MATHEMATIK F¨UR PHYSIKER I Anhang : Mengen, Relationen

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Mathematik für Physiker I - Anhang
1
MATHEMATIK FÜR PHYSIKER I
Prof. Dr. H. Dinges WS 2001/02
Anhang : Mengen, Relationen, Aussagen
Mengen
G. Cantor führte 1895 die folgende Sprechweise ein: Unter einer Menge M ver”
stehen wir jede Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten (welche die Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen.“
”
Nach der heute allgemein akzeptierten (anfangs aus philosophischen
Gründen heftig bekämpften) Auffassung von Cantor sind beliebige Mengen legitime Objekte mathematischer Betrachtung.
Eine Menge M gilt als wohldefiniert, wenn festgelegt ist, welche Elemente
zu ihr gehören und was es heißt, daß zwei Elemente von M als gleich zu
betrachten sind.
Teilmengen
Die Gesamtheit P(M ) aller Teilmengen einer gegebenen Menge M ist eine
Menge im Sinne von Cantor. P(M ) ist eine (durch die Inklusion ⊆) partiell
geordnete Menge. In P(M ) kann man Rechenoperationen definieren: die Komplementbildung, die Vereinigung und die Durchschnittsbildung.
Die Komplementbildung A 7→ Ac ist eine involutive Abbildung von P(M )
auf sich. Zweimal angewandt liefert sie die Identität.
Die Vereinigungsbildung und die Durchschnittsbildung sind zunächst Abbildungen, die jedem Paar A, B von Elementen von P(M ) ein Element
A∪B
(bzw. A ∩ B) in P(M ) zu ordnen. Das Rechnen in P(M ),c , ∪, ∩ heißt elementare Mengenalgebra und ist heutzutage ein Gegenstand der Schulmathematik.
Dieselben Regeln des Rechnens gelten in den sog. Boole’schen Algebren; dort
werden nur die Objekte anders interpretiert. (Beispiele: Schaltalgebra“, Er”
”
eignisalgebra“, Aussagenlogik“).
”
In P(M ) kann man auch die Vereinigung (und den Durchschnitt) von unendlich vielen Elementen definieren. Dies gibt neue Möglichkeiten für mathematische Konstruktionen.
In der Punktmengentopologie macht man eine Menge M zu einem topologischen Raum, indem man ein Teilsystem U von P(M ) auszeichnet, an welches
gewisse Forderungen gestellt werden. Man fordert von der Gesamtheit U der
offenen Mengen
1. ∅ ∈ U, M ∈ U
2. U, V ∈ U =⇒ U ∩ V ∈ U
S
3. Uα ∈ U für alle α =⇒ Uα ∈ U
α
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In der Maßtheorie macht man eine Menge M zu einem meßbaren Raum, indem man ein Teilsystem A von P(M ) auszeichnet, an welches die folgenden
Forderungen gestellt werden:
1. ∅ ∈ A, M ∈ A
2. A ∈ A =⇒ Ac ∈ A
3. A1 , A2 . . . . ∈ A =⇒
∞
S
Ai ∈ A .
Ein Mengensystem A, welches diesen Forderungen genügt, heißt eine
σ-Algebra. Die Elemente A ∈ A heißen die (bzgl. der Meßbarkeitsstruktur A)
meßbaren Mengen.
Beachte : Bei den σ-Algebren sind nur abzählbare Vereinigungen (und Durchschnitte) zugelassen. Die Vereinigung von abzählbar vielen meßbaren Mengen
ist meßbar.
In der Topologie dagegen hat man auch Vereinigungen von überabzählbaren
Scharen offener Mengen in Betracht zu ziehen. (Dies sieht man schon bei
der Definition des offenen Kerns eine Menge: der offene Kern von A ist die
Vereinigung aller in A enthaltenen offenen Mengen.)
Produktmengen
Wenn M1 und M2 nichtleere Mengen sind, dann definiert man ihr cartesisches Produkt M1 × M2 als die Menge aller Paare x = (x1 , x2 ) mit
xi ∈ Mi , i = 1, 2. Entsprechend ist M1 × M2 × . . . × Mn die Menge aller ntupel x = (x1 , . . . , xn ) mit xi ∈ Mi , i = 1, 2, . . . , n. Wenn {Mα : α ∈ I} eine
Familie von Mengen ist (indiziert mit den Elementen α einer beliebigen Indexmenge I), dann ist die Produktmenge die Menge aller (xα )α∈I . Ein Element
der Produktmenge ist bestimmt, wenn jedem α ∈ I eine xα ∈ Mα zugeordnet ist. Wenn z.B. die Indexmenge I die Menge N der natürlichen Zahlen ist
und Mα = C für alle α ∈ N, dann ist die Produktmenge die Gesamtheit aller
komplexen Folgen (cn )n∈N .
