OVZ: Altenburger Öko-Land

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Grünen-Studie klopft Landkreis als Modellprojekt auf Nachteile und Chancen ab
Altenburg/Schmölln. Das Altenburger Land soll Vorreiter bei der ökologischen
Landwirtschaft werden. Das geht aus einer Studie hervor, die im Auftrag der
Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen angefertigt und am Montag in Schmölln
öffentlich vorgestellt wurde. Das Altenburger Land wurde dabei gemeinsam mit Greiz
als eine von drei Modellregionen des Freistaates ausgewählt und auf seine Nachteile und
Chancen untersucht. Mit dem noch nicht beschlossenen Konzept wollen sich die
Bündnis-Grünen verstärkt dem ländlichen Raum zuwenden, der ihrer Meinung nach
von der Landesregierung vernachlässigt wird.
Von Jens Rosenkranz
Der vom EU-Projektmanager Burkhardt Kolbmüller sowie dem Politikwissenschaftler
Sebastian Heuchel erstellte Bericht geht in seiner Zustandsbeschreibung mit der Region
schonungslos um. Bedingt von Abwanderung und Massenarbeitslosigkeit gebe es eine
ungünstige Sozialstruktur, ein hohes Altersarmutsrisiko, überdurchschnittlich viele
Sozialhilfe-Empfänger, dazu ein niedriges Lohnniveau und geringe Kaufkraft. "Die Region
verfügt darüber hinaus über ein sehr schlechtes Image, was es schwierig macht, mögliche
Investoren in die Region zu locken", heißt es. Die Landesregierung betrachtet das Gebiet als
Randlage und behandelt es stiefmütterlich. Ausgesprochen niedrige Mietpreise machen die
Region zwar attraktiv für junge Familien. Allerdings mangele es an hochwertigem
Wohnraum. Die Autoren geben fünf Handlungsempfehlungen für die Zukunft ab: der
langfristige Erhalt der Berufsschulen in Altenburg, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel
in der Medizin, Verbesserung des Angebots bei Bussen sowie die Bewerbung als Pilotregion
der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen 2023.
Von den Grünen-Mitgliedern am Montag besonders diskutiert wurde der Vorschlag, das
Altenburger Land zum Vorreiter beim ökologischen Landbau zu machen. Ausgezeichnete
Böden, ein gutes Klima sowie namhafte Hersteller von Senf, Bier und Käse böten
hervorragende Voraussetzungen. Nur vier bis fünf Öko-Betriebe, die weniger als 1000 von
insgesamt 35 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaften, zeigten einen
großen Nachholbedarf.
Dafür spricht ebenso, dass der Bedarf von Bio-Obst und -Gemüse in Thüringen nicht gedeckt
werden kann, diese Produkte also eingeführt müssen. Und das in einer Zeit, in der sich immer
mehr Menschen für ökologisch erzeugte Lebensmittel entscheiden. Das Altenburger Land
könne hier von seiner hohen Dichte an Firmen der Nahrungsgüterwirtschaft und der Lebensund Genussmittelbranche sowie von der Nähe zu großen Absatzmärkten im Raum Leipzig
und Zwickau profitieren. Ein Anstieg an Ökolandbau hätte positive Auswirkungen auf die
regionale Wertschöpfung, wird in der Studie prognostiziert.
Ihre beiden Autoren gehen davon aus, dass sich der Trend weg vom konventionellem hin zum
ökologischen Landbau auch wegen der erwarteten Umverteilung von Fördergeldern
verstärken wird. Jeder Bauer sei gut beraten, sich darauf einzustellen, sagte Burkhardt
Kolbmüller, einer der Verfasser. In seiner Studie wird deswegen die grüne Forderung
erneuert, wertvolle fruchtbare Böden der Region nicht weiter zu versiegeln. Deswegen sei
auch der Bau zum Beispiel des geplanten Zubringers zur A 72 zwischen Windischleuba und
Frohburg zu hinterfragen.
Für einen der beiden Grünenchefs im Landkreis, Ingo Prehl, ist diese neue Straße völlig
unnötig. Wer nach Leipzig wolle, solle besser die S-Bahn nutzen, sagte er am Montag. Beim
Stichwort Bodenschutz forderte das Kreistagsmitglied auch einen Förderungsstopp für den
ländlichen Wegebau. "So jedenfalls kann es nicht weitergehen", sagte er. In der
Vergangenheit seien zig Millionen für asphaltierte Feldwege investiert worden, die die
Öffentlichkeit mit ihren privaten Kraftfahrzeugen nicht nutzen darf.
OVZ / 07.05.2014 / Jens Rosenkranz
KOMMENTAR
Grüne Träume, ernste Realitäten
Die Grünen tun gut daran, sich dem ländlichen Raum zuzuwenden. Ihre Wähler sitzen
nämlich mit übergroßer Mehrheit in den Städten. Und auch im ländlich geprägten Altenburger
Land bekommen die Öko-Paxe politisch kaum ein Bein auf die Erde, was ein einziger Sitz im
Kreistag belegt. Auch mit den Angeboten der wenigen aktiven Freizeit-Politiker hierzulande
können oder wollen die Bürger nicht viel anfangen. Das zeigte zum Beispiel die Vorstellung
der grünen Studie über die Zukunftschancen des Landkreises als Modellregion, die von der
Öffentlichkeit am Montag nahezu nicht beachtet wurde.
Dem interessanten Bericht schadet dies aber keineswegs. Das liegt nicht allein an der Idee,
dass auf den fruchtbaren Böden des Altenburger Landes in Zukunft weitestgehend BioProdukte gedeihen könnten. Angesichts dessen, dass sich immer mehr Menschen Gedanken
darüber machen, was in den Lebensmitteln so alles enthalten ist, sollte über solche Chancen
zumindest nachgedacht werden.
Die Mehrheit der Bürger des Landkreises wird sich teure Bio-Produkte selbst aber nicht
leisten können. Davon nämlich geht der bemerkenswerteste Teil der Studie aus, wo von einem
schlechten Image, niedrigen Löhnen und zu vielen Menschen in sozial schwierigen
Verhältnissen die Rede ist. Und davon, dass die Landes-Regierung den Landkreis
vernachlässigt. Und so lange sich an diesen Zuständen nicht grundlegend etwas ändert,
werden die grünen Träume zerplatzen wie Seifenblasen.
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