Mitteilungen November

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Stadt St.Gallen
Botanischer Garten
Mitteilungen
November 2016 / 65 Jahrgang Nr. 11
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Eben gepflanzt und schon mit Zapfen: die Flusszeder
Seit der Erweiterung des Botanischen Gartens im
Bereich des Eingangs an der Stephanshornstrasse
im Winter 2014/15 konnte das Sortiment an Nacktsamern („Nadelgehölze“) u. a. mit einer Flusszeder
bzw. Weihrauchzypresse (Calocedrus decurrens)
bereichert werden. Fast alle Bezeichnungen dieses
amerikanischen Baumriesen, ob wissenschaftlich oder umgangssprachlich, sind
irreführend: So ist er weder mit den Zedern (Cedrus sp.) näher verwandt noch
wächst er bevorzugt an Flüssen. Und nach
Weihrauch riechen zerriebene Zweige
ebenfalls nicht - schon eher nach Terpentin oder Schuhwichse. Aromatisch ist
das Holz zwar, allerdings riecht es nach
Pfeffer. Immerhin gehört die Flusszeder in
die Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae), nicht jedoch zu den Zypressen (Cupressus)
selber. Wirklich zutreffend ist einzig der Ausdruck
„calo“, was aus dem griechischen übersetzt
„schön“ bedeutet. Bloss - welche Pflanze ist
nicht schön?
Der Gattung Calocedrus gehören lediglich vier
Arten an: eine lebt in China, eine in Vietnam, eine
in Taiwan und die hier vorgestellte im Westen NordSame
amerikas von Oregon bis in die nördlichen Bereiche der
mexikanischen Baja California. Wie so viele Nacktsamer ist
die Flusszeder eine Gebirgspflanze; in ihrer Heimat ist sie in
Höhen zwischen 700 und 2900 Metern anzutreffen. Unter optimageöffneter
len Bedingungen erreicht sie Höhen bis 70 Metern. Meistens ist
Zapfen
ihre Krone sehr schmal, besonders in Gebieten mit besonders
heissen Sommer- und sehr kalten Wintermonaten. Wegen ihrer Winterhärte und dem schmalen Habitus, der trotz hohem Wuchs wenig
Raum in Anspruch nimmt, ist die Flusszeder hier ein beliebter Zierbaum.
In ihrer Jugend erträgt die Flusszeder am Wildstandort wie unsere Weiss-Tanne (Abies alba)
viel Schatten. Dadurch kann sie sich in dunkeln Altbeständen ansiedeln und dort ausharren,
bis ihr absterbende Bäume Platz machen. Trotz dieser Fähigkeit bilden sich nirgends Reinbestände. Die Flusszeder tritt stets in Gesellschaft mit Hemlockstannen (Tsuga canadensis),
Douglasien (Pseudotsuga menziesii), Mammutbäumen (Sequoiadendron giganteum) u.a. auf.
Das Prädikat „calo“ verdankt die Flusszeder neben ihrer stattlichen Erscheinung auch den
streng zweizeiligen, flachen und immergrünen Zweigen, die oft bis an den Boden reichen.
Jeweils ein Paar gefalteter (gekielter) Schuppen bilden die Kantenblätter und ein zweites
Paar ungefalteter Schuppen die Flächenblätter. Die deutlichen Spitzen aller vier Blätter enden auf derselben Höhe. Weil die Kantenblätter in der Fläche nicht zusammenstossen, sind
die Flächenblätter gut sichtbar. Wie alle Zypressengewächse bilden die Calocedrus-Arten
keine Winterknospen. Ihre Vegetationspunkte werden von benachbarten Schuppen um-
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schlossen und geschützt. Im Frühling wachsen die Triebe daher weiter ohne sichtbare Jahresabschnitte zu hinterlassen bzw. Schösslinge zu bilden.
