Lösung Fall Kartoffeln zu Stärke - Professor Dr. Kai

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Lösung Fall Kartoffeln zu Stärke
A. Abfertigung am 8.4.01
I. Entstehung nach Art. 201 Abs. 1 a) ZK
Durch die Abfertigung der 40 Tonnen könnte die Zollschuld durch Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung nach Art. 201 Abs. 1 a) ZK
entstanden sein.
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffel sind körperliche Gegenstände und damit Waren. Für Kartoffeln zur Herstellung
von Stärke ist ein Zollsatz in Höhe von 6 % vorgesehen, da die Waren in die bewilligte
besondere Verwendung übergeführt wurde (vgl. Art. 82 Abs. 1, 21 ZK). Außertarifliche
Befreiungen sind nicht ersichtlich. Damit liegt eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vor.
2. Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr
Die Zollanmeldung wurde laut Sachverhalt angenommen (Art. 63 ZK); die Überlassung (Art.
73 ZK) ist ebenfalls erfolgt. Folglich ist selbst nach der (restriktiven) Ansicht des EuGH, der
dieses Merkmal erst mit der Überlassung der Ware bejaht, die Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr gegeben.
II. Zeitpunkt, Art. 201 Abs. 2 ZK
Die Zollschuld entsteht im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung am 08.04.01, Art. 201
Abs. 2 ZK.
III. Zollschuldner, Art. 201 Abs. 3 ZK
Zollschuldner ist gem. Art. 201 Abs. 3 ZK die P als Anmelderin (Art. 4 Nr. 19, Nr. 1 ZK).
IV. Bemessung, Art. 214 Abs. 1 ZK
Mangels gegenteiliger Bestimmung sind gem. Art. 214 Abs. 1 ZK die
Bemessungsgrundlagen zum Zeitpunkt der Zollschuldentstehung (hier: Annahme der
Zollanmeldung) zugrunde zu legen.
1. Beschaffenheit/Menge/Zollsatz
Beschaffenheit der Ware: Kartoffeln. Menge: 40 Tonnen. Der Zollsatz beträgt 6 %.
2. Zollwert, Art. 29 Abs. 1 ZK
Der Zollwert bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 29 Abs. 1 ZK (Argumentum ex Art. 30
Abs. 1, 31 Abs. 1 ZK)
a) Eingeführte Ware
Die Kartoffeln sind Waren, die in das Zollgebiet (nach Deutschland) verbracht, also
eingeführt worden.
b) Verkauf zur Ausfuhr
Zwischen L und P wurde ein Kaufvertrag geschlossen (Indiz: Handelsrechnung). Gem. Art.
147 Abs. 1 S. 1 DVO ist die Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr zudem
ausreichendes Indiz dafür, das die Waren zum Zwecke der Ausfuhr in das Zollgebiet verkauft
wurde.
c) Voraussetzungen von Art. 29 Abs. 1 a) bis d) ZK
Die Voraussetzungen nach Art. 29 Abs. 1 a) bis d) ZK liegen (laut Anmerkung 2) vor.
d) Tatsächlicher Preis, Art. 29 Abs. 3 a) ZK
Der tatsächliche Preis ist nach Art. 29 Abs. 3 a) ZK die vollständige Zahlung an den
Verkäufer.
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- Ausgangspunkt ist der Rechnungsendbetrag in Höhe von 80.000,- argentinischen Pesos.
- Das (handelsübliche) Skonto kann gem. Art. 144 Abs. 1 DVO nur gewährt werden, wenn es
in Bewertungszeitpunkt noch in Anspruch genommen werden kann. Laut Rechnung können
2 % Skonto innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Rechnung in Anspruch genommen
werden. Die Rechnung hat die P am 21.3.01 erhalten. Da im Bewertungszeitpunkt, dem
8.4.01, die Rechnung noch nicht bezahlt wurde, ist eine Skontierung im Bewertungszeitpunkt
ausgeschlossen.
