1 Munizipalgemeinde Leuk Neujahrsempfang vom 4. Januar 2009 Ansprache von Gemeindepräsident Roberto Schmidt 2009 – Das Jahr der Musik Der Kluge reist im Zuge Mit diesem Slogan warb unsere SBB schon vor dreissig Jahren. Ja, wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen… und vielleicht kommt er sogar klüger heim… der Kluge im Zuge. Etwas Spezielles am Zugfahren ist nämlich der Umstand, dass man ungewollt in das Leben anderer Menschen eintaucht. Wer sich in einen voll besetzten Zug hineinsetzt, kann Stoff für einen langen Theaterabend zusammenlauschen. Die beiden Damen, die sich über die trendig gestreifte Krawatte von Barack Obama unterhalten… der junge Mann, der eine neue Duftnote entdeckt hat, die auf Frauen besonders wirke… der Rentner mit zugeknöpftem Hemdkragen, der heimlich und trotzdem ganz zielsicher 2 ins weite Decoltée der jungen Dame schielt… die Klosterfrau, die in ihrer tiefen Rocktasche die verbilligte Tageskarte nicht mehr findet und tausend Stossgebete zum Himmel schickt… der gepflegte Herr, der nur darum so lange durch das nächtliche Fenster starrt, weil er im spiegelnden Glas so unbemerkt die beiden Fräuleins vis-à-vis beobachten kann… das in Tränen aufgelöste Girl, das sich per sms von seinem Freund trennt… die alte „Mamselle“, die dem Spanielhund ihre halbe Lebensgeschichte erzählt… die fettleibige Amerikanerin, die vom Matterhorn schwärmt, als hätte sie es selber bestiegen und sich zwischen jedem Satz ein Stück echte Schweizer Schokolade in den Mund schiebt… der Rentner, der sich aufregt, weil sein ledernes Etui mit allen Kreditkarten und Ausweisen beim Bücken aus der Hemdstasche in die Toilette fiel… die Herren in eleganter Kleidung, die über die schlechten Launen ihres Chefs lästern… und nicht zu vergessen, die ganzen Liebes-, Leidens- und Lebensgeschichten, die man über Handygespräche mitbekommt. Und wird es kritisch, so wechselt die „conversation“ ins Französische… und wird es prickelnd interessant, so werden die Stimmen immer leiser. Ja, das Leben schreibt viele Geschichten – auf einer Bahnfahrt erfährt man einige davon auf ganz kurzweilige Art. Und so ironisch es tönen mag: die Zeit vergeht im Zuge wie im Fluge! Liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger Geschätzte Damen und Herren der richterlichen, politischen und kirchlichen Behörden Vertreter der Medien Liebe Musikantinnen und Musikanten Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger Der Kluge reist im Zuge! Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen diese Reiseerfahrungen erzähle. Um Euch anhand eines weiteren Erlebnisses aufzuzeigen, wie wichtig in der heutigen Zeit die kleinsten Zellen unseres föderalistischen Systems – die Gemeinden – sind. Um aufzuzeigen, wie 3 wichtig es ist, dass Menschen in Vereinen, in der Pfarrei und in der Gemeinde das Land bewegen und dass auch wir – jeder nach seinen Kräften – voll in Fahrt sind. Im letzten Herbst – einige Monate vor den Gemeinderatswahlen – wurde ich im Zug von Visp nach Bern in einen interessanten Smalltalk einbezogen. Zwei Oberwalliser, die ich nicht kannte, spekulierten über die Gemeinderatswahlen in ihrem Dorf. „Wer meinsch, wer geit bi du Schwarzu uf d Lischtu?“ meinte der eine. „Z’Wisi wällä schins numal inu Gmeirat“, wusste der andere. „Abär der isch doch scho mal im Gmeirat gsi?“, zeigte sich der erste überrascht. „Ja, ich ha öi gmeint, der sigä g heiltä!