BÊBINÎ – ABERGLAUBE Am Mittwoch darf man nicht das Haus putzen, am Freitag nicht die Kinder waschen, abgeschnittenes Frauenhaar darf nicht ins Feuer geworfen werden und jemand, der gestorben ist, darf nicht über Nacht im Haus bleiben, sondern muss sehr schnell begraben werden. Die Eule am Dach muss man vertreiben ... Es gibt überall Aberglauben, aber im Orient ist er sehr stark ausgeprägt. Die Kurden sind ein ziemlich abergläubisches Volk. Und der Islam verstärkt den Aberglauben noch: Die Welt wird untergehen, wenn die Häuser so hoch werden, dass man die Spitzen der Minarette nicht mehr sieht. Die Welt wird untergehen, wenn man den Unterschied zwischen Frau und Mann auf der Straße nicht mehr erkennen kann. Sollte die Welt nicht schon längst untergegangen sein? Die Welt wird untergehen, wenn die Sonne im Westen aufgeht und die Flüsse aufwärts fließen. Auch die Deutung der Träume ist für Kurden sehr wichtig. Einen Traum, in dem die Geschwister vorkommen, darf man nur der Mutter erzählen, einen bösen Traum darf man gar niemandem, höchstens sich selbst am stillen Örtchen allein erzählen. Manche Träume schreiben vor, wie man sich am nächsten Tag zu verhalten hat. Wenn jemand von Schlangen träumt, darf er sich am nächsten Tag nicht in die Nähe von Feinden begeben. Wenn man von einem Verstorbenen träumt, muss man am nächsten Tag jemandem etwas Gutes tun, zum Beispiel einem Armen etwas schenken. Das Deuten der Träume hat also auch mit Aberglauben zu tun. Ereignisse, Gegenstände, Tiere werden entweder als gut oder als böse gedeutet. Warum ein Tier gut oder böse ist, erklärt immer auch eine Geschichte. Der Grund dafür, warum zum Beispiel das Maultier als böses und der Salamander als gutes Tier gilt, ist folgender: Das Maultier hat, als der Tyrann Antiochus den Propheten Abraham ins Feuer werfen ließ, das Holz für dieses Feuer herbeigetragen. Der Salamander hingegen hat Wasser in seinem Maul transportiert, um dieses Feuer zu löschen und den Propheten zu retten. Seit damals gilt der Salamander als heiliges Tier. Auch Geister gibt es in Kurdistan! Und zwar sehr viele! Sie sind überall und beobachten die Menschen ständig. Sie versuchen die Menschen in schwachen Momenten zu erwischen und als Geisel zu nehmen. Sie wohnen vor allem in Mühlen, in Hamams und in dem Raum, in dem man Brot bäckt. So erzählte in der Stadt Siverek, im Norden Kurdistans, eine alte Frau folgende Geschichte: Es war einmal ein Mädchen, das die Tochter eines Agas war, eines Großgrundbesitzers. Sie war sehr schön, sie hatte olivenfarbene Augen und prächtiges schwarzes Haar, so dicht, dass zwei Männerhände beinahe zu klein waren, diese zu umfassen. Als sie einmal große Angst hatte, bemächtigten sich ihrer die Geister. Ab diesem Zeitpunkt gehörte das Mädchen den Geistern. Eines Tages war für das Mädchen die Zeit gekommen, zu heiraten. Ein Mann aus dem Nachbardorf sollte der Bräutigam sein. Die Hochzeitsfeier dauerte schon sechs Tage und sechs Nächte, aber erst am siebten Tag sollte der Bräutigam seine Braut sehen dürfen. Doch in der Nacht vor diesem siebenten Tag wurde der Bräutigam von den Geistern, die nicht zulassen wollten, dass sich das Mädchen mit einem Mann vermählte, überfallen und erstickt.