, v) := 2
(ζ) (ζj − vj ) −
(ζ) (ζj − vj )(ζk − vk )
∂zj
∂zj ∂zk
j=1
j,k=1
n
für ζ ∈ D und v ∈ C . Die so definierte Funktion Fρ : D × Cn → C heißt LeviPolynom von ρ. Ist ζ fixiert, so nennen wir Fρ (ζ, •) das Levi-Polynom von ρ im
Punkt ζ.
20.2. Lemma. Sei D ⊆ Cn eine offene Menge, und sei ρ : D → R eine C 2 -Funktion.
Weiter sei ζ ∈ D, und Lρ (ζ, ·) sei die zu Beginn von Abschnitt 5 definierte LeviForm von ρ im Punkt ζ. Dann ist
ρ(ζ) − Re Fρ (ζ, •) + Lρ (ζ, ζ − •)
das Taylorpolynom zweiter Ordnung von ρ im Punkt ζ.
Beweis. Seien ζ ∈ D und v ∈ Cn gegeben. Seien xj , yj die reellen Koordinaten mit
zj = xj + iyj . Wir setzen tj = xj (v − ζ) und sj = yj (v − ζ). Wir müssen zeigen,
dass
(20.1)
− Re Fρ (ζ, v) + Lρ (ζ, ζ − v) =
n
n
X
X
∂ρ
∂ρ
(ζ) tj +
(ζ) sj
∂x
∂y
ν
ν
j=1
j=1
¶
n µ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
1 X
∂2ρ
(ζ) tj tk +
(ζ) sj sk +
(ζ) sj tk +
(ζ) tj sk .
+
2
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
∂yj ∂xk
∂xj ∂yk
j,k=1
Es gilt vj − ζj = tj + isj und somit
n
n
X
X
∂ρ
∂ρ
(ζ) (ζj − vj ) = 2 Re
(ζ) (vj − ζj )
∂z
∂z
j
j
j=1
j=1
¶
n µ
n
n
X
X
X
∂ρ
1 ∂ρ
∂ρ
∂ρ
= Re
(ζ) +
(ζ) (tj + isj ) =
(ζ) tν +
(ζ) sν .
∂xj
i ∂xj+n
∂xν
∂xν
j=1
j=1
j=1
(20.2)
− 2 Re
Weiter gilt
∂2ρ
1
=
∂zj ∂zk
4
und
∂2ρ
1
=
∂zj ∂z k
4
µ
µ
∂2ρ
∂2ρ
1 ∂2ρ
1 ∂2ρ
−
+
+
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
i ∂xj ∂yk
i ∂yj ∂xk
∂2ρ
∂2ρ
1 ∂2ρ
1 ∂2ρ
+
−
+
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
i ∂xj ∂yk
i ∂yj ∂yk
¶
¶
,
woraus
∂2ρ
∂2ρ
(ζ) (ζj − vj )(ζj − vk ) = Re
(ζ) (tj + isj )(tk + isk )
∂zj ∂zk
∂zj ∂zk
Ã
1
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
=
(ζ) tj tk −
(ζ) tj tk −
(ζ) sj sk +
(ζ) sj sk
4 ∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
Re
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
(ζ) tj sk +
(ζ) tj sk +
(ζ) sj tk +
(ζ) sj tk
+
∂xj ∂yk
∂yj ∂xk
∂xj ∂yk
∂yj ∂xk
!
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
69
und
∂2ρ
∂2ρ
(ζ) (ζj − vj )(ζ k − v k ) = Re
(ζ) (tj + isj )(tk − isk )
∂zj ∂z k
∂zj ∂z k
Ã
1
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
(ζ) tj tk +
(ζ) tj tk +
(ζ) tj tk +
(ζ) sj sk
=
4 ∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
!
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
+
(ζ) tj sk −
(ζ) tj sk −
(ζ) sj tk +
(ζ) sj tk .
∂xj ∂yk
∂yj ∂xk
∂xj ∂yk
∂yj ∂xk
Re
folgt. Zusammen ergibt das
∂2ρ
∂2ρ
(ζ) vj vk + Re
(ζ) vj v k
∂zj ∂zk
∂zj ∂z k
Ã
!
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
1
∂2ρ
=
(ζ) tj tk +
(ζ) sj sk +
(ζ) tj tk +
(ζ) sj tk .
2 ∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
∂xj ∂yk
∂yj ∂xk
Re
Berücksichtig man, dass Lρ (ζ, v) reell ist, folgt daraus durch Aufsummieren
n
X
∂ 2 ρ(ζ)
vj vk + Lρ (ζ, v)
∂zj ∂zk
j,k=1
¶
n µ
1 X
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
∂2ρ
=
(ζ) tj tk +
(ζ) sj sk +
(ζ) sj tk +
(ζ) tj sk .
2
∂xj ∂xk
∂yj ∂yk
∂yj ∂xk
∂xj ∂yk
Re
j,k=1
Zusammen mit (20.2) ergibt das (20.1).
¤
20.3. Satz. Seien D ⊆ Cn eine offene Menge und ρ : D → R eine streng plurisubharmonische C 2 -Funktion (Def. 5.1). Weiter sei w ∈ D ein Punkt mit dρ(w) 6= 0.
Dann gibt es eine Umgebung U von w und eine biholomorphe Abbildung h von U
auf eine offene Menge V ⊆ Cn , so dass die Funktion ρ ◦ h−1 auf V streng konvex
ist (vgl. Abschnitt 15.1).
Beweis. O.B.d.A. sei w = 0. Nach Voraussetzung ist ρ streng plurisubharmonisch.
Deswegen gibt es ein α > 0 mit
Lρ (0, ζ) ≥ α|ζ|2
(20.3)
für alle ζ ∈ Cn ,
wobei Lρ (0, •) die Levi-Form von ρ im Punkt 0 ist.
Außerdem ist nach Voraussetzung dρ(0) 6= 0, d.h. mindestens eine der partiellen
Ableitungen
∂ρ
∂ρ
∂ρ
∂ρ
(0), . . . ,
(0),
(0) . . . ,
(0)
∂x1
∂xn
∂y1
∂yn
ist ungleich null. O.B.d.A. sei dies eine der Ableitungen
oder(∂ρ/∂y1 )(0). Da ρ reell ist, folgt dann
(∂ρ/∂x1 )(0)
∂ρ
(0) 6= 0 .
∂z1
Wir setzen nun
³
´ ³
´
h(z) = h1 (z), . . . , hn (z) = Fρ (0, z), z2 , . . . , zn ,
z ∈ D,
70
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
wobei
Fρ (0, z) := −2
n
n
X
X
∂ρ
∂2ρ
(0) zj −
(0) zj zk
∂zj
∂zj ∂zk
j=1
j,k=1
das Levi-Polynom von ρ im Punkt 0 ist. Die Abbildung h ist auf Cn holomorph und
es gilt h(0) = 0. (Die Komponenten sind sogar Polynome von zweiter bzw. erster
Ordnung.) Für die partiellen Ableitungen im Punkt 0 gilt:
∂h1
∂ρ
= −2
(0) 6= 0
∂z1
∂z1
sowie
∂hk
=0
∂zj
und
∂hj
=1
∂zj
für 2 ≤ j ≤ n ,
für alle 2 ≤ k < j ≤ n .
Die komplexe Jacobi-Matrix (Def. 2.8) von h im Punkt 0 ist also eine Dreiecksmatrix, deren Diagonalelemente alle von null verschieden sind. Aus dem Satz über die
Umkehrfunktion
¯ 2.10 folgt deswegen: Es gibt eine Umgebung U von 0, so dass h(U )
offen ist und h¯U biholomorph von U auf h(U ) abbildet. Es bleibt zu zeigen, dass
ρ ◦ h−1 nach eventueller Verkleinerung von U streng konvex ist.
Da h−1 biholomorph (also insbesondere C 1 -diffeomorph) ist und h−1 (0) = 0 gilt,
gibt es Konstanten 0 < c < C < ∞, so dass nach eventueller Verkleinerung von U
gilt:
¯
¯
(20.4)
c|ζ| ≤ ¯h−1 (ζ)¯ ≤ C|ζ|
für alle ζ ∈ U .
Nach Lemma 20.2 ist
ρ(0) − Re Fρ (0, •) + Lρ (0, •)
das Taylor-Polynom zweiter Ordnung von ρ im Punkt 0. Also gilt nach dem Satz
von Taylor
¡
¢
(20.5)
ρ(η) = ρ(0) − Re Fρ (0, η) + Lρ (0, η) + o |η|2
für η → 0 .
Setzt man h−1 (ζ) für η ein, so folgt daraus mit der zweiten Ungleichung in (20.4)
¡
¢
¡
¢
¡
¢
¡
¢
ρ ◦ h−1 (ζ) = ρ(0) − Re Fρ 0, h−1 (ζ) + Lρ 0, h−1 (ζ) + o |ζ|2
für ζ → 0. Da nach Definition von h für jeden Punkt ζ ∈ V
¡
¢
¡
¢ ³ ¡
¢ ¡
¢
¡
¢´
ζ1 , . . . , ζn = h h−1 (ζ) = Fρ 0, h−1 (ζ) , h2 h−1 (ζ) , . . . , hn h−1 (ζ)
und somit
¡
¢
Re Fρ 0, h−1 (ζ) = x1 (ζ)
gilt, folgt daraus weiter
¡
¢
¡
¢
¡
¢
(20.6)
ρ ◦ h−1 (ζ) = ρ(0) − x1 (ζ) + Lρ 0, h−1 (ζ) + o |ζ|2
für ζ → 0 .
Sei nun Hρ◦h−1 die Hessesche Form von ρ ◦ h−1 im Punkt 0 bezüglich der Koordinaten x1 , . . . , xn , y1 . . . , yn . (Der ausführliche Ausdruck ist ziemlich lang - vgl.
(20.1).) Dann gilt nach dem Satz von Taylor
¡
n
n
X
X
¢
∂(ρ ◦ h−1 )
∂(ρ ◦ h−1 )
(0) xj (ζ) +
(0) yj (ζ)
ρ ◦ h−1 (ζ) = ρ(0) +
∂xj
∂yj
j=1
j=1
¢
¡
für ζ → 0 .
+ Hρ◦h−1 (ζ) + o |ζ|2
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
71
Vergleicht man das mit (20.6), so erhält man
¡
¢
− x1 (ζ) + Lρ 0, h−1 (ζ)
=
n
X
∂(ρ ◦ h−1 )
j=1
∂xj
(0) xj (ζ) +
n
X
∂(ρ ◦ h−1 )
j=1
∂yj
¡
¢
(0) yj (ζ) + Hρ◦h−1 (ζ) + o |ζ|2
für ζ → 0. Das geht nur, wenn die linearen Anteile auf beiden Seiten gleich sind.
Wir können diese also weglassen und erhalten
¡
¢
¡
¢
Lρ 0, h−1 (ζ) = Hρ◦h−1 (ζ) + o |ζ|2
für ζ → 0 .
Folglich können wir durch Verkleinerung von U erreichen, dass
¯ ¡
¯ cα
¢
¯
¯
|ζ|2
für alle ζ ∈ U ,
¯Lρ 0, h−1 (ζ) − Hρ◦h−1 (ζ)¯ ≤
2
wobei α die Konstante aus der Ungleichung (20.3), und c die Konstante aus (20.4)
ist. Mit diesen Ungleichungen folgt dann weiter
¯
¯ ¯ ¡
¯
¯2 cα 2
¢¯¯ cα 2
¯
¯ ¯
|ζ| ≥ α¯h−1 (ζ)¯ −
|ζ|
¯Hρ◦h−1 (ζ)¯ ≥ ¯Lρ 0, h−1 (ζ) ¯ −
2
2
(20.7)
¯ 2 cα 2
cα 2
≥ cα¯ζ| −
|ζ| =
|ζ|
für alle ζ ∈ U .
2
2
Wegen Hρ◦h−1 (tζ) = t2 Hρ◦h−1 (ζ) für alle t ∈ R, folgt daraus
cα 2
Hρ◦h−1 (ζ) ≥
|ζ|
für alle ζ ∈ C n .
2
Die Hesse-Form von ρ ◦ h−1 im Punkt 0 ist also streng positiv definit. Da die
Hesse-Form stetig vom Punkt abhängt (die zweiten Ableitungen von ρ sind nach
Voraussetzung stetig) folgt: Nachdem wir U nochmals verkleinert haben, ist die
Hesse-Form von ρ ◦ h−1 in allen Punkten aus U streng positiv definit, d.h. ρ ◦ h−1
ist streng konvex auf U .
¤
21. Komplexe Mannigfaltigkeiten
n
Seien U, V ⊆ C offene Mengen. Eine Abbildung heißt biholomorph von U
auf V , wenn sie bijektiv und in beiden Richtungen holomorph ist. Wir werden in
diesem Fall auch sagen, dass f auf U biholomorph ist, ohne die Menge V explizit
zu benennen.
Sei X eine reelle C ∞ -Mannigfaltigkeit der reellen Dimension 2n, n ∈ N∗ .
Eine C ∞ -Karte von X heißt komplex, wenn ihr Bild in Cn liegt (was man
natürlich immer so interpretieren kann). Zwei komplexe C ∞ -Karten (U, ϕ) und
(V, ψ) von X heißen holomorph verträglich (miteinander), falls entweder U ∩V =
∅ ist oder ψ ◦ ϕ−1 biholomorph von ϕ(U ∩ V ) auf ψ(U ∩ V ) abbildet.
Ein C ∞ -Atlas {(Uα , ϕα )}α∈I von X heißt holomorph, falls er nur aus komplexen Karten besteht und für je zwei Indizes α, β ∈ I die Karten (Uα , ϕα ) und
(Uβ , ϕβ ) holomorph verträglich sind.
Sei A = {(Uα , ϕα )}α∈I ein holomorpher Atlas von X. Eine komplexe C ∞ -Karte
(U, ϕ) von X heißt holomorph verträglich mit A, falls sie mit jeder der Karten
(Uα , ϕα ), α ∈ I, holomorph verträglich ist.
Unter einer komplexen Struktur von X versteht man eine Menge S von C ∞ Karten von X, für die ein holomorpher Atlas A existiert, so dass S genau aus
den komplexen C ∞ -Karte besteht, die mit A holomorph verträglich sind. Man sagt
72
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
dann, dass S durch A definiert ist.29 Die Elemente von S heißen die Karten von
S.
21.1. Definition. Eine komplexe Mannigfaltigkeit ist, nach Definition, eine
C∞ -Mannigfaltigkeit der reellen Dimension 2n, n ∈ N∗ , auf der eine komplexe
Struktur ausgezeichnet ist.30 Die Zahl n heißt dann komplexe Dimension von X
und wird mit dimC X oder auch einfach mit dim X bezeichnet. Wir werden auch
einfach von der Dimension einer komplexen Mannigfaltigkeit sprechen, wobei dann
immer die komplexe Dimension gemeint, es sei denn wir sprechen explizit von der
reellen Dimension.
Aus praktischen Gründen werden die diskreten Teilmengen komplexer Mannigfaltigkeiten manchmal auch als komplexe Mannigfaltigkeiten der Dimension
0 bezeichnet.
Die Karten der ausgezeichneten komplexen Struktur einer komplexen Mannigfaltigkeit X heißen die holomorphen Karten von X. Ist (U, h) eine solche Karte,
so heißen die Komponenten der Funktion h holomorphe Koordinaten auf U
oder lokale holomorphe Koordinaten auf X.
Unter einem holomorphen Atlas einer komplexen Mannigfaltigkeit X versteht
man einen C ∞ -Atlas von X, dessen sämtliche Karten holomorph sind.
Jede offene Menge D ⊆ Cn hat eine kanonische komplexe Struktur. Das ist die
Menge aller Paare (U, ϕ) mit U ⊆ D, wobei ϕ biholomorph von U auf eine offene
Teilmenge von Cn abbildet. Ab jetzt interpretieren wir die offenen Teilmengen von
Cn auch als komplexe Mannigfaltigkeiten, versehen mit ihrer kanonischen Struktur.
Ist D eine offene Teilmenge einer beliebigen komplexen Mannigfaltigkeit X, so
interpretieren wir D ebenfalls auf kanonische Weise als komplexe Mannigfaltigkeit,
mit der komplexen Struktur, die aus den holomorphen Karten (U, ϕ) von X besteht,
für die U ⊆ D gilt. Wir nennen diese Struktur auch die von X induzierte Struktur.