“, bemerkte der andere. Meine Damen und Herren Es wäre schockierend, wenn man dieses Gespräch wörtlich und ernst nehmen würde. „G heiltä“ ist, wer nicht mehr im Gemeinderat ist… gesund ist, wer sich nicht mehr für öffentliche Ämter gebrauchen lässt – krank anscheinend, wer noch bereit ist, in Gemeinden, Burgerschaften, Pfarreien, Vereinen oder Kommissionen Verantwortung zu übernehmen – wer bereit ist, einen Teil seiner Freizeit zu opfern und sich für das Wohl der Öffentlichkeit einzusetzen – und auszusetzen. Wer so denkt, der hat nicht begriffen, was es in der heutigen Zeit heisst, miteinander Gemeinde zu gestalten. Dank Internet sind wir heute zwar in zwei-drei Computergriffen und in wenigen Sekunden mitten in einem globalen Dorf und können miterleben, was sich auf der grossen weiten Welt so alles tut. Google und Internet sei Dank! Aber schon bei der kleinsten Krise merken wir, dass die Welt nur funktioniert, wenn wir funktionieren – wenn die Gemeinde bewegt und wenn die Gesellschaft im Kleinen harmoniert. Unsere direkte Demokratie kann nur überleben, wenn möglichst viele Leute die treibende Kraft sind, die uns gemeinsam nach vorwärts zieht, gleichsam wie eine Lokomotive. Darum möchte ich die Gelegenheit nutzen, gerade jenen besonders zu danken, die jahraus jahrein mehr tun als nur ihre Pflicht. 4 2008 – Jahr der Veränderung Werte Anwesende Der Kluge reist im Zuge! Ja, auch in unserer Gesellschaft „isch Zug dri“. Es scheint, als wäre die ganze Welt in Bewegung. Das vergangene Jahr war geprägt von Veränderung und Wandel, Unsicherheit und Krise. Wir leben in einer Zeit, in der es anscheinend keine Gewissheiten mehr gibt. Was gestern noch in Stein gemeisselt war, steht heute auf Sand geschrieben. Die weltweite Finanzkrise führte uns dies schonungslos vor Augen. Zwar konnten die europäischen Staaten mit gross angelegten Rettungspaketen den völligen Zusammenbruch der Finanzmärkte verhindern. Aber selbst die grössten Akteure der Weltwirtschaft konnten nur noch zusehen, wie das System der kurzfristigen Profite und der Gewinnsucht zugrunde ging. Und wir haben schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen, wie sehr auch die Schweizer Volkswirtschaft von der Weltwirtschaft abhängt, und wie schnell selbst florierende Unternehmen Probleme kriegen, wenn es dem globalisierten Weltmarkt schlecht geht. Die Schweiz kann sich nicht abkapseln! Die Schweiz steht mitten in der Welt! Wer hätte noch vor Jahresfrist gedacht, dass der Bund und die Nationalbank die UBS und den Schweizer Finanzmarkt mit Milliarden vor dem Ruin retten müssen? Die Hilfe war notwendig und richtig, auch wenn das unseriöse Finanzgebaren der Grossbanken und die millionenschweren Managerlöhne und Bonuszahlungen unverzeihlich bleiben. Bundesrat Moritz Leuenberger brachte es in seiner Neujahrskarte an uns Parlamentarier wortkarg aber vielsagend auf den Punkt, wenn er schrieb: „Sechsundsechzig Milliarden gute Wünsche zum neuen Jahr! Moritz.“. 