Q
Das Produkt der Mengen Mα , α ∈ I wird mit dem Symbol
Mα bezeichα∈I
net. Für spezielle Fälle benützt man auch spezielle Symbole. Die oben betrachtete Menge der komplexen Folgen wird z.B. üblicherweise mit CN bezeichnet;
die Menge der komplexen n-Tupel C × C × . . . × C wird üblicherweise mit Cn
bezeichnet.
Q
Die Abbildung πα , welche dem Element x ∈
Mα den Eintrag an der Stelle α
α∈I
zuordnet, nennt man die Projektion auf den α-ten Faktor des Produktraums
Y
πα : (xα )α∈I 7−→ xα ; πα :
Mα −→ M .
α∈I
Beachte : Der Begriff der Projektion wird in anderen Disziplinen anders
verwendet. In der Theorie der Vektorräume ist eine Projektion von V eine idempotente lineare Abbildung, d.h. eine lineare Abbildung
P :V →V
mit P ◦ P = P .
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Mit P ist auch (id − P ) eine Projektion. Die Bildbereiche V1 von P und V2 von
(id − P ) liefern eine direkte Zerlegung“ V = V1 ⊕ V2 . P heißt die Projektion
”
auf V1 entlang von V2 . Entsprechend ist (id − P ) die Projektion auf V2 entlang
von V1 .
Beispiel :
V sei der Vektorraum aller quadratsummablen Fourier-Reihen
f (t) =
+∞
X
cn · eint ,
−∞
X
2
|cn | < ∞ .
fN (t) sei das approximierende Fourier-Polynom vom Grad ≤ N :
fN (t) =
+N
X
cn · eint .
−N
Die Abbildung
PN : f (·) 7−→ fN (·)
ist eine Projektion von V auf den Vektorraum VN der Fourier-Polynome vom
Grad ≤ N . Diese Projektion kann man auch durch Faltung von f (·) mit dem
Dirichletkern DN (·) bewerkstelligen
PN (f ) = f ∗ DN .
Wenn man V mit dem Folgenraum `2 (Z) identifiziert, dann ist PN repräsentiert
durch die Abbildung, die in c = (cn )n∈N alle Einträge cn mit |n| > N durch die
0 ersetzt.
Abzählbarkeit
Eine abstrakte Menge M wird eine abzählbare Menge genannt, wenn es
eine surjektive Abbildung ϕ : N → M gibt. Nach dieser Definition sind auch
die endlichen Mengen abzählbare Mengen. Wenn M eine abzählbar unendliche
Menge ist, dann gibt es auch bijektive Abbildungen ψ : N → M . Mit ψ(i) = xi
schreibt man
M = {x1 , x2 , . . .} .
Die Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Elemente x vom M aufgezählt
werden, ist für die Identifikation der Menge M unwesentlich.
Bemerke : Wenn M = M1 ∪ M2 , wobei M1 und M2 abzählbar sind, dann ist
auch M abzählbar.
Wir werden allgemeiner zeigen: Abzählbare Vereinigungen abzählbarer Mengen sind abzählbar.
Beispiele
1) Z ist abzählbar
Z = {0, +1, −1, +2, −2, +3, −3, . . .}
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2) Q ist abzählbar. Es genügt zu zeigen, dass Q+ abzählbar ist. Zum Beweis
konstruieren wir eine Abzählung aller Paare (m, n) natürlicher Zahlen
(1, 1) −→
.
(2, 1)
↓
%
(3, 1)
.
(4, 1)
(1, 2)
%
(2, 2)
(1, 3) −→ (1, 4) . . .
.
(2, 3)
(2, 4) . . .
.
(3, 2)
(3, 3)
(3, 4)
Mit derselben Idee sehen wir:
Satz :
Seien M1 , M2 , . . . abzählbare Mengen
M1 = {m11 , m12 , m13 , . . .}
M2 = {m21 , m22 , m23 , . . .}
.........
∞
S
Dann ist auch M = Mi abzählbar.
Das einfachste Beispiel einer nichtabzählbaren Menge ist wohl die Menge Ω
aller {0, 1}-Folgen
ω = (ω1 , ω2 , . . .) mit ωi ∈ {0, 1}
G. Cantor hat die Nichtabzählbarkeit mit seinem berühmten Diagonalelement
(in Form eines Widerspruchsbeweises) folgendermaßen
bewiesen: Angenommen, wir hätten eine Aufzählung Ω = ω (1) , ω (2) , ω (3) , . . . . Jedes ω (i)
ist eine Folge
(1)
(1)
(1)
ω (1) =
ω1 , ω 2 , ω 3 , . . .
