Lineare Algebra Prof. Richard Pink D-MATH, HS 2014 Lösung zu Serie 8 1. [Aufgabe] Zeige: Das folgende Diagramm kommutiert insgesamt genau dann, wenn alle 6 Teilquadrate kommutieren. A1 a1 / A2 f1 B1 / A3 f2 b1 / B2 g1 C1 a2 / C2 / A4 f3 b2 / B3 g2 c1 a3 f4 b3 g3 c2 / C3 / B4 g4 c3 / C4 1. [Lösung] Bei Definition kommutiert ein Diagramm (insgesamt) genau dann, wenn für je zwei Wege in Pfeilrichtung mit demselben Startpunkt und demselben Endpunkt die zusammengesetzten Abbildungen übereinstimmen. Daraus folgt insbesondere, dass jedes Teilquadrat kommutiert. Wir müssen also die umgekehrte Richtung zeigen. Angenommen jedes Teilquadrat kommutiert, das heisst, angenommen es gilt ci ◦ gi = gi+1 ◦ bi und bi ◦ fi = fi+1 ◦ ai für i = 1, 2, 3. Dann gilt (c3 ◦ c2 ◦ c1 ) ◦ (g1 ◦ f1 ) = c3 ◦ c2 ◦ g2 ◦ b1 ◦ f1 = c3 ◦ g3 ◦ b2 ◦ b1 ◦ f1 = g 4 ◦ b3 ◦ b2 ◦ b1 ◦ f 1 = g 4 ◦ b 3 ◦ b 2 ◦ f 2 ◦ a1 = g 4 ◦ b 3 ◦ f 3 ◦ a2 ◦ a1 = (g4 ◦ f4 ) ◦ (a3 ◦ a2 ◦ a1 ), also kommutiert auch das äussere Rechteck. Wir betrachten den Fall der Wege c3 ◦ c2 ◦ g2 ◦ f2 und g4 ◦ b3 ◦ f3 ◦ a2 . Es gilt c3 ◦ c2 ◦ g2 ◦ f2 = c3 ◦ g3 ◦ b2 ◦ f2 = g4 ◦ b3 ◦ b2 ◦ f2 = g4 ◦ b3 ◦ f3 ◦ a2 , also kommutieren auch diese zwei Wege. Es gibt eine endliche Anzahl von Wegen mit dem selben Start- und Endpunkt. Mit einem analogen Argument zu oben, prüft man für diese direkt, dass sie kommutieren. Alternativ zeigt man die Aussage der Aufgabe im allgemeineren Fall eines Rechteckdiagrams R mit m Zeilen und n Spalten, wobei die Pfeile immer nach rechts bzw. unten zeigen (das in der Aufgabe betrachtete hat m = 3 Zeilen und n = 4 Spalten). Um dies zu zeigen, verwendet man Induktion über die Fläche m · n des Rechteckes. Der entscheidene Schritt ist dabei der folgende: Zwei beliebige Wege mit demselben Startpunkt A und demselben Endpunkt B liegen in dem Rechteckdiagramm R0 , welches durch die zwei gegenüberliegenden Ecken A und B gegeben ist. Falls A nicht die links-obere Ecke von R oder B nicht die rechts-untere Ecke von R ist, ist die Grösse von R0 kleiner als R und die Behauptung folgt aus der Induktionsvoraussetzung. Falls R = R0 ist, folgt die Aussage direkt durch ein analoges Argument wie oben. 2. [Aufgabe] Welche der folgenden Abbildungen sind linear? (i) f : R2 → R3 , (x, y) 7→ (x + y, 2x, 0) (ii) f : R2 → R3 , (x, y) 7→ (x + y, 2x, 1) 1 2 x x (iii) f : R2 → R3 , 7→ 0 0 y y 2 1 (iv) f : R → R, x 7→ 0 (v) f : R → R, f die Identität (vi) f : R → R, x 7→ 1 (vii) f : C 2 (R) → R, h 7→ h00 (0) (viii) f : R2 → R2 , f die Spiegelung an der Geraden y = x + 1 (ix) f : R2 → C ∞ (R), (x, y) 7→ fx,y , wobei fx,y : R −→ R diejenige Linearkombination der Funktionen sin und cos ist, deren Graph durch die Punkte (−1, x) und (1, y) geht. 2. [Lösung] Die Abbildung im Fall (i) ist die Rechtsmultiplikation RA mit der 1 2 0 Matrix A = , sie ist also linear. 