Auf den ersten Blick gleichen die hellbraunen Zapfen der Flusszeder jenen des Abendländischen Lebensbaumes (Thuja occidentalis). Allerdings sind sie grösser und aus sechs wie
Buchseiten aufeinanderliegenden Schuppen zusammengesetzt. Dazwischen entstehen die
Samen. Anders als beim Lebensbaum, wo zwei symmetrische Flügel den Samen vollständig
umfassen, sind die zwei ungleichen Flügel bei der Flusszeder einseitig angeordnet, so dass
beim Windtransport faszinierende Drehbewegungen stattfinden.
Das Naturmuseum – der neue Nachbar des Botanischen Gartens
Nun ist es eröffnet und in seiner ganzen Pracht öffentlich zugänglich, das neue Naturmuseum an der Rorschacher Strasse 263. Obwohl eine Häuserzeile dazwischen liegt, ist es vom
Botanischen Garten aus in wenigen Gehminuten zu erreichen. Neu installierte Wegweiser
im und ausserhalb des Gartens zeigen den Weg.- Naturmuseen und botanische Gärten ergänzen einander bestens. Eine ideale Nachbarschaft also. Das haben andere Städte längst
erkannt; in Pruntrut und Fribourg beispielsweise sind sie schon seit Jahrzehnten Nachbarn.
Und das sehr zum Vorteil des Publikums, das oft beide Sammlungen hintereinander besucht. In früheren Zeiten war dies auch in St.Gallen so. 1877, nach der Eröffnung des ersten
Museums im Stadtpark, das noch die Bereiche Natur, Kunst und Geschichte umfasste, baute Bernhard Wartmann (1820-1902), der erste Museumsdirektor, in der Umgebung einen
Botanischen Garten auf. Dieser genoss bald einen guten Ruf. Als Verfasser der ersten
St.Gallen-Flora im Jahr 1881 ist Wartmann für botanisch Interessierte nach wie vor ein Begriff. Wie bis vor kurzem das Natur- und Kunstmuseum wurde das erste Museum bald einmal zu klein. Ein zweiter Bau, das Historische Museum wurde 1918 in Angriff genommen.
Der Botanische Garten musste ausweichen, erst ins Brühlquartier und wegen Überbauungen 1945 nochmals an den heutigen Standort im Stephanshorn. Nun, nach fast 100 Jahren
Trennung liegen die beiden Naturzentren wieder nahe beieinander.
Nachdem 2015 auch das Gartenbauamt mit seinem Werkhof hierher gezogen ist, dürfen wir
mit Recht behaupten, dass der Botanische Garten nun von idealen Nachbarn umgeben ist.
Öffentliche Vorträge im Botanischen Garten
Sonntag, 4. Dezember 2016 um 10.15 und 15.15 Uhr
Ursula Tinner: Faszination der Winterknospen
Auch wenn uns die Winterknospen an den Gehölzen wegen
ihrer Alltäglichkeit als wenig spektakulär erscheinen, so sind
sie doch wahre Wunderwerke. Beim näheren Hinsehen entpuppen sie sich als jugendliche Sprosse im Ruhezustand, in
denen die wesentlichen Teile wie Blätter, Sprossachse oder
gar Blüten bereits angelegt sind. Als Schutzhülle der perfekt
verpackten Organe im Innern dienen spezialisierte Laubblätter.
Im Frühling brauchen sich die Knospen nur noch zu entfalten
und auszudehnen. Der Vergleich mit einer Teleskopantenne
veranschaulicht diesen faszinierenden Vorgang treffend.
Dr. Ursula Tinner befasst sich schon seit langer Zeit mit dem
Bau und den artspezifischen Besonderheiten der Winterknospen. Sie ist auch Initiantin der Ausstellung „Einheimische
Gehölze im Winterzustand“, die jetzt vor dem Eingang zum
Tropenhaus zu sehen ist. Nicht weniger als 68 einheimische Arten unserer Umgebung sind
dort mit typischen beschrifteten Zweigen anzutreffen. Für jene, die mehr wissen wollen,
haben Ursula Tinner und Hanspeter Schumacher eine informative Broschüre mit 277 Farbbildern verfasst, in der alle ausgestellten Arten in Wort und Bild vorgestellt werden. Dank
der Unterstützung durch den Botanischen Zirkel St.Gallen kostet sie lediglich Fr. 5.-.
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