I. Spiritualität des Genug: Die Fülle des Weniger 1) Drei

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I. Spiritualität des Genug: Die Fülle des Weniger
1) Drei Grundfragen
a) „Worauf verzichten Ordensschwestern, was ersparen sie sich?“
b) „Ist Weniger mehr?“
c) „Was ist notwendig?“: Zwei Stimmen
Pedro Arrupe SJ verfasste als Generaloberer der Jesuiten einen Brief über die Armut („Carta
sobre la pobreza, 8. Januar 1973, geschickt an Vicente D’Souza, Provinzial in Indien). In
diesem Dokument bedenkt Pater Arrupe das Verhältnis zur Armut mit Blick auf die
Gesellschaft Jesu. Folgende Punkte scheinen zentral: (i) Die evangelische Armut ist ein
Mysterium, das nicht durch Vernunft allein gerechtfertigt werden könne („La razón, por sí
sola, es incapaz de explicarla y de justificarla“); (ii) man muss die Armut tatsächlich erfahren,
die Sehnsucht, arm zu sein, reicht nicht; es bedarf der Erfahrung von jenen Entbehrungen,
wie sie arme Menschen erleiden („sería ridículo decir que somos pobres si no tenemos
ninguna experiencia de las privaciones que tienen los pobres“) – eine Lebenssituation der
Privation sollte wenigstens eine bestimmte Zeit lang erfahren werden; (iii) diejenigen, die die
Armut leben, ernten Früchte: Freude und eine innere Freiheit – Erfahrungen von Armut aus
Arrupes eigenem Leben zeigen, wie wenig notwendig ist, um ein glückliches Leben zu haben;
(iv) arm zu leben bedeutet, nur das zu haben, was für Leben und Armut notwendig ist und
auf Überflüssiges zu verzichten– dies zeigt sich auch in Kleinigkeiten und im Alltag; (v) die
Ansprüche an den Umgang mit Armut können von der Ebene einzelner Menschen auf den
institutionellen Kontext einer Jesuitenkommunität übertragen werden – hier gilt es, einen
besonderen Blick auf „Vorteile“ und „Privilegien“ zu werfen.
Albert Schweitzer (Sonntagspredigten von 1919): jeder Mensch muss mit sich abmachen,
wie er/sie mit der Verantwortung, die uns unser Besitz auferlegt, umgehen will; Keiner maße
sich an, für den Anderen bestimmen zu wollen, wieviel er von seinem Besitz an Bedürftige
abzutreten habe. Nur über eine Frage dürfen wir nach Schweitzer niemals zur Ruhe
kommen, die jeder nur für sich selbst beantworten kann: „Ist es denn wirklich notwendig
und erlaubt, daß du dieses für dich behältst, statt damit Gutes zu tun?“ / Gestattest du dir
etwas, das nicht zum Lebensnotwendigen, sondern der Erholung oder der Genugtuung am
Schönen und Angenehmen dient, so nimm ungefähr den gleichen Wert und bestimme ihn
für Wohltaten. Ich meine also, wir müssen gewissermaßen in allem, was über das
Notwendige hinausgeht, mit den Bedürftigen teilen, eine freiwillige geheime Steuer
entrichten.“ / „Was der Welt fehlt, sind nicht die großen Summen, die die oder jene Reiche
für sich behalten, sondern die vielen kleinen Gaben, die die Wenig-Besitzenden unnötig
ausgeben. Das sind die Wassertropfen, die den Strom bilden sollten zur Bewässerung des
Landes“.
2) Drei Heilmittel
„Heilmittel Reduktion“: „lagom“ / „decluttering“ / „Weg vom Was zum Warum, Wie und
Wer“ / Gen 41-43: Es sind dieselben Tugenden (Besonnenheit, Weisheit, Überblick,
langfristiges Denken), die du in den sieben fetten und die du in den sieben mageren Jahren
brauchst; dann wird es in den fetten Jahren nicht zuviel und in den mageren Jahren nicht
zuwenig sein: Genug ist genug
„Heilmittel Maß“: Form der Scham und des Schamgefühls; verbunden mit „Weisheit“
(sapientia, die wiederum verbunden ist mit „sapor“, Geschmack – wie beim Essen also: wann
weiß ich, dass es genug ist?); Josef Pieper nennt das Maßhalten eine Form der
Selbstbewahrung (wir zerstören uns selbst, wenn wir ins Maßlose abgleiten, wenn wir nicht
sagen können: genug ist genug); „simplicity“: Maß verbunden mit einem Sinn für das
Einfache / Tim Kasser /
„Heilmittel Gewohnheiten“: gute Gewohnheiten geben Sicherheit und Struktur, bauen Alltag
auf und können in einer Gemeinschaft etabliert werden
3) Ein biblischer Impuls: Mt 14,13-21
Als Jesus all das hörte, fuhr er mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber
die Leute in den Städten hörten davon und gingen ihm zu Fuß nach. Als er ausstieg und die
vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren.