1 0 0 Die Abbildungen in den Teilaufgaben (iii), (iv) und (v) sind Linksmultiplikationen LA mit den Matrizen A gegeben jeweils durch 1 2 0 0 , (0) und (1). 2 1 Daher sind diese Abbildungen linear. Für die zweite, sechste und achte Abbildung kann einfach nachgeprüft werden, dass die obigen Eigenschaften nicht erfüllt sind. Am schnellsten sieht man dies durch Betrachten des Bildes des Nullvektors. Dieses ist bei den drei Abbildungen immer verschieden von Null, nämlich gleich (0, 0, 1) bzw. 1 bzw. (−1, 1). Daher ist die Eigenschaft f (0 + 0) = f (0) + f (0) nicht erfüllt und diese drei Abbildungen sind nicht linear. Die Linearität der siebten Abbildung folgt aus den Ableitungsregeln: Es gilt (g + h)00 = g 00 + h00 und (αh)00 = αh00 für alle g, h ∈ C 2 (R) und α ∈ R. Wir zeigen die Linearität der letzten Abbildung. Das Bild von (x, y) unter f ist gegeben durch die Funktion fx,y = α · sin +β · cos für α, β ∈ R, sodass gilt fx,y (−1) = x und fx,y (1) = y . Die letzten beiden Bedingungen sind äquivalent dazu, dass (α, β) eine Lösung des linearen Gleichungssystems α sin(−1) + β cos(−1) = x α sin(1) + β cos(1) = y ist. Da die Matrix sin(−1) cos(−1) − sin(1) cos(1) = sin(1) cos(1) sin(1) cos(1) invertierbar ist (verwende Gausverfahren und dass sin(1) 6= 0 und cos(1) 6= 0 ist), folgt dass α und β eindeutig bestimmt sind und die Abbildung f wohldefiniert ist. Seien nun (x, y) und (x0 , y 0 ) ∈ R2 und λ ∈ R beliebig. Dann ist fx,y + fx0 ,y0 eine Funktion in C ∞ (R), welche wieder eine Linearkombination von sin und cos ist, und für welche (fx,y + fx0 ,y0 )(−1) = fx,y (−1) + fx0 ,y0 (−1) = x + x0 (fx,y + fx0 ,y0 )(1) = fx,y (1) + fx0 ,y0 (1) = y + y 0 gilt. Sie erfüllt also genau die definierenden Eigenschaften von fx+x0 ,y+y0 , und ist wegen der Eindeutigkeit somit gleich dieser. Eine analoges Argument zeigt λ · fx,y = fλx,λy . Die Abbildung f ist also linear. 3. [Aufgabe] Berechne eine Basis des Kerns und des Bildes der linearen Abbildung definiert über Q durch Linksmultiplikation mit 2 1 −1 2 A := 1 0 −1 0 . 3 1 −2 2 3. [Lösung] Eine Basis des Kerns ist gegeben durch 1 0 1,2 1 0 −1 −1 und eine Basis des Bildes ist gegeben durch 0 1 0 , 1 . 1 1 4. [Aufgabe] Sei Pn (R) der Vektorraum aller Polynome von Grad ≤ n mit reellen Koeffizienten. a) Zeige, dass F : Pn (R) → Pn (R) p 7→ p00 + p0 eine lineare Abbildung ist, wobei p0 die Ableitung von p bezeichnet. b) Bestimme die Matrix von F bezüglich der Basis (1, x, . . . , xn ) von Pn (R). 