Betrug 1

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Wirtschaftsstrafrecht SS 2014
PD Dr. Luís Greco
Teil 5. Besonderer Teil
A. Betrug (§ 263 StGB) als
Wirtschaftsdelikt
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Teil 5. Besonderer Teil
I. Allgemeine Bemerkungen
1. Charakteristika
Betrug als Vermögensdelikt („Schaden“)
Betrug als Kommunikationsdelikt („Täuschung“)
Betrug als Selbstschädigungsdelikt („Irrtum“, Verfügung)
2. Betrug im Wirtschaftsstrafrecht
zur Schwerpunktsetzung im Rahmen dieser Vorlesung.
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I. Objektiver Tatbestand
1. Tathandlung: Täuschung
a) Erste Bemerkungen
Täuschung = „ein Verhalten des Täters, das objektiv geeignet und
subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über
tatsächliche Umstände hervorzurufen.“ (BGHSt 47, 1, 5).
- nach der Rspr. ist der „Täuschungswille“ schon Bestandteil der
Täuschung und ist nicht erst eine Komponente des Vorsatzes.
- Kommunikation erforderlich: sog. Tatsachenarrangements reichen nicht
aus.
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1. Tathandlung: Täuschung
…
b) Gegenstand der Täuschung: Tatsachen
Tatsachen = Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der
Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.
Konkret:
- Beweisbarkeit als zentrales Merkmal
- keine zukünftigen Ereignisse
- keine Werturteile
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Tatsachen = Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der
Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.
…
- keine zukünftigen Ereignisse
aber innere Tatsachen, insb. Erfüllungswilligkeit, s.u.
Eigenschaften eines Gegenstands,
z.B. die krebsheilende Wirksamkeit eines Präparats, s. etwa BGH
NStZ 2010, 88, 89 – Galavit-Fall.
Verkauf von Optionen auf Warentermingeschäfte (BGHSt 30,
177; 31, 115. 116): Kunden wurden über gegenwärtige
Eigenschaften der ihnen verkauften Optionen getäuscht; diese
verkörperten nur minimale Gewinnchancen.
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Tatsachen = Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der
Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.
…
- keine Werturteile
die Bestimmung eines Preises ist keine Tatsachenbehauptung;
and. die Grundlagen der Preisbildung
s. BGH NStZ 2010, 88, 89 – Galavit-Fall.
Anpreisungen sind keine Tatsachenbehauptung
bei Reklamen: möglich ist aber eine Täuschung über den
Tatsachenkern.
BGHSt 34, 199, 200 f.: ‚Hollywood-Lifting-Bad‘, ‚FrischzellenFormel Zellaplus 100‘, ‚Schlank-Pille M-E-D 300‘, ‚HaarverdickerDoppelhaar‘!
Rechtsauffassungen sind keine Tatsachen – and. aber die
Existenz
einer
ständigen
Rechtsprechung
oder
einer
Gesetzesvorschrift.
s. etwa OLG Frankfurt NJW 1996, 2172
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Tatsachen = Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der
Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.
…
schwierige Grenzfälle
- Vermögensanlageberatung, Bezeichnung einer Anlage als „sicher“ (BGHSt
48, 331, 344 f.).
- Überhöhter Preis (OLG München wistra 2010, 37: keine
Tatsachenbehauptung); Geltendmachung eines nicht-existenten oder zu
hohen Anspruchs durch Abmahnung (OLG Köln NJW 2013, 2772:
Tatsachenbehauptung).
- Behauptungen über die Rechtslage – das veranstaltete Glücksspiel sei ein
erlaubnisfreies, rechtlich zulässiges Geschicklichkeitsspiel, was eigentlich
noch ungeklärt war – als Täuschung über Tatsachen (BGH NJW 2011, 1825
Rn. 10).
