3 Mathematik in der Soziobiologie

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3.1
Mathematik in der Soziobiologie
Der Kampf um das Leben
Die Darwinsche Evolutionstheorie stellt sich im wesentlichen so dar:
1. Die Gene der Nachkommen sind neu kombiniert und eventuell mutiert.
2. Da der Lebensraum nur einer begrenzten Anzahl von Nachkommen Platz bietet, werden die Nachkommen selektiert. Die Nachkommengeneration ist damit genauso gut oder
besser angepaßt als die Elterngeneration.
Bei der Selektion denkt man gewöhnlich an den Kampf um eine Nahrungsquelle, die das
stärkere Individuum für sich erschließen kann. Doch die größte körperliche Fitness nutzt
einem Männchen nichts, wenn es diese nicht in Nachkommen umsetzen kann. Der Konkurrenzkampf um ein Weibchen unterscheidet sich vom Kampf um eine Resource deutlich:
Zum einen treten immer Männchen der gleichen Art an, zum anderen ist in den meisten
Fällen kein Kompromis möglich – es geht fast immer um Alles oder Nichts. Vor allem aus
dem zuletzt genannten Grund ist es plausibel, daß die Männchen sich immer schrecklichere
Waffen zulegen, die eigens für den Kampf um ein Weibchen entwickelt werden. Wenn wir
diesen Gedanken zu Ende denken, sollte dieser Kampf in den meisten Fällen einen tödlichen Ausgang haben, weil damit der Konkurrent nicht mehr am Fortgang der Evolution
teilnehmen kann. Aber warum ist das in der Natur nicht so?
Wir beobachten beim Kampf um ein Weibchen eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensweisen, die wir grob in zwei Typen einteilen:
1. Im Beschädigungskampf bekämpfen sich die Männchen bis zum Tod oder schweren Verletzungen.
2. Im Kommentkampf setzen die Männchen ihre Waffen nicht ein und beschränken sich
auf ein reines Drohverhalten.
Echte Beschädigungskämpfer sind in der Natur rar; mir fällt zuerst der Kater ein, aber er
ist ein Haustier. Bei den Kommentkämpfern mag das imposante Kleid vieler Männchen die
Konkurrenten beeindrucken, aber gleichzeitig wird das Weibchen von der körperlichen Gesundheit des Kandidaten überzeugt. Ein ähnliches Ziel wird mit dem Kommentkampf der
Saugschmerle erreicht, bei dem sich die Rivalen so lange umschwimmen, bis einer aufgibt.
Selten findet man in der Natur kooperatives Verhalten. Bei den Mantelpavianen gehen
Brüder häufig gemeinsam vor, indem einer den Konkurrenten von der Begattung abhält,
während der andere an dessen Stelle tritt. Solche Kooperationen sind aber nur dann evolutionsstabil, wenn sie von nahen Verwandten praktiziert werden, weil es in diesem Fall
nicht so wichtig ist, wer seine Gene weitergeben darf.
Der Widerspruch lautet nun so: Nur der Beschädigungskampf scheint dem Prinzip
der natürlichen Auslese, der Individualselektion, die bei der Paarung in besonderer Weise gültig sein müßte, zu entsprechen. Andererseits dient der Kommentkampf sicherlich
der Erhaltung der Art, weil er die Anzahl der Individuen nicht durch arteigene Kämpfe
verringert. Darwin führte daher das Prinzip der Gruppenselektion ein: Bildet eine Art
Verhaltensweisen aus, die sie einer anderen unterlegen macht, muß sie untergehen. Die
Gruppenselektion ist der Individualselektion in gewisser Weise übergeordnet und verwischt
das klare Bild, das wir von der Evolution als Individualselektion gewonnen haben. Weiter
führt der Begriff der Gruppenselektion in diesem Zusammenhang zu einem Widerspruch:
1. Der Kommentkämpfer ist bezüglich der Arterhaltung dem Beschädigungskämpfer überlegen (Prinzip der Gruppenselektion).
2. Irgendwann werden durch eine Mutation auch Beschädigungskämpfer auftreten und die
Kommentkämpfer ausrotten (Prinzip der Individualselektion).