- Gem. Art. 35 ZK, 168 ff. DVO ist der in Fremdwährung bezeichnete tatsächliche Preis
umzurechnen. Dabei ist als Umrechnungskurs (laut Anmerkung 3) 1 Euro = 4 Pesos
zugrunde zu legen. Der umgerechnete tatsächliche Preis beträgt demzufolge: 20.000,- €.
e) Hinzurechnungen, Art. 32 Abs. 1 e) i) ZK
Gem. Art. 32 Abs. 1 e) i) ZK sind die Beförderungs- und Versicherungskosten bis zum Ort
des Verbringen (OdV) dem tatsächlichen Preis hinzuzurechnen, sofern diese Kosten nicht
bereits im tatsächlichen Preis enthalten sind.
Ausweislich der Lieferbedingung FOB Buenos Aires sind Beförderungs- bzw.
Versicherungskosten nicht im tatsächlichen Preis enthalten. Der OdV ist gem. Art. 163 Abs.
1 a) DVO bei einer Beförderung im Seeverkehr der Entladehafen, also Hamburg.
Für den Seetransport sind bis Hamburg Kosten in Höhe von 3.000,- € entstanden. Zudem
hat der Schiffsmakler für die Vermittlung des Schiffs, das den Transport durchgeführt, der P
Kosten in Höhe von 200,- € in Rechnung gestellt. Hierbei handelt es sich um
Nebenleistungen, die mit der Beförderung der Waren im Zusammenhang stehen. Diese
Kosten sind ebenfalls Teil der Beförderungskosten (vgl. Z 5101 Abs. 74)
(Hinweis: Die Kosten für die Schiffsvermittlung fallen nicht unter Art. 32 Abs. 1 a) i) ZK, da
es nicht um eine Provision für das Zustandekommen des Kaufvertrages geht.)
Die Kosten von Hamburg nach Münster sind nach dem OdV angefallen, also nicht
hinzuzurechnen. Damit sind Beförderungskosten in Höhe von 3.200,- € hinzuzurechnen.
Die Versicherungskosten in Höhe von 500,- € sind komplett dem tatsächlichen Preis
zuzuschlagen, weil sich die Kosten auf den Wert der Waren beziehen und ein Aufteilung
nach Art. 164 a) DVO nur für Beförderungskosten, aber nicht für Versicherungskosten
vorgesehen ist.
Gem. Art. 32 Abs. 1 e), i) ZK sind dem tatsächlichen Preis insgesamt 3.700,- €
hinzuzurechnen. Abzüge nach Art. 33 ZK sind nicht ersichtlich. Der Transaktionswert beträgt
damit: 23.700,- €.
3. Ergebnis
Die Zollschuld beträgt im Ergebnis: 23.700 x 6 % = 1.422,- €.
B. Geschäftsvorfall 1
I. Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz, Vorzugsbehandlungen liegen
nicht vor. Zudem sind sie gem. Art. 300 Abs. 1 DVO weiterhin einfuhrabgabenpflichtig.
3
2. Kein Fall von Art. 203 ZK
Da sich die Ware bis zur tatsächlichen Verwendung im Verfahren der besonderen
Verwendung befand, war eine Überwachung stets möglich (zur Fortdauer der Überwachung,
vgl. auch Art. 300 Abs. 1 DVO).
Die Verwendung selbst ist kein Entziehen, da es sich bei der tatsächliche Verwendung um
den bewilligten Verwendungsvorgang handelt. Mit der Zuführung zur besonderen
Verwendung endet gem. Art. 82 Abs. 1 S. 2 ZK schließlich auch die zollamtliche
Überwachung
3. Pflichtverletzung aus Inanspruchnahme eines Zollverfahrens
Die P ist gem. 293 Abs. 1 Buchst. b) 1. Anstrich, Abs. 3 Buchst. d) DVO verpflichtet, die
Ware innerhalb der in der Bewilligung festgelegten Zuführungsfrist von einem Jahr nach
Überführung in das Verfahren der besonderen Verwendung (Zweckbestimmung) zuzuführen.