Seien jetzt X, Y zwei komplexe Mannigfaltigkeiten. Eine Abbildung f : X → Y
heißt holomorph, wenn für jede holomorphe Karte (U,¡ϕ) von X und
¢ jede holomorphe Karte (V, ψ) von Y die Abbildung ψ ◦f ◦ϕ−1 auf ϕ U ∩f −1 (V ) holomorph ist.
Da je zwei holomorphe Karten von X holomorph verträglich sind, reicht es dafür
aus, dass für jeden Punkt ζ ∈ D mindestens eine holomorphe Karte (U, ϕ) von X
und mindestens eine holomorphe Karte (V, ψ) von ¡Y existieren, ¢so dass ζ ∈ U und
f (ζ) ∈ V gilt und die Abbildung ψ ◦ f ◦ ϕ−1 auf ϕ D ∩ f −1 (V ) holomorph ist.
Sind X und Y zwei komplexe Mannigfaltigkeit gleicher komplexer Dimension, so
heißt eine Abbildung f : X → Y biholomorph von X auf Y , wenn f bijektiv von
X auf Y ist und wenn sowohl f als auch f −1 holomorph ist.
Es ist zwar tautologisch, aber es sei trotzdem darauf hingewiesen, dass mit dieser
Definition insbesondere jede holomorphe Karte (U, ϕ) biholomorph ist von U auf
ϕ(U ).
29Es ist klar, dass unterschiedliche holomorphe Atlanten die gleiche komplexe Struktur definieren können. Es sei aber bemerkt (ohne Beweis), dass dies nicht so sein muss: Es gibt C ∞ Mannigfaltigkeit, auf denen mehrere voneinander verschiedene holomorphe Strukturen existieren.
Andererseits gibt es C ∞ -Mannigfaltigkeiten gerader reeller Dimension, die keine einzige holomorphe Struktur besitzen.
30Da ein und dieselbe C ∞ -Mannigfaltigkeit mehrere holomorphe Strukturgarben tragen kann,
ist es also nicht so (wie manchmal formuliert wird), dass eine komplexe Mannigfaltigkeit eine
reelle C∞ -Mannigfaltigkeit ist, welche mindestens einen holomorphen Atlas zulässt. Die Existenz
von holomorphen Atlanten ist lediglich eine notwendige Voraussetzung dafür, dass X zu einer
komplexen Mannigfaltigkeit gemacht werden kann.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
73
Der folgende Satz zeigt, dass man den Begriff der (p, q)-Form sowie die Definition der Operatoren ∂ und ∂ mit Hilfe holomorpher Karten auch auf komplexen
Mannigfaltigkeiten deinieren kann:
21.2. Satz. Seien D ⊆ Cn und G ⊆ Cm zwei offene Mengen, und sei h : D → G
eine holomorphe Abbildung. Ist f eine Differentialform auf G, so bezeichnen wir
mit h∗ f das pull back von f . Dann gilt:
(i) Sei f eine (p, q)-Form der Klasse C 1 auf G, 0 ≤ p, q ≤ m. Dann ist h∗ f
ebenfalls eine (p, q)-Form.31
(ii) Sei f eine C 1 -Form auf G. Dann gilt
∂h∗ f = h∗ ∂f
und
∂h∗ f = h∗ ∂f .
Beweis. (i): Seien z1 , . . . , zm die kanonischen komplexen Koordinaten des Cm , und
h1 , . . . , hm seien die Komponenten von h. Da f eine (p, q)-Form ist, hat f eine
eindeutige Darstellung der Form
X
(21.1)
f=
fIJ dzI ∧ dz J
|I|=p,|J|=q
(für die Schreibweise vgl. Abschnitt 10). Für Multiindizes I = (µ1 , . . . , µp ) ∈
{1, . . . , m}p und J = (ν1 , . . . , νq ) ∈ {1, . . . , m}q benutzen wir nun auch die
Abkürzungen
dhI := dhµ1 ∧ . . . ∧ dhµp
und dhJ := dhν1 ∧ . . . ∧ dhνq .
Dann gilt
h∗ dzI = dhI
und
h∗ dz J = dhJ .
Offenbar ist dann dhI eine (p, 0)-Form und dhJ ist eine (0, q)-Form. Damit erhält
man aus (21.1) die Darstellung
X
¡
¢
h∗ f =
fIJ ◦ h dhI ∧ dhJ ,
|I|=p,|J|=q
wobei jedes dhI ∧ dhJ eine (p, q)-Form ist. Es folgt, dass h∗ f eine (p, q)-Form ist.
(ii): Da man f in seine (p, q)-Komponenten zerlegen kann, können wir o.B.d.A.
annehmen, dass f bereits eine (p, q)-Form ist, 0 ≤ p, q ≤ m. Wegen dh∗ f = h∗ df
und d = ∂ + ∂, erhält man dann
∂h∗ f + ∂h∗ f = h∗ ∂f + h∗ ∂f ,
wobei, nach Teil (i), die Formen ∂h∗ f und h∗ ∂f vom Bigrad (p+1, q) sind, während
die Formen ∂h∗ f und h∗ ∂ vom Bigrad (p, q + 1) sind. Da die Zerlegung nach dem
Bigrad eindeutig ist folgt daraus ∂h∗ f = h∗ ∂f und ∂h∗ f = h∗ ∂f .
¤
21.3. Definition. Eine Differentialform f auf einer komplexen Mannigfaltigkeit X
heißt vom Bigrad (p, q) oder vom Typ (p, q), falls für jede holomorphe Karte (U, h)
auf X die Form (h−1 )∗ f vom Bigrad (p, q) ist, 0 ≤ p ≤ q ≤ dimC X.
Nach Satz 21.2 (i) muss man das aber nicht für jede holomorphe Karte überprüfen, sondern es gilt: Eine Differentialform f auf einer komplexen Mannigfaltigkeit X ist genau dann vom vom Bigrad (p, q), wenn für jedes w ∈ X mindestens
eine holomorphe Karte (U, h) von X existiert, so dass w ∈ U gilt und (h−1 )∗ f vom
Bigrad (p, q) ist.
31Für p > n oder q > 0 soll dass heißen h∗ f = 0.
74
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Ist X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, 0 ≤ p, q ≤ n, k ∈ N ∪ {∞}
k+α
und 0 ≤ α < 1, so bezeichnen wir mit Cp,q
(X) den Raum der (p, q)-Formen der
k+α
Klasse C
auf X.
Seien jetzt (U, ψ) und (V, ϕ) zwei holomorphe Karten einer komplexen Mannigfaltigkeit mit U ∩ V 6= ∅, und sei f eine C 1 -Form auf U ∩ V . Nach Satz 21.2 (ii) gilt
dann auf ϕ(U ∩ V )
¡ −1 ¢∗
¡
¢∗
ψ ϕ ∂(ϕ−1 )∗ f = ∂ ψ −1 ϕ (ϕ−1 )∗ f = ∂(ψ −1 )∗ f
und
¡
¢∗
¡
¢∗
ψ −1 ϕ ∂(ϕ−1 )∗ f = ∂ ψ −1 ϕ (ϕ−1 )∗ f = ∂(ψ −1 )∗ f
Auf U ∩ V folgt daraus
ϕ∗ ∂(ϕ−1 )∗ f = ψ ∗ ∂(ψ −1 )∗ f
und ϕ∗ ∂(ϕ−1 )∗ f = ψ ∗ ∂(ψ −1 )∗ f .
Damit ist die folgende Definition korrekt:
21.4. Definition. Für jede C 1 -Form f auf einer komplexen Mannigfaltigkeit X
bezeichnen wir mit ∂f und ∂f die eindeutig bestimmten Formen auf X mit
¯
¯
(21.2)
∂f ¯U = ϕ∗ ∂(ϕ−1 )∗ f
und
∂f ¯U = ϕ∗ ∂(ϕ−1 )∗ f.
Dabei gilt nach Satz 21.2 (i): Ist f eine (p, q)-Form, so ist ∂f vom Bigrad (p, q+1)
und ∂f ist eine (p + 1, q)-Form. Für jede komplexe Mannigfaltigkeit X, alle 0 ≤
p, q ≤ n = dimC X und k ∈ N∗ ∪ {∞} gilt also
(21.3)
k−1
k
∂Cp,q
(X) ⊆ Cp,q+1
(X)
und
k−1
k
∂f Cp,q
(X) ⊆ Cp+1,q
(X) .
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
k+α
Für 0 ≤ p, q ≤ n, k ∈ N∗ und 0 ≤ α < 1 bezeichnen wir mit Zp,q
(X) den Raum
32
k+α
aller f ∈ Cp,q (X) mit ∂f = 0 auf X.
21.5. Definition. Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension
n, und sei U ⊆ X eine offene Menge. Wir werden sagen, dass U biholomorph
äquivalent zu einer konvexen Menge ist, wenn es eine konvexe Menge V ⊆ Cn
und eine biholomorphe Abbildung von U auf V gibt (oder, anders gesagt, wenn es
ein h gibt, so dass (U, h) eine holomorphe Karte mit konvexem h(U ) ist).
Diese Mengen sind interessant, da wir auf ihnen, ebenso wie auf den konvexen
Teilmengen des Cn , die ∂-Gleichung bereits lösen können:
21.6. Folgerung (zu Theorem 19.1). Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, und sei U ⊆ X eine offene Teilmenge, die zu einer konvexen Menge
biholomorph äquivalent ist. Weiter seien k ∈ N∗ ∪ {∞} und 1 ≤ q ≤ n. Dann
T
k+α
k
existiert für jedes f ∈ Z0,q
(U ) ein u ∈ 0<α<1 C0,q−1
(U ) mit ∂u = f .
k
Beweis. Sei ein f ∈ C0,q
(U ) mit ∂f = 0 gegeben. Nach Voraussetzung gibt es eine
konvexe Menge V ⊆ Cn und eine biholomorphe Abbildung h von U auf V . Dann
gilt nach Satz 21.2
¡
¢∗
¡
¢∗
∂ h−1 f = h−1 ∂f = 0 ,
weswegen man nach Theorem 19.1 die Gleichung
¡
¢∗
∂e
u = h−1 f
32Man kann das auch für k = 0 definieren, wenn man die Gleichung ∂f = 0 distributionentheoretisch versteht. Vorläufig haben wir aber noch keinen Bedarf dafür.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
75
T
k+α
auf V mit einem u
e ∈ 0<α<1 C0,q−1
(V ) lösen kann. Wir setzen u = h∗ u
e. Dann ist
T
k+α
u ∈ 0<α<1 C0,q−1 (U ) und wieder aus Satz 21.2 folgt
¢∗
¡
∂u = ∂h∗ u
e = h∗ ∂e
u = h∗ h−1 f = f .
¤
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
21.7. Definition. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit. Dann definiert man die Dolbeault-Gruppen H 0,q (X) durch
H 0,0 (X) = O(X),
und
H 0,q (X) =
∞
Z0,q
(X)
für 1 ≤ q ≤ n .
∞
∂C0,q−1
(X)
Vorläufig brauchen wir auch die Faktorräume
Hk0,q (X) :=
k
(X)
Z0,q
k (X) ∩ ∂C k
Z0,q
0,q−1 (X)
,
1 ≤ q ≤ n , k ∈ N∗ ∪ {∞} ,
und
e 0,q (X) :=
H
k
Z k (X)
µ 0,q
¶,
T
k+α
k
Z0,q (X) ∩ ∂
C0,q−1 (X)
1 ≤ q ≤ n , k ∈ N∗ ∪ {∞} ,
0<α<1
die sich natürlich nur für endliches k von H 0,q (X) unterscheiden. Um den Unter0,q
schied zu unterstreichen, schreiben wir dann manchmal auch H∞
(X) anstelle von
0,q
H (X).
Die Folgerung 21.6 kann man jetzt so formulieren: Ist eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit X biholomorph äquivalent zu einer konvexen Menge, so gilt
e 0,q (X) = 0
H
k
für alle 1 ≤ q ≤ n und k ∈ N∗ ∪ {∞} .
Vorläufig werden wir auch die folgende Definition benutzen:
21.8. Definition. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, sei 1 ≤
k
e 0,q -kohomolog (zueinanq ≤ n und k ∈ N∗ . Zwei Formen f, g ∈ Z0,q
(X) heißen H
k
T
k+α
(X) existiert mit f − g = ∂u auf X (d.h.
der), falls eine Form u ∈ 0<α<1 C0,q−1
e 0,q (X) definieren).
falls f und g das gleiche Element in H
k
Da man die ∂-Gleichung lokal mit einem Gewinn an Glattheit lösen kann (vgl.
Folgerung 21.6), ergibt sich das folgende einfache aber später wichtige
21.9. Lemma. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, sei 1 ≤ q ≤ n
k
und k ∈ N∗ . Dann ist jede Form aus Z0,q
(X) zu einer Form aus
\
k+α
Z0,q
(X)
0<α<1
e 0,q -kohomolog.
H
k
76
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
k
Beweis. Sei f ∈ Z0,q
(X) Wir wählen eine offene Überdeckung {Uj }j∈I von X, so
dass jedes Uj zu einer Kugel im Cn biholomorph äquivalent ist. Nach Folgerung
21.6 gibt es dann eine Familie von Formen
\
k+α
uj ∈
C0,q−1
(Uj )
0<α<1
¯
mit ∂uj = f ¯U . Wir wählen nun weiter eine C ∞ -Zerlegung der Eins {χj }j∈I zur
j
Überdeckung {Uj }j∈I und setzen
X
u=
χj uj
und
g=−
j∈I
X
(∂χj ) ∧ uj .
j∈I
Offenbar gilt dann
\
u∈
k+α
C0,q−1
(X).
0<α<1
T
P
k+α
Ebenso ist klar dass g ∈ 0<α<1 C0,q
(X) gilt. Wegen j∈I χj ≡ 1 und damit
P
j∈I ∂χj ≡ 0 gilt außerden
Ã
!
X
X
∂g =
∂χj ∧ ∂uj =
∂χj ∧ f = 0 .
j∈I
j∈I
Also gilt
\
g∈
k+α
Z0,q
(X) .
0<α<1
Schließlich gilt
f − ∂u =
X
χj f −
j∈I
X
j∈I
χj ∂uj −
X
(∂χj ) ∧ uj = g ,
j∈I
e 0,q -kohomolog zu g.
d.h. f ist H
k
¤
22. 1-konvexe Mannigfaltigkeiten
Auch der Begriff der plurisubharmonischen Funktion überträgt sich auf komplexe
Mannigfaltigkeiten. Das zeigt der folgende
22.1. Satz. Seien U ⊆ Cn , V ⊆ Cm zwei offene Mengen, h : U → V sei holomorph,
und ρ : V → R sei eine C 2 -Funktion. Dann gilt:
(i) Sei ρ plurisubharmonisch auf V . Dann ist ρ ◦ h plurisubharmonisch auf U .
(ii) Sei n ≤ m, die komplexe Jacobi-Matrix Jh (ζ) von h (vgl. Def. 2.8) habe
maximalen Rang für alle ζ ∈ U , und ρ sei streng plurisubharmonisch auf V . Dann
ist ρ ◦ h streng plurisubhamonisch auf U .
(iii) (Folgerung aus (i) und (ii)) Sei n = m, und h sei biholomorph von U auf
V . Dann gilt
• Die Funktion ρ ist plurisubharmonisch auf V genau dann, wenn ρ ◦ h plurisubharmonisch auf U ist.
• Die Funktion ρ ist streng plurisubharmonisch auf V genau dann, wenn ρ ◦ h
streng plurisubharmonisch auf U ist.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
77
Beweis. Seien z1 , . . . , zn die kanonischen komplexen Koordinaten des Cn , seien
w1 , . . . wm die kanonischen Koordinaten des Cm , und seien h1 , . . . , hm die Komponenten von h. Da h holomorph ist, gilt dann (vgl. Übungsaufgabe 15):
m
X
∂ 2 (ρ ◦ h)
∂ 2 ρ ∂hν ∂hµ
=
∂zj ∂z k
∂wν ∂wµ ∂zj ∂z k
ν,µ=1
und somit, für alle v = (v1 , . . . , vn ) ∈ Cn ,
n
m
n
X
X
X
∂ 2 (ρ ◦ h)
∂ 2 ρ ∂hν ∂hµ
vj v k =
vj v k
∂zj ∂z k
∂wν ∂wµ ∂zj ∂z k
j,k=1
j,k=1 ν,µ=1

Ã
(22.1)
!
n
m
n
2
X
X
∂hν  X ∂hµ
∂ ρ 
=
vj
vk .
