Stadt St.Gallen Botanischer Garten Mitteilungen Juli 2016 / 65. Jahrgang Nr. 7 _______________________________________________________________________________________________________________________________________ Blütenstände wie Pinienzapfen Staubblätter und Fruchtblatt Krone Wer die Merkmale der Korbblütler (Asteraceae) kennt, wird den kleinwüchsigen Zapfenkopf (Leuzea conifera) im Alpinenhaus sofort als Mitglied dieser umfangreichen Pflanzenfamilie erkennen. Die Hüllkelch zahlreichen kleinen Blüten in köpfPappus chenartiger Anordnung und der Hüllkelch, der sie umgibt, gehören zu ihren typischen Eigenschaften. Wie die Detailskizze nebenan zeigt, unterscheiden sich die einzelnen Blüten klar von jenen anderer Familien: Die ursprünglich fünf Kelchblätter sind zu Boreinzelnes sten reduziert, bei denen im Fall des HüllkelchZapfenkopfes alle dicht behaart sind. Sie entblatt wickeln sich zum Pappus („Fallschirmchen“), der es später der reifen Frucht ermöglichen wird, sich mit Hilfe des Windes in einem weiten Umkreis auszubreiten. Die fünf Kronblätter sind nur zuoberst frei, unten bilden sie eine dünne Röhre. In dieser Röhre befinden sich fünf Staubblätter, deren nach innen gerichteten Staubbeutel ebenfalls röhrenartig verwachsen sind. Sie wiederum ummanteln das Fruchtblatt. Angesichts der zahlreichen röhrenartigen Verwachsungen charakterisiert der Ausdruck „Röhrenblüte“ diese Zwitterblüten treffend. Wenn die Staubbeutel, die männlichen GeZapfenkopf schlechtsorgane, reif sind und den Pollen in (Leuzea conifera) die Röhre schütten, ist das Fruchtblatt noch längst nicht entwickelt - eine zeitliche Staffelung, die als Vormännlichkeit bezeichnet wird. Nach und nach bohrt sich das Fruchtblatt durch die Staubbeutelröhre und fegt den Blütenstaub mit speziellen Haaren nach aussen. Dort wird er von Nektar und Pollen suchenden Insekten weggetragen. Jetzt, mit dem Ausbreiten der beiden Narbenlappen, wird die anfänglich männliche Phase von der weiblichen abgelöst. Warum dieses komplizierte Nacheinander? Zumindest innerhalb einer Blüte ist damit Selbstbestäubung ausgeschlossen, innerhalb eines Blütenkopfes aber weiterhin möglich. Wahrscheinlich möchte die Pflanze die genetisch vorteilhaftere Kreuzbestäubung fördern, die Selbstbestäubung als letzte Möglichkeit jedoch nicht ausschliessen. Käme es allein auf die Blüten an, hätte die Familie der Korbblütler Auffälligeres zu bieten als den Zapfenkopf. Beispielsweise jene Gruppe, die zwischen dem Hüllkelch und den Röhrenblüten einen Kranz steriler Zungenblüten einfügen, wie die Sonnenblumen (Helianthus), die Margeriten (Leuchanthemum) oder die Zinnien (Zinnia). Ihnen dürften die Korbblütler die botanische Familienbezeichnung „Asteraceae“ (= „Sternblumen“) verdanken. www.stadt.sg.ch Der Zapfenkopf kommt ohne waagrecht abstehende Lockblüten aus. Damit unterscheidet er sich von den nahe verwandten Flockenblumen (Centaurea). Dagegen präsentiert sich der Hüllkelch, der bei den meisten Gattungen eher unscheinbar daherkommt, sehr dominant. Aus diesem Grund ist er als Zierpflanze - oder in Botanischen Gärten als Kuriosität - sehr beliebt. Trotz den weit geringeren Dimensionen ist der Vergleich mit den Zapfen vieler Nacktsamer („Koniferen“) nicht abwegig. Dazu trägt auch die braune Färbung des oberen strohigen Teils der Tragblätter bei, die wie bei den Pinien auffallend geometrisch angeordnet sind. Sie machen den Zapfenkopf so einzigartig. Beheimatet ist der Zapfenkopf im westlichen Teil des Mittelmeergebietes. Dort gedeiht er in lichten Kiefernwäldern (!) und Gebüschen, in Felsfluren und Trockenwiesen. Seine nächsten Wildstandorte befinden sich im französischen Departement Savoyen und im Piemont. Von der Lebensform her gilt er zwar als ausdauernde Krautpflanze (Staude). Wegen seiner Kurzlebigkeit ist es jedoch vorteilhaft, ihn in Kultur alljährlich auszusäen. Vorschau: 1. September „Schöpfungstag“ im Botanischen Garten Organisiert durch die ökumenische Gruppe „Kirche und Umwelt“ findet am Do, 1. September 2016 im Botanischen Garten zum wiederholten Mal der traditionelle Schöpfungstag statt. Mit dem Slogan „Ein Ohr für die Schöpfung“ rufen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Kirchgemeinden der Stadt St.Gallen dazu auf, den Schutz der Umwelt als politische Aufgabe ernsthaft wahrzunehmen. Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 18.00 Uhr. Um 18.45 Uhr bieten Judith Untersee und Hanspeter Schumacher je eine Führung durch den Botanischen Garten an. Pilzsaison 2016 Ab Dienstag, 2. August 2016 bietet der Botanische Garten wieder regelmässig unentgeltliche Kontrollen für privat gesammelte Pilze an. Die Öffnungszeiten der Pilzkontrolle: Montag 07.30 - 08.30 und 16.30 - 17.00 Uhr, Dienstag bis Freitag 16.30 - 17.00 Uhr. Die oft trockene Witterung im vergangenen Jahr führte dazu, dass enttäuschend wenige Pilze zu finden waren. Die Suche vieler Pilzlerinnen und Pilzler blieb daher erfolglos. Das merkten auch die Kontrolleure im Botanischen Garten. Nun versprechen die vielen Niederschläge der vergangenen Wochen ein gutes Pilzjahr. Auf jeden Fall sind Rolf Schättin, Fridolin Scherrer und Hanspeter Schumacher gerne dazu bereit, mehr Kontrollen als im Jahr 2015 durchzuführen. Öffentliche Führungen im Botanischen Garten Sonntag, 7. August 2016 um 10.15 und 15.15 Uhr Raffael Gmünder, eidg. dipl. Drogist HF: Amara – Heilpflanzen mit Bitterstoffen Bittere Heilpflanzen wie z.B. Wermut, Engelwurz oder Enzian verbessern die Verträglichkeit unserer Nahrung, indem sie die Bildung der Verdauungssäfte anregen. Interessanterweise machen Bitterstoffe aber auch munter und fröhlich, so galt früher in den bergigen Gegenden wie z.B. im Appenzellerland der bittere Enzianschnaps als willkommenes „Trösterli“ im harten Alltag der Bauern. Bittere Heilpflanzen entgiften also sowohl auf der biliären (Galle) als auch auf der seelischen Ebene. Nicht umsonst schreibt Prof. Reinhard Saller, Direktor des Instituts für Naturheilkunde der Uni Zürich: „Bittermittel wirken therapeutisch gegen Ermüdungserscheinungen, sie fördern die Verdauung, stärken das Immunsystem und helfen zum Teil als natürliches Antidepressivum. Zur Veranstaltung gehört neben einer kurzen Einführung im Vortragsraum auch ein Rundgang im Botanischen Garten. Dabei werden bewährte Bitterstoffpflanzen sowohl aus schulmedizinischer wie auch aus naturheilkundlicher Sicht vorgestellt.