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c) Formen: ausdrückliche, konkludente Täuschung
(= Begehung) vs. Täuschung durch Unterlassen
aa) ausdrückliche Täuschung
bb) konkludente Täuschung
„Bei schlüssigem Verhalten ist entscheidend, welcher Erklärungswert dem
Gesamtverhalten des Täters nach der Verkehrsanschauung zukommt“
(BGHSt 49, 17, 21), Geschäftstyp (BGHSt 51, 165, 170).
nicht verfassungswidrig (BVerfGE 130, 1, 44 f. – Al Qaida).
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bb) konkludente Täuschung
…
Kasuistik
Erfüllungswilligkeit: „Die Erklärung, vertragstreu sein zu wollen, haftet
einem Vertragsangebot … notwendig an…“ (RGSt 42, 40, 42).
Zechprellerei; Kreditbetrug
Insertionsoffertenbetrug (BGHSt 47, 1): Zu einer betrugsrelevanten
Täuschung wird die inhaltlich richtig, aber objektiv irreführende Erklärung
erst, „wenn der Täter die Eignung der – inhaltlich richtigen – Erklärung,
einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem
Anschein „äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens” gezielt die Schädigung
des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße
Folge, sondern der Zweck der Handlung ist“.
bedingter Vorsatz soll nicht genügen.
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bb) konkludente Täuschung
…
Kasuistik
Sportwetten: „Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Bedingung für
die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichteten
Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen
(konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss.“ (BGHSt 58, 102, 108;
ebenso BGHSt 51, 165, 169 – Hoyzer-Fall).
s.a. BGHSt 16, 120 – Spätwette.
Lastschriftreiterei: „Ein Betrug gegenüber der ersten Inkassostelle kommt
aber nicht nur bei fingierten Forderungen in Betracht, sondern grundsätzlich
dann, wenn sie sowohl darüber getäuscht wird, dass die Lastschriften nicht
widerrufen werden, als auch darüber, dass der Zahlungsempfänger im
Zeitpunkt der Rückrechnungslastschriften seiner Bank zahlungsunfähig
ist.“ (BGHSt 50, 147, 154).
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bb) konkludente Täuschung
…
Kasuistik
…
Submissionsbetrug. „Sowohl bei einer förmlichen öffentlichen
Ausschreibung als auch bei einer freihändigen Vergabe mit
Angebotsanfragen durch öffentliche oder private Auftraggeber an zumindest
zwei Unternehmer enthält die Angebotsabgabe vor dem gesetzlichen
Hintergrund der Regelung in § 1 GWB regelmäßig die schlüssige
(konkludente) Erklärung, dass dieses Angebot ohne eine vorherige
Preisabsprache zwischen den Bietern zu Stande gekommen ist.“
(BGHSt 47, 83, 86 f.).
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bb) konkludente Täuschung
…
Keine konkludente Täuschung:
Empfangen einer Leistung erklärt nicht konkludent, dass sie geschuldet
ist. „Auszugehen ist hierbei von dem Grundsatz, daß es in dem
Risikobereich des Leistenden gehört, daß die Schuld besteht und die
Leistung den Anspruch nicht übersteigt.“ (BGHSt 39, 392, 398).
Abhebung eines Betrags, der auf einer Fehlbuchung beruht, erklärt nicht
mit, dass ein Anspruch auf den Betrag bestehe.
(auch keine Garantenstellung, s.u.).
Fordern eines bestimmten Preises bedeutet nicht, dass der Preis
angemessen oder marktüblich ist: OLG München wistra 2010, 37; BGH
NStZ 2010, 88
Ausnahme: es gibt feste Tarife.