∂wν ∂wµ j=1 ∂zj
∂z k
ν,µ=1
k=1
Wir setzen nun


 
vb1 (ζ)
v1
 .. 
 .. 
vb(ζ) =  .  = Jh (ζ)  . 
vbm (ζ)
für v ∈ Cn und ζ ∈ U .
vn
Nach (22.1) gilt dann für alle ζ ∈ U und v ∈ Cn :
n
m
X
X
¢
∂ 2 (ρ ◦ h)
∂2ρ ¡
(22.2)
vµ (ζ) .
(ζ) vj v k =
h(ζ) vbν (ζ)b
∂zj ∂z k
∂zν ∂z µ
ν,µ=1
j,k=1
Ist ρ plurisubharmonisch, so ist die rechte Seite ≥ 0. Damit ist auch die linke Seite
≥ 0, d.h. ρ ◦ h ist plurisubharmonisch auf U .
Sei jetzt n ≤ m, und der Rang von Jh (ζ) sei maximal für alle ζ ∈ U . Dann ist
vb(ζ) 6= 0 für alle v ∈ Cn \ {0} und ζ ∈ U . Ist nun außerdem ρ streng plurisubharmonisch auf U , so folgt daraus, dass die rechte Seite von (22.2) streng positiv
ist für alle v ∈ Cn \ {0} und ζ ∈ U . Folglich ist auch die linke Seite streng positiv
v ∈ Cn \ {0} und ζ ∈ U , d.h. ρ ◦ h ist streng plurisubharmonisch auf U .
¤
22.2. Definition. Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit. Eine C 2 -Funktion ρ :
X → R heißt plurisubharmonisch auf X, wenn die Funktion ρ ◦ h−1 für jede
holomorphe Karte (U, h) von X plurisubharmonisch ist, und sie heißt streng plurisubharmonisch auf X, wenn die Funktion ρ ◦ h−1 für jede holomorphe Karte (U, h)
von X streng plurisubharmonisch ist.
Wegen Satz 22.1 (iii) braucht man diese Bedingung aber nicht für jede holomorphe Karte zu kontrollieren, sonderen es genügen die Karten eines holomorphen
Atlas.
22.3. Definition. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
(i) Sei 0 < k < n eine natürliche Zahl. Eine reelle C ∞ -Untermannigfaltigkeit
Y der reellen Dimension 2k von X heißt komplexe Untermannigfaltigkeit von X,
wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind:
1. Bedingung: Für jedes ξ ∈ Y existieren eine X-Umgebung Uξ von ξ und eine
biholomorphe Abbildung hξ = (hξ,1 , . . . , hξ,n ) von Uξ auf eine offene Menge Vξ ⊆
Cn , so dass
¯
n
o
¯
Y ∩ Uξ = ζ ∈ Uξ ¯ hξ,k+1 (ζ) = . . . = hξ,n (ζ) = 0 .
78
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
n³
Bemerkung: Die Familie
¯
Uξ ∩ Y, hξ ¯U
´o
ξ ∩Y
ξ∈Y
ist dann offenbar ein holomor-
pher Atlas von Y .
(ii) Die offenen Teilmengen von X (mit der von X induzierten komplexen Struktur) bezeichnet man auch als komplexe Untermannigfaltigkeiten der komplexen
Dimension n von X.
(iii) Unter einer 0-dimensionalen komplexen Untermannigfaltigkeit von X versteht man eine Teilmenge, die in X diskret ist.
2. Bedingung: Die durch diesen Atlas definierte komplexe Struktur ist auf Y ausgezeichnet.
22.4. Bemerkung. Aus Satz 22.1 folgt sofort: Ist Y eine komplexe Untermannigfaltigkeit einer komplexen Mannigfaltigkeit X und dimC Y ≥ 1, so gilt:
¯
Für jede plurisubharmonische C2 -Funktion ρ : X → R ist ρ¯Y plurisubharmonisch
auf Y .
¯
Für jede streng plurisubharmonische C2 -Funktion ρ : X → R ist ρ¯Y streng plurisubharmonisch auf Y .
22.5. Definition. (i) Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit, und sei ρ : X → R
eine C 2 -Funktion. Wir setzen
sup ρ = sup ρ(η) .
η∈X
Die Funktion ρ heißt C 2 -Ausschöpfungsfunktion von X, falls die Menge
¯
n
o
¯
ζ ∈ X ¯ ρ(ζ) ≤ α
für alle α ∈ R mit α < sup ρ kompakt ist. Sie heißt beschränkt, falls sup ρ < ∞,
und sie heißt unbeschränkt, falls sup ρ = ∞.
(ii) Eine komplexe Mannigfaltigkeit X heißt 1-konvex, falls es eine C 2 Ausschöpfungsfunktion ρ von X und eine kompakte Menge K ⊆ X gibt, so dass
ρ auf X \ K streng plurisubharmonisch ist.33 Kann man dabei K = ∅ wählen, so
heißt X vollständig 1-convex.
Die vollständig 1-konvexen offenen Teilmengen des Cn sind nach unserer Definition 5.2 genau die pseudokonvexen Mengen, und nach Theorem 7.5 ist jede
1-konvexe offene Teilmenge des Cn bereits vollständig 1-konvex. Für allgemeine
komplexe Mannigfaltigkeiten fallen diese beiden Begriffe nicht mehr zusammen.
Bläst man zum Beispiel im Cn einen Punkt auf (eine Konstruktion, die wir später
kennen lernen werden), so erhält man eine 1-konvexe Mannigfaltigkeit, die nicht
mehr vollständig 1-konvex ist.
22.6. Definition. Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit. Eine relativ kompakte offene Teilmenge von X heißt streng pseudokonvexes C2 -Gebiet, falls eine Umgebung U von D und eine zweimal stetig differenzierbare Funktion ρ : U → R
33Zur Terminologie: Es gibt auch den Begriff der q-konvexen Mannigfaltigkeit. Das bedeutet,
das es eine C 2 -Ausschöpfungsfunktion von X gibt, deren Levi-Matrix (bezüglich lokaler holomorpher Koordinaten) außerhalb einer kompakten Menge mindestens n − q + 1 positive Eigenwerte
hat.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
79
existieren, so dass ρ in einer Umgebung von ∂D streng plurisubharmonisch ist und
so dass gilt:
¯
n
o
¯
D = z ∈ U ¯ ρ(z) < 0
und
dρ(ζ) =
6 0 für ζ ∈ ∂D.
22.7. Bemerkung. Jedes streng pseudokonvexe C2 -Gebiet in einer komplexen
Mannigfaltigkeit ist 1-konvex.
In der
¯ Tat, seien D und ρ wie in der vorangegangenen ¯Definition. Offenbar ist
von D mit sup ρ¯D = 0, und, ist V eine
dann ρ¯D eine C 2 -Ausschöpfungsfunktion
¯
Umgebung von ¯∂D, so dass ρ¯V streng plurisubharmonisch ist, so ist K := D \ V
kompakt und ρ¯D ist streng plurisubharmonisch auf D \ K.
22.8. Folgerung (zu Satz 20.3). Mit den Bezeichnungen aus Definition 22.6 gilt:
Für jeden Punkt ξ ∈ ∂D gibt es eine holomorphe Karte (U, h) von X mit ξ ∈ U , so
dass h(U ) die Einheitskugel ist,
¯
©
ª
h(U ) = ζ ∈ Cn ¯ |ζ| < 1 ,
¯
©
ª
und die Funktion ρ ◦ h−1 auf ζ ∈ Cn ¯ |ζ| < 1 streng konvex ist. Insbesondere gilt:
Für jedes α ∈ R wird die Menge
¯
©
ª
ζ ∈ U ¯ ρ(ζ) < α
durch h biholomorph auf eine konvexe Teilemenge des Cn abgebildet.
Beweis. Sei ξ ∈ ∂D gegeben. Nach Satz 20.3 existiert eine holomorphe Karte (W, w)
von X mit ξ ∈ W , so dass ρ ◦ w−1 auf w(W ) streng konvex ist. Wir wählen ε > 0
so klein, dass die Kugel
¯
n
o
¡
¢
¯
Bε w(ξ) := ζ ∈ Cn ¯ |ζ − w(ξ)| < ε
in w(W ) enthalten ist. Setzt man
¡ ¡
¢
U = w−1 Bε w(ξ)
und
h(ζ) =
¢
1¡
w(ζ) − w(ξ) ,
ε
ζ ∈ U,
so erhält man die gesuchte Karte (U, h).
¤
23. Die Grauertsche Beulenmethode. Erster Schritt
23.1. Definition. Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension
n, und sei
¯
©
ª
Br := ζ ∈ Cn ¯ |ζ| < r ,
r > 0.
Unter einer konvexen Grauert-Beule in X verstehen wir ein Paar (A, B) von
streng pseudokonvexen C 2 -Gebieten in X mit A ⊆ B und mit der folgenden Eigenschaft: Es gibt eine holomorphe Karte (U, h) von X mit
•
•
•
•
h(U ) = B1 ;
B \ A ⊆ U;
h(U ∩ A) ist konvex;
h(U ∩ B) ist konvex.
Wir werden die ∂-Gleichung zuerst auf streng pseudokonvexen C 2 -Gebieten im
C mit Hilfe dieser Grauert-Beulen lösen. Der erste Schritt ist das folgende
n
80
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
23.2. Lemma. Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension
k
n, sei (A, B) eine konvexe Grauert-Beule, und sei f ∈ Zo,q
(A), 1 ≤ q ≤ n, k ∈
¯
∗
k
e 0,q -kohomolog ist
¯
N ∪ {∞}. Dann gibt es ein g ∈ Z0,q (B), so dass f zu g A H
k
(Definition 21.8).
Beweis. Sei (U, h) die Karte aus Definition 23.1. Nach Folgerung 21.6 gibt es dann
T
k+α
ein v ∈ 0<α<1 C0,q−1
(A ∩ U ) mit
¯
∂v = f ¯A∩U .
Wir wählen eine offene Menge V mit B \ A ⊆ V und V ⊆ U . Dann wählen wir eine
C ∞ -Funktion χ auf X mit χ ≡ 1 auf V und χ ≡ 0 und supp χ ⊆ U , und setzen
(
χv
auf A ∩ U ,
u=
0
auf A \ U .
T
k+α
Wegen supp χ ⊆ U ist das eine wohldefinierte Form aus 0<α<1 C0,q−1
(A). Auf der
Menge V gilt nun
χ≡1
und
∂χ ≡ 0,
was auf A ∩ V die Beziehung
f − ∂u = f − ∂χ ∧ v − χ∂v = f − ∂v.
nach sich zieht. Wegen ∂v = f auf A ∩ U ⊇ A ∩ V folgt daraus schließlich
f − ∂u ≡ 0
auf A ∩ V.
Da V eine Umgebung von B \ A ist, kann man daher durch
(
auf A ,
f − ∂u
g :=
0
auf B ∩ V ,
k
e 0,q (B) definieren, so dass, nach Definition, f und g|A H
eine Form g ∈ Z0,q−1
k
kohomolog sind.
¤
Mit dem folgenden Lemma zeigen wir, das jedes streng pseudoconvexe C2 -Gebiet
D durch Hinzufügen endlich vieler konvexer Grauert-Beulen in eine Umgebung von
D überführt werden kann.
23.3. Lemma. Es sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension
n, und ρ : X → R sei eine streng plurisubharmonische Funktion. Wir setzen
¯
n
o
¯
Dt = ζ ∈ X ¯ ρ(ζ) < t ,
für t ∈ R .
Weiter seien zwei reelle Zahlen α < β gegeben, so dass Dβ in X relativ kompakt
ist und so, dass außerdem gilt:
dρ(ζ) 6= 0
für alle ζ ∈ Dβ \ Dα .
(Damit ist dann jede der Mengen Dt mit ¡α ≤ t ≤ β ein streng pseudokonvexes
¢
C 2 -Gebiet in X.) Dann gibt es ein N -Tupel (A1 , B1 ), . . . , (AN , BN ) von konvexen
Grauert-Beulen mit A1 = Dα , Bj = Aj+1 für 1 ≤ j ≤ N − 1 und BN = Dβ .
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
81
Beweis. Offenbar genügt es ein ε0 > 0 zu finden, so dass ¡man zu jedem α ≤ γ < β¢
und jedem ε mit 0 < ε ≤ ε0 und γ + ε ≤ β ein N -Tupel (A1 , B1 ), . . . , (AN , BN )
von konvexen Grauert-Beulen finden kann mit
(23.1)
A1 = Dγ ,
(23.2)
Bj = Aj+1
(23.3)
BN = Dγ+ε .
Sei
für 1 ≤ j ≤ N − 1 ,
¯
n
o
¡ ¢
¯
Bt η := ζ ∈ Cn ¯ |ζ − η| < ε
für t > 0 und η ∈ Cn .
Sei nun zuerst ein Punkt ξ ∈ X. Nach Satz 20.3 gibt es dann eine holomorphe
Karte (W, w) von X mit ξ ∈ W , so dass ρ ◦ w−1 auf w(W ) streng konvex ist. Wir
wählen ε > 0 so klein, dass die Kugel
¯
n
o
¡
¢
¯
Bε w(ξ) := ζ ∈ Cn ¯ |ζ − w(ξ)| < ε
in w(W ) enthalten ist, und setzen
¡ ¡
¢
U = w−1 Bε w(ξ)
und
¢
1¡
w(ζ) − w(ξ) , ζ ∈ U.
ε
Damit haben wir eine holomorphe Karte (U, h) von X mit den folgenden Eigenschaften gefunden:
• ξ ∈ U;
• h(ξ) = 0;
• h(U ) = B1 (0);
• ρ ◦ h−1 ist auf B1 (0) streng konvex.
Wir werden (in diesem Beweis) solche Karten spezielle Karten nennen. Für eine
spezielle Karte (U, h) setzen wir
³
´
U 0 = h−1 B1/2 (0) .
h(ζ) =
Da die Menge Dβ \Dα kompakt ist, können wir nun endlich viele spezielle Karten
(U1 , h1 ), . . . , (UN , hN ) finden, so dass
0
Dβ \ Dα ⊆ U10 ∪ . . . ∪ UN
.
Wir wählen nun relle, nicht negative C ∞ -Funktionen χ1 , . . . , χN auf X mit
(23.4)
supp χj ⊆ Uj0 ,
1 ≤ j ≤ N,
und
(23.5)
χ1 + . . . + χN = 1
auf Dβ \ Dα .
Jetz wählen wir ein ε0 > 0 so klein, dass für alle 0 < ε ≤ ε0 jede der Funktionen
ρj = ρ − ε
j
X
χν ,
1 ≤ j ≤ N,
ν=1
die folgenden drei Eigenschaften hat
Eigenschaft (a): dρj (ζ) 6= 0 für alle ζ ∈ Dβ \ Dα .
Eigenschaft (b): ρj ist streng plurisubharmonisch auf einer Umgebung von Dβ \Dα ;
Eigenschaft (c): Für alle 1 ≤ k ≤ N ist die Funktion ρj ◦ h−1
k streng konvex auf
B1/2 (0).
82
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Eigenschaft (a) kann man erreichen, da ρ keine kritischen Punkte in der kompakten
Menge Dβ \Dα hat, und dort auch keine kritischen Punkte entstehen können, wenn
man eine Funktion addiert, deren erste Ableitungen hinreichend klein sind. Eigenschaft (b) kann man erreichen, da ρ diese Eigenschaft hat und da sie nicht verloren
geht, wenn man eine Funktion addiert, deren zweite Ableitungen auf Dβ \ Dα hinreichend klein sind (die Levi-Matrix enthält nur zweite Ableitungen). Eigenschaft
(c) kann man erreichen, da ρ ◦ h−1
k auf B1 (0) streng konvex ist, und deswegen auf
der kompakten Teilenge B 1/2 (0) streng konvex bleibt, wenn man eine Funktion
addiert, deren zweite Ableigungen dort hinreichend klein sind.
Es seien nun ein α ≤ γ < β und ein ε mit 0 < ε ≤ ε0 und γ + ε ≤ β gegeben.