5 Meine Damen und Herren Die Folgen dieser Finanzkrise werden auch die Schweiz in eine Rezession reissen. Einige wird diese Krise hart treffen, andere kommen glimpflich davon und wieder andere werden sogar profitieren. Wie stark das Oberwallis betroffen sein wird, ist noch schwer abzuschätzen. Und es hängt letztlich von uns allen ab. Konsumieren und investieren statt sparen Dass die Bevölkerung nach derartigen wirtschaftlichen Veränderungen Angst hat, ist mehr als begreiflich – Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor den steigenden Öl- und Stromkosten, Angst vor den hohen Kosten im Gesundheitswesen, Sorge um eine gute Altersvorsorge… das Gefühl, sich immer weniger leisten zu können. Wir können aus diesen negativen Erlebnissen aber auch positive Erkenntnisse gewinnen: vorab die Erkenntnis, dass in unserer Gesellschaft nichts so wichtig ist wie das Zusammenstehen, der Überlebenswille des Einzelnen, das Vertrauen aufeinander, die Solidarität, der Glaube an unsere eigenen Stärken und die Bereitschaft zum Neubeginn. Und darum freut es mich, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer in einer jüngsten Umfrage auch für das nächste Jahr sehr optimistisch zeigten: 91 Prozent der Befragten erwarten, dass ihre persönliche wirtschaftliche Situation gleich bleibt oder gar besser wird. Dieser Optimismus ist gold wert und in einer angehenden Rezession gold richtig. „Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, darf man den Kopf nicht hängen lassen“ (Ingrid Matthäus-Maier, SPD-Politikerin, *1945). 6 Darum gibt der Bund Gegensteuer: mit einem Investitionsprogramm von 900 Mio. zur Ankurbelung der Wirtschaft, mit 100 Mio. für die energietechnische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäuden und mit einem zweiten Konjunkturprogramm von 650 Mio., welches das Parlament wohl in der Frühjahrssession beschliessen wird. Auch der Kanton will sein hohes Investitionsniveau beibehalten und auch die Gemeinden sind gefordert. Und schliesslich sind wir Bürgerinnen und Bürger gefordert, gemeinsam den Wirtschaftszug in Fahrt zu halten, indem wir konsumieren und investieren, statt sparen. Auch die Wirtschaftsförderung und der Energiebonus unserer Gemeinde werden hier bei uns Millionen von Investitionen auslösen. „Gouverner, c’est prévoir“, sagt der Welsche. Zu grosse Steuererleichterungen wären allerdings das falsche Rezept. Eine Umfrage hat kürzlich gezeigt, dass die Steuerbelastung für die Attraktivität einer Gemeinde nicht ausschlaggebend ist: Mietzinse, Nebenkosten, Gebühren, Stromkosten, Immobilienpreise, Versicherungsprämien, öffentlicher Verkehr und vieles mehr sind ebenso wichtig, um festzustellen, wo sich’s am Günstigsten lebt. Ich freue mich, dass in diesem Vergleich die Gemeinde Leuk im Oberwallis an 8. Stelle und in der Region Leuk gar an 2. Stelle liegt – vor all den steuergünstigen Gemeinden. Das sollten sich jene hinters Ohr schreiben, die an den Urversammlungen immer nach Steuer- und Gebührensenkungen schreien. „Yes we can“ – „Yes we will“ „Yes we can – Ja wir können es“. Dieser Slogan ermutigte Millionen von Amerikanern zum politischen Wechsel. Barack Obama hat zwar noch nicht viel getan, aber er bietet der Welt etwas, was sie jetzt braucht: Hoffnung und Optimismus. Pessimisten und Schwarzmaler brauchen wir keine, und Angst schon gar nicht. Angst engt das Herz ein… Angst lähmt 7 den Verstand und die Kreativität! Kofi Aman sagte einmal: „Die Welt besteht aus Optimisten und Pessimisten. Beide liegen falsch – nur die Optimisten leben besser!