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cc) Täuschung durch Unterlassung
Erfordernis einer Garantenstellung, § 13 StGB
Gesetz
Empfänger von Sozialleistungen: §§ 60 I SGB I, 99 S. 2 SGB X
Versicherungsnehmer: §§ 19 I, 23 II, III VVG
anmeldepflichtige Arbeitnehmer: § 28a I SGB IV
Ingerenz
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Erfordernis einer Garantenstellung, § 13 StGB
…
Vertrag
„Das Bestehen vertraglicher Beziehungen reicht für sich betrachtet aber
nicht aus. Hinzutreten müßte ein durch das Vertragsverhältnis vermitteltes
besonderes Vertrauensverhältnis“ (BGHSt 46, 196, 203; ebenso BGHSt
39, 392, 399).
langjährige Geschäfts- und Vertrauensbeziehung
besonderes Fachwissen (Autohändler und Unfallwagen)
fachmännische Beratung (etwa Optionenverkäufer, BGHSt 30, 177, 181 f.)
konkrete vertragliche Vereinbarung.
§ 242 BGB grds. nicht ausreichend (BGHSt 39, 392, 399 f.; and. noch BGHSt 6,
198, nach Vertragsabschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit).
§ 138 ZPO: Verschweigen des Vermieters, dass Eigenbedarf entfallen ist (OLG
Zweibrücken NJW 1983, 694).
insb. keine Garantenpflicht zur Aufklärung einer Fehlbuchung.
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2. Irrtum
Irrtum = Vorstellung, die nicht den Tatsachen entspricht.
positive Fehlvorstellung erforderlich; sog. ignorantia facti nicht
erfasst.
aber „sachgedankliches Mitbewusstsein“ ausreichend.
s. etwa BGHSt 51, 165 (174) – Sportwetten; 57, 95 (100, 112) –
privatärtzlicher Abrechnungsbetrug.
bei vertragswidrigem Einsatz einer Kreditkarte (-), da der
Ladenangestellte sich über die Bonität und Zahlungswilligkeit des
Kunden keine Gedanken machen muss, weil er weiß, dass die
Zahlung vom Aussteller der Karte garantiert wird (BGHSt 33, 244,
247, 249).
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2. Irrtum
…
Zweifel des Opfers, Leichtgläubigkeit bzw. leichte Erkennbarkeit
des Irrtums: nach h.M. irrelevant.
s. BGHSt 34, 199 (201 f.) – Haarverdicker, Schlankpillen usw.; 47, 1 (5) –
Todesanzeigen; 57, 95 (113) – privatärztlicher Abrechnungsbetrug; BGH
NStZ-RR 2004, 110 (111) – Zusenden rechnungsähnlicher Schreiben.
a.A.: Vertreter des sog. viktimodogmatischen Ansatzes.
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3. Verfügung
Verfügung= „jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des
Getäuschten ..., das unmittelbar eine Vermögensminderung im
wirtschaftlichen Sinne bei dem Getäuschten selbst oder einer dritten
Person herbeiführt“ (BGHSt 14, 170, 171), „tatsächliches Verhalten,
das unmittelbar vermögensmindernd wirkt.“ (BGHSt 31, 178, 179).
Verfügungsbewusstein: grds. nicht erforderlich, nur beim Sachbetrug
(BGHSt 18, 221, 223; BGHSt 41, 198, 203: „Geht es … darum, den
Gewahrsam ohne Wissen und damit ohne Einverständnis des Getäuschten
aufzuheben, liegt nicht Betrug, sondern Diebstahl vor.“).
auch durch Unterlassen
auch unbewusste Verfügung durch Unterlassen möglich.
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3. Verfügung
…
Unmittelbarkeit
s. BGHSt 50, 174, 177 f.: Einrichtung einer 0190er-Nummer.
Dreiecksbetrug
klassischer Streit: Nähetheorie, Befugnistheorie, Lagertheorie.
str., ob die Kriterien auch für den Forderungsbetrug gelten; dies ist wohl
zu bejahen.
Irrtum und Wissenszurechnung
Verfügender irrt, andere Personen in der Organisation verfügen über
weitergehendes Wissen. Grds. kommt es auf die Person des Verfügenden
an. Str.