25 t Kartoffeln sind bis Ende November 01 zur Herstellung von Stärke verwendet worden. Da
die Waren am 8.4.01 in das Verfahren übergeführt wurden und die Frist erst im April 02
abläuft, ist die Jahresfrist eingehalten worden. Denn nach Art. 3 Abs. 1 FristenVO beginnt die
Berechnung der Frist am 9.4.01. Fristende ist nach Art. 3 Abs. 2 c) FristenVO der 9.4.02,
24:00 Uhr.)
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ware nach Art. 82 Abs. 1 Satz 2 ZK, Art. 300 Abs. 1 S. 1
Buchst. a) DVO durch Zuführung zur vorgeschriebenen besonderen Verwendung nicht mehr
der zollamtlichen Überwachung unterliegen oder ob die zollamtliche Überwachung im
Einzelfall wegen wiederholter Verwendbarkeit der Ware nach Art. 300 Abs. 1 S. 2 DVO
ausnahmsweise fortbesteht.
Folglich liegt keine Pflichtverletzung vor.
Eine Zollschuldentstehung kommt daher nicht in Betracht.
C. Geschäftsvorfall 2
I. Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz, Vorzugsbehandlungen liegen
nicht vor.
2. Kein Fall von Art. 203 ZK
Da sich die Ware bis zur tatsächlichen Verwendung im Verfahren der besonderen
Verwendung befand, war eine Überwachung stets möglich. Die Verwendung selbst ist kein
Entziehen, da es sich bei der tatsächliche Verwendung um den bewilligten
Verwendungsvorgang handelt. Daher liegt kein Entziehen vor.
3. Pflichtverletzung aus Inanspruchnahme eines Zollverfahrens
Die Kartoffeln wurden in das Verfahren der besonderen Verwendung übergeführt. Es
bestand nach Art. 293 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. b), 1. Anstrich, Abs. 3 Buchst. d) DVO die
objektive Pflicht, die Ware innerhalb der Zuführungsfrist der besonderen Verwendung
zuzuführen. Die Jahresfrist endet nach Art. 3 Abs. 2 c) FristenVO am 09.04.02. Eine
Fristverlängerung wurde nicht beantragt. Somit liegt eine Pflichtverletzung aus der
Inanspruchnahme eines Zollverfahrens für die nicht verarbeiteten 7 t Kartoffeln vor.
4. Es-sei-denn-Regel
Ob die Voraussetzungen gem. Art. 859 1. bis 3 Anstrich DVO vorliegen, kann offen bleiben.
Denn ein Heilungstatbestand nach Art. 859 DVO liegt im Ergebnis nicht vor. Art. 859 Nr. 1
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DVO kommt nicht zur Anwendung, weil die Ware mit der Überführung in den zollrechtlich
freien Verkehr zur besonderen Verwendung schon eine zollrechtliche Bestimmung erhalten
hat. Eine analoge Anwendung von Art. 859 Nr. 1 DVO scheidet ebenfalls aus, da der Katalog
von Art. 859 DVO nach Ansicht des EuGH (Urteil vom 11.11.1999, ZfZ 2000, S. 12).
Weitere Heilungstatbestände bestehen ebenfalls nicht.
Die Zollschuld ist somit nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK entstanden.
II. Zeitpunkt, Art. 204 Abs. 2 ZK
Die Zollschuld entsteht im Zeitpunkt der Pflichtverletzung, hier zum Zeitpunkt des
Fristablaufs am 09.04.02 (Art. 3 Abs. 2 c) FristenVO).
III. Zollschuldner, Art. 204 Abs. 3 ZK
Zollschuldnerin ist die T, da sie als Verfahrensinhaberin die Pflicht nicht erfüllt hat.
