Radiogalaxie

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Nach: Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2016
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2015
Monatsthema August 2016
Die Radiogalaxie Centaurus A
S02 pec. Denn es erschien seltsam und rätselhaft, in einer elliptischen Galaxie ein dunkles Band zu beobachten.
Walter Baade und Rudolph Minkowski vermuteten 1954 als erste,
bei Cen A könnte es sich um eine große elliptische Galaxie handeln, die nach Kollision mit einer etwas kleineren Spiralgalaxie zu
einem Monstermilchstraßensystem wurde. Heute zweifelt niemand
mehr an dieser Interpretation.
In den zentralen Bereichen von Cen A befinden sich vergleichsweise alte Sterne, rote Riesen und gelbe Hauptreihensterne sowie
rote Zwerge. Das dunkle Band in der Mitte wird von interstellarem
Staub erzeugt, der das Licht dahinter liegender Sterne schwächt
oder völlig absorbiert. An den Rändern dieses Staubbandes halten
sich helle, bläulich stahlende, heiße und junge Sterne auf. Hier liegen die Geburtsstätten neuer Sonnen. Daraus ist zu folgern, dass
Cen A völlig unterschiedliche Sternpopulationen beherbergt.
Die Radiogalaxie Centaurus A (NGC 5128) in zwölf Millionen
Lichtjahren Entfernung. Der dunkle Streifen in der Mitte wird durch
interstellare Staubmassen hervorgerufen, die das Licht der Sterne
verschlucken. [ESO]
Eines der größten und hellsten Milchstraßensysteme befindet sich
im Sternbild Zentaur. Diese Galaxie ist unter der Bezeichnung
Centaurus A bei Astrofans weithin bekannt Die Katalogbezeichnung von Centaurus A lautet NGC 5128. Von Mitteleuropa aus ist
dieses gewaltige Milchstraßensystem nicht zu sehen, weil tief am
Südhimmel beheimatet (Deklination: -43°). Wer aber beispielsweise von Namibia aus beobachtet, findet diese beeindruckende
Galaxie recht schnell. Sie ist bereits in einem guten Fernglas zu
erkennen. Man gehe von dem hellen und prächtigen Kugelhaufen
Omega Centauri1 aus und schwenke sein Instrument etwa 5° nach
Norden. Dabei stößt man unmittelbar auf Centaurus A. In der
folgenden Abbildung ist die Position von Centaurus A in der Sternkarte markiert.
ln Teleskopen ab 10 cm Öffnung zeigt Centaurus A ein merkwürdiges Aussehen. Die Galaxie erscheint kreisrund, allerdings leicht
elliptisch mit einem breiten, dunklen Streifen, der das Lichtfleckchen symmetrisch teilt. Wegen ihres Aussehens nennen die
Amerikaner Cen A (so die offizielle Abkürzung) manchmal
„Hamburger Galaxy". Wer gerne in Schnellrestaurants isst, mag
dies nachvollziehen können (siehe auch nebenstehende Abb.).
Die Größe des nebelartigen Objekts beträgt 20' x 26'.
Das Sternbild Zentaur mit der Position der Radiogalaxie Cen A.
Bekannt seit fast 200 Jahren
Entdeckt wurde Centaurus A bereits im Jahre 1826 von dem
schottischen Astronomen James Dunlop (1793-1848), der von
Parramatta, heute ein Stadtteil Sydneys, aus beobachtete. Dunlop
nutzte seine Privatwohnung als Sternwarte. John Herschel beschreibt 1849 dieses himmlische Gebilde mit den Worten: „...zwei
helle, ovale Nebel, getrennt durch ein seltsames, dunkles Band,
das parallel zu den großen Achsen der Halbellipse verläuft.“
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde den Astronomen klar, dass
Cen A keine Gas- und Staubwolke in unserer Milchstraße, also
kein galaktischer Nebel, sondern ein riesiges und ziemlich ungewöhnliches Milchstraßensystem ist. Schon die Klassifizierung
bereitete Schwierigkeiten. Zunächst als elliptische Galaxie
bezeichnet, ordnete man sie schließlich als SO-Typ nach der
Hubble-Klassifikation ein. Zusätzlich hängte man noch das Suffix
„pec" für,,peculiar" (engl., merkwürdig) an die Typbezeichnung an:
Auf Amateuraufnahmen von Cen A hat man den Eindruck eines
„Hamburgers", wie er in Fast-Food-Restaurants angeboten wird.
[NOAO/Adam Block]
2
Mit vierter Größenklasse an scheinbarer Helligkeit ist ω Cen in dunkler Nacht schon mit
freien Augen erkennbar. Da sein Licht nicht von einer Punktquelle ausgestrahlt wird, hat
man mit bloßen Augen den Eindruck einnes etwas diffusen Sterns fünfter Gößenklasse.
