Gründonnerstag 13. April 2017 – Lesejahr A Es geschieht nicht häufig, dass ein Mensch Worte sagt, die nicht mehr vergessen werden: – „Ich bin ein Berliner!“ – JFK Daran erinnern sich nicht nur die Berliner damals…! – „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ – Michail Gorbatschow – Es gibt nicht nur Worte von Politikern: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ – Antoine de Saint Exupéry Diese Worte kennen auch viele von uns und weltweit, und können sie sogar auswendig mitsprechen: „Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird… Nehmet und trinket, das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden…“. Habe ich etwas vergessen…? > „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ – damit nichts vergessen wird, damit ich nicht vergessen werde, damit ihr euch nicht vergesst! Die Worte aus dem Gedächtnismahl Jesu, seinem letzten Abendmahl, sind Worte gegen das Vergessen, sein Auftrag zur Erinnerung. Es soll das lebendig bleiben, was Jesus den Menschen damals und uns heute Gutes getan hat, welche Worte er ihnen und uns heute gesagt hat. Und wenn wir heute das letzte Abendmahl Jesu feiern, erfüllen wir seinen Auftrag, sein Vermächtnis, seinen letzten Willen, sein Testament – und setzen ein Zeichen gegen das Vergessen! Eine der schlimmsten Krankheiten, die die Menschen heutzutage plagen, ist – neben Krebs und Aids, was letztlich immer noch als unheilbar gilt – die Erkrankung an Alzheimer, oder die sog. Demenz. Ein Mensch vergisst mehr und mehr, wer er war und wer er ist, er kennt manchmal seine allernächsten Angehörigen nicht mehr. Das ist für die Betroffenen oft schwer zu ertragen, aber für ihre Umgebung nicht viel weniger. Papst Franziskus hat in einer Weihnachtsansprache an die Leitenden Mitarbeiter der Kurie einmal von 15 Krankheiten der römischen Kurie gesprochen. Als Beispiele nannte er unter anderem "sich unsterblich fühlen", "mentale Erstarrung", "spirituelles Alzheimer" und den "Terrorismus des Geschwätzes". Ich weiß nicht genau, was Papst Franziskus mit "spirituellem Alzheimer" versteht. Ich kann mir aber denken, dass er darauf hinweisen wollte, dass selbst an der Kurie im Vatikan die Rede von Gott und der Glaube an Jesus allzu oft vergessen oder zur Nebensächlichkeit wird. Und ist das bei uns selbst oder in unserer Umgebung oder in unserer deutschen und europäischen Gesellschaft und Kirche nicht viel anders? Haben nicht viele Zeitgenossen auf Gott vergessen, oder ihn aus der Mitte des Lebens verdrängt? Wir sprechen über Vieles, aber sprechen wir auch von Gott und unserem Glauben? Wie oft sprechen wir mit Gott? Spirituelles Alzheimer heißt die Diagnose im Blick auf eine Welt, die zusehends Gott vergessen hat. Es gibt aber im Unterschied zur körperlichen Erkrankung ein Gegenmittel – es heißt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ In Erinnerung an die Liebeshingabe Jesu, in der Vergegenwärtigung dessen, was er gesagt und getan hat, werden wir in der Seele gesund, und warum nicht auch physisch und psychisch? Seine Liebe heilt, wenn wir die Eucharistie zu seinem Gedächtnis empfangen und seine Liebe weiter geben! Jesus sagte: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Deswegen ist es unsere Aufgabe und die Chance gegen das vielfältige Vergessen unserer Zeit, dass wir immer wieder das Gedächtnismahl Jesu feiern, und dass wir es so feiern, dass klar wird, um was es geht: Es geht um ein starkes Zeugnis der Gemeinschaft der Glaubenden, versammelt um seine Mitte. Es geht um Freundschaft mit Jesus und untereinander. Ist Jesus mein Freund, und woran kann man das erkennen? Es geht um Treue, die nicht danach fragt, ob ich heute Lust habe oder nicht, zur Kirche zu gehen oder Gutes zu tun. Es geht um tätige Liebe, die den anderen die Füße wäscht, nicht zuerst den Kopf. Konkrete Liebe, die sich dem Mitmenschen voller Würde, ohne Ansehen der Person, der Hautfarbe, Religion oder sozialen Stellung annimmt. Es geht darum, so zu beten, als ob alles von Gott abhängen würde, und so zu handeln, als ob alles von uns abhängen würde. All das bringen wir heute zum Ausdruck: Wir feiern das letzte Abendmahl und kommen aus den drei Gemeinden zusammen zu einem gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst. Viele verschiedene liturgische Dienste sind heute eingeteilt, um zu zeigen, dass der Gottesdienst unser aller Angelegenheit ist. Wir stellen uns zur Kommunion im Kreis um den Altar, wie einst die Jünger um Jesus versammelt waren. Wir sehen uns dabei an und erkennen uns, nehme uns wahr: ach wie schön: Du bist da, ich bin da, wir sind da! Wir empfangen die Kommunion unter beiderlei Gestalten, Leib und Blut Christi, damit nicht irgendeinmal darauf vergessen wird, dass die eigentliche Kommunion so gefeiert wird. Wir essen und trinken die Liebe Jesu Christi und nehmen die Verpflichtung mit, einander im Leben zu dienen, so wie der Herr den Jüngern ein Beispiel gegeben hat. Und schließlich bleiben wir diese drei Tage an der Seite Jesu, gehen schweigend mit ihm in diese Nacht vor seinem Leiden, wachen und beten mit ihm, gehen morgen seinen Kreuzweg mit, halten noch einen Tag aus, als er im Grabe lag, bevor wir fröhlich und dankbar Ostern, das Fest der Auferstehung feiern. Denn die Liebe reist nicht aus, wenn es schwierig wird, die Liebe leidet mit, die Liebe vergisst nicht. Es gibt Worte, die werden nie vergessen und bewahren uns vor dem Vergessen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Also tun wir, was unser Auftrag ist, nicht nur aus Pflichterfüllung, sondern aus tief erfüllter Liebe zu Jesus!