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4. Vermögensschaden
a) Allgemeine Bemerkungen
Vermögen = Summe der geldwerten Güter einer Person (BGHSt 34,
199, 203).
kurze
Wiederholung:
wirtschaftlicher,
wirtschaftlicher
Vermögensbegriff.
juristischer,
juristisch-
„wirtschaftliche“ Betrachtungsweise: z.B. kann der „Anspruch“
auf
„seinen“ Teil des Erlöses aus einer Straftat Vermögensbestandteil sein
(BGHSt 2, 364), str.
BVerfGE 130, 1, 48: „Verschleifungsverbot“, wirtschaftliche
Betrachtungsweise darf nicht völlig in den Hintergrund geraten.
Schaden = Minderung des Vermögens in seinem wirtschaftlichen
Gesamtwert (bereits RGSt 16, 1, 3).
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4. Vermögensschaden
…
b)
Schadensbestimmung:
Gesamtsaldierung, Kompensation
Prinzip
der
Unmittelbarkeit der Kompensation, s. etwa BGHSt 58, 102, 133 f.
Schadenersatzansprüche selbstverständlich keine Kompensation.
Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung keine Kompensation, weil
das Risiko, vom Vertrag loszukommen, dem Betroffenen aufgebürdet wird.
Vereinbarung eines Rücktrittsrechts (BGHSt 23, 300; 34, 199): kann zwar
eine schadensgleiche Vermögensgefährdung ausschließen, nicht aber einen
bereits eingetretenen Verlust, wenn seine Geltendmachung mit
Unsicherheiten behaftet ist.
ebenso bei einer Leistung Zug um Zug, bei der dem Getäuschten die
Einrede der Nichterfüllung (§ 320 BGB) zusteht.
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4. Vermögensschaden
…
b)
Schadensbestimmung:
Gesamtsaldierung, Kompensation
Prinzip
…
Zeitpunkt der Vermögensverfügung maßgeblich.
Ausbleiben einer Mehrung kein Schaden.
and. bei vermögenswerten Anwartschaften, s.u.
Schaden muss beziffert werden, BVerfGE 130, 1, 47 f., s.u.
der
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b)
Schadensbestimmung:
Gesamtsaldierung, Kompensation
Prinzip
der
…
objektiver Ausgangspunkt. „Der Wert eines Vermögens bemisst sich nicht
nach der persönlichen Einschätzung seines Inhabers.“ (BGHSt 16, 220, 221
f. – Gabardinenhosen-Fall)
sog. persönlicher Schadenseinschlag: Vermögensschaden
marktmäßiger Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.
trotz
„(…) Ein Vermögensschaden ist in diesem Falle nur gegeben, … wenn der Erwerber
die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich
vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann oder
durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen
genötigt wird oder infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen
kann, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine
seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschaftsführung oder
Lebensführung unerläßlich sind“. (BGHSt 16, 321 – Leitsatz; sog. MelkmaschinenFall).
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b)
Schadensbestimmung:
Gesamtsaldierung, Kompensation
Prinzip
der
…
schadensgleiche Vermögensgefährdung
klassische Beispiele: Kreditkartenerschleichung;
Unterschrift; Eingehungsbetrug, s.u.
Erschleichung
Terminologie:
besser
„Gefährdungsschaden“,
Vermögensgefährdung.“ (Hefendehl, FS Samson, S. 300).
einer
„schädigende
Grundlagen: Figur ist berechtigt; sie beruht auf dem wirtschaftlichen
Vermögensbegriff.
Diskussion: Ablehnung der Figur als „entbehrlich“ in BGHSt 53, 199, 202
ff.? Verletzung des Analogieverbots?
Kriterien: Rspr.: „konkrete“ Gefährdung erforderlich. Lit.: Verlust von
Vermeidemacht (Schünemann), Bilanzrecht (Hefendehl), Unmittelbarkeit
(Saliger).
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b)
Schadensbestimmung:
Gesamtsaldierung, Kompensation
Prinzip
der
…
schadensgleiche Vermögensgefährdung
…
Die neueste Entwicklung:
Al-Qaida Entscheidung (BGHSt 54, 69; BVerfGE 130, 1).