IV. Bemessung, Art. 214 Abs. 1 ZK
Die Bemessungsgrundlagen sind mangels gegenteiliger Bestimmungen nach Art. 214 Abs. 1
ZK zu bestimmen. Es sind die Bemessungsgrundlagen maßgebend, die zum Zeitpunkt der
Zollschuldentstehung, dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung, gelten.
1. Zollsatz/Menge
Die Waren wurden nicht fristgerecht der besonderen Verwendung zugeführt. Aus diesem
Grund ist der nicht ermäßigte (Regel-)Zollsatz in Höhe von 10 % zugrunde zu legen. Als
Menge sind 7 t Kartoffeln zu bemessen.
2. Zollwert
Der Zollwert für die 40 t Kartoffeln beträgt 23.700,- €. Seit der Überführung in das Verfahren
hat dieser Wert sich nicht geändert. Allerdings sind nunmehr nur 7 t Kartoffeln zu bemessen.
Folglich ist der Zollwert für diese Menge: 4.147,50 € (23.700 : 40 x 7)
3. Berechnung
Damit ergibt sich für 7 t Kartoffeln folgende Abgabenhöhe: 414,75 € (4.147,50 x 10 %).
V. Anwendung von Art. 208 ZK
Nach Art. 208 Abs. 1 ZK ist von dem Betrag der Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK der
bei Überführung in die besondere Verwendung errechnete Abgabenbetrag für eine Menge
von 7 t Kartoffeln abzuziehen. Rechnerisch ergibt sich ein Abzugsbetrag in Höhe von 248, 85
€ (1.422 : 40 x 7).
Als Abgabenbetrag ist daher zu zahlen: 414,75 € abzüglich 248,85 € = 165,90 €.
D. Geschäftsvorfall 3
I. Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz. Die weiterhin bestehende
Einfuhrabgabenpflichtigkeit ergibt sich aus Art. 300 Abs. 1 DVO. Vorzugsbehandlungen
liegen nicht vor.
2. Kein Fall von Art. 203 ZK
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Da die Ware sich bis zur tatsächlichen Verwendung im Verfahren der besonderen
Verwendung befand, war eine Überwachung stets möglich. Gleiches gilt für das
ordnungsgemäß durchgeführte Ausfuhrverfahren. Daher liegt kein Entziehen vor.
3. Pflichtverletzung
Die P ist gem. Art. 293 Abs. 1 Buchst. b) 1. Anstrich, 293 Abs. 3 Buchst. d) DVO verpflichtet,
die Ware fristgerecht dem Verwendungszweck zuzuführen. Objektiv werden 2 t Kartoffeln
nicht fristgerecht der besonderen Verwendung zugeführt. Damit liegt eine Pflichtverletzung
aus der Inanspruchnahme eines Zollverfahrens vor, die auch nicht durch die
Ausfuhrbewilligung der Zollstelle entfallen ist.
4. Es-sei-denn-Regel
Eine Heilungsmöglichkeit nach Art. 859 DVO liegt nicht vor, weil kein Heilungstatbestand
gegeben ist. Die Zollschuld ist mithin nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK entstanden.
II. Nichtentstehen nach Art. 206 Abs. 2 ZK
Nach Art. 206 Abs. 2 ZK gilt eine nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK entstandene Zollschuld aber als
nicht entstanden, wenn eine Ware mit Zustimmung der Zollbehörden ausgeführt wurde.
Gem. Art. 298 Abs. 1 DVO kann diese Möglichkeit von den Zollbehörden zugelassen
werden. Laut Sachverhalt hat die Überwachungszollstelle die Ausfuhr zugelassen.
Dementsprechend ist die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK nicht entstanden.
E. Geschäftsvorfall 4
Die Kartoffeln sollen nicht zur Herstellung von Stärke, sondern zur Herstellung von
Kartoffelchips verwendet werden. Gem. Art. 299 DVO kann eine in die besondere
Verwendung übergeführte Ware mit Bewilligung der Zollbehörden auch anderweitig
verwendet werden. Allerdings regelt Art. 299 DVO, dass eine anderweitige Verwendung mit
dem Entstehen einer Zollschuld verbunden ist. Hier könnte die Zollschuld nach Art. 204 Abs.
