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Institut für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung
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Bielefeld, 18.05.2017
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Sozialraumanalysen zum Zusammenleben vor Ort
Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse der Studie in Altenburg
Ziele der Untersuchung
Die Studie will einen wissenschaftlichen Beitrag zur Stärkung der demokratischen
Bürgergesellschaft in Altenburg leisten. Sie geht davon aus, dass eine starke
Bürgergesellschaft Informationen über Ihr Umfeld benötigen kann, um sich selbst zu
vergewissern; aber auch um vor Angriffen demokratiefeindlicher Bestrebungen besser
gewappnet zu sein. Die Studie will somit einerseits Informationen zur Qualität der
demokratischen Kultur und andererseits Hinweise zu Potentialen und Chancen
bürgergesellschaftlichen Engagements liefern. Sie soll damit den Engagierten auch ein
Rüstzeug in die Hand geben, gegen demokratiefeindliche Einstellungen und
Bestrebungen angemessen und zielgenau zu intervenieren.
Die Untersuchung wird deshalb auch gekoppelt mit einer Phase der „Übersetzung“. Die
Ergebnisse sollen idealerweise in die bürgergesellschaftliche Praxis Altenburgs mit
einfließen. Dazu müssen sie vor Ort durch die Engagierten auf die konkreten Situationen
„heruntergebrochen“ werden.
Ablage der Untersuchung
Die Universität Bielefeld hat eine telefonische Befragung mit 500 Altenburgern
durchgeführt. Sie ist dabei repräsentativ für den Ort. Dabei wurden folgende
Themenblöcke behandelt:
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Einschätzungen zur Altenburger Bürgergesellschaft
Beteiligungswillen und neue Potentiale der Bürgergesellschaft
Verbreitung von Einstellungen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit
Einschätzungen zum lokalen Rechtsextremismus
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Auswahl von Ergebnissen
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In Altenburg engagieren sich 42,6% der Menschen. Dieser Wert liegt deutlich unter
dem ostdeutschen Durchschnitt. Aber: In Altenburg gibt es auch ein erkennbares,
aber derzeit nicht aktives Potential von Menschen, die sich ein Engagement für die
Gesellschaft vorstellen könnten. Immerhin 39,2% derjenigen, die sich bisher nicht
engagieren, könnten sich ein solches Engagement in der Zukunft vorstellen.
Wenn es sich dabei um politische Angelegenheiten handelt, könnten sich
immerhin 40,8% der Altenburger vorstellen, in einer Bürgerinitiative mitzuwirken;
46,7% könnten sich vorstellen, sich an einer Demonstration zu beteiligen.
Immerhin 60,5% der Altenburger können sich ein Engagement gegen
Rechtsextremismus vorstellen. Das sind etwa 18% weniger als im ostdeutschen
Durchschnitt. Die Bereitschaft ist somit weniger stark ausgeprägt als in
Ostdeutschland üblich.
Wofür könnten sich die Altenburger vorstellen, sich zu engagieren? Die Antworten:
16,7% Kinder- und Jugendarbeit, Schule und Kita, 11,5% Sozialer Bereich,
10,7%Umweltchutz, 7,9% Lokales Bürgerengagement. Es dominieren somit
soziale Bereiche.
Die Studie fragt auch, was die Altenburger als erstes tun würden, wenn sie
Bürgermeister wären. Die Antworten: 19,5 würden sich für die Verbesserung der
Arbeitsmarktsituation einsetzen, 13,1 würden sich für den Ausbau lokaler
Infrastruktur und der Verbesserung der konkreten Lebensbedingungen
engagieren, 11,1 würden mit der Verbesserung der Jugendarbeit starten.
Im ökonomischen Bereich ist die Verunsicherung vieler Altenburger deutlich
ausgeprägter als im ostdeutschen Durchschnitt. Immerhin 35,5% der Altenburger
betrachten ihre eigene wirtschaftliche Situation als schlecht und 29% befürchten
den Verlust ihrer Arbeit innerhalb der nächsten fünf Jahre.
Immerhin 63% der Altenburger finden es sinnvoll, sich politisch vor Ort zu
engagieren. Trotzdem meinen 56% der Befragten, dass sie keinen Einfluss darauf
haben, was vor Ort geschieht. Dazu passt, dass nur knapp 14% der Altenburger
regelmäßig öffentliche Veranstaltungen z. B. von Vereinen besuchen. Fast die
Hälfte, nämlich 42% der Befragten, besucht hingegen nie eine solche
Veranstaltung.
Aussagekräftig sind auch drei Fragen zum Rechtsextremismus: 28,1% der
Befragten halten die rechtsextreme NPD für eine Partei wie jede andere. Der
Bundesdurchschnitt liegt bei 13%. Konkrete Lösungen für örtliche Probleme
verbinden hingegen nur 8,6% der Altenburger mit der NPD und 11,7% der
Befragten berichten über positive Erfahrungen im Kontakt mit Rechtsextremisten.
Besonders der letzte Wert ist deutlich überdurchschnittlich.
Die Studie fragt auch nach störenden Dingen oder Verhaltensweisen am Wohnort.
Die Antworten: 25,6% stört der Vandalismus durch Jugendliche, 16,3% Graffiti und
11,6% Abfall. Weiter stören sich 29,5% an Betrunkenen, 18,7% an
Jugendgruppen und 15,1% an rechtsextremen Störungen.
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Ein knappes Drittel der Befragten (30,1%) nimmt im Wohnumfeld Konflikte
zwischen jung und alt wahr. Konflikte zwischen deutschen und ausländischen
Bewohnern sehen 23,6%.
Im Folgenden sollen einige Werte zu Elementen abwertender Einstellungen
vorgestellt werden:
o 15,4% sind der Ansicht, dass die Weißen zu Recht führend in der Welt
seien.
o 48,1% meinen, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland.
o 42,3% empfinden Ausländer als Last für das soziale Nest.
o Für 11,2% haben Juden in Deutschland zu viel Einfluss.
o 20,2% finden Homosexualität unmoralisch.
o 20,9% meinen, dass Obdachlose arbeitsscheu seien.
o 26% fordern, dass Muslime nicht mehr nach Deutschland einwandern
dürfen.
o 33,2% meinen, dass Landzeitarbeitslose oft nicht wirklich daran interessiert
seien, eine Arbeit zu finden.
Im Vergleich mit anderen Orten fallen die abwertenden Einstellungen in Altenburg
eher hoch aus.
Wie weiter?
Die Ergebnisse müssen für die Arbeit vor Ort „übersetzt“ werden. Der Blick muss sich von
den Zahlen zu den konkreten Handlungsorten richten. Fragen könnten z. B. sein:
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Wie kann das Engagementpotential besser ausgeschöpft werden?
Was muss geschehen, um mehr Menschen das Gefühl zu geben, sich an lokalen
Prozessen beteiligen zu können?
Wie kann den abwertenden Einstellungen begegnet werden? Was empfinden
eigentlich Vertreter der abgewerteten Gruppen? Wie ist ihre Sicht auf die Stadt?
Eine Stadtgesellschaft lebt von ihrer Integrationskraft. Je mehr Menschen sich
aufgehoben, beteiligt und gerecht behandelt fühlen, desto schwerer haben es die Feinde
der Demokratie. Die zentrale Frage lautet somit nach wie vor: In welcher Gesellschaft
wollen wir eigentlich leben? Und was kann getan werden, damit es eine gute Gesellschaft
ist?
Zugehörige Unterlagen
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