“. Yes we can - Yes we will! In diesem Sinne wünsche ich allen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, die notwendige Kraft, die vielen Herausforderungen, die uns das neue Jahr bringen wird, aus einem optimistischen Blickwinkel zu betrachten. Vermitteln wir gegenseitig die Zuversicht und die Gewissheit, dass es auch im neuen Jahr aufwärts geht. Ich wünsche uns allen den Optimismus, den blauen Himmel und die Sonne hinter den Wolken zu erahnen. Und auf diesen „blauen Himmel“ können wir immer wieder stolz sein: wir haben ein schönes Dorf… eine super Wohnqualität in allen Variationen… die Dorfkerne werden wieder attraktiver… ringsherum ein phantastisches Naherholungsgebiet… wir haben gesunde Gemeindefinanzen – nicht zuviel, aber gesund… wir sind gut erschlossen… wir haben eine ausreichende Infrastruktur, rasche Verkehrsverbindungen und ein gut ausgebautes Strassennetz… wir haben optimale Schulen und eine interessierte Jugend… wir betreuen unsere Alten in modernen Strukturen… wir helfen sozial Schwächeren… die Kinder durften in diesen Tagen eine neue Kindertagesstätte beziehen… die dörfliche Sozialkontrolle steigert die Sicherheit. Die Haustüre kann auch einmal offen bleiben, wenn im Garten gejätet wird… unsere Dorfgemeinschaften leben… Geschäfte, Restaurants und Beizen erhalten die Gemeinde lebendig… wir haben ein äusserst aktives Vereinsleben… neu ausgebaute Sport- und Freizeitanlagen… und wir haben vor allem Kultur – Kultur in jeder Hinsicht! Sind das nicht Trümpfe, auf denen wir aufbauen können? Stein für Stein – gemeinsam, denn ein Stein allein kann kein Korn mahlen! 2009 – Das Jahr der Musik Geschätzte Anwesende 8 Die Gemeinde Leuk hat sich die Kultur in ihr Leitbild geschrieben. Mit Kultur haben wir uns weitherum bereits einen Namen gemacht. Nebst dem Theater hat vor allem die Musik Wesentliches beigetragen. Darum wollen wir das Jahr 2009 als das „Jahr der Musik“ begehen. Denn 2009 wird die Musik noch einen rassigeren Rhythmus haben: unsere Gemeinde hat nämlich erstmals die grosse Ehre, ein kantonales Musikfest zu organisieren und fast 5000 Musikantinnen und Musikanten zu empfangen. Das ist eine immense Herausforderung an die Organisatoren – aber auch ein einmaliger Anlass, den wohl niemand von uns in unserer Gemeinde ein zweites Mal erleben wird. Unsere beiden Kirchenchöre werden für die Oberwalliser Sängerschar ein zweitägiges Singatelier organisieren. Chor-, Musik- und andere Konzerte werden wertvolle Traditionen weiterleben lassen. Und wir suchen einen Komponisten, der einen „Gemeindemarsch“ schreibt, den Blasmusik, Gesang und Volksmusik gemeinsam spielen und singen können. Auch das Ortsbild und der Blumenschmuck sollen das „Jahr der Musik“ gestalterisch zum Ausdruck bringen. Ich würde mich freuen, wenn viele Vereine und Bürger gemeinsam mit der Kulturkommission und der Gemeinde noch andere Ideen umsetzen, damit wir in den nächsten 12 Monaten spüren, dass nicht nur Kreisel verbinden, sondern auch die Musik. Ich habe es schon einmal gesagt: selbst viele Musiker geben noch kein gutes Orchester, wenn sie nicht aufeinander hören und einander spüren. Darum wünsche ich mir im „Jahr der Musik“ einmal mehr, dass wir aufeinander hören und zusammen den richtigen Rhythmus und die richtige Harmonie finden – ohne Angst vor falschen Tönen. Auch die gehören dazu. Jede und jeder macht einmal einen Fehler… Die vor uns – wir – und die nach uns. Aber solche Disharmonien sind da, um sie wieder in Harmonien aufzulösen. In danke allen für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr und wünsche Euch und Euren Lieben daheim fürs neue Jahr Glück und 9 Gesundheit, Zufriedenheit und Genügsamkeit, Mut und Zuversicht, gegenseitige Unterstützung in Not und Gefahr – und vor allem viel, viel Musik! Äs güäts Nöis!