1 a) ZK entstanden sein.
I. Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz, die weiterhin bestehende
Einfuhrabgabenpflichtigkeit ergibt sich aus Art. 300 Abs. 1 DVO Vorzugsbehandlungen
liegen nicht vor.
2. Kein Fall von Art. 203 ZK
Da sich die Waren im Verfahren der besonderen Verwendung befanden, war eine
Überwachung stets möglich. Das gilt auch für anderweitige Verwendung, da sie von den
Zollbehörde bewilligt worden ist. Daher liegt kein Entziehen vor.
3. Pflichtverletzung
Die P ist gem. 293 Abs. 1 Buchst. b) 1. Anstrich, Abs. 3 Buchst. d) DVO verpflichtet, die
Ware dem Verwendungszweck fristgerecht zuzuführen. Tatsächlich wird die Ware nicht der
besonderen Verwendung zugeführt. Damit liegt objektiv mit Ablauf der Frist eine
Pflichtverletzung aus der Inanspruchnahme eines Zollverfahrens vor.
4. Es-sei-denn-Regel
Eine Heilungsmöglichkeit nach Art. 859 DVO liegt mangels Vorliegens eines
Heilungstatbestands nicht vor. Die Zollschuld ist somit nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
entstanden.
II. Zeitpunkt, Art. 204 Abs. 2 ZK
Die Zollschuld entsteht im Zeitpunkt der Pflichtverletzung, hier mit Ablauf der Frist im April
02.
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III. Zollschuldner, Art. 204 Abs. 3 ZK
Zollschuldnerin ist die P, da sie die Pflicht zu erfüllen hatte.
IV. Bemessung, Art. 214 Abs. 1 ZK
Die Bemessungsgrundlagen sind mangels gegenteiliger Bestimmungen nach Art. 214 Abs. 1
ZK zu bestimmen. Es sind die Bemessungsgrundlagen maßgebend, die zum Zeitpunkt der
Zollschuldentstehung, dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung, gelten.
Danach ist der nicht ermäßigte Zollsatz in Höhe von 10 % zugrunde zu legen. Zollwert für 40
Tonnen Kartoffeln: 23.700,- €. Die zu bemessende Menge beträgt 1 t Kartoffeln. Der Zollwert
für eine Tonne Kartoffel liegt bei: 592,50 € (23.700 : 40 x 1). Daraus folgend ergibt sich ein
Abgabenbetrag in Höhe von 59,25 € (592,50 x 10%).
V. Anwendung von Art. 208 ZK
Nach Art. 208 ZK ist von der Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK der bei Überführung in
die besondere Verwendung errechnete Abgabenbetrag für die Menge von 1 t Kartoffeln
abzuziehen.
Als Abgabenbetrag ist daher zu zahlen: 59,25 € abzüglich Zollschuld für 1 t bei Überführung
in die besondere Verwendung = 35,55 (1.422 : 40 x 1) = 23,70 €.
F. Geschäftsvorfall 5 (nicht bewilligte Auslieferung an einem Frischemarkt)
I. Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs. 1 ZK
Durch die Auslieferung der 2 t Kartoffeln an den örtlichen Frischemarkt könnte eine
Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden sein. Dazu müsste eine
einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sein.
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz, Vorzugsbehandlungen liegen
nicht vor.
2. Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung
Gemäß Art. 82 Abs. 1 ZK, Art. 300 Abs. 1 ZK-DVO bleiben die, aufgrund ihrer besonderen
Verwendung, zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz in den zollrechtlich freien Verkehr
übergeführten Kartoffeln bis zu dem Zeitpunkt unter zollamtlicher Überwachung, an dem sie
erstmalig der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt wurden.