4. [Lösung] a) Wegen (λp + µq)0 = (λp)0 + (µq)0 = λp0 + µq 0 für alle p, q ∈ Pn (R) und λ, µ ∈ R, ist die Ableitungsabbildung p 7→ p0 linear. Da die Verknüpfung linearer Abbildungen wieder linear ist, ist auch die Ableitung gegeben durch zweimaliges Ableiten linear. Da die Summe zweier linearer Abbildungen linear ist, folgt, dass p 7→ p00 + p0 linear ist. b) Es gilt 0 j F (x ) = 1 j−1 jx + j(j − 1)xj−2 für j = 0 für j = 1 für j ≥ 2 . Es folgt, dass die Matrixdarstellung von F bezüglich der Basis B = (1, x, . . . , xn ) gegeben ist durch MB (F ) = jδi,j−1 + j(j − 1)δi,j−2 0≤i,j≤n , wobei die Indizierung der Matrix bei 0 beginnt. Für n ≥ 2 lässt sich diese Matrix alternativ auch schreiben als 0 1 2 0 0 ... 0 0 0 2 6 0 . . . 0 0 0 0 3 12 . . . 0 0 0 0 0 4 . . . 0 MB (F ) = .. .. . .. .. . . . . 0 0 0 0 0 . . . n(n − 1) 0 0 0 0 0 . . . n 0 0 0 0 0 ... 0 f g 5. [Aufgabe] Seien lineare Abbildungen R4 → R2 → R3 gegeben durch x1 x 1 + x2 x2 x1 + 2x2 + x3 x1 f : und g : 7→ x1 − x2 . x3 7→ x1 − x4 x2 3x1 x4 Sei weiterhin 1 1 1 2 0 4 1 0 a := 1 , 2 , 1 , 3 0 2 1 0 , sei b die kanonische Basis des R2 und sei 1 2 1 3 , 0 , 1 . c := 4 1 2 a) Zeige, dass a eine Basis des R4 und c eine Basis des R3 ist. b) Bestimme g ◦ f und die Matrixdarstellungen von (i) f bezüglich der Basen a, b. (ii) g bezüglich der Basen b, c. (iii) g ◦ f bezüglich der Basen a, c. 5. [Lösung] a) Man prüft durch trizen 1 1 1 0 4 1 A := 1 2 1 0 2 1 Anwendung des Gaussalgorithmus, dass die Ma 2 1 2 1 0 und C := 3 0 1 3 4 1 2 0 invertierbar sind. Dies zeigt, dass a eine Basis des R4 und c eine Basis des R3 ist. b) Die Abbildungen f und g sind durch Linksmultiplikation mit einer Matrix darstellbar, nämlich f = LU und g = LV für 1 1 1 2 1 0 U := und V := 1 −1 . 1 0 0 −1 3 0 Also ist g ◦ f = LV ◦ LU = LV U für die Matrix 2 2 1 −1 V U = 0 2 1 1 . 3 6 3 0 Die Matrizen U, V, V U sind gleichzeitig die Darstellungsmatrizen von f, g, g ◦ f bezüglich der jeweiligen Standardbasen bn von Rn , das heisst, es gilt U = Mb2 ,b4 (f ), V = Mb3 ,b2 (g) und V U = Mb3 ,b4 (g ◦ f ). Die Matrix A ist die Basiswechselmatrix A = Mb4 ,a (idR4 ) und die Matrix C ist die Basiswechselmatrix C = Mb3 ,c (idR3 ). (i) Die Matrixdarstellung von f beüglich der Basen a und b ist gegeben durch Mb,a (f ) = Mb,b4 (f ) · Mb4 ,a (idK 4 ) =U ·A 2 11 4 5 = . 1 −1 0 2 (ii) Es gilt Mcb (g) = Mcb3 (idR3 )Mb3 b (g) = Mb3 c (idR3 )−1 Mb3 b (g) −1 −1 0 . = −1 4 2 (iii) Die Matrixdarstellung von g ◦ f bezüglich der Basen a und c ist Mca (g ◦ f ) = Mcb (g) · Mba (f ) −3 −10 −4 −7 = −2 −11 −4 −5 . 10 42 16 24 6. [Aufgabe] Sei V ein Vektorraum. Ein Endomorphismus P : V −→ V heisst idempotent oder eine Projektion, falls P 2 = P ist. Zeige: a) Für jede Projektion P gilt V = Kern(P ) ⊕ Bild(P ). b) Seien W1 , W2 ⊂ V zwei beliebige Untervektorräume mit V = W1 ⊕ W2 . Dann gibt es eine eindeutige Projektion P : V −→ V , sodass gilt: Kern(P ) = W1 6. [Lösung] und Bild(P ) = W2 . a) Sei P : V → V eine Projektion und setze W1 := Kern(P ) und W2 := Bild(P ) . Wir müssen zeigen, dass W1 + W2 = V und W1 ∩ W2 = 0 ist. Für ein beliebiges v ∈ V gilt P (v − P (v)) = P (v) − P 2 (v) = P (v) − P (v) = 0, also ist v − P (v) ∈ Kern(P ) = W1 . Weiter ist P (v) ∈ Bild(P ) = W2 . Damit ist v = (v − P (v)) + P (v) eine Zerlegung von v in eine Summe von v−P (v) ∈ W1 und von P (v) ∈ W2 . Es bleibt also zu zeigen, dass W1 ∩ W2 = {0}. Sei dazu v ∈ W1 ∩ W2 . Da v im Bild von P liegt, gibt es ein w ∈ V , sodass P (w) = v ist. Wenden wir P auf beide Seiten der Gleichung an, so folgt P 2 (w) = P (w) = P (v). Da aber v ebenfalls im Kern von P ist, haben wir 0 = P (v) = P (w) = v. b) Seien W1 , W2 ⊆ V zwei beliebige Untervektorräume von V mit V = W1 ⊕ W2 . Dann existiert für jedes v ∈ V eindeutige w1 ∈ W1 und w2 ∈ W2 , sodass v = w1 +w2 ist. Definiere die Abbildung P : V −→ V durch P (v) = w2 , wobei w2 ∈ W2 das eindeutige Element in W2 ist mit v = w1 + w2 für ein w1 ∈ W1 . Man prüft nun direkt, dass P linear und eine Projektion mit W1 = Kern(P ) und W2 = Bild(P ) ist. Es bleibt zu zeigen, dass P eindeutig ist. Sei P 0 eine weitere Projektion mit W1 = Kern(P 0 ) und W2 = Bild(P 0 ). Dann ist P |W1 = 0 = P 0 |W1 . Für ein beliebiges Element v ∈ W2 , gibt es Elemente w, w0 ∈ V , so dass P (w) = v und P 0 (w0 ) = v ist. Es folgt P (v) − P 0 (v) = P (P (w)) − P 0 (P 0 (w0 )) = P (w) − P 0 (w0 ) = v − v = 0 und damit P |W2 = P 0 |W2 . Da V = W1 + W2 ist, gilt damit P = P 0 . 7. [Aufgabe] Sei f : V → W eine lineare Abbildung von K-Vektorräumen. Zeige: a) Für jeden Untervektorraum W 0 ⊂ W ist das Urbild f −1 (W 0 ) := {v ∈ V | f (v) ∈ W 0 } ein Unterraum von V . b) Es gilt dim f −1 (W 0 ) = dim Kern(f ) + dim(Bild(f ) ∩ W 0 ) . 7. [Lösung] Sei V 0 := f −1 (W 0 ). a) Wir müssen zeigen, dass V 0 nicht leer ist und dass für beliebige Elemente x, y ∈ V 0 und für beliebige α ∈ K, die Summe x + y und das Produkt αx wieder in V 0 liegen. Wegen f (0) = 0 ∈ W 0 liegt 0 in V 0 und V 0 ist nicht leer. Da f linear ist, gilt f (x + y) = f (x) + f (y) und f (αx) = αf (x) . Aus den Vektorraumaxiomen für W 0 folgt nun, dass f (x)+f (y) und αf (x) wieder in W 0 liegen, x + y und αx also in V 0 sind. b) Sei f 0 = f |V 0 : V 0 −→ W die Einschränkung von f auf V 0 . Aus der Definition von V 0 folgt, dass f 0 eine Funktion von V 0 nach W 0 ist. Man prüft direkt, dass f 0 eine lineare Abbildung ist. Es folgt dim(V 0 ) = dim(Kern(f 0 )) + dim(Bild(f 0 )). (1) Da 0 ∈ W 0 ist, gilt Kern(f ) ⊂ V 0 . Durch Einsetzen der Definition erhält man Kern(f 0 ) = Kern(f ). Weiter gilt Bild(f 0 ) = {w ∈ W 0 | ∃v ∈ V 0 : f 0 (v) = w} = {w ∈ W 0 | ∃v ∈ V : f (v) = w} = {w ∈ W | ∃v ∈ V : f (v) = w und w ∈ W 0 } = Bild(f ) ∩ W 0 . Durch Einsetzen in (1) erhält man dim(V 0 ) = dim(Kern(f )) + dim(Bild(f ) ∩ W 0 ) . Aliter: Man kann auch den Beweis der Vorlesung wiederholen, mit einer Basis B 0 von Kern(f ) beginnen, diese zu einer Basis B von f −1 (W 0 ) erweitern und zeigen, dass f das Komplement B \ B 0 bijektiv auf eine Basis von W 0 abbildet.