So taucht ω Cen bereits im Sternkatalog von Claudios Ptolemaios aus dem Jahre 150
nach Chr. auf. Aber erst der schottische Astronom James Dunlop entdeckte im Jahre
1826 Omega Centauri als Kugelhaufen. John Herschel, der von Südafrika aus beobachtete, berichtet 1837 ebenfalls, dass ω Cen ein Sternhaufen und kein gelaktischer Nebel
ist: „Dieser schönste Kugelhaufen füllt mein 18¾-Zoll-Teleskop schon mit seinen dichtesten Partien vollständig mit tausenden Sternen aus.“ [nach Hans-Ulrich Keller: Kosmos
Himmelsjahr 2015, S. 146 f.]
1
Grundlage der Klassifikation von Galaxien sind die ursprünglich von Hubble benannten
Typen:
E0 bis E7: elliptische Galaxien, wobei die Zahl ein Maß für die Abplattung ist (größere
Zahl bedeutet größere Abplattung).
S0: linsenförmige Galaxien, die eine Scheibe und einen „bulge“ (Auswölbung) ähnlich
wie Spiralgalaxien haben, im Gegensatz zu diesen aber keine Spiralstruktur besitzen.
SAa, SAb, SAc, SAd: Normale Spiralgalaxien; das A bedeutet einfache Spiralform (d.h.
kein Balken; es wird auch oft einfach fortgelassen); a bis d geben sowohl das Überwiegen des „bulges“ als auch den Öffnungswinkel an, mit dem die Spiralarme gewunden
sind (ca. 10° für a bis ca 25° für d)Irr: irreguläre Galaxien (z. B. Zwerggalaxien, Galaxien mit der zerstörenden Wirkung
eines explosiven Kerns oder durch die Gravitationswirkung einer nahen Galaxie bewirkt).
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Mitglied der Centaurus-Galaxiengruppe
Hinweis auf ein Schwarzes Loch
Mit zwölf Millionen Lichtjahren Entfernung zählt NGC 5128 noch
zu unserer kosmischen Nachbarschaft. Allerdings ist dieses
Milchstraßensystem nicht mehr Mitglied der Lokalen Gruppe. Zur
Lokalen Gruppe zählen neben unserer eigenen Milchstraße die
Andromedagalaxie (M 31), die Triangulum-Galaxie (M 33) sowie
einige Dutzend Zwerggalaxien. Die Lokale Gruppe nimmt einen
Raum von rund vier Millionen Lichtjahren Durchmesser ein. Cen A
hingegen ist Mitglied der Centaurus-Galaxiengruppe, zu der auch
die Galaxie M 83 im Sternbild Wasserschlange an der Grenze zum
Zentaur gehört.
Centaurus A hat die Dimensionen von 70.000 mal 90.000 Lichtjahren und setzt sich aus geschätzt zehn Billionen Sternen
zusammen. Diese Sterne und die interstellare Materie ergeben
eine Gesamtmasse von mindestens einer Billion, also einer Million
mal einer Million, Sonnenmassen. Die wahre Leuchtkraft dieser
Riesengalaxie beträgt 33 Milliarden Sonnenleuchtkräfte.
Nach Einführung der Radioastronomie zeigte sich bald, dass NGC
5128 eine der intensivsten Radioquellen am irdischen Firmament
ist. Die thermische Radiostrahlung von Galaxien ist vergleichsweise schwach und war in den ersten Jahrzehnten der Radioastronomie auch nicht nachweisbar. Doch schon 1949 entpuppte sich Cen
A als starke Radioquelle. Einige Galaxien strahlen nämlich tausend- bis zehntausend Mal „heller" im Radiofrequenzbereich als
die „normalen" Galaxien. Man nennt sie daher auch Radiogalaxien. Zu ihnen zählen außer Centaurus A noch Cygnus A,
Hercules A und Virgo A (= M 87). Die Astronomen bezeichnen
Radioquellen nach dem Sternbild, in dem sie gefunden werden,
und mit einem Großbuchstaben. Der stärkste Radiostrahler erhält
eln „A“, der zweitstärkste ein „B“, der drittstärkste ein „C“ usw. Cen
A ist somit die „radiohellste" Quelle im Sternbild Zentaur.
Einen wichtigen Hinweis liefert die Beobachtung, dass die Intensität der Röntgenstrahlung innerhalb weniger Tage stark variiert.
Das kosmische Kraftwerk muss somit recht klein sein gegenüber
den Dimensionen der Galaxie. Die Kraftmaschine ist ein supermassereiches Schwarzes Loch von 55 Millionen Sonnenmassen.