Die in Rede stehenden 2 t Kartoffeln sind vor ihrer Auslieferung an den Frischemarkt nicht
der vorgeschriebenen Verwendung (Verarbeitung zu Stärke) zugeführt worden. Die
zollamtliche Überwachung ist daher nicht beendet.
Ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung wäre dann gegeben, wenn eine Handlung
vorgenommen worden wäre, die zur Folge hat, dass zollamtliche Prüfungen an der Ware,
wenn auch nur vorübergehend, nicht mehr vorgenommen werden können.
Aufgrund der Auslieferung der Kartoffeln an den Frischemarkt sowie durch den
Weiterverkauf an die Endkunden kann nicht mehr zeitnah festgestellt werden, wo sich die
betreffenden Kartoffeln befinden. Der überwachenden Zollstelle wird somit die Möglichkeit
der zollamtlichen Prüfung genommen. Das Tatbestandsmerkmal „Entziehen“ ist damit erfüllt.
Für die 2 t Kartoffeln ist eine Einfuhrzollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden.
II. Zeitpunkt, Art. 203 Abs. 2 ZK
Die Zollschuld entsteht im Zeitpunkt des Entziehens, hier am 23. Dez. 01.
III. Zollschuldner, Art. 203 Abs. 3 ZK
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Zollschuldner ist gemäß Art. 203 Abs. 3 1. Anstrich ZK der Lagermeister, als die Person, die
die Entziehungshandlung begangen hat.
Gemäß Art. 203 Abs. 3 dritter Anstrich könnte auch der Betreiber des Frischemarktes
Zollschuldner der entstanden Abgaben geworden sein. Dies wäre dann der Fall, wenn er als
Erwerber der Ware wusste oder billigerweise hätte wissen müssen, dass diese der
zollamtlichen Überwachung entzogen worden war. Hierzu sowie zu einer Kenntnis der
Endkunden trifft der Sachverhalt keine Aussagen.
Weiterhin wird die Person Zollschuldner, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die
sich aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens ergeben. Die P hatte als
Bewilligungsinhaberin die Verpflichtung, die Kartoffeln fristgerecht der vorgesehenen
besonderen Verwendung zuzuführen und diese Zuführung nachzuweisen, Art. 293 Abs. 1 b
ZK-DVO. Eine solche Zuführung hat für die ausgelieferten Kartoffeln nicht stattgefunden.
Somit wird neben dem Lagermeister auch die P Zollschuldnerin der entstandenen
Einfuhrabgaben. Beide sind gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Abgaben verpflichtet, Art.
213 ZK.
IV. Bemessung, Art. 214 Abs. 1 ZK
Die Bemessungsgrundlagen sind mangels gegenteiliger Bestimmungen nach Art. 214 Abs. 1
ZK zu bestimmen. Es sind die Bemessungsgrundlagen maßgebend, die zum Zeitpunkt der
Zollschuldentstehung, dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung, gelten.
Danach ist der nicht ermäßigte Zollsatz in Höhe von 10 % zugrunde zu legen. Zollwert für 40
Tonnen Kartoffeln: 23.700,- €. Die zu bemessende Menge beträgt 2 t Kartoffeln. Der Zollwert
für zwei Tonnen Kartoffel liegt bei: 1185,00 € (23.700 : 40 x 2). Daraus folgend ergibt sich ein
Abgabenbetrag in Höhe von 118,50 € (1185,00 x 10%).
V. Anwendung von Art. 208 ZK
Nach Art. 208 ZK ist von der Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK der bei Überführung in die
besondere Verwendung errechnete Abgabenbetrag für die Menge von 2 t Kartoffeln
abzuziehen.
Als Abgabenbetrag ist daher zu zahlen: 118,50 € abzüglich Zollschuld für 2 t bei Überführung
in die besondere Verwendung = 71,10 (1.422 : 40 x 2) = 47,40 €.
