Pastor Rudolf Blümcke, Rektor des Theologischen Seminars der ELKRAS 2. Advent, 05.12.2004 Predigttext: Lukas 21,25-33 Der Text: Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wißt ihr selber, daß jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, daß dies alles geschieht, so wißt, daß das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Die Zukunftserwartungen der meisten Menschen in Russland sehen düster aus. Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, über die Politik, über die Wirtschaft oder auch über die Moral und die Gerechtigkeit in Russland, dann seufzen die meisten laut auf und fragen: Wie soll das denn nur weitergehen? Viele haben Erklärungen aus der Geschichte und sagen: Das ist in Russland schon immer so gewesen, die Menschen haben immer viel gelitten und ertragen. Ich kann mich nicht daran erinnern, hier einmal einen Menschen getroffen zu haben, der fröhlich in die Zukunft schaute und Gutes erwartete. Und wenn ich mir die Lage hier anschaue, keine Löhne, keine Renten, immer mehr Betriebe bankrott, dann verstehe ich die Menschen. Ja, die Zukunftsaussichten in Russland sind nicht sehr hell. Wenn wir heute morgen hören, was Jesus über das Ende der Welt sagt, dann klingt das wie eine Bestätigung: Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Für uns sind Sonne, Mond und Sterne Himmelskörper, die man erforschen kann. Wir sind wissenschaftlich erzogen worden und haben gehört, daß Menschen sich in Raketen setzen und zum Mond fliegen. Damals waren diese Himmelkörper viel mehr. Sie waren wie eine Garantie der Ordnung. Sie legten den Rhythmus von Tag und Nacht, hell und dunkel fest. Sie waren die verläßliche Ordnung, die den Menschen ihr Leben ermöglichte. Wenn Jesus nun davon spricht, daß die Kräfte der Himmel ins Wanken kommen werden, dann spricht er von der Ordnung des Lebens, von dem, was dem Leben der Menschen einen Halt und eine Sicherheit gibt. Ich denke das Empfinden der Menschen, daß er beschreibt, kommt uns sehr nahe. Er will deutlich machen: Es wird nichts mehr da sein, auf das du dich verlassen kannst. Wenn wir die Worte Jesu übersetzen wollen in unsere Situation mit den Dingen, von denen wir Sicherheiten erwarten, dann würden wir lesen: “Und es werden Zeichen geschehen an unserer Regierung, der Wirtschaft und der Gesellschaft, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor den Wellen der Kriminalität und der Grausamkeit, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Sicherheit und die Gerechtigkeit unter den Menschen wird ins Wanken kommen.” Das sagt Jesus über das Weltende und ich denke, er trifft unser Lebensgefühl damit sehr gut. Es gibt viele Menschen in unseren Gemeinden, die diese Aussagen Jesu kennen und die sicher sind, daß das Ende nahe ist. Und weil Jesus sagt: Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Darum ziehen sie die Köpfen zwischen die Schultern, weil sie wissen, daß Jesus, der Menschensohn, als Richter kommt. Und dann stehen unsere Sünden, die großen und die kleinen vor uns und wir werden noch ängstlicher. Oft erinnern sich die älteren Menschen in unseren Gemeinden noch an die Bußpredigten, die sie früher schon als Kinder gehört haben. Und sie wissen: Das Ende wird schrecklich sein. Warum haben wir Menschen nur so empfindliche Antennen für das Böse, für die Angst in der Welt und für die Verurteilung durch unseren himmlischen Richter? Diese Dinge hören wir genau und diese Dinge merken wir uns auch genau, sie werden zu einem Teil von uns, ja, oft kann man an der Körperhaltung vieler Menschen sehen, was sie von ihrer Zukunft erwarten. Sie laufen gebückt und belastet durch die Welt. Warum hören wir nur genau hin, wenn es um das Ende und um das Gericht geht? Wenige Menschen hören das Evangelium. Das Evangelium macht genau das Gegenteil mit uns, das Evangelium richtet uns auf. Das Evangelium macht aufrecht gehende und fröhliche Menschen aus uns. Habt ihr es gehört? Jesus sagt: Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, das heißt, wenn die Kräfte des Himmels, die Kräfte unserer Sicherheiten ins Wanken geraten, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Merkt ihr den Unterschied? Jesus weiß, wie die Situation der Welt ist, er kennt unser Lebensgefühl, aber er sagt: Wenn dieses alles geschieht, dann erhebt eure Häupter. Aber wie können wir denn? Ist das nicht alles viel zu schrecklich und zu ungewiss, was da auf uns zukommt? Jesus sagt: Nein! Eure Zukunft als Christen ist gar nicht ungewiss. Ihr solltet wissen, was auf euch zukommt. Ihr solltet nicht stöhnen unter all den schrecklichen Dingen, die in eurem Land geschehen, ich habe es euch doch gesagt, daß es so kommen wird, warum wundert ihr euch? Aber ihr sollt und könnt eure Häupter erheben, weil sich eure Erlösung naht. Habt ihr denn immer noch nicht verstanden? Hört doch das Evangelium. Wißt ihr, warum ihr Angst habt? Weil ihr meint, daß die Welt so schlecht ist, weil ihr und die anderen Menschen so schlecht seid. Und weil ihr merkt, daß ihr immer wieder schlecht seid, darum habt ihr Angst vor dem Gericht und vor allem auch vor Gott. Ihr habt das Evangelium noch nicht gehört. Das Evangelium heißt: Gott ist für euch am Kreuz gestorben und hat eure Sünde auf sich genommen und uns so erlöst. Habt ihr es gehört? Er ist für unsere Erlösung am Kreuz gestorben und darauf hoffen wir als Christen, nicht auf unsere guten Taten oder auf unser besseres Benehmen! Deshalb ist für uns Christen das Kreuz das Zeichen unserer Befreiung. In einer unserer Gemeinden in Sibirien hat ein Mann ein Kreuz gebastelt. Wir haben es auf den Altar gestellt und nach dem Gottesdienst wollte es niemand mit nach Hause nehmen. Der Mann sagte: Das ist mir unheimlich, so ein Zeichen des Todes in meinem Hause zu haben. Er hat das Evangelium noch nicht verstanden. Es hat sein Herz noch nicht erreicht. Das Kreuz ist unsere Befreiung, unsere Erlösung. Das Kreuz ist für mich, nicht gegen mich. Und Jesus sagt es noch einmal in einem Gleichnis, weil man das Evangelium nicht oft genug hören kann: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wißt ihr selber, daß jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, daß dies alles geschieht, so wißt, daß das Reich Gottes nahe ist. Das Reich Gottes ist nahe, das heißt: Das Reich, in dem Gerechtigkeit und Friede herrscht. Das Reich, in dem es keine Angst und keine Tränen mehr gibt. Ich weiß, wir können uns das kaum vorstellen und wir sind skeptisch, aber das ist das Evangelium, an das wir glauben sollen. Und nur dieser Glaube kann uns tragen und uns erhobenen Hauptes durch diese oft grausame Welt gehen lassen, nicht überheblich der unwissenden Welt gegenüber, aber vor allem nicht verzagt, wenn wir uns die Ungerechtigkeiten und Ungewissheiten unseres Lebens ansehen. Weil wir von Jesus wissen: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht. Jesus hält sein Wort, auch in Russland, wo es fast eine Tradition ist, daß Versprechungen gebrochen werden. Auf Jesu Worte ist Verlass und so haltet nach ihm Ausschau, der versprochen hat zu uns zu kommen, um uns zu erlösen aus allem, was uns hier bedrückt und sorgt. Amen.