Ursprünglich wurde es sogar auf 200 Millionen Sonnenmassen
geschätzt. Um das zentrale Black Hole rotiert eine ein Million Grad
heiße Gasscheibe. Diese Akkretionsscheibe3 wird gespeist aus
dem Material der Spiralgalaxie, die sich die riesige elliptische
Galaxie Cen A einverIeibt hat. Ein Teil der Materie in der Akkretionsscheibe bewegt sich auf Spiralbahnen in das zentrale Black
Hole, es wird gewissermaßen gefüttert. Ein anderer Teil der
Materie schießt in zwei Jets in den intergalaktischen Raum hinaus,
wo sie mit dem intergalaktischen Medium wechselwirkt, was zu
einer intensiven Radiostrahlung führt, die man als zwei riesige
Blasen beobachtet
„Heller" im Radiobereich
Radiogalaxien emittieren wesentlich mehr Energie im Radiofrequenzbereich als im sichtbaren Licht. Dabei kommt die Radiostrahlung häufig aus zwei Gebieten, die weit vom optischen Bild
der Radiogalaxie entfernt sind, aber symmetrisch zum optischen
Bild der Galaxie liegen. So strahlen zwei blasenartige Bereiche
intensives „Radiolicht" aus, die zu beiden Seiten von Cen A zu
sehen sind und von der Galaxienmitte je fünf Grad entfernt liegen;
das entspricht mehr als einer Million Lichtjahre.
Radiogalaxien senden nicht nur thermische Strahlung aus, sondern vor allem Synchrotronstrahlung. Die extrem polarisierte
Synchrotronstrahlung entsteht, wenn elektrisch geladene Partikel,
vornehmlich Elektronen, stark beschleunigt werden. Tatsächlich
schießen aus dem Zentrum von Cen A hochenergetische Teilchen
in zwei scharf gebündelten Jets mit rund einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit heraus. Im sichtbaren Licht sind diese Jets allerdings nicht zu erkennen. Mit Hilfe von Satelliten, die außerhalb der
absorbierenden Erdatmosphäre kosmische Röntgenstrahlung
beobachten können, wurde bereits 1970 Cen A als intensive
Röntgenquelle erkannt. Nur fünf Jahre später konnte auch die sehr
kurzwellige, hochenergetische Gammastrahlung von Cen A
detektiert werden. Inzwischen liegen dank moderner Beobachtungstechniken Aufnahmen von NGC 5128 in allen Frequenzbereichen vor - von GammastrahIung über Röntgen-, Ultraviolett
und Infrarot- bis Radiostrahlung. Im Röntgenlicht sind die Jets von
Cen A recht gut sichtbar. Im Gammastrahlungsbereich sendet Cen
A rund 200-mal mehr Energie aus als durch Radiostrahlung. Diese
Monstergalaxie ist gewissermaßen ein kosmisches Superkraftwerk. Doch woher speist sich dieses kosmische Energiebündel?
lm Radiofrequenzbereich
erscheint Cen A
wesentlich größer als im
0ptischen. Symmetrisch
zum Zentrum sind zwei
ausgedehnte Blasen, aus
denen Radiostrahlung
emittiert wird. [NASA]
Der zentrale Bereich von Cen A. Aufnahme des HUBBLEWeltraumteleskops. [NASA/ESA/STScl]
Heute kennt man zahlreiche solcher aktiver Galaxien, die in ihren
Zentren ein massereiches Schwarzes Loch beherbergen, um das
eine Akkretionsscheibe wie ein Dynamo rotiert. Man bezeichnet
sie auch als AGN, nämlich als Active Galactic Nuclei (engl., aktive
galaktische Kerne). Auch unsere Milchstraße hat im Zentrum ein
massereiches Schwarzes Loch von etwa vier MilIionen Sonnenmassen. Allerdings ist es mittlerweile verhungert - fast die gesamte Materie in seiner Umgebung hat das Black Hole inzwischen
aufgefressen.
Am 3. Mai 1986 flammte in NGC 5128 eine Supernova auf. SN
1986 G wurde von Robert Evans im Staubband von Cen A entdeckt. Sie erreichte eine Maximalhelligkeit von 11,4m. Aus der
Rötung ergab sich, dass der lnterstellare Staub in Cen A das Licht
der Supernova um vier Größenklassen schwächte, sonst wäre sie
immerhin 7,4m hell geworden. Sie wurde als Typ Ia identifiziert: Ein
Weißer Zwerg kollabierte, als er seine Chandra-Massengrenze
durch Akkretion überschritt. Schlagartig setzte atomare Kohlenstoff-Fusion ein, die zu einer thermonuklearen Explosion führte
und den Weißen Zwerg zerfetzte.4
Wer einmal Gelegenheit hat, den südlichen Sternenhimmel mit
Fernglas und Teleskop zu durchmustern, sollte keinesfalls versäumen, auch die Riesengalaxie Centaurus A ins Visier zu nehmen.
Vielleicht ist ihm oder ihr das Glück hold, und er oder sie entdeckt
eine weitere Supernova in diesem kosmischen Superkraftwerk.
3
4
Siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Akkretionsscheibe
Zum Verständnis dieses Absatzes ist schon einiges astronomische Wissen erforderlich.
Eine mögliche Hilfe dazu bietet das Online-Lexikon Wikipedia.
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Die Galaxie Centaurus A strahlt
sowohl im Submillimeter-Bereich
(orange) als auch im Röntgenlicht
(blau). Die Aufnahme ist eine
Zusammensetzung aus Aufnahmen im
sichtbaren Licht als auch Aufnahmen
im Submillimeterbereich von APEX
und im Röntgenlicht von CHANDRA.
[ESO/NASA/MPIfR]
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