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Es entstand in der Biologie eine lebhafte, jahrzehntelange Diskussion über diesen Widerspruch, bis der große Maynard Smith ihn mit dem folgenden einfachen spieltheoretischen
Modell auflöste.
Modell: Wir nehmen eine Population mit Kommentkämpfern (K) und Beschädigungskämpfern (B) an, die nach folgenden Regeln miteinander kämpfen:
1. Jeder Kampf wird entschieden und der Sieger bekommt das Streitobjekt.
2. Jeder kann mehrfach kämpfen
3. Die Individuen besitzen keine Erinnerung.
Mit der letzten Regel wird nur sichergestellt, daß die Individuen nicht aus früheren Kämpfen lernen können, sondern streng ihrem genetischen Programm folgen müssen. Als nächstes
legen wir eine Punktwertung für den Ausgang eines Kampfes fest. Als Bezugspunkte
wählen wir 0 Punkte für einen Verlust ohne Verletzungen und 1 Punkt für einen Gewinn. Für einen Verlust mit Verletzungen vergeben wir a Punkte. Zweifellos ist a < 0,
denn das Individuum wird einige Zeit brauchen, bis seine Wunden verheilt sind und es
wieder am Kampf um das Leben teilnehmen kann. Da der Verlust ja auch tödlich enden
kann, wollen wir sogar a < −1 voraussetzen. Wir können nun jedem Kampftyp Erwartungswerte für die Gegner zuordnen:
1. B−B: einer gewinnt, der andere wird schwer verletzt; der Erwartungswert für beide
Gegner ist daher 12 (1 + a) < 0.
2. K−B: B gewinnt kampflos, niemand wird verletzt. Der Erwartungswert für B ist 1 und
der für K ist 0.
3. K−K: einer gewinnt, niemand wird verletzt. Der Erwartungswert für beide ist 12 (0+1) =
1
2.
Bezeichnen wir die Häufigkeiten der K und B mit k und b, so erhalten wir für die durchschnittlichen Erwartungswerte (c = 12 (1 + a) < 0)
für B:
für K:
(cb + 1 · k)/(b + k) =: EB
(0 · b + 21 k)/(b + k) =: EK
Angenommen EB < EK , dann hat jeder K größere Aussichten, seine Gene weiterzuvereben, wodurch sich EK /EB verringert. Umgekehrt führt die Annahme EB > EK auf eine
Verringerung von EB /EK . Wenn also ein Gleichgewichtspunkt E B = EK existiert, so ist
er auch evolutionsstabil. Aus EB = EK folgt
k
= −1 − a > 0.
b
Evolutionsstabil ist also nur eine Mischpopulation aus K und B, deren Verhältnis von der
Größe a abhängt. Nur bei a ≥ −1, also relativ unblutigem Beschädigungskampf ist eine
reine B-Population evolutionsstabil.
3.2
Das Hardy-Weinberg-Gesetz
Als kleine Vorüberlegung betrachten wir einen vollständigen Graphen mit m + n Knoten,
bei dem m Knoten rot und n Knoten schwarz gefärbt sind. Entsprechend können wir die
Kanten in rr, rs und ss unterteilen. Die Anzahl der rr-Kanten sind demnach gerade die
Anzahl der Kanten im vollständigen Graphen mit m Knoten, das sind m(m − 1)/2. Ferner
gibt es genau mn Kanten vom Typ rs. Wir teilen diese Zahlen durch die Gesamtzahl der
Kanten und erhalten damit die relative Kantendichte für große m, n: (x = m/(m + n),
y = n/(m + n))
Dichte von rr : x2 ,
Dichte von rs : 2xy,
Dichte von ss : y 2 .
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Wir betrachten nun ein Gen mit zwei Allelen (=Schalterstellungen des Gens) A und
B. Da jedes Gen in einem Individuum zweimal vorkommt, gibt es die Genotypen AA mit
Häufigkeit x, AB mit Häufigkeit 2y und BB mit Häufigkeit z, zusammen x + 2y + z = 1.