Wir setzen
ρ0 = ρ ,
¯
n
o
¯
Aj = ζ ∈ X ¯ ρj−1 (ζ) < γ
Bj = Aj+1
¯
n
o
¯
BN = ζ ∈ X ¯ ρN (ζ) < γ .
für 1 ≤ j ≤ N ,
für 1 ≤ j ≤ N − 1 ,
Offenbar gilt dann (23.1). Weiter gilt
ρ = ρ0 ≥ ρ1 ≥ . . . ≥ ρN −1 ≥ ρN = ρ − ε
auf Dβ \ Dα ,
denn die Funktionen χν , 1 ≤ ν ≤ N , sind nicht negativ und es gilt (23.5). Daraus
folgt, dass auch (23.2) und (23.3) gelten.
Die Mengen A1 , . . . , AN und B1 , . . . , BN sind streng pseudoconvexe C 2 -Gebiete.
In der Tat, für A1 = Dγ und BN = Dγ+β ist das klar, und, da die Funktionen ρ1 , . . . , ρN −1 die Eigenschaften (a) und (b) haben und da die Mengen
A2 = B1 , . . . , AN = BN −1 in Dβ \ Dα enthalten sind, folgt es auch für diese
Mengen.
Sei nun ein 1 ≤ j ≤ N gegben. Wir müssen noch zeigen, dass (Aj , Bj ) eine
konvexe Grauert-Beule ist. Dass Aj und Bj streng pseudoconvexe C 2 -Gebiete sind,
haben wir eben schon festgestellt. Es genügt daher zu zeigen, dass die Karte (Uj , hj )
die in Definition 23.1 genannten Eigenschaften hat. Da (Uj , hj ) eine spezielle Karte
ist, haben wir zunächst schon mal hj (Uj ) = B1 . Aus (23.5) folgt
ρj = ρj−1
auf X \ Uj0 .
Da Uj0 in Uj relativ kompakt ist, gilt also auch die Eigenschaft
B j \ Aj = Aj+1 \ Aj ⊆ Uj .
Schlielich haben wir die Eigenschaft (c). Danach ist sowohl die Funktion ρj ◦ h−1
j
als auch die Funktion ρj−1 ◦ h−1
konvex. Folglich sind die Mengen
j
¯
¯
n
o
n
o
ej := ζ ∈ B1 (0) ¯¯ (ρj−1 ◦ h−1 )(ζ) < γ
ej := ζ ∈ B1 (0) ¯¯ (ρj ◦ h−1 )(ζ) < γ
A
und
B
j
j
ej und hj (Bj ) = B
ej ist damit der Beweis beendet.
konvex. Wegen hj (Aj ) = A
¤
Wir können nun das folgende wichtige Theorem beweisen.
23.4. Theorem. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, und sei
D ⊆ X ein streng pseudokonvexes C 2 -Gebiet in X. Dann gibt es eine Umgebung
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
83
k
UD von D, so dass für alle k ∈ N∗ ∪ {∞}, 1 ≤ q ≤ n und f ∈ Z0,q
(D) gilt: Es
existiert eine Form
\
k+α
g∈
Z0,q
(UD ) ,
0<α<1
so dass f zu g|D
e 0,q -kohomolog ist (Definition 21.8).
H
k
Beweis. Seien U und ρ wie in Definition 22.6. Dann gibt es ein ε > 0, so dass
¯
n
o
¯
ζ ∈ U ¯ ρ(ζ) ≤ ε
kompakt ist und ρ auch in einer Umgebung von
¯
o
n
¯
ζ ∈ U ¯ ρ(ζ) ≤ ε \ D
streng plurisubharmonisch und ohne kritischen Punkte ist. Wir setzen
¯
n
o
¯
UD = ζ ∈ X ¯ ρ(ζ) < ε .
¡
¢
Nach Lemma 30.2 gibt es dann ein N -Tupel (A1 , B1 ), . . . , (AN , BN ) von konvexen
Grauert-Beulen mit A1 = D, Bj = Aj+1 für 1 ≤ j ≤ N − 1 und BN = UD . Durch
Anwendung von Lemma 23.2 erst auf die Beule (D, B1 ) = (A1 , B1 ), dann auf die
Beule (A2 , B2 ) ... usw. ... und schließlich auf die Beule (AN , BN ) = (AN , UD ) erhält
man eine Form
k
ge ∈ Z0,q
(UD ) ,
¯
e 0,q -kohomolog ist. Es bleibt zu bemerken, dass ge nach Lemma
so dass f zu ge¯D H
k
21.9 zu einer Form
\
k+α
g∈
Z0,q
(UD ) ,
0<α<1
e 0,q -kohomolog ist.
H
k
¤
Unser Problem ist (mit den Bezeichnungen aus dem vorangegangenen Theorem):
Wir wollen für eine auf D gegebenen ∂-geschlossene (0, q)-Form f die Gleichung
∂u = f genau auf D lösen. Der Nutzen des eben bewiesenen Theorems besteht
nun darin, das wir dieses Problem auf das Problem reduziert haben, die Gleichung
∂u = g auf D zu lösen, wobei g auf der Umgebung UD gegeben ist und außerdem von besserer Glattheit ist als f . Wir dürfen also beim Lösen das Gebiet etwas
verkleinern. Dass darin ein erheblicher Vorteil liegt, folgt aus einem allgemeinen
Prinzip der Funktionalanalysis, nämlich dem Satz von Laurent Schwartz über kompakt gestörte lineare Surjektionen zwischen Fréchet-Räumen. Da dieser Satz in den
Vorlesungen zur Funktionalanalysis an unserer Universität nicht behandelt wird
und da er auch in Büchern kaum zu finden ist, wird hier ein Abschnitt mit dem
Beweis dieses Satzes eingefügt.
24. Der Satz von Laurent Schwartz über kompakt gestörte
Surjektionen zwischen Fréchet-Räumen
Grundkenntnisse über Frécheträume wie den Satz von Banach über offene Abbildungen (open mapping theorem) für Operatoren zwischen Frécheträumen setzen
wir hier voraus. Diese Thematik ist in vielen Lehrbüchern sehr gut darstellt, wie z.B.
k+α
in [Ru’]. (Uns interessieren diese Räume, weil die Räume C0,q
(D) Frécheträume
sind.) Wir beweisen hier jedoch einen wichtigen Satz von Laurent Schwartz, der
84
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
weniger leicht in der Literatur zu finden ist (meist findet man nur den Fall von
Banachrämen).
24.1. Definition. Sind E und F zwei Frécheträume und ist K : E → F eine lineare
Abbildung, so heißt K kompakt, falls es eine Umgebung U der Null in E gibt, so
dass K(U ) relativ kompakt in F ist.
24.2. Satz (Satz von Laurent Schwartz). Seien E, F zwei Frécheträume, A : E → F
eine stetige lineare Surjektion, und K : E → F eine kompakte lineare Abbildung.
Dann ist der Raum (A + K)(E) von endlicher Kodimension und topologisch abgeschlossen in F .
Dabei muss nur die Endlichkeit der Kodimension von (A+K)(E) gezeigt werden.
Die topologische Abgeschlossenheit ergibt sich daraus mit der folgenden einfachen
Konsequenz aus dem Satz von Banach über offene Abbildungen:
24.3. Lemma. Seien E, F zwei Frécheträume und A : E → F eine stetige lineare Abbildung, so dass A(E) in F von endlicher Kodimension ist. Dann ist A(E)
topologisch abgeschlossen in F .
Beweis. Sei k die Kodimension von A(E) in F . Dann gibt es linear unabhängige
Vektoren y1 , . . . , yk ∈ F , die gemeinsam mit A(E) ganz F aufspannen. Wir defie : E ⊕ Ck → F durch A(x,
e 0) = Ax für
nieren eine stetige lineare Abbildung A
e
e
(x, 0) ∈ E ⊕ 0 und A(0, v) = v1 y1 + . . . + vk yk für (0, v) ∈ 0 ⊕ Ck . Dann ist A
surjektiv ¡und somit offen,¢ nach dem Satz von Banach. Insbesondere ist also die
Menge A E ⊕ Ck \ E ⊕ 0 offen in F . Dies ist aber genau das Komplement von
A(E).
¤
Wir zeigen nun zuerst ein spezielleres Lemma, aus dem Satz 24.2 dann leicht
hergeleitet werden kann. Dabei benutzen wir die folgende Bezeichnung: Ist p eine
stetige Halbnorm auf einem Fréchetraum F , so setzen wir
¯
n
o
¯
U [p] = x ∈ E ¯ p(x) < 1 .
24.4. Lemma. Seien E, F zwei Frécheträume und A : E → F eine stetige lineare
Surjektion. Weiter sei K : E → F eine lineare Abbildung, für die eine stetige
¡
¢
Halbnorm p auf E existiert, so dass K U [p] kompakt ist und außerdem
¡
¢ 1 ¡
¢
K U [p] ⊆ A U [p]
(24.1)
2
gilt. Dann ist A + K wieder surjektiv.
Beweis. Sei (pj )j∈N eine Folge von stetigen Halbnormen auf E, welche die Topologie
von E definiert. Wir setzen
m
¯ X
n
1 o
¯
für m ∈ N ∗ .
W0 = E und Wm = x ∈ E ¯
pj (x) < m
2
j=1
Da A linear ist, folgt aus (24.1)
³
´
¡
¢
(24.2)
K U [p] ⊆ A 2−1 U [p] .
Da A surjektiv und somit offen ist (Satz
S von Banach), ist jedes A(Wm ) eine Umgebung der Null in F . Folglich gilt F ⊆ ν∈N 2ν A(Wm ) für jedes m ∈ N. Mit (24.2)
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
85
ergibt das
∞
³
´
[
¡
¢
K U [p] ⊆
A 2ν Wm ∩ 2−1 U [p]
für jedes m ∈ N.
ν=0
³
´
Da die Mengen A 2ν Wm ∩ 2−1 U [p] offen sind (Satz von Banach, A ist surjektiv)
¡
¢
und K U [p] kompakt ist, folgt daraus die Existenz einer streng monoton wachsenden Folge (Nm )m∈N von Zahlen Nm ∈ N mit N0 = 0 und
³
´
¡
¢
K U [p] ⊆ A 2Nm Wm ∩ 2−1 U [p]
für jedes m ∈ N.
Da K und A linear sind, folgt daraus weiter
³
´
¡
¢
(24.3)
K 2−k U [p] ⊆ A 2Nm −k Wm ∩ 2−k−1 U [p]
für alle k, m ∈ N.
¡
¢
Da A + K linear und A U [p] eine Umgebung
¡
¢ der Null in F ist, genügt es für
¡ die¢
Surjektivität von A + K zu zeigen, dass A U [p] ⊆ (A + K)(E). Sei ein y ∈ A U [p]
gegeben. Wir müssen ein x ∈ E finden mit A(x)+K(x) = y. Dazu wählen wir zuerst
ein x0 ∈ U [p] mit A(x0 ) = y und konstruieren dann induktiv eine Folge (xk )k∈N∗ ,
so dass für alle k ∈ N∗ gilt:
(24.4)
xk ∈ 2Nm −k+1 Wm ∩ 2−k U [p]
für das m ∈ N mit Nm < k ≤ Nm+1 ,
und
(24.5)
A(xk ) = −K(xk−1 ).
¡
¢
Induktionsanfang: Aus (24.2) folgt, dass K(x0 ) ∈ A 2−1 U [p] . Wir können also
ein x1 ∈ 2−1 U [p] mit A(x1 ) = −K(x0 ) wählen. Dann gilt natürlich (24.5) für
k = 1. Außerdem gilt dann (24.4) für k = 1, denn die Folge (Nν )ν∈N wächst streng
monoton und es gilt N0 = 0 und W0 = F .
Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen an, für ein l ∈ N∗ seien bereits Vektoren
x1 , . . . , xl gefunden, so dass (24.4) und (24.5) für k = 1, . . . , l gelten.
Induktionsschritt: Sei M (l) die Zahl aus N mit
(24.6)
NM (l) < l ≤ NM (l)+1 .
Da nach Induktionsvoraussetzung für k = l die Beziehung (24.4) gilt, gilt dann
insbesondere xl ∈ 2−l U [p], woraus mit (24.3) weiter folgt:
³
´
(24.7)
K(xl ) ∈ A 2Nm −l Wm ∩ 2−l−1 U [p]
für alle m ∈ N. Wir unterscheiden nun die Fälle l = NM (l)+1 und l < NM (l)+1 . Sei
zuerst l = NM (l)+1 . Da (24.7) insbesondere für m = M (l) + 1 gilt, können wir dann
ein
(24.8)
xl+1 ∈ 2NM (l)+1 −l WM (l)+1 ∩ 2−l−1 U [p]
mit A(xl+1 ) = −K(xl ) wählen. Dann gilt natürlich (24.5) für k = l + 1, und (24.4)
für k = l + 1 fällt mit (24.8) zusammen, denn wegen (24.6) und l = MM (l)+1 gilt
ist m = M (l) + 1 die Zahl mit Nm < l + 1 ≤ Nm+1 . Sei nun l < NM (l)+1 . Da (24.7)
auch für m = M (l) gilt, können wir dann ein
(24.9)
xl+1 ∈ 2NM (l) −l WM (l) ∩ 2−l−1 U [p]
86
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
mit A(xl+1 ) = −K(xl ) wählen. Dann gilt natürlich wieder (24.5) für k = l + 1,
und (24.4) für k = l + 1 fällt jetzt mit (24.9) zusammen, denn wegen (24.6) und
l < NM (l)+1 ist jetzt m = M (l) die Zahl Nm < l + 1 ≤ Nm+1 .
Nachdem diese Folge konstruiert ist, schließen wir wie folgt weiter. Aus (24.4)
folgt
Nm+1
X
k=Nm +1
Nm+1
xk ∈
X
2Nm −k+1 Wm ⊆ 2Wm
für alle m ∈ N.
k=Nm +1
Da die Folge (Wm ) eine Umgebungsbasis von Null in E ist, folgt daraus, dass die
PN
Folge der Partialsummen k=0 xk , N ∈ N, eine Cauchy-Folge ist. Da E vollständig
ist, konvergiert also die Summe
x :=
∞
X
xk
k=0
in E, und aus (24.5) folgt (da A und K linear und stetig sind)
(A + K)(x) = lim
N →∞
N
X
k=0
A(xk ) + lim
N →∞
N
−1
X
K(xk ) = A(x0 ) = y.
k=0
¤
Beweis von Satz 24.2. Nach Lemma 24.3 müssen wir nur zeigen, dass (A + K)(E)
endliche Kodimension hat. Da K kompakt ist, gibt es eine stetige Halbnorm p auf
¡
¢
E, so dass K ¡U [p] ¢ kompakt ist. Da A surjektiv
¡
¢und somit offen ist (Satz von
Banach), ist A U [p] offen. Dann ist auch 21 A U [p] eine Umgebung der Null und
¡
¢
folglich gibt es endlich viele Vektoren g1 , . . . , gN ∈ K U [p] mit
¶
N µ
[
¢
1 ¡
K U [p] ⊆
gj + A U [p] .
2
j=1
¡
¢
Sei G der von g1 , . . . , gN aufgespannte Unterraum von F , und sei π : F → F/G
sei die kanonische Abbildung von F auf den Faktorraum F/G. Dann ist π ◦ A eine
¡
¢
stetige lineare Surjektion von E auf F/G, (π ◦ K) U [p] ist kompakt, und es gilt
µ
¶
³ ¡
¡
¢
¢´
¢
¡
¢
1 ¡
1
(π ◦ K) U [p] ⊆ π K U [p] ⊆ π
A U [p] = (π ◦ A) U [p] .
2
2
Aus Lemma 24.4 folgt nun π ◦ (A + K)(E) = F . Dies bedeutet aber gerade, dass
der endlichdimensionale Raum G zusammen mit (A + K)(E) ganz F aufspannt,
d.h. (A + K)(F ) ist von endlicher Kodimension in F .
