Reformierte Kirchgemeinde Stammheim Ursula Keller Sekretariat Oberdorf 13 8476 Unterstammheim Tel. 052 745 11 59 Fax 052 745 11 94 e-mail: [email protected] www.kirche-stammheim.ch Die Antoniuskapelle in Waltalingen Waltalingen bietet mit dem Schloss Schwandegg, der Antoniuskapelle und dem alten Dorfkern ein eindrucksvolles Bild der gegliederten mittelalterlichen Gesellschaft: Adel, Kirche, Volk. Die eigenwillige Form der Antoniuskapelle ist das Ergebnis einer langen und oft unterbrochenen Baugeschichte. Von ihren Ursprüngen ist nichts schriftlich überliefert. Als Stifter können wohl die Ritter von Schwandegg in der Mitte des 13. Jahrhunderts gelten. Der älteste Teil ist der überhöhte, ursprünglich romanische Turmchor. Sein rippenloses Kreuzgewölbe, der halbrunde Chorbogen und die nachträglich ausgebrochenen gotischen Fenster lassen exakte geometrische Formen vermissen. Beim Bau des bescheidenen Gotteshauses ging es nicht um ein architektonisches Meisterwerk, sondern um die Errichtung einer eigenen Kirche für eine kleine Landgemeinde. Eine gedeckte Aussentreppe führt zur Glockenstube mit ihren drei Glocken, zwei davon aus dem 15. Jahrhundert. Darüber erhebt sich ein achteckiger Dachreiter mit spitzem Turmhelm. Das ursprüngliche, winzige Kirchenschiff wurde um 1335 nach Westen erweitert. Das abgeflachte hölzerne Tonnengewölbe deutet in seiner Unregelmässigkeit die beschränkten technischen Möglichkeiten des mittel- alterlichen örtlichen Handwerks an. Auch die Waltalinger und Guntalinger, die ihr Gotteshaus gemeinsam gebaut hatten, wollten den vorreformatorischen Bilderschmuck nicht missen. Am Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die Nordwand des Schiffes mit Szenen aus der Passionsgeschichte ausgemalt: Jesus mit den schlafenden Jüngern, der Judaskuss und Jesus vor Herodes. Die gleichzeitig an der Südwand angebrachten Fresken, vermutlich Kreuztragung, Kreuzigung und Auferstehung, wurden bei der geringfügigen seitlichen Erweiterung des Mittelteils im 17. Jahrhundert zerstört. Die geschlossene Bemalung des Chors von 1485 wurde beim Bildersturm in der Reformationszeit übertüncht. Heute ist der Namenspatron der Kapelle, der ägyptische Eremit Antonius, wieder an der Südwand des Chors zu sehen. Als Schutzpatron des Viehs wurde er von der Landbevölkerung verehrt und bei Krankheiten und Seuchen um seinen Bei- stand angefleht. Die obere Hälfte der Fresken im Westteil des Schiffes fiel im 17. Jahrhundert dem Einbau der Empore zum Opfer. Denkmalpflegerische Ueberlegungen waren damals unbekannt. In den erhaltenen Bruchstücken können Fachleute noch Szenen aus dem Leben Jesu und einige Heiligenfiguren erkennen. Die Fresken in der Antoniuskapelle sind zwar nicht von bedeutenden Malern geschaffen worden. Die Gestalten wurden mit wenigen Linien umrissen und nur flächig ausgemalt. Einzelheiten fehlen, allerdings auch weil nach verschiedenen Restaurationen nur noch die Unterbemalung erhalten geblieben ist. Die bescheidenen Bilder sind ein Zeugnis für die Bedeutung der Kirche auch in einem kleinen Bauerndorf. Die Antoniuskapelle war nie selbständige Pfarrkirche. Ein letztes Gesuch der Gemeinde wurde 1779 vom Zürcher Rat abgelehnt. In dem verwinkelten Kirchenraum ist etwas von mittelalterlicher Stimmung erhalten geblieben. Heute steht die Antoniuskapelle als Kulturdenkmal unter eidgenössischem Denkmalschutz. Markus Diener, Waltalingen 2003