G. Geschäftsvorfall 6
I. Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK
1. Einfuhrabgabenpflichtige Ware
Die Kartoffeln unterliegen nach dem Zolltarif einem Zollsatz, Vorzugsbehandlungen liegen
nicht vor.
2. Kein Fall von Art. 203 ZK
Da sich die Waren im Verfahren der besonderen Verwendung durchgängig auf
Betriebsgelände befanden, war eine Überwachung stets möglich. Daher liegt kein Entziehen
vor.
3. Pflichtverletzung
Die P ist gem. Art. 293 Abs. 1 Buchst. b) 1. Anstrich, 293 Abs. 3 Buchst. d) DVO verpflichtet,
die Ware fristgerecht dem Verwendungszweck zuzuführen. Objektiv werden 3 t Kartoffeln
nicht fristgerecht der besonderen Verwendung (Verarbeitung zu Stärke) zugeführt. Damit
liegt eine Pflichtverletzung aus der Inanspruchnahme eines Zollverfahrens vor.
4. Es-sei-denn-Regel
Eine Heilungsmöglichkeit nach Art. 859 DVO liegt nicht vor, weil kein Heilungstatbestand
gegeben ist. Die Zollschuld ist mithin nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK entstanden.
II. Nichtentstehen nach Art. 206 Abs. 1 ZK
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Nach Art. 206 Abs. 1 ZK gilt eine nach Art. 204 Abs. 1 a) ZK entstandene Zollschuld jedoch
dann als nicht entstanden, wenn der Bewilligungsinhaber nachweist, dass die fristgerechte
Verwendung deshalb nicht vorgenommen werden konnte, da die Ware vor der Verwendung
durch Zufall zerstört wurde.
Zerstört ist eine Ware, deren Beschaffenheit zwar grundlegend verändert worden ist, die in
ihrer Substanz jedoch noch grundsätzlich vorhanden ist.
Die Kartoffeln wurden laut Sachverhalt durch ein zufällig umstürzendes Gerüst zerquetscht
und verunreinigt. Durch diesen äußeren Einfluss wurden die Kartoffeln in ihrer
Beschaffenheit grundlegend verändert und für die vorgesehene Verwendung unbrauchbar.
Sie sind in ihrer Substanz als Stärke jedoch weiterhin vorhanden und bleiben grundsätzlich
wirtschaftlich verwertbar.
Die Zerstörung müsste weiterhin zufällig geschehen sein. Eine zufällige Zerstörung liegt
dann vor, wenn die Zerstörung ohne erkennbaren Grund und ohne Absicht geschieht. Lt.
Sachverhalt trifft die P hinsichtlich der Zerstörung kein Verschulden. Die Zerstörung durch
das Gerüst war ggf. zwar vorhersehbar, jedoch weder beabsichtigt noch bei normaler
Vorsicht vermeidbar.
Somit gilt die entstandene Zollschuld gemäß Art. 206 Abs. 1 ZK als nicht entstanden.
III. Abfälle und Reste von Gemeinschaftswaren
Art. 207 ZK fingiert in den Fällen, in denen eine Zollschuld für eine Ware der besonderen
Verwendung aufgrund Art. 206 Abs. 1 ZK nicht entstanden ist, für die bei der Zerstörung
anfallenden Abfälle und Reste grundsätzlich den Status von Nichtgemeinschaftswaren.
Somit gilt für die Kartoffelreste die Verpflichtung des Art. 182 Abs. 5 UA. 1 ZK, wonach sie
grundsätzlich eine für Nichtgemeinschaftswaren vorgesehene zollrechtliche Bestimmung
erhalten müssen.
Diese zollrechtliche Bestimmung kann in der Vernichtung der Reste bestehen, Art. 4 Nr. 15
d) ZK, Art. 182 Abs. 1 ZK. Die Reste können jedoch, bei einer Verwendung als Viehfutter,
ebenso in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden. Die für die Kartoffeln
entrichteten Einfuhrabgaben werden in diesem Fall über den Art. 208 UA 2 ZK angerechnet.
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