¤
25. Endlichkeitssatz für ∂ auf streng pseudokonvexen C 2 -Gebieten
Um den Satz von Laurent Schwartz anwenden zu können, statten wir für jede
k+α
komplexe Mannigfaltigkeit X die Räume C0,q
(X), k ∈ N ∪ {∞}, 0 ≤ α < 1,
k+α
0 ≤ q ≤ n, mit der C
-Topologie aus. Wir erklären zuerst, was das ist:
Dazu betrachten wir eine beliebige reelle C ∞ -Mannigfaltigkeit M der rellen Dimension m. Weiter seien ein k ∈ N und ein 0 ≤ α < 1 gegeben. Für 0 ≤ r ≤ m,
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
87
bezeichnen wir mit Crk+α (M ) den Raum der Differentialformen vom Grad r auf M ,
deren Koeffizienten bezüglich lokaler Koordinten von der Klasse C k+α sind. 34
Sei jetzt ω ⊆ M eine kompakte Menge, die so klein ist, dass in einer Umgebung davon reelle C ∞ -Koordinaten existieren, und seien solche Koordinaten
x1 , . . . , xm gewählt. Wir benutzen die üblichen Abkürzungen für Multiindizes
β = (β1 , . . . , βm ) ∈ Nm :
Dβ :=
∂ β1 +...+βm
∂xβ1 1 . . . ∂xβmm
und
|β| := β1 + . . . + βm .
Ist nun f eine komplex-wertige C k+α -Funktion in einer Umgebung von ω, so setzen
wir
¯
¯
kf kxk1 ,...,xm ; ω = max ¯(Dβ f )(ζ)¯ ,
|β|≤k , ζ∈ω
und, falls 0 < α < 1,
1 ,...,xm ; ω
kf kxk+α
=
kf kxk1 ,...,xm ; ω
+
sup
ζ,η∈ω , ζ6=η
¯
¯
¯f (ζ) − f (η)¯
¯
¯
¯ x(ζ) − x(η)¯α
Ist f ∈ Crk+α (M ) mit 1 ≤ r ≤ m und ist
X
f=
fi1 ,...,ir dxi1 ∧ . . . ∧ dxir ,
1≤i1 ,...,ir ≤m
die lokale Darstellung von f bezüglich der Koordinaten x1 , . . . , xm , so setzen wir
1 ,...,xm ; ω
kf kxk+α
=
max
1≤i1 ,...,ir ≤m
1 ,...,xm ; ω
kfi1 ,...,ir kxk+α
1 ,...,xm ; ω
Offenbar erhält man so für alle 0 ≤ r ≤ m eine Halbnorm k · kxk+α
auf
k+α
Cr (M ).
Sei nun I die Menge aller (x1 , . . . , xm ; ω), wobei ω eine kompakte Teilmenge
von M ist und x1 , . . . , xm reelle C ∞ -Koordinaten in einer Umgebung von ω sind.
Die von den Halbnormen
n
o
1 ,...,xm ; ω
k · kxk+α
(x1 ,...,xm ; ω)∈I
Crk+α (M )
auf
definierte Fréchet-Topologie heißt C k+α -Topologie. (Man sieht leicht,
dass dies tatschlich eine Fréchet-Topologie ist.)
Die von den Halbnormen
n
o
k · kxk1 ,...,xm ; ω
T
(x1 ,...,xm ; ω)∈I , k∈N
definierte Fréchet-Topologie heißt C ∞ auf dem Raum
:=
Topologie.
Manchmal ist es auch von Interesse, für festes k ∈ N, den Raum
\
Crk+α (M )
Cr∞ (M )
k
k∈N Cr (M )
0<α<1
mit der Familie von Halbnormen
n
o
1 ,...,xm ; ω
(25.1)
k · kxk+α
(x1 ,...,xm ; ω)∈I , 0<α<1
auszustatten. Offenbar ist auch das ein Fréchet-Raum.
34Für die Definition des letzten Begriffs vgl. die Fußnote zu Satz 13.3.
88
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
25.1. Definition. Sei nun wieder X eine komplexe Mannigfaltigeit der komplexen
Dimension n. Sei 0 ≤ q ≤ n, k ∈ N ∪ {∞} und 0 ≤ α < 1.
k+α
(X) betrachten wir ab jetzt als Fréchet-Raum mit der C k+α Den Raum C0,q
k+α
(X) offenbar ein abgeschlossener Unterraum davon
Topologie. Ist k ≥ 1, so ist Z0,q
k+α
(X)
und damit selbst ein Fréchet-Raum. 35 Ab jetzt interpretieren wir auch Z0,q
k+α
als Fréchet-Raum mit der C
-Topologie.
k
Für k ≥ 1 führen wir außerdem den Raum B0,q
(X) ein. Das ist der Raum aller
T
k+α
k
f ∈ Z0,q (X), für welche ein u ∈ 0<α<1 C0,q−1 (X) existiert mit ∂u = f auf X.
k
Der Raum B0,q
(X) muss nicht abgeschlossen sein in der C k -Topologie, sondern es
gehört gerade zu den wichtigen Ergebnissen der komplexen Analysis, dass dies unter
gewissen Vorassetzungen bewiesen werden kann. Ein solches wichtiges Ergebnis ist
in dem folgenden Endlichkeitssatz enthalten:
25.2. Theorem. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, und sei D
ein streng pseudokonvexes C 2 -Gebiet in X. Weiter sei 1 ≤ q ≤ n und k ∈ N∗ . Dann
k
k
ist B0,q
(D) von endlicher Kodimension in Z0,q
(D) und (folglich, nach Lemma 24.3)
k
abgeschlossen bezüglich der C -Topologie. Es gilt also (vgl. Definition 21.8)
e 0,q (D) < ∞
dim H
k
für alle 1 ≤ q ≤ n und k ∈ N∗ .
Beweis. Nach Theorem 23.4 gibt es eine Umgebung UD von D mit der folgenden
Eigenschaft:
(25.2)
k
Für jedes f ∈ Z0,q
(D) existieren
\
\
k+α
k+α
C0,q−1
g∈
Z0,q
(D)
(UD ) und u ∈
0<α<1
0<α<1
mit f = g|D + ∂u .
Wir versehen die Räume
(25.3)
\
k+α
Z0,q
(UD )
0<α<1
und
\
(25.4)
k+α
C0,q−1
(D) ,
0<α<1
mit der Fréchet-Topologie, die durch die Halbnormen (25.1) definiert ist. Weiter sei
k
(D):
Dom ∂ das Definitionsgebiet von ∂ als Operator zwischen (25.4) und Z0,q
(
)
¯
\
¯
k+α
k
Dom ∂ := u ∈
C0,q−1
(D) ¯ ∂u ∈ Z0,q
(D) ,
0<α<1
versehen mit der Graphen-Topologie. Auch Dom ∂ ist ein Fréchet-Raum, denn der
Operator ∂ ist abgeschlossen mit diesem Definitionsgebiet.
In der Tat, sei uj ∈ Dom ∂ eine Folge, so dass
\
k+α
u := lim uj
existiert in
C0,q−1
(D)
j→∞
0<α<1
35Hier brauchte man den Fall k = 0 nicht auszuschließen, aber den distributionentheoretsch
0+α
zu definierenden Raum Z0,q
(X) haben wir noch gar nicht eingeführt.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
89
und
k
existiert in Z0,q
(D).
f := lim ∂uj
j→∞
Wegen k ≥ 1 folgt daraus in der C 0 -Topologie:
∂u = lim ∂uj = f
j→∞
und somit u ∈ Dom ∂.
Wir definieren nun zwei Abbildungen
!
Ã
\
k+α
k
(D) ,
A, B :
Z0,q
(UD ) ⊕ Dom ∂ −→ Z0,q
0<α<1
¯
durch A(g, u) = g ¯D und B(g, u) = ∂u für
Ã
!
\
k+α
(g, u) ∈
Z0,q (UD ) ⊕ Dom ∂ .
0<α<1
Offenbar sind diese Abbildungen linear und stetig. Die Abbildung A ist nach dem
Satz von Arzela-Ascoli sogar kompakt, denn D ist eine kompakte Teilmenge von
UD . Die Summe A + B ist nach (25.2) surjektiv. Daraus folgt mit dem Satz von
k
(D) endliche Kodimension hat
Laurent-Schwartz (24.2), dass das Bild von B in Z0,q
k
(D) ist (nach Definition
und topologisch abgeschlossen ist. Da dieses Bild gleich B0,q
k
¤
von B0,q (D)), ist damit der Beweis beendet.
26. Die Laufersche Alternative
26.1. Satz. Sei D eine beliebige offene Teilmenge im Cn . Dann gilt für alle 0 ≤
q ≤ n und 1 ≤ q ≤ n die Laufersche Alternative:
• entweder H p,q (D) = 0
• oder dim H p,q (D) = ∞.
(Dabei ist mit dim H p,q (D) die Dimension von H p,q (D) als komplexer Vektorraum
gemeint.
Beweis. Wir führen den Beweis indirekt. Wir nehmen also an: Es gibt 0 ≤ p ≤ n
und 1 ≤ q ≤ n mit
0 < dim H p,q (D) < ∞.
Seien z1 , . . . , zn die kanonischen komplexen Koordinaten des Cn . Ist P = p0 + p1 ζ +
. . .+pm ζ m ein komplexes Polynom einer komplexen Veränderlichen ζ, so bezeichnen
wir (in diesem Beweis) mit Pz1 das Polynom in z1 , . . . , zn , das durch
Pz1 = p0 + p1 z1 + . . . + pm z1m
definiert ist. Wir definieren: Ein komplexes Polynom P einer komplexen Veränderlichen heißt Laufer-Polynom, falls
P 6≡ 0
und
∞
(D)
Pz1 f ∈ ∂Cp,q−1
∞
für alle f ∈ Zp,q
(D) .
Wir werden nun zuerst zeigen, dass es Laufer-Polynome gibt.
Sei N = dim H p,q (D). Nach Annahme ist 0 < N < ∞. Wir wählen eine Basis
∞
F1 , . . . , FN in H p,q (D). Weiter wählen wir Formen f1 , . . . , fN ∈ Zp,q
(D) mit fj ∈
Fj , 1 ≤ j ≤ n.
90
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Dann ist insbesondere fj 6≡ 0 für alle 1 ≤ j ≤ N . Man überlegt sich nun leicht,
dass für jedes 0 ≤ j ≤ N das System der Formen
fj , z1 fj , . . . , z1N fj
∞
als System von Vektoren im Vektorraum Zp,q
(D) linear unabhängig ist. Da die
∞
Länge dieses System gleich N + 1 ist und da die Kodimension von ∂Cp,q−1
(D) in
∞
Zp,q (D) gleich N ist, folgt daraus: Für jedes 1 ≤ j ≤ N gibt es einen Vektor
komplexer Zahlen
³
´
(j)
(j)
(26.1)
α0 , . . . , αN 6= 0
mit
(26.2)
(j)
(j)
(j)
∞
(D) .
α0 fj + α1 z1 fj + . . . + αN z1N fj ∈ ∂Cp,q−1
Wir definieren nun Polynome P1 , . . . , PN
(j)
(j)
(j)
Pj (ζ) = α0 + α1 ζ + . . . + αN ζ N ,
ζ ∈ C, 1 ≤ j ≤ N .
Die Beziehung (26.2) nimmt dann die Form
∞
(D)
(Pj )z1 fj ∈ ∂Cp,q−1
∞
(D) nicht
an. Da die Multiplikation mit einer holomorphen Funktion aus ∂Cp,q−1
heraus führt (denn ∂ kommutiert damit), folgt daraus
³
´
∞
(26.3)
(P1 )z1 · . . . (PN )z1 fj ∈ ∂Cp,q−1
(D)
für 1 ≤ j ≤ N .
Dann ist P := P1 ·. . .·PN ein Laufer-Polynom. In der Tat, aus (26.1) folgt zunächst,
∞
dass P 6≡ 0. Sei nun ein f ∈ Zp,q
(D) gegeben. Da die Formen f1 , . . . , fN in H p,q (D)
∞
∞
(D)
eine Basis definieren und folglich zusammen mit ∂Cp,q−1
(D) den Raum Zp,q
aufspannen, gibt es dann Zahlen cj ∈ C mit
f = c1 f1 + . . . + cN fN .
Daraus folgt mit (26.3)
∞
(P )z1 f = c1 (P )z1 f1 + . . . + cN (P )z1 fN ∈ ∂Cp,q−1
(D) .
Die Menge der Laufer-Polynome ist also nicht leer. Wir wählen ein LauferPolynom P minimalen Grades. Wenn dieser Gradg = 0 ist, sind wir fertig, denn
dann ist P eine Konstante 6= 0, d.h. es gibt eine komplexe Zahl C 6= 0 mit
∞
∞
∞
∞
(D), woraus Zp,q
(D) = ∂Cp,q−1
(D) folgt, was ein Widerspruch
CZp,q
(D) ⊆ ∂Cp,q−1
p,q
zu der Annahme dim H (D) > 0 ist.
Angenommen, der Grad von P ist ≥ 1. Dann betrachten wir wieder eine beliebige
∞
∞
Form f ∈ Zp,q
(D). Da P ein Laufer-Polynom ist, gilt Pz1 f ∈ ∂Cp,q−1
(D), d.h. es
∞
existiert ein v ∈ Cp,q−1 (D) mit
Pz1 f = ∂v .
Wendet man auf diese Gleichung den Operator ∂/∂z1 an (soll heißen, wir wenden
ihn auf die Koeffizienten der auf den beiden Seiten stehenden Formen an) und
berücksichtigt man, dass ∂/∂z1 und ∂ kommutieren, so folgt
∂v
∂Pz1
∂f
f + Pz1
=∂
.
∂z1
∂z1
∂z1
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
91
∞
Da auch ∂f /∂z1 zu Zp,q
(D) gehört (denn ∂/∂z1 und ∂ kommutieren) und da P ein
∞
Laufer-Polynom ist, existiert ein w ∈ Cp,q−1
(D) mit
Pz1
∂f
= w.
∂z1
Somit erhalten wir schließlich
∂Pz1
∂v
f + ∂w = ∂
,
∂z1
∂z1
d.h.
∂Pz1
f =∂
∂z1
µ
∂v
−w
∂z1
¶
.
∞
Da f beliebig aus Zp,q
(D) gewählt war, bedeutet dies, dass auch die komplexe
0
Ableitung P von P ein Laufer-Polynom ist. Da der Grad von P 0 kleiner ist als der
von P , ist das ein Widerspruch zur Minimalität des Grades von P .
¤
27. Regularität von ∂, Čech-Kohomologie und
Dolbeault-Isomorphismus
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
Mit Theorem 25.2 haben wir insbesondere gezeigt, dass für jedes streng pseudokonvexe C 2 -Gebiet D in X, jedes 1 ≤ q ≤ n = dimC X und alle endlichen k ∈ N∗
gilt:
(27.1)
dim Hk0,q (D) < ∞ .
e 0,q (D) < ∞. Eine wichtiges
Theroem 25.2 enthält sogar die schärfere Aussage dim H
k
Argument im Beweis von Theorem 25.2 war die Tatsache, dass nach dem Satz von
Arzela-Ascoli für jede Umgebung U von D und jedes α > 0 die Einschränkungsabbildung
k+α
k
C0,q
(U ) −→ C0,q
(D)
kompakt ist. Die (ebenfalls richtige) Aussage, dass (27.7) auch für k = ∞ gilt,
konnten wir so nicht beweisen, da die Einschränkungsabbildung
∞
∞
C0,q
(U ) −→ C0,q
(D)
nicht kompakt ist.
Für X = Cn haben wir dann die Laufersche Alternative (Theorem 26.1) gezeicgt.
0,q
Das ging aber nur für H 0,q (D) (=H∞
(D)). Hätten wir (27.1) auch für k = ∞, so
würde das zusammen mit der Lauferschen Alternative für X = Cn sofort
H 0,q (D) = 0
ergeben.
Glücklicherweise ist das jedoch kein wirkliches Problem, denn wir werden sehen, dass für jede komplexe Mannigfaltigeit X die Aussagen H10,q (X) = 0 und
H 0,q (X) = 0 äquivalent sind. Es gilt sogar das folgende allgemeinere Theorem:
27.1. Theorem. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, und sei
1 ≤ q ≤ n. Dann ist die natürliche Abbildung
(27.2)
H 0,q (X) −→ H10,q (X)
92
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
ein Isomorphismus.36
In diesem Abschnitt beweisen wir dieses Theorem nur für den Fall, dass X eine
offene Teilmenge des C n ist. Den allgemeinen Fall beweisen wir später.
Theorem 27.1 folgt schnell aus allgemeinen Sätzen der Garbentheorie (vgl. z.B.
