Meister Eckhart - Zusatz- und Kontrasttexte 1. Aristoteles zur Identität von Denkendem und Gedachten (De anima III,5, 430a15, a20) [vielseitig interpretierbare, reichlich dunkle Stelle; für eine "common sense" Interpretation vgl. Nicholas Denyer, Language, Thought and Falsehood in Ancient Philosophy, letztes Kap.] Es gibt eine Vernunft Art von Vernunft zum Alles-Werden und eine zum Alles-Machen [...]. Ein- und dasselbe ist das Wissen in seiner Verwirklichung (kat energeian) mit dem Gegenstand. 2. Mose ben Maimon (Maimonides) (1135-1204), aus: Führer der Unschlüssigen, Kap.44 [normaler Text: in hebräischen Buchstaben geschriebenes Arabisch [Metasprache]; kursiv gedruckte Wörter: Ausdrücke des Hebräischen [Objektsprache] im arabischen Text] Auge ist ein Wort von mehrfacher Bedeutung. [...] Es bezeichnet [...] das sehende Auge, wie z.B. in Auge für Auge (Ex. [1.Mose] 21, 24). Es ist aber auch ein Ausdruck für Obhut und Überwachung. Wenn in betreff Jirm'jahus gesagt wird: Nimm ihn hin und richte dein Auge auf ihn (Jirm. [Jeremia] 39,12, so ist der Sinn: Wende ihm deine Fürsorge zu. Und in dieser übertragenen Bedeutung ist es an allen Stellen auf Gott angewendet, z.B.: Meine Augen und mein Herz werden dort alle Tage weilen (1. Kön.9,3) [...] Wenn aber mit dem Worte [...] Augen auch die Worte sehen und schauen verbunden sind, wie [in dem Satz] Seine Augen schauen (Ps 11,4), so bedeuten sie alle geistige, nicht aber sinnliche Erkenntnis. Denn jede Sinneswahrnehmung ist [...] ein Erleiden; Gott aber ist [...] tätig, nie aber leidend. [Ü: Adolf Weiss, Hamburg (Meiner) 1923] 3. Thomas von Aquin über die Möglichkeit, über Gott zu reden: ST I 3 a1 ad3 ...partes corporeae attribuuntur Deo in scripturis ratione suorum actuum secundum quandam similitudinem. Sicut actus oculi est videre: unde oculus de Deo dictus, significat virtutem eius videndum modo inteligibili, non sensibili. Et simile est de aliis partibus. Körperliche Teile werden Gott in der Schrift auf Grund seiner Tätigkeiten infolge einer gewissen Ähnlichkeit zugeschrieben. So ist Sehen die Tätigkeit des Auges: daher bedeutet "Auge", wenn von Gott gesprochen wird, seine Fähigkeit zum Sehen auf eine geistige, nicht sinnliche Weise. Und ähnlich bei anderen Teilen. 4. Baruch Spinoza (1632-1677), Ethik, Teil I, Anmerkung zu Lehrsatz 17 ...si ad aeternam Dei essentiam, intellectus scilicet, et voluntas pertinent, aliud sane per utrumque attributum intelligendum est, quam quod vulgo solent homines. Nam intellectus et voluntas qui Dei essentiam constituerent a nostro intellectu et voluntate toto coelo differe deberent, nec in ulla re, praeterquam in nomine convenire possent; non aliter scilicet quam inter se conveniunt canis, signum coeleste, et canis, animal latrans. ...so muß, wenn nämlich Verstand und Wille zu Gottes ewigem Wesen gehören, unter beiden Attributen gewiss etwas Anderes verstanden werden, als was die Menschen gewöhnlich darunter verstehen; denn Verstand und Wille, welche das Wesen Gottes ausmachten, müssten von unserem Verstande und Willen himmelweit verschieden sein und könnten nur dem Namen nach damit übereinkommen, nicht anders nämlich, als der Hund, das himmlische Sternbild, und der Hund, das bellende Tier, mit einander übereinkommen. [Ü: Konrad Blumenstock (aus: Spinoza, Opera / Werke in vier Bänden hrsg. v. K.B., Darmstadt (WBG) 1967]. Literaturhinweise: 1. Philosophen Ein sehr beeindruckener Text über Mystik im allgemeinen und Eckhart im besonderen ist die zweite Hälfte des Artikels "Mystik" aus dem Philosophischen Wörterbuch von Fritz Mauthner, Berlin 1910 (dreibändige Ausg. Bd.II 375-387). Allerdings ist der völlig zu Unrecht ziemlich vergessene Mauthner Philosoph, nicht Philosophologe; man sollte also nicht meinen, man habe einen Lexikonartikel vor sich. Für Informationen über Mauthner vgl. die etwas abseitige, aber hiermit dringend empfohlene website der Mauthner-Gesellschaft hinter: http://www.weltkreis.com. Im Zusammenhang mit Mauthner, aber auch als eigenständiger philosophischer Text vom Allerfeinsten absolut lesenswert: die Vorlesung über Ethik von Ludwig Wittgenstein (vorläufig ediert z.B. in W.Baum, Ludwig Wittgenstein: Geheime Tagebücher). Stark betont hat Martin Heidegger den Begriff der "Gelassenheit" bei Eckhart, der Heidegger dazu veranlasste, Eckhart einen "alten Lese- und Lebemeister" zu nennen (Der Feldweg, Frankfurt a.M. (Klostermann) 1962, S.4). 2. Philosophologen Heribert Fischer: Meister Eckhart, Freiburg / München (Alber), 1974, ingesamt grob verharmlosend, aber gute Information über Eckhards aktives Leben, als "Stellenregister" brauchbar, dort z.B. auch eine Liste, wo überall Eckhart das unter seinem Namen berühmte Bild vom Seelenfünklein benutzt: Es gibt nicht die Seelenfünklein-Predigt Eckharts. Eine weitere, stärker theoretisch gehaltene und noch berühmtere Predigt, in der Eckhart das Bild vom Seelenfünklein benutzt, die deutsche Predigt Nr.48, findet sich in neuhochdeutscher Übersetzung in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, hrsg. v. Rüdiger Bubner, Bd. 2 "Mittelalter" hrsg. v. Kurt Flasch, Stuttgart (Reclam) 1982, S.452-455. Dort auch andere kurze Texte und gut lesbare Einleitung. Brauchbare Einführung: Loris Sturlese, Meister Eckhart, in: Friedrich Niewöhner (Hg.), Klassiker der Religionsphilosophie, München (Beck), 1995, S.226-241. Sehr solide, für eine Einführung fast zu "wissenschaftlich": Burkhard Mojsisch, Meister Eckhart, Hamburg (Meiner) 1983; betont die enge Verbindung von Mystik und Universitätsphilosophie bei Eckhart (vgl. z.B. S.100 zum Begriff der "isticheit") Sehr kritisch zu Heideggers Interpretation in letzter Zeit der Münchener Eckhart-Experte Werner Beierwaltes: Heideggers "Gelassenheit", in: Rainer Enskat (Hg.), amicus Plato magis amicus veritas, Festschrift für Wolfgang Wieland, Berlin 1998, S. 1-35. In der Tat kann man sich darüber streiten, ob Heidegger den doch sehr jenseitigen Eckhart nicht gewissermaßen Zen-isiert, was völlig unangemessen wäre. Anmerkung: Den Ausdruck "Philosophologe" verdanke ich Werner Schneiders.