Die Untreue-Rspr. (BVerfGE 126, 170) soll auch für den Eingehungsbetrug
gelten. Schaden ist grds. der Höhe nach zu beziffern; in schwierigen Fällen
muss ein Mindestschaden im Wege einer den Zweifelsatz beachtenden
Schätzung bestimmt werden (BVerfGE 130, 1, 47 f.)
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c) Fallgruppen
aa) Eingehungsbetrug
(1) Allgemeine Bemerkungen
Verfügung ist hier die Belastung des Vermögens mit
Verbindlichkeit (und nicht erst die Erfüllung dieser Verbindlichkeit).
einer
Schadenbestimmung: Vermögenslage vor und nach Vertragsabschluss ist
zu vergleichen.
maßgebender Zeitpunkt ist der Vertragsabschluss; auf die spätere
Entwicklung kommt es nicht an.
nicht auf den vereinbarten Preis, sondern auf den marktmäßigen Wert von
Leistung und Gegenleistung kommt es an.
klassisch Gabardinenhosen-Fall, BGHSt 16, 220.
neueste
Entwicklung:
„Verschiebung
des
synallagmatischen
Zusammenhangs zu Lasten des Getäuschten“ als Schaden? (BGHSt 58,
205, 211).
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aa) Eingehungsbetrug
…
(2)
Täuschungsbedingte
Kreditbetrug
Darlehensgewährung,
sog.
etwa BGH NJW 2012, 2371; NStZ 2013, 711.
Nicht auf die Nichtrückzahlung komme es an, sondern auf den wirtschaftlichen
Minderwert des Zahlungsanspruchs: „Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs
wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten
bestimmt. Ein Schaden entsteht daher nur, wenn die vorgespiegelte
Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht (…) und auch gegebene Sicherheiten
wertlos oder minderwertig sind“ (BGH NStZ 2013, 711, 712).
d.h.: Schaden als Funktion der Bonität des Schuldners und des Werts der
bestellten Sicherheiten.
s. aber BGH NJW 2012, 2371 (Rn. 8): Verschiebung des synallagmatischen
Zusammenhangs als Schaden?
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aa) Eingehungsbetrug
…
(3) Verkauf von Warenterminoptionen
„Der Schaden, der den Optionskäufern entstanden ist, kann daher
nur in dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Optionspreis
und dem wirklichen Wert der Optionen (Marktpreis) gesehen
werden“ (BGHSt 30, 388, 390).
BGHSt 31, 115, 117: wirklicher Wert = Null, so dass der Schaden „in
Höhe des Optionspreises" bemessen wird: „Denn sie erhielten für ihr
Geld eine Option ohne reale Werthaltigkeit, einen in ihrer Hand als
Spekulationsobjekt wertlosen Gegenstand, weil eine realistische
Gewinnerwartung nicht vorhanden war.“
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aa) Eingehungsbetrug
…
(4) Anstellungsbetrug, „Amtserschleichung“.
Beispiel: BGHSt 45, 1 – ex-Stasi als Polizist.
Täuschung über die fachliche Qualifikation: Gegenleistung ist von
vornherein nicht gleichwertig.
Täuschung über die persönliche Qualifikation liegt ein Schaden
vor, wenn der Beamte die Behörde über Umstände täuscht, die das
Ermessen der Behörde, ihn nicht einzustellen, auf Null reduzieren.
Hierin liegt eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, denn: „Bei einem
persönlich unzuverlässigen Bewerber bleibt der Wert der versprochenen
Leistung hinter dem objektiven, tatsächlichen Wert der Vertragspflicht
zurück.“ (BGHSt 45, 1, 11).