[La], [HL2]). Es ist aber ziemlich kompliziert, diese allgemeinen Sätze der Garbentheorie zu formulieren und zu beweisen. Das Ganze wird dagegen vergleichsweise
einfach, wenn man die allgemeine Garbentheorie auf den hier vorliegenden Spezialfall ”herunterbricht”. Außerdem hat das den Vorteil, dass man dabei wirklich
nachvollziehen kann, wie die konstruierten Abbildungen aussehen, so dass man z.B.
auch die Stetigkeitseigenschaften der kostruierten Abbildungen sehen kann. (In der
rein algebraischen Garbentheorie werden diese nicht einmal formuliert.)37
Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts soll das getan werden.
Unter einer Garbe auf einem topologischen Raum T versteht man eine
Abbildung, deren Definitionsgebiet die Menge aller offenen Mengen von T ist, wenn
sie gewisse Axiome erfüllt. Das ”Herunterbrechen”beginnen wir nun damit, dass wir
diese Axiome gar nicht formulieren. Stattdessen zählen wir die wenigen benötigten
Garben einfach auf. Wir kennen diese bereits, haben sie bisher nur nicht so genannt.
Es handelt sich um die folgenden Garben:
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit. Dort haben wir zunächst
die Garbe O, welche jeder nicht leeren offenen Menge U ⊆ X den komplexen
Vektorraum O(U ) zuordnet. (Dass O(U ) sogar ein Ring ist, interessiert uns an
∞
∞
, 0 ≤ q ≤ n,
und Z0,q
dieser Stelle nicht.) Weiter betrachten wir die Garben C0,q
∞
(U )
die jeder nicht leeren offenen Menge U ⊆ X die komplexen Vektorräume C0,q
1
1
∞
, 0 ≤ q ≤ n, welche jeder
und Z0,q
(U ) zuordnen, sowie die Garben C0,q
und Z0,q
1
1
(U ) und Zp,q
(U )
nicht leeren offenen Menge U ⊆ X die komplexen Vektorräume C0,q
1
zuordnen. Schließlich sei Cb0,q , 0 ≤ q ≤ n, die Garbe, die jeder nicht leeren offenen
Menge U ⊆ X den Raum
¯
n
o
¯
1
1
1
Cb0,q
(U ) = f ∈ C0,q
(U ) ¯ ∂f ∈ C0,q+1
(U )
k
k
k
(∅) und Cb0,q
(∅) ist jeweils der Nullraum gemeint.
(∅), Z0,q
zuordnet. Mit O(∅), C0,q
27.2. Definition. Sei F eine der eben genannten Garben
über einer n© ª
dimensionalen komplexen Mannigfaltigkeit X, und U = Uj j∈I sei eine offene
36Mit etwas mehr Anstrengung kann man auch das Folgende beweisen (vgl. z.B. Corollary 2.15
in [HL2]): Sind m, k ∈ N∗ ∪ {∞} mit m ≥ k, so ist die natürliche Abbildung
e 0,q (X) −→ H 0,q (X)
H
m
1
ein Isomorphismus.
37Manchmal sind diese Stetigkeitseigenschaften wichtig, nicht aber in dieser Vorlesung, weswegen wir im weiteren auf entsprechende Hinweise verzichten.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
93
Überdeckung von X. Dann definiert man die folgenden komplexen Vektorräume38
Y
C 0 (U , F) =
F(Uj ),
j∈I
Y
C 1 (U , F) =
¡
¢
F Uj ∩ Uk
j,k∈I
und allgemein
Y
r
C (U , F) =
¡
¢
F Uj0 ∩ . . . ∩ Ujr
für r ≥ 1.
j0 ,...,jr ∈I
r
Die Elemente aus C (U, F) heißen r-Koketten von F zur Überdeckung U . Unter
einer r-Kokette von F zur Überdeckung U versteht man also eine Abbildung f ,
die¡ jedem (r + 1)-Tupel
(j0 , . . . , jp ) von Indizes aus I eine Vektor des Vektorraumes
¢
F Uj0 ∩ . . . ∩ Ujr zuordnet. Diesen Vektor werden wir mit fj0 ,...,jr bezeichnen, und
für die ganze Abbildung f werden wir auch die Schreibweise
n
o n
o
f = fj0 ,...,jr = fj0 ,...,jr
j0 ,...,jr ∈I
verwenden. Man definiert nun die folgenden komplex-linearen Abbildungen, die man
als Korandoperatoren bezeichnet:
δ : C r (U, F) −→ C r+1 (U, F),
durch
¡ ¢
δf j
0 ,...,jr+1
=
r
X
r = 0, 1, . . . ,
¯
¯
(−1)k fj0 ... kb ...jr+1 ¯
k=0
Wir setzen
Uj0 ∩...∩Ujr+1
.
¯
n
o
¯
Z r (U, F) := f ∈ C r (U , F) ¯ δf = 0
Die Vektoren aus Z r (U, F) heißen r-Kozyklen von F zur Überdeckung
© U.
ª Dabei hat man für r = 0 die folgende Besonderheit: Für eine 0-Kokette fj j∈I ∈
C 0 (U, F) gilt nach Definition von δ
¾
¯
³© ª ´ ½ ¯
¯
¯
δ fj j∈I = fj ¯
− fk ¯
,
Uj ∩Uk
Uj ∩Uk
¯
d.h. sie gehört genau dann zu Z 0 (U, F) wenn fj ¯U
j ∩Uk
j,k∈I
¯
= fk ¯Uj ∩U für alle j, k ∈
k
I. Man kann deswegen Z 0 (U, F) mit F(X) identifizieren und Z 0 (U, F) = F(X)
schreiben.
Schließlich definieren wir auch den ∂-Operator
¡
¡
¢
k
k
∂ : C r U , Ce0,q
) −→ C r U, Z0,q+1
,
r ∈ N , 0 ≤ q ≤ n , k ∈ N∗ ,
durch
©
ª
∂f = ∂fj0 ,...,jr j
0 ,...,jr ∈I
,
¡
¢
k
),
f ∈ C r U, Ce0,q
und notieren, dass δ ∂ = ∂ δ.
27.3. Lemma. Sei F eine der oben genannten
© ª Garben über einer n-dimensionalen
komplexen Mannigfaltigkeit X, und U = Uj j∈I sei eine offene Überdeckung von
X. Dann gilt δC r (U , F) ⊆ Z r+1 (U, F) für alle r ∈ N.
Q
38Ist {G }
α α∈A eine Familie von Vektorräumen, so bezeichnen wir mit
α∈A Gα den kom-
plexen Vektorraum aller Familien {xα }α∈A mit xα ∈ Gα , wobei die Vektorraumoperationen
komponentenweise definiert ist.
94
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Beweis. Lässt man zur Verkürzung der Schreibweise die EinschränkungsAbbildungen weg, so gilt
r+2
³ ¡ ¢´
X
¡ ¢
(−1)k δf i0 ... ...ir+2
δ δf
=
i0 ,...,ir+2
=
r+2
X
k
(−1)
k=0
X
b
k
k=0
Ãk−1
X
(−1) fi0 ... lb ... kb ...ir+2 +
l=0
!
r+2
X
l
l−1
(−1)
fi0 ... kb ... lb ...ir+2
l=k+1
(−1)k+l fi0 ... lb ... kb ...ir+2 −
0≤l<k≤r+2
X
(−1)k+l fi0 ... lb ... kb ...ir+2 = 0.
0≤k<l≤r+2
¤
27.4. Definition. Sei F eine der oben genannten Garben
über einer n© ª
dimensionalen komplexen Mannigfaltigkeit X, und U = Uj j∈I sei eine offene
Überdeckung von X. Wegen Lemma 27.3 sind die Faktorgruppen
H r (U , F) :=
Z r (U, F)
,
δZ r−1 (U, F)
r ≥ 1,
wohldefiniert. Außerdem sei
H 0 (U , F) := Z 0 (U , F) = F(X).
Die Gruppe H r (U, F), r ∈ N, heißt r-te Čech-Kohomologie-Gruppe oder einfach r-te Kohomologie-Gruppe der Garbe F bezüglich der Überdeckung U.39
27.5.ª Lemma. Sei X eine n-dimensionale komplexen Mannigfaltigkeit X, und U =
©
Uj j∈I sei eine offene Überdeckung von X. Dann gibt es lineare Abbildungen
³
´
³
´
1
1
(27.3)
Ar,q : Z r U, Cb0,q
−→ C r−1 U, Cb0,q
,
r ∈ N∗ , 0 ≤ q ≤ n − 1 ,
so dass für alle r ∈ N∗ und 0 ≤ q ≤ n − 1 gilt:
¡
¢
¡
¢
∞
∞
(27.4)
Ar,q Z r U, C0,q
⊆ C r−1 U , C0,q
,
(27.5)
und
(27.6)
¡
¢
1
für alle f ∈ Z r U, Cb0,q
δAr,q f = f
³ ¡
¢´
¡
¢
1
1
∂Ar,q Z r U, Z0,q
⊆ Z r−1 U, Z0,q+1
.
Beweis. Wir wählen eine C ∞ -Zerlegung der Eins {χµ }µ∈I zur Überdeckung U. Sei
³
´
1
1
f ∈ Z r U, Cb0,q
. Nach Fortsetzung durch null gilt dann χµ fµ j0 ... jr−1 ∈ Cb0,q
(Uj0 ∩
. . . ∩ Ujr−1 ) für alle µ ∈ I. Deswegen wird durch
³
´
X
1
(Ar,q f )j ... j
=
χ f
,
f ∈ Z r U , Cb0,q
0
µ
r−1
µ j0 ... jr−1
µ∈I
eine Abbildung
³
´
³
´
1
1
−→ C s−1 U, Cb0,q
A : Z r Cb0,q
korrekt definiert. Offenbar ist diese Abbildung linear und es gilt (27.4).
39Die in der Garbentheorie definierten Räume H r (X, F), die nicht mehr von der Überdeckung
abhängen, brauchen wir hier nicht.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
95
³
´
1
Wir zeigen (27.5). Sei f ∈ Z r U, Cb0,q
gegeben, und seien j0 , . . . , jr ∈ I. Dann
gilt
r
r
X
X
X
(−1)k (Ar,q f )j0 ... c ... jr =
χµ
(−1)k fµ j0 ... ck ... jr
(δAr,q f )j0 ...jr =
k
k=0
µ∈I
k=0
Außerdem gilt wegen δf = 0 für jedes µ ∈ J
r
X
0 = (δf )µ j0 ... jr = fj0 ... jr +
(−1)k+1 fµ j0 ... c ... jr ,
k
k=0
d.h.
was wegen
r
X
P
µ∈I
(−1)k fµ j0 ... c ... jr = fj0 ... jr ,
k
k=0
χµ ≡ 1 zusammen
(δu)j0 ...jr =
X
χµ fj0 ... jr = fj0 ... jr
µ∈I
ergibt.
¢
¡
1
gegeben. Wegen
Wir zeigen noch (27.6). Sei f ∈ Z r U, Z0,q
³
´
1
Ar,q f ∈ C r−1 U, Cb0,q
gilt dann
¡
¢
1
∂Ar,q f ∈ C r−1 U, Z0,q
.
Außerdem folgt aus δ∂ = ∂δ und (27.5)
δ∂Ar,q f = ∂δAr,q f = ∂f = 0 ..
¤
27.6. Lemma. Mit den Bezeichnungen von Lemma 27.5 gilt für alle 0 ≤ q ≤ n − 1
und r ∈ N∗ mit r ≥ 2:
¡
¢
¡
¢
1
1
(27.7)
∂u − ∂Ar,q δu ∈ δC r−2 U, Z0,q+1
für alle u ∈ C r−1 U, Cb0,q
und
(27.8)
¡
¢
∞
∂u − ∂Ar,q δu ∈ δC r−2 U, Z0,q+1
¡
¢
∞
für alle u ∈ C r−1 U , C0,q
.
Insbesondere gilt also
³
¡
¢´
¡
¢
1
1
∂Ar,q δC r−1 U, Z0,q
⊆ δC r−2 U, Z0,q+1
(27.9)
und
³
¡
¡
¢´
¢
∞
∞
∂Ar,q δC r−1 U , Z0,q
⊆ δC r−2 U, Z0,q+1
.
(27.10)
¡
¢
1
gegeben. Wegen (27.5) gilt dann
Beweis. Sei u ∈ C r−1 U, Cb0,q
¡
¢
1
u − Ar,q δu ∈ Z r−1 U, Cb0,q
,
und mit (27.4) folgt daraus
¡
¢
∞
u − Ar,q δu ∈ Z r−1 U, C0,q
,
Wir setzen nun
¡
¢
∞
falls u ∈ C r−1 U, C0,q
.
¡
¢
v = Ar−1,q u − Ar,q δu .
96
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
Nach Definition von Ar−1,q und wegen (27.4) gilt dann
¡
¢
1
v ∈ C r−2 U, Cb0,q
und
¡
¢
∞
v ∈ C r−2 U, C0,q
,
Weiter folgt mit (27.5), dass
(27.11)
u − Ar,q δu = δv .
Daraus folgt weiter
und
¡
¢
∞
falls u ∈ C r−1 U, C0,q
.
¡
¢
1
∂v ∈ C r−2 U, Z0,q+1
¡
¢
∞
∂v ∈ C r−2 U, Z0,q+1
,
¡
¢
∞
falls u ∈ C r−1 U, C0,q
.
Dabei erhält man wegen ∂ δ = δ ∂ aus (27.11)
¡
¢
δ ∂ v = ∂ δ v = ∂ u − Ar,q δu = ∂u − ∂Ar,q δu .
¡
¢
¡
¢
1
∞
,
Also liegt ∂u−∂Ar,q δu in δC r−2 U , Z0,q+1
, und es liegt sogar in δC r−2 U, Z0,q+1
¡
¢
r−1
∞
falls u ∈ C
U, C0,q .
¤
27.7. Lemma. Wir benutzen wieder die Bezeichnungen aus Lemma 27.5. Wir setzen für 0 ≤ q ≤ n und r ∈ N∗
n
o
¡
¢ ¯¯
1
1
(27.12)
Mr,q
= u ∈ C r−1 U, Cb0,q
¯ ∂δu = 0
und
¡
¢ 40
∞
1
∞
∩ C r−1 U, C0,q
.
= Mr,q
Mr,q
(27.13)
Weiter bezeichnen wir für 0 ≤ q ≤ n und r ∈ N die kanonischen Projektionen
¡
¢
¡
¢
¡
¢
¡
¢
1
1
∞
∞
Z r U, Z0,q
−→ H r U, Z0,q
und Z r U, Z0,q
−→ H r U, Z0,q
,
alle mit dem gleichen Buchstaben πZ→H , und die kanonischen Projektionen
¡
¢
¡
¢
∞
1
H r U, Z0,q
−→ H1r U, Z0,q
) und H 0,q (X) −→ H10,q (X)
bezeichnen wir alle mit π∞→1 .
Seien nun 0 ≤ q ≤ n − 1 und r ∈ N∗ gegeben. Dann gibt es genau eine lineare
Abbildung
¡
¢
¡
¢
1
1
(27.14)
ρ1r,q : H r U, Z0,q
−→ H r−1 U, Z0,q+1
mit
(27.15)
ρ1r,q πZ→H δu = πZ→H ∂u
1
für alle u ∈ Mr,q
sowie genau eine lineare Abbildung
¡
¢
¡
¢
r
∞
r−1
∞
(27.16)
ρ∞
U, Z0,q+1
r,q : H U, Z0,q −→ H
mit
(27.17)
ρ∞
r,q πZ→H δu = πZ→H ∂u
∞
für alle u ∈ Mr,q
.
Dabei gilt
(27.18)
1
π∞→1 ρ∞
r,q = ρr,q π∞→1 .
40M ∞ ist also der Raum aller u ∈ C r−1 ¡U , C ∞ ¢, für die sowohl δu ∈ Z r ¡U , Z ∞ ¢ als auch
r,q
0,q
0,q
¢
¡
∞
gilt.
∂u ∈ Z r−1 U , Z0,q+1
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
97
Beweis. Sei k einer der Indizes 1 oder ∞. Dann folgt aus den Lemmata 27.5 und
27.6, dass wir eine lineare Abbildung
¡
¢
¡
¢
k
k
∂ ◦ Ar,q : Z r U, Z0,q
−→ Z r−1 U, Z0,q+1
haben, die den Kern von
¢
¡
¢
¡
k
k
−→ H r U , Z0,q
πZ→H : Z r U , Z0,q
in den Kern von
¡
¢
¡
¢
k
k
πZ→H : Z r−1 U, Z0,q+1
−→ H r−1 U, Z0,q+1
abbildet. Folglich gibt es genau eine lineare Abbildung
¡
¢
¡
¢
k
k
−→ H r−1 U, Z0,q+1
ρkr,q : H r U, Z0,q
mit
ρkr,q πZ→H f = πZ→H ∂Aq,r f
¡
¢
k
für alle f ∈ Z r U, Z0,q
.
k
Für u ∈ Mr,q
folgt daraus mit (27.7) und (27.8)
ρr,q πZ→H δu = πZ→H ∂Aq,r δu = π∂u .