Wir wollen nun die Häufigkeiten der einzelnen Genotypen der Nachkommengeneration
ausrechnen unter der Annahme, daß die Partnerwahl rein zufällig, also unabhängig von den
Genotypen erfolgt. Wir erinnern uns an das zuvor Gesagte über die Anzahl der Heiraten
und erhalten:
AA × AA = x2
AB × AB =
4y 2
AA × AB = 4xy AA × BB = 2xz
AB × BB = 4yz
BB × BB = z 2
Nach dem Vererbungsgesetz erhalten wir aus einer AA×AA-Heirat nur Nachkommen AA,
aus einer AA×AB-Heirat Nachkommen AA mit Wahrscheinlichkeit 1/2 und Nachkommen
AB mit Wahrscheinlichkeit 1/2 usw. Für die Generation der Nachkommen erhalten wir
die Genotyp-Verteilung
1
1
x0 = x2 + (4xy) + (4y 2 ) = (x + y)2
2
4
2y 0 =
z0 =
1
1
1
(4xy) + (4y 2 ) + 2xz + (4yz) = 2(x + y)(y + z)
2
2
2
1
1
(4y 2 ) + (4yz) + z 2 = (y + z)2 .
4
2
Die Häufigkeit der Allele sind in der Ausgangsgeneration
a = x + y,
b = 1 − a = y + z.
Für die Nachkommengeneration gilt für die Verteilung der Genotypen bei zufälliger Partnerwahl daher
#AA : #AB : #BB = a2 : 2ab : b2
unabhängig von der Verteilung der Genotypen in der Elterngeneration. Dies ist gerade das
Hardy-Weinberg-Gesetz. Bei mehreren Allelen gilt diese Formel entsprechend. Man kann
daher leicht feststellen, ob die Partnerwahl vom Genotypen abhängt oder nicht, indem
man die Verteilung der Genotypen bestimmt. Beim Menschen ist dies bisher nur für die
Blutgruppen mit ihren drei Allelen 0, A, B geschehen, allerdings ohne Befund. Wie auch
zu erwarten war, hängt die Partnerwahl nicht von der Blutgruppe ab. In den nächsten 20
Jahren wird man über die genetischen Grundlagen der Partnerwahl genau Bescheid wissen.
Präsenzaufgaben
Zu diesem Thema gibt es leider keine gescheiten Aufgaben. Stattdessen wollen wir das
Prinzip der vollständigen Induktion noch etwas üben.
1. Die Fibonacci-Zahlen sind rekursiv definiert durch
F0 = 0, F1 = 1,
Fn+1 = Fn + Fn−1 für n ∈
.
daher
F2 = 1, F3 = 2, F4 = 3, F5 = 5, F6 = 8, F7 = 13, . . .
Man zeige:
F1 + F2 + . . . + Fn = Fn+2 − 1.
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2. a) Für alle x1 , x2 > 0 gilt
(x1 + x2 )
b) Für alle x1 , x2 , . . . , xn > 0 gilt
(x1 + x2 + . . . + xn )
3. Man beweise für n ∈
1
1
+
≥ 4.
x1 x2
1
1
1 ≥ n2 .
+
+ ... +
x1 x2
xn
2n
X
(−1)k+1
k=1
k
=
2n
X
1
.
k
k=n+1
4. Zeigen Sie: Für alle natürlichen Zahlen n ist n3 − n durch 3 teilbar.
Aufgabe
3.1: (Bundeswettbewerb 1. Runde) In Sikinien, wo es nur endlich viele Städte gibt, gehen
von jeder Stadt drei Straßen aus, von denen jede wieder in eine sikinische Stadt f ührt;
andere Straßen gibt es nicht. Ein Tourist startet in der Stadt A und fährt nach folgender
Regel: Er wählt in der nächsten Stadt die linke Straße der Gabelung, in der übernächsten
die rechte Straße, dann wieder die linke und so weiter, immer abwechselnd. Man zeige, daß
er schließlich nach A zurückkommt.
Viel Spaß beim Lösen ! Für die besten Löser gibt es am Ende der Veranstaltung im Februar
2006 Buchpreise zu gewinnen. Der nächste Mathe-Samstag findet am
21. Januar 2006, 9–12 Uhr
statt.
Die Mathe-Samstage im Internet:
http://ifamus.mathematik.uni-wuerzburg.de/˜dobro/sam.html
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