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aa) Eingehungsbetrug
…
(5) Sportwettenbetrug
s. BGHSt 51, 165 (174 ff.); 58, 102, 108 ff.
bei Auszahlung des Wettgewinns: Schaden i.H. der Differenz zwischen
Wetteinsatz und Wettgewinn
davor (bei Abschluss der Wette auf ein manipuliertes Spiel) bereits ein
sog. Quotenschaden:
„Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem
Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung
des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der
Täuschende eine höhere Gewinnchance, als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei
richtiger Risikoeinschätzung ‚verkaufen‘ würde.“ (BGHSt 51, 165, 175; ähnl. BGHSt
58, 102, 113).
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aa) Eingehungsbetrug
…
(5) Sportwettenbetrug
…
Diskussion über den Quotenschaden
Hauptproblem in der Rspr.: Bezifferung dieses Schadens; nicht entbehrlich (s.
BGHSt 58, 102, 114 f.; and. noch BGHSt 51, 165, 175).
In der Lit. ist der Quotenschaden sehr str.
Quotenschaden als Fiktion?
etwa Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 219.
Schaden erst bei erfolgreicher Manipulation?
so etwa Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368.
Quotenschaden höher als Auszahlungsschaden?
Greco, im Erscheinen.
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dd) Anwartschaftsrechte
„§ 263 StGB schützt als Vermögen nicht bloß privatrechtlich
rechtsbeständige Güter, sondern auch tatsächliche Erwerbs- und
Gewinnaussichten, wenn ihnen der Geschäftsverkehr deswegen bereits
wirtschaftlichen Wert beimißt, weil sie mit Wahrscheinlichkeit einen
Vermögenszuwachs erwarten lassen“ (BGHSt 17, 147, 148; davor RGSt 16,
1, 35).
s. einerseits BGHSt 19, 37 - VW-Aktien; BGHSt 56, 203, 215 f. - Verschleierung von
Verstößen gegen das Parteigesetz; und BGHSt 17, 147, 148 - Submissionsbetrug
andererseits BGH NStZ 2004, 557 – Rabattbetrug.
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cc) Submissionsbetrug
Schaden liegt in der Differenz zwischen hypothetischem
Wettbewerbspreis und erreichtem Preis (BGHSt 38, 186, 192 ff.;
47, 83, 88 f.).
„Art und Umfang der beeinträchtigten Preisbildung wird nicht durch Vergleich
des unter Ausschaltung oder Beschränkung des Wettbewerbs erzielten mit
dem geschätzten ‚angemenessen‘ Preis festgestellt, sondern durch den
Vergleich der geforderten Preise mit den Marktpreisen, die bei
funktionsfähigem Wettbewerb erzielt worden wären“ (BGHSt 38, 186, 192).
auch Schädigung des Mitbewerbers möglich, wenn vermögenswerte Anwartschaft
vorliegt, s.u.
Krit.: unzulässige Normativierung (so etwa Rönnau, FS Rissing-van Saan,
2011, S. 525, 540 f.)?
§ 298 StGB nicht vergessen.
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dd) Spendenbetrug
in solchen Fällen „bewusster Selbstschädigungen“ beruht der
Schaden auf der Zweckverfehlung
s. etwa BGH NStZ 1995, 134 (mit überzeugender Kritik v. Rudolphi, NStZ
1995, 289); OLG Düsseldorf NJW 1990, 2397.
ee) Aushändigung von Schecks und Kreditkarten
schadensgleiche Vermögensgefährdung, wenn der Empfänger
zahlungsunfähig (BGHSt 33, 244, 246) oder -unwillig ist (BGHSt 47, 160,
167, 170).
ff) Gutgläubiger Erwerb, Prozessrisiko
Mehrere Phasen:
- Theorie des sittlichen Makels (RGSt 73, 61, 63).
- später hieß es, die Gefahr, des bösgläubigen Erwerbs oder sogar der
Hehlerei bezichtigt zu werden, sei schon ein Schaden (BGHSt 15, 83, 86 f.).
- Prozess muss Aussicht auf Erfolg haben (BGHSt 21, 112, 114).
- Schaden muss beziffert werden können (BGH NStZ 2013, 37).
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