Es gibt also lineare Abbildungen (27.14) und (27.16) mit (27.15) und (27.17). Dass
es jeweils nur eine solche Abbildung geben kann, folgt daraus, dass die Abbildungen
¡
¢
1
1
−→ Z r U, Z0,q
δ : Mr,q
und
¡
¢
∞
∞
−→ Z r U, Z0,q
δ : Mr,q
nach Lemma 27.4 surjektiv sind. Aus dieser Surjektivität folgt mit (27.15) und
(27.15) auf (27.18).
¤
27.8. Lemma. Wir benutzen die Bezeichnungen der Lemmata 27.5 und 27.7.
Zusätzlich sei jetzt vorausgesetzt, dass X eine offene Teilmenge des Cn ist und
dass die Überdeckung U nur konvexe Mengen enthält. Dann gilt:
(i) Für alle 0 ≤ q ≤ n−1 und r ∈ N mit r ≥ 2 gilt: Die Abbildung ρ1r,q ist ein Iso¢
¢
¡
¡
1
1
, und ρ∞
auf H r−1 U, Z0,q+1
morphismus von H r U, Z0,q
r,q ist ein Isomorphismus
¢
¡
¢
¡
r−1
∞
r
∞
von H U, Z0,q auf H
U, Z0,q+1 . Dabei gilt
(27.19)
ρ1r,q π∞→1 = π∞→1 ρ∞
r,q .
(ii) Für alle 1 ≤ q ≤ n gilt: Die Abbildung ρ11,q−1 induziert einen Isomorphismus
¡
¢
1
ρb11,q−1 : H 1 U, Z0,q−1
−→ H10,q (X) ,
und die Abbildung ρ∞
1,q−1 induziert einen Isomorphismus
¡
¢
1
∞
0,q
ρb∞
(X) .
1,q−1 : H U, Z0,q−1 −→ H
Dabei gilt
(27.20)
ρ11,q−1 π∞→1 = π∞→1 ρ∞
1,q−1 .
Im Hinblick auf eine Verallgemeinerung dieses Lemmas, die wir später benötigen,
beweisen wir gleich eine Verallgemeinerung davon. Um das zu formulieren, benutzen
wir die folgende
98
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
27.9. Definition.
Sei X eine n-dimensionale komplexen Mannigfaltigkeit X, und
© ª
sei U = Uj j∈I eine offene Überdeckung von X. Wir werden die Überdeckung U
azyklisch nennen, falls
¡
¢
¡
¢
H 0,q Uj0 ∩ . . . ∩ Ujm = 0 und H10,q Uj0 ∩ . . . ∩ Ujm = 0
für je endlich viele Indizes j0 , . . . , jm ∈ I und für alle 1 ≤ q ≤ n.
Ist X eine offene Teilmenge des Cn , so ist jede Überdeckung azyklisch, die nur
aus konvexen offenen Teilmengen von X besteht. Das folgt aus Theorem 19.1 und
daraus, dass der Durchschnitt konvexer Mengen wieder konvex ist. Jede offene Teilmenge des Cn besitzt also beliebig feine azyklische Überdeckungen. Weiter unten
werden wir sehen, dass für jede komplexe Mannigfaltigkeit beliebig feine azyklische
Überdeckungen besitzt, nämlich: Wir werden zeigen (Theorem ???????? ), dass
eine Überdeckung einer komplexen Mannigfaltigkeit azyklisch ist, wenn sie nur aus
Mengen besteht, die zu pseudokonvexen Teilmengen des C n biholomorph äquivalent
sind.41 Die angekündigte Verallgemeinerung von Satz 27.10 lautet nun:
27.10. Theorem. Wir benutzen die Bezeichnungen der Lemmata 27.5 und 27.7.
Zusätzlich sei vorausgesetzt, dass die Überdeckung U azyklisch ist. Dann gilt:
(i) Für alle 0 ≤ q ≤ n−1 und r ∈ N mit r ≥ 2 gilt: Die Abbildung ρ1r,q ist ein Iso¢
¢
¡
¡
1
1
, und ρ∞
auf H r−1 U, Z0,q+1
morphismus von H r U, Z0,q
r,q ist ein Isomorphismus
¢
¢
¡
¡
r−1
∞
r
∞
U, Z0,q+1 . Dabei gilt
von H U, Z0,q auf H
(27.21)
ρ1r,q π∞→1 = π∞→1 ρ∞
r,q .
(ii) Für alle 1 ≤ q ≤ n gilt: Die Abbildung ρ11,q−1 induziert einen Isomorphismus
¡
¢
1
ρb11,q−1 : H 1 U, Z0,q−1
−→ H10,q (X) ,
und die Abbildung ρ∞
1,q−1 induziert einen Isomorphismus
¡
¢
1
∞
0,q
(X) .
ρb∞
1,q−1 : H U, Z0,q−1 −→ H
Dabei gilt
(27.22)
ρ11,q−1 π∞→1 = π∞→1 ρ∞
1,q−1 .
Beweis von (i). Sei wieder k einer der Indizes 1 oder ∞.
Injektivität: Da die Abbildung
¡
¢
k
k
δ : Mr,q
−→ Z r U, Z0,q
nach Lemma 27.5 surjektiv ist und da (27.15) und (27.15) gelten, genügt es zu
k
zeigen, dass für jedes u ∈ Mr,q
mit π∂u = 0 auch πδu = 0 gilt.
k
Sei u ∈ Mr,q mit π∂u = 0 gegeben. Dann hat ∂u die Form ∂u = δv mit v ∈
¡
¢
k
C r−1 U, Z0,q+1
. Da die Überdeckung U azyklisch ist, gilt:
¡
¢
1
mit v = ∂w.
Im Fall k = 1 existiert w ∈ C r−1 U, Cb0,q
¡
¢
r−1
∞
Im Fall k = ∞ existiert w ∈ C
U , C0,q mit v = ∂w.
41Insbesondere ist also eine Überdeckung azyklisch, wenn sie nur aus Mengen besteht, die zu
konvexen Mengen im Cn biholomorph äquivalent sind. Das können wir aber im Moment noch
nicht beweisen, da der Durchschnitt zweier solcher Mengen nicht wieder biholomorph äquivalent
sein musse zu einer konvexen Teilmenge des Cn - er ist nur biholomorph äquivalent zu einer
pseudokonvexen Menge im Cn .
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
99
In beiden Fällen gilt
∂(u − δw) = 0 ,
¡
¢
k
d.h. u − δw ∈ C r−1 U, Z0,q+1
,
und weiter folgt daraus
¡
¢
k
δu = δ(u − δw) ∈ δC r−1 U, Z0,q+1
,
d.h. πδu = 0.
¡
¢
k
Surjektivität: Wegen (27.15) und (27.17) genügt es für jedes g ∈ Z r−1 U, Z0,q+1
¡
¢
k
k
zu finden mit ∂u = g. Sei g ∈ Z r−1 U, Z0,q+1
gegeben. Da die
ein u ∈ Mr,q
Überdeckung azyklisch ist, gilt:
¡
¢
1
Im Fall k = 1 existiert u ∈ C r−1 U , Cb0,q+1
mit g = ∂u.
¡
¢
r−1
∞
Im Fall k = ∞ existiert u ∈ C
U , C0,q+1 mit g = ∂u.
k
In beiden Fällen gilt δ∂u = δg = 0, d.h. u ∈ Mr,q
.
¤
Beweis von (ii). Sei wieder k einer der Indizes 1 oder ∞.
.....................................................
¤
Aus diesem Theorem ergibt sich unmittelbar das folgende:
27.11. Theorem (Dolbeault-Isomorphismus). Sei X eine n-dimensionale komplexe
Mannigfaltigkeit, und sei U = {Uj }j∈I eine azyklische Überdeckung.42 Dann gilt für
¡
¢
alle 1 ≤ q ≤ n: Die Räume H q U , O , H 0,q (X) und H10,q (X) sind isomorph.
Genauer gilt (mit den Bezeichnungen von Theorem 27.10): Die Abbildung
ρ1 := ρ1q,0 ◦ . . . ◦ ρ12,q−2 ◦ ρb11,q−1
¡
¢
ist ein Isomorphismus von H q U , O auf H10,q (X), und die Abbildung
∞
ρ∞ := ρ∞
b∞
q,0 ◦ . . . ◦ ρ2,q−2 ◦ ρ
1,q−1
¡
¢
ist ein Isomorphismus von H q U , O auf H 0,q (X). Dabei gilt
ρ1 = π∞→1 ρ∞ ,
woraus folgt, dass die natürliche Abbildung (27.2) ein Isomorphismus ist.
Für den Fall, dass X eine offene Teilmenge des Cn ist, ist also Theorem 27.1
bewiesen. Zusammen mit der Lauferschen Alternative (Theorem 26.1 und Theorem
25.2 ergibt das
27.12. Theorem. Für jedes streng pseudokonvexe C 2 -Gebiet D im Cn gilt
H 0,q (D) = 0 ,
1 ≤ q ≤ n.
42Wie oben bereits erwähnt, folgt aus Theorem 19.1, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn
X eine offene Teilmenge des Cn ist und wenn U nur aus konvexen Mengen besteht.
100
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
28. Morse-Funktionen
Hier beweisen wir einige Aussagen über kritische Punkte differenzierbarer Abbildungen, die wir im weiteren benötigen. Wir beginnen mit dem folgenden einfachen
Spezialfall des Satzes von Sard43:
28.1. Satz (Satz von Sard). Seien D ⊆ Rn ein Gebiet und F : D → Rn eine C 1 Abbildung. Weiter sei A die Menge der kritischen Punkte von F , d.h. die Menge
aller Punkte ζ ∈ D, so dass die Jacobi-Matrix
µ
¶
∂Fj
(28.1)
(ζ)
∂xk
j,k=1,...,n
nicht invertierbar ist. Dann hat F (A) das Lebesgue-Maß null im Rn .
Beweis. Für ξ ∈ Rn und r > 0 bezeichnen wir mit K(r, ξ) die offene Kugel im
Rn mit dem Radius r und dem Mittelpunkt ξ. Das Differential von F in einem
Punkt ξ ∈ D bezeichnen wir mit dξ F . Sei Γ ⊆ D ein abgeschlossener Würfel. Es
genügt zu zeigen, dass F (A∩Γ) vom Maß null ist (denn man kann D als abzählbare
Vereinigung abgeschlossener Würfel darstellen). Da F von der Klasse C 1 ist, folgt
aus der Taylor-Formel die Existenz einer Konstanten C < ∞ mit
¯
¯
¯
¯
¯F (ζ) − F (ξ)¯ ≤ C ¯ζ − ξ ¯
(28.2)
für alle ξ, ζ ∈ Γ,
sowie einer Funktion ϕ : [0, ∞[→ [0, ∞[ mit limε→0 ϕ(ε) = 0, so dass
¯
¯ ¯
¯ ³¯
¯´
¯
¯
(28.3)
für alle ξ, ζ ∈ Γ.
¯F (ζ) − F (ξ) − (dξ F )(ζ − ξ)¯ ≤ ¯ζ − ξ ¯ϕ ¯ζ − ξ ¯
Sei E(ε, ξ), ε > 0, ξ ∈ D, die ε-Umgebung des affinen Unterraumes F (ξ) +
(dξ F )(Rn ). Dann folgt aus (28.2) und (28.3)
¡
¢
¡
¢
(28.4) F Γ ∩ K(ε, ξ) ⊆ E(ε ϕ(ε), ξ) ∩ K Cε, f (ξ)
für alle ξ ∈ Γ und ε > 0.
Für ξ ∈ A ist die Dimension des Raumes F (ξ) + (dξ F )(Rn ) echt kleiner als n. Ist
λn das Lebesgue-Maß auf Rn und Vn−1 (r) das Volumen der (n − 1)-dimensionalen
Kugel vom Radius r, so folgt daraus
³
¡
¢´
λn E(δ, ξ) ∩ K r, F (ξ) ≤ δ Vn−1 (r) für ξ ∈ A und δ, r > 0.
Mit (28.4) folgt daraus weiter
³ ¡
¢´
λn F Γ∩K(ε, ξ) ≤ ε ϕ(ε)Vn−1 (Cε) = Vn−1 (1)C n−1 εn ϕ(ε)
für ξ ∈ A und ε > 0.
Da¡ jeder
Würfel
W der Seitenlänge ε für jeden Punkt ξ ∈ W in der Kugel
¢
√
K ε n , ξ enthalten ist, erhält man daraus weiter
¡
¢
¡ √ ¢
(28.5)
λn F (Γ ∩ W ∩ A) ≤ C 0 εn ϕ ε n
n
für jeden Würfel W der Seitenlänge ε, wobei C 0 := Vn−1 (1)C n−1 n 2 . Sei nun d die
Seitenlänge des Würfels Γ. Für jedes k ∈ N∗ braucht man dann k n abgeschlossene
Würfel der Seitenlänge d/k, um Γ zu überdecken. Daraus folgt mit ε = d/k in (28.5)
die Abschätzung
µ √ ¶
µ ¶n µ √ ¶
¡
¢
d n
d n
d
0 n
n 0
=Cd ϕ
ϕ
λn F (Γ ∩ A) ≤ k C
k
k
k
43Einfach ist dieser Spezialfall, weil Quell- und Zielraum die gleiche Dimension haben. Den
schwierigen Fall, wo die Dimension des Zielraumes kleiner ist als die des Quellraumes (vgl. z.B.
§1.4 in [Na]), benötigen wir hier nicht.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
¡
¢
für alle k ∈ N∗ . Wegen limε→0 ϕ(ε) = 0 folgt daraus λn F (Γ ∩ A) = 0.
101
¤
28.2. Definition. Sei X eine reelle C 2 -Mannigfaltigkeit44 der Dimension n =
dimR X, und sei f : X → R eine C 2 -Funktion. Ein Punkt ξ ∈ X heißt kritischer
Punkt von f , falls df (ξ) = 0. Ein kritischer Punkt ξ von f heißt nicht ausgeartet,
falls für jedes System x1 , . . . , xn von C 2 -Koordinaten in einer Umgebung von ξ die
Matrix der zweiten Ableitungen
¶
µ
∂2f
(ξ)
(28.6)
∂xj ∂xk
j,k=1,...,n
invertierbar ist. Andernfalls heißt er ausgeartet.
28.3. Bemerkung. Eine einfache Rechnung zeigt, dass unter der Voraussetzung,
dass ξ ein kritischer Punkt von f ist, die Invertierbarkeit der Matrix (28.6) nicht
von der Wahl der Koordinaten x1 , . . . , xn abhängt.
28.4. Satz. Sei X eine C 2 -Mannigfaltigkeit, f : X → R eine C 2 -Funktion und
ξ ∈ X ein nicht ausgearteter kritischer Punkt von f . Dann gibt es eine Umgebung
U von ξ, so dass U \ {ξ} keinen kritischen Punkt von f enthält.
Beweis. Sei x1 , . . . , xn ein System von C 2 -Koordinaten in einer Umgebung V von
ξ. Die Invertierbarkeit der Matrix (28.6) bedeutet dann, dass die Abbildung
µ
¶
∂f
∂f
V 3ζ→
(ζ), . . . ,
(ζ)
∂x1
∂xn
im Punkt ξ ein invertierbares Differential hat. Daraus folgt mit dem Satz über
die Umkehrfunktion, dass diese Abbildung auf einer gewissen Umgebung U von ξ
bijektiv ist. Insbesondere kann sie dort also nur einmal den Wert (0, . . . , 0) annehmen.
¤
28.5. Satz. Seien X eine C 2 -Mannigfaltigkeit und f : X → R eine C 2 -Funktion
ohne ausgeartete kritische Punkte. Weiter sei (fj )j∈N eine Folge von C 2 -Funktionen
fj : X → R, die in der C 2 -Topologie gegen f konvergiert45. Dann gibt es für jede
kompakte Menge K ⊆ X ein j0 ∈ N, so dass die Funktionen fj mit j ≥ j0 in K
keine ausgearteten kritischen Punkte haben.