Als es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen und es ist
schon spät geworden. Schick doch die Menschen weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich
etwas zu essen kaufen können. Jesus antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr
ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Darauf
antwortete er: Bringt sie her! Dann ordnete er an, die Leute sollten sich ins Gras setzen. Und
er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis,
brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, und alle
aßen und wurden satt. Als die Jünger die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelten,
wurden zwölf Körbe voll. Es waren etwa fünftausend Männer, die an dem Mahl teilnahmen,
dazu noch Frauen und Kinder.
II. Spiritualität des Genug: Das Genug des „Magis“
1) Drei Grundbegriffe: Selbsttäuschung, gutes Leben, Versuchungen
Die Gefahr der Selbsttäuschung („Selbstgefälligkeit ob leidvollen Verzichts“)
Die Frage nach einem guten Leben: Bronnie Ware (Freundschaft, Glück, Persönlichkeit,
Gefühle, Muße) und Skidelsky (Sicherheit, Gesundheit, Respekt, Persönlichkeit,
Freundschaft, Harmonie mit der Natur, Muße)
Versuchungen: „The most difficult thing is to take less if you could get more“; Johannes
Cassian (360-435) über eine geistliche Gesetzmäßigkeit: wer viel hat, will immer mehr
haben: wer von „avaritia“ getrieben ist, wird nie zufrieden sein, wird immer ein Getriebener
sein, wird sich auch immer vergleichen müssen; Gier ist ein Übel, das weitere Übel (wie Neid
und Geiz) hervorbringt; die Versuchung aber auch, maßlos im Verzicht zu werden („Brief
über die Vollkommenheit“)
2) Drei konkrete Erfahrungen: Levine, Boyle, Hickman
3) Armut
Die bittere und grausame Seite von Armut – Carolina Maria de Jesus
Die Diskussion um Armut in der frühen christlichen Literatur
Ein Beispiel: Ignatius von Loyola ließ seinen Sekretär Juan Polanco am 6. August 1547 einen
Brief an die Mitbrüder in Padua verfassen.1 Diese leiden gerade unter Mangel, den sie am
eigenen Leib verspüren. Ignatius zeigt sich erfreut, dass sie die Liebe zur Armut verwirklichen
können, eine Liebe, die aus Liebe zu Christus gewählt worden sei. Wer den nackten Christus
am Kreuz vor Augen habe, werde nicht zur Geduld ermuntert werden müssen, wenn er die
„heilige Armut“ erfährt. Christus selbst hat Armut erfahren (vgl. Mt 8,20; Lk 9,58), „seine
erwähltesten Freunde“ seien arm gewesen. Die Armen werden als „selig“ gepriesen, das
Himmelreich wird ihnen als gegenwärtig zugesagt, nicht erst in der Zukunft liegend. Armut
wird hier als Gnade Gottes beschrieben, unter Hinweis auf Sir 11,14. Besonders für die
Armen hat Christus seine Botschaft gebracht (vgl. Lk 4,18; Mt 11,5). „Die Freundschaft mit
den Armen macht zu Freunden des ewigen Königs“ (p 186). Jesus identifiziert sich mit den
Armen und hat ja auch verheißen, dass man ihm getan hat, was man dem geringsten Bruder
getan habe (Mt 25.40).
1
I. v. Loyola., Briefe und Unterweisungen. Hg. u. übersetzt. v. P. Knauer. Dt. Werkausgabe 1. Würzburg 1993,
184-189.
Der Nutzen der Armut ist groß: „Sie tötet jenen Wurm der Reichen, nämlich den Hochmut
und schneidet jene höllischen Blutegel der Ausschweifung und Freßsucht … ab“ (p 187);
nimmt Hindernisse zum Vernehmen der Stimme des Heiligen Geistes weg. Die Armut „läßt
einen unbehindert auf dem Weg der Tugenden gehen, wie ein Wanderer, der von jedem
Gewicht entlastet ist“ (p 187). Armut wird beschrieben als „Schmelzofen, der den Fortschritt
der Tapferkeit und der Tugend bei den Menschen prüft“ (p 188). Die Erfahrung zeigt
vergleichsweise große Zufriedenheit der gewöhnlichen Bettler im Vergleich zu großen
Kaufleuten, Amtspersonen und Fürsten (p 189). Gegen Ende des Briefes wird ein
interessanter Begriff eingeführt, der Begriff des „zarten Armen“ (p 189), als eines Menschen,
der die Armut liebt, aber die Folgen der Armut nicht verspüren möchte (wie schlechtes
Essen, schlechte Kleidung, Verachtung).
4) Geistliches Wachstum
„Heilmittel Dienst“: Anregungen von Papst Franziskus
„Heilmittel Vertrauen“
„Heilmittel Prioritäten“ (Heilmittel Abschied): Mt 6,21-33
„Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge
gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird
dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann
die Finsternis sein! Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen
und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr
könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon. Deswegen sage ich euch: Sorgt euch
nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und
darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und
der Leib wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie
ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie.
Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch
nur um eine kleine Zeitspanne verlängern? Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt
von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich
sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn
aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins
Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! Macht euch also keine
Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir
anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das
alles braucht. Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen;
dann wird euch alles andere dazugegeben. Sorgt euch also nicht um morgen; denn der
morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.“
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