Beweis. Aus Satz 28.4 folgt, dass f in K höchstens endlich viele kritische Punkte
ξ1 , . . . , ξN hat. Da diese Punkte nicht ausgeartet sind, können wir für j = 1, . . . , N
eine Umgebung Uj ⊂⊂ X von ξ finden, so dass die Matrix (28.6) für alle ξ ∈ U j
invertierbar ist. Da die Folge (fj ) in der C 2 -Topologie gegen f konvergiert, gibt es
dann ein j1 ∈ N, so dass für j ≥ j1 und ξ ∈ U 1 ∪ . . . ∪ U N die Matrizen
µ 2
¶
∂ fj
(28.7)
(ξ)
∂xj ∂xk
j,k=1,...,n
44Vorläufig genügt es an Untermannigfaltigkeiten eines Rm zu denken.
45Definition: Sei X eine C k -Mannigfaltigkeit, k ∈ N ∪ {∞} und (f )
k
j j∈N eine Folge von C Funktionen fj : X → C. Man sagt, dass die Folge (fj ) in der C k -Topologie gegen eine
Funktion f : X → C konvergiert, wenn für jedes lokale C k -Koordinatensystem (U ; x1 , . . . , xn )
n
von X und jeden Multiindex
¡
± α =1 (α1 , . .α. n, α
¢ n ) ∈ N mit |α| := α1 +. . .+αn ≤ k die Folge der partiellen Ableitungen ∂ |α| fj ∂xα
auf
den kompakten Teilmengen von U gleichmäßig
1 . . . ∂xn
j∈N
±
αn
1
gegen ∂ |α| f ∂xα
.
.
.
∂x
konvergiert.
n
1
102
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
ebenfalls invertierbar sind. Folglich haben die Funktionen fj mit j ≥ j1 in U 1 ∪. . .∪
U N , wenn überhaupt, dann nur nicht ausgeartete kritische Punkte. Weiter gilt: Da
f in der kompakten Menge K \ (U1 ∪ . . . ∪ UN ) gar keine kritischen Punkte hat und
da die Folge (fj ) in der C 1 -Topologie gegen f konvergiert, gibt es ein j2 ∈ N, so dass
die Funktionen fj für j ≥ j2 ebenfalls keine kritischen Punkt in K \ (U1 ∪ . . . ∪ UN )
haben. Für j ≥ j0 := max(j1 , j2 ) gibt es in K also, wenn überhaupt, dann nur nicht
ausgeartete kritischen Punkte von fj .
¤
28.6. Lemma (Morse-Lemma). Seien D ⊆ Rn ein Gebiet und f : D → R
eine C 2 -Funktion. Ist a ∈ Rn , so bezeichnen wir mit La : Rn → R die durch
La (ζ) = a1 ζ1 + . . . + an ζn , ζ ∈ Rn , definierte lineare Abbildung. Dann hat die
Abbildung f + La für fast alle a ∈ Rn 46 keine ausgearteten kritischen Punkte in D.
Beweis. Sei F : D → Rn die durch
µ
¶
∂f
∂f
F (ζ) = −
(ζ), . . . ,
(ζ) ,
∂x1
∂xn
ζ ∈ D,
definierte C 1 -Abbildung, und sei A die Menge aller Punkte ζ ∈ D, so dass die
Jacobi-Matrix von F
µ
¶
∂2f
(28.8)
(ζ)
∂xj ∂xk
j,k=1,...,n
nicht invertierbar ist. Nach Satz 28.1 ist dann die Menge F (A) vom Maß null. Es
genügt deswegen zu zeigen, dass a ∈ Rn zu F (A) gehört, falls die Abbildung f + La
mindestens einen ausgearteten kritischen Punkt besitzt. Sei also a ∈ Rn gegeben,
so dass die Abbildung f + La einen ausgearteten kritischen Punkt ζ ∈ D besitzt.
Dann gilt
∂f
−
(ζ) = aj
für 1 ≤ j ≤ n,
∂xj
d.h. F (ζ) = a, und außerdem ist die Matrix (28.8) nicht invertierbar (denn die
zweiten Ableitungen von La verschwinden!), d.h. ζ ∈ A. Zusammen ergibt das
a ∈ F (A).
¤
Wir benötigen auch die folgende Verallgemeinerung von Lemma 28.6:
28.7. Satz (Morse-Lemma). Sei X eine C2 -Untermannigfaltigkeit ¯von Rn und
f : X → R eine C 2 -Funktion. Für a ∈ Rn bezeichnen wir mit La ¯X die Einschränkung der Abbildung
¯ La (die wie in Lemma 28.6 definiert ist) auf X. Dann
hat die Abbildung f +La ¯X für fast alle a ∈ Rn keine ausgearteten kritischen Punkte
in X.
Beweis. Wir bezeichnen mit x1 , . . . , xn die kanonischen linearen KoordinatenFunktionen des Rn (so dass La = a1 x1 + . . . an xn für a ∈ Rn ). Da X separabel
ist, genügt es zu zeigen,
¯ dass¯ für jeden Punkt ξ ∈ X eine Umgebung U ⊆ X von
ξ existiert, so dass f ¯U + La ¯U für fast alle a ∈ Rn keine ausgearteten kritischen
Punkte hat. Sei ξ ∈ X gegeben. Dann ¯gibt es Indizes
1 ≤ j1 < . . . < jk ≤ n,
¯
k := dim X, so dass die Funktionen xj1 ¯X , . . . , xjk ¯X in einer Umgebung U ⊆ X
46Dabei bedeutet fast alle, dass das Komplement der Menge dieser Punkte im Rn das LebesgueMaß null hat.
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
103
von ξ ein C2 -Koordinatensystem von X bilden. O.B.d.A. sei j1 = 1, . . . , jk = k.
Dann ist die durch
³
´
Φ(ζ) = x1 (ζ), . . . , xk (ζ)
ζ ∈ U,
definierte Abbildung Φ ein C 2 -Diffeormorphismus von U auf eine offene Menge
D ⊆ Rk , und wir können Lemma 28.6 auf jede der Funktionen
¡
¢
f + ak+1 xk+1 + . . . + an xn ◦ Φ−1 ,
a ∈ Rn ,
anwenden. Sind y1 , . . . , yk die kanonischen linearen Koordinaten-Funktionen des
Rk , so ergibt das die folgende Aussage:
• Für jeden Vektor a ∈ Rn−k gilt: Für fast keinen Vektor ξ ∈ Rk hat die
Funktion
¡
¢
f + ak+1 xk+1 + . . . + an xn ◦ Φ−1 + ξ1 y1 + . . . ξk yk
einen ausgearteten kritischen Punkt in D.
Daraus folgt:
• Für jeden Vektor a ∈ Rn−k gilt: Für fast keinen Vektor ξ ∈ Rk hat die
Funktion
¯
¯
¯
¡
¢
f ¯U + ak+1 xk+1 ¯U + . . . + an xn ¯U + ξ1 y1 + . . . ξk yk ◦ Φ
einen ausgearteten kritischen Punkt in U .
¯
¯
¡
¢
Wegen ξ1 y1 + . . . ξk yk ◦ Φ = ξ1 x1 ¯U + . . . ξk xk ¯U bedeutet das:
• Für jeden Vektor a ∈ Rn−k gilt: Für fast keinen Vektor ξ ∈ Rk hat die
Funktion
¯
¯
f ¯U + L(ξ1 ,...,ξk ,ak+1 ...an ) ¯U
einen ausgearteten kritischen Punkt in U .
¯
¯
Ist M die Menge aller Punkte a ∈ Rn , so dass f ¯U + La ¯U mindestens einen ausgearteten kritischen Punkt besitzt, so haben wir also gezeigt: Für jedes a ∈ Rn ist
der Schnitt
¯
n
o
¯
Ma := ξ ∈ Rn ¯ ξ1 = ak+1 , . . . , ξn = an
eine Menge vom k-dimensionalen Maß null. Daraus folgt mit dem Satz von Fubini,
dass M das n-dimensionale Maß null hat.
¤
29. Approximation für pseudokonvexe Gebiete im Cn
In diesem Abschnitt benutzen wir das Morse-Lemma 28.7 und das Lösungstheorem 27.12, um das folgende Approximationstheorem zu beweisen:
29.1. Theorem. Sei D ⊆ Cn eine pseudokonvexe offene Menge, und sei ρ : D → R
eine streng plurisubharmonische C 2 -Ausschöpfungsfunktion für D. Wir setzen
¯
n
o
¯
Dα = ζ ∈ D ¯ ρ(ζ) < α
für α < sup ρ := sup ρ(ζ) .
ζ∈D
Dann ist O(D) dicht in jedem O(Dα ), α < sup ρ. (bezüglich gleichmäßiger Konvergenz auf kompakten Mengen).
104
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
30. Die Grauertsche Beulenmethode. Zweiter Schritt
30.1. Definition. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, und sei
¯
©
ª
Br := ζ ∈ Cn ¯ |ζ| < r ,
r > 0.
Unter einer streng pseudokonvexen Grauert-Beule in X verstehen wir ein Paar
(A, B) von streng pseudokonvexen C 2 -Gebieten in X mit der folgenden Eigenschaft:
Es gibt eine holomorphe Karte (U, h) und ein streng pseudokonvexes C 2 -Gebiet C
in U , so dass folgendes gilt:
• B = A ∪ C;
• Auch A ∩ C und B ∩ C sind streng pseudokonvexe C 2 -Gebiete in U ;
• h(U ) = B1 ;
• h(A ∩ C)¡ ist polynomial
konvex;
¢
¡
¢
• B ∩ h−1 B1/3 = C ∩ h−1 B1/3 ;
¡
¢
¡
¢
• A ∩ h−1 B2/3 \ B1/3 = C ∩ h−1 B2/3 \ B1/3 .
Unter einer Grauert-Beule in X verstehen wir ein Paar (A, B), so dass mindestens eines gilt: (A, B) ist konvexe Grauert-Beule in X (Definition 23.1) oder (A, B)
ist streng pseudokonvexe Grauert-Beule in X.
Das Morse-Lemma 28.7 zeigt, dass jede vollständig 1-konvexe Mannigfaltigkeit
eine streng plurisubharmonische C 2 -Ausschöpfungsfunktion ohne ausgeartete kritische Punkte besitzt. Mit Hilfe einer Konstruktion, die erstens Lemma 30.2 verwendet, dann aber noch eine Zusatz”berlegung erfordert, um die nicht ausgearteten
kritischen Punkte mit einer streng pseudokonvexen Grauert-Beule zu ”überspringen”, können wir nun beweisen:
30.2. Lemma. Es sei X eine n-dimensionale vollständig 1-konvexe Mannigfaltigkeit. Dann gibt es eine Folge (Aj , Bj ), j ∈ N, von Grauert-Beulen, so dass folgendes
gilt:
• A1 ist zu einer konvexen Menge im Cn biholomorph ”quivalent;
• B
Sj∞= Aj+1 für alle j ∈ N;
• j=0 Aj = X.
Beweis. .......
¤
Mit Hilfe der Theoreme 25.2 und 30.4 können wir als nächstes den folgenden
”Induktionsschritt” beweisen:
30.3. Lemma. Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, sei (A, B)
k
eine Grauert-Beule in X und sei f ∈ C0,q
(B), wobei k ∈ N∗ . Es sei bekannt, dass
¯
T
k+α
für ein α mit 0 < α < 1 bereits ein u ∈ 0<α<1 C0,q
(A) mit ∂u = f ¯A existiert.
¯
T
k+α
Dann existiert auch ein v ∈ 0<α<1 C0,q
(B) mit ∂v = f ¯B .
Beweis. .........
¤
Die letzten beiden Lemmata zeigen zusammen:
30.4. Folgerung. Es sei X eine n-dimensionale vollständig 1-konvexe Mannigfaltigkeit. Dann gilt für jede relativ kompakte offene Teilmenge DT von X, für alle
k+α
k
1 ≤ q ≤ n und alle k ∈ N∗ : Für jedes f ∈ Z0,q
(X) existiert u ∈ 0<α<1 C0,q−1
(D)
mit
¯
f ¯D = ∂u .
FUNKTIONENTHEORIE MEHRERER VERÄNDERLICHER
105
Um daraus die Lösbarkeit öhne Verkleinerungßu bekommen, brauchen wir wie
inm Fall konvexer Mengen eine Approximationsaussage. Der erste Schritt ist dem in
dem folgenden Lemma enthalten, dass man mit Hilfe der eben erhaltenen Folgerung
30.4 und Theroem 30.4 beweist:
30.5. Lemma. Für jede Grauert-Beule (A, B) in einer komplexen Mannigfaltigkeit
liegt der Raum O(B) dicht in O(A) (bezüglich gleichmäßiger Konvergenz auf den
kompakten Mengen).
Zusammen mit Lemma 30.2 ergibt dieses Lemma dann zunächst unmittelbar die
folgende Aussage:
30.6. Lemma. Sei X eine vollständig 1-konvexe Mannigfaltigkeit. Dann gibt es
eine Folge streng pseudokonvexer C 2 -Gebiete Dj , j ∈ N, in X mit folgenden Eigenschaften
• Dj liegt im Inneren von Dj+1 , j ∈ N;
∞
S
•
Dj = X;
j=0
• Für jedes j ∈ N gibt es endlich viele Grauert-Beulen (A1 , B1 ), . . . , (Am , Bm )
mit A1 = Dj , Bj = Aj+1 für 1 ≤ j ≤ m − 1 und Bm = Dj+1 ;
• Für jedes j ∈ N liegt O(Dj+1 ) dicht in O(Dj ).
Eine einfache zusätzliche Überlegung ergibt dann das folgende wichtige Approximationstheorem:
30.7. Theorem. Unter den Voraussetzungen von lemma 30.6 gilt sogar: Für jedes
j ∈ N liegt O(X) dicht in O(Dj ).
Dieses Theorem ergibt nun zusammen mit Lemma 30.4 (genauso wie im Beweis
von Theorem 19.1) das folgende Lösungstheorem
30.8. Theorem. Es sei X eine n-dimensionale vollständig 1-konvexe Mannigfaltigk
(X) existiert
keit. Dann gilt für alle 1 ≤ q ≤ n und alle k ∈ N∗ : Für jedes f ∈ Z0,q
T
k+α
u ∈ 0<α<1 C0,q−1 (D) mit
¯
f ¯D = ∂u .
Sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit. Da pseudokonvexe Mengen im Cn sind
vollständig 1-konvex ist, ist dann auch jede offene Teilmenge von X, die zu einer
pseudokonvexen Menge im Cn biholomorph äquivalent ist, vollständig 1-konvex.
Ist U eine und offene Teilmenge von X, die zu einer pseudokonvexen Menge im Cn
biholomorph äquivalent ist, und ist V eine weitere offene Teilmenge von X, die zu
einer pseudokonvexen Menge im Cn biholomorph äquivalent ist, so überlegt man
sich leicht, dass auch U ∩V zu einer pseudokonvexen Teilemenge des Cn biholomorph
äquivalent ist. Mit Theorem 30.10 ergibt das
30.9. Theorem. Besteht eine Überdeckung einer komplexen Mannigfaltigkeit nur
aus Mengen, die zu pseudokonvexen Mengen im Cn biholomorph äquivalent sind,
so ist diese Überdeckung azyklisch im Sinne von Definition 27.9.
Da offenbar jede komplexe Mannigfaltigkeit Überdeckungen besitzt (sogar beliebig feine), die nur aus Mengen besteht, die zu pseudokonvexen Mengen im Cn
biholomorph äquivalent sind, folgt daraus mit Theorem 27.11, dass nun auch Theorem 27.1 vollständig bewiesen ist.
Schließlich folgt aus den Theoremen 30.9, 27.11 und 30.10:
106
SKRIPT ZUR VORLESUNG, STAND 18.7.07, JÜRGEN LEITERER
30.10. Theorem. Für jede n-dimensionale vollständig 1-konvexe Mannigfaltigkeit
X und alle 1 ≤ q ≤ n gilt:
H 0,q (X) = 0
sowie
H q (U, O) = 0 ,
falls U eine Überdeckung von X ist, die nur aus Mengen besteht, die zu pseudokonvexen Mengen im Cn biholomorph äquivalent sind.
Literatur
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