(2)
(2)
(2)
ω (2) =
ω1 , ω 2 , ω 3 , . . .
...
Wir können dann eine Folge ω ∗ = (ω1∗ , ω2∗ , . . .) konstruieren, welche in der
Aufzählung nicht vorkommt. Wir konstruieren z.B.
(1)
(2)
(3)
ω1∗ = 1 − ω1 , ω2∗ = 1 − ω2 , ω3∗ = 1 − ω3 , . . .
Die Folge ω ∗ unterscheidet sich im n-ten Eintrag von ω (n) . ω ∗ kommt also in
der (hypothetischen) Aufzählung nicht vor. q.e.d.
Corollar
Die Menge der reellen Zahlen im Intervall [0, 1] ist nicht abzählbar.
Beweis
Jedes x ∈ [0, 1] besitzt eine Dualbruchentwicklung
x=
∞
X
n=1
ωn ·
1
mit ωn ∈ {0, 1} .
2n
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Nur für die sog. Dualzahlen 2kN N ∈ N , k ∈ {1, . . . , 2N − 1} ist die Darstellung nicht eindeutig; für sie gibt es zwei Darstellungen, die eine mit nur endlich
vielen Einsen und die andere mit nur endlich vielen Nullen. Die Nichtabzählbarkeit von [0, 1] ergibt sich aus der Nichtabzählbarkeit von Ω.
Bemerke :
Sei M eine abgezählte unendliche Menge
M = {m1 , m2 , . . .} .
Die Teilmengen N kann man mit den {0, 1}-Folgen identifizieren:
1 wenn mn ∈ N
N
ωn =
.
0 wenn mn ∈
/N
Die Potenzmenge P(M ) ist daher überabzählbar.
Hinweis : In der mathematischen Logik untersucht man den Begriff der
Mächtigkeit von Mengen. Zwei Mengen haben genau dann dieselbe Mächtigkeit,
wenn sie bijektiv aufeinander abgebildet werden können. Für endliche Mengen
ist die Mächtigkeit durch die Anzahl der (verschiedenen!) Elemente gegeben.
Alle abzählbar unendlichen Mengen haben dieselbe Mächtigkeit, nämlich die
Mächtigkeit von N. Die Mächtigkeit von R heißt die Mächtigkeit des Kontinuums. Man kann beweisen: Für jede Menge M ist die Mächtigkeit von P(M ) echt
größer als die Mächtigkeit von M .
Es ist viel darüber nachgedacht worden, ob es Mächtigkeiten gibt, die echt größer
als die Mächtigkeit von N und echt kleiner als die Mächtigkeit von R sind ( Kon”
tinuumshypothese“).
Zu solchen und vielen weiteren grundlegenden Fragen des mathematischen Denkens empfehlen wir
R. Courant, H. Robbins: Was ist Mathematik?“, Springer Verlag,
”
5. Auflage 2001.
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Relationen
Zweistellige Relationen, insbesondere Ordnungsrelationen
M sei eine Menge.
Eine Teilmenge R von M × M interpretiert man manchmal als eine zweistellige
Relation über M . Man notiert xRy, wenn (x, y) ∈ R und sagt, dass x und y
in der Relation R stehen. Wenn x und y nicht in der Relation R sehen, notiert
man x6Ry.
Definition
a) Eine zweistellige Relation R über M heißt eine Äquivalenzrelation, wenn
gilt
(i) xRx für alle x ∈ M
( Reflexivität“)
”
(ii) xRy , yRz =⇒ xRz ( Transitivität“)
”
(iii) xRy =⇒ yRx
( Symmetrie“)
”
b) Eine zweistellige Relation R über M heißt eine (partielle) Ordnungsrelation, wenn gilt
(i) xRx für alle x
(ii) xRy , yRz =⇒ xRz
(iii) xRy , yRx =⇒ x = y
( Antisymmetrie“)
”
Beispiele
1) Die übliche Ordnung ≤“ in R (oder in Q) ist eine Ordnungsrelation im Sinne
”
der Definition.
Für diese Ordnung gilt zusätzlich
iv) ∀x, y : xRy oder yRx .
Man spricht von einer totalen Ordnung.
2) Auf N ist die Teilbarkeitsrelation eine partielle Ordnung. Man notiert
a|b , wenn ein m ∈ N existiert, so dass am = b .
3) Die Inklusion ⊆ ist eine partielle Ordnung auf der Potenzmenge P(Ω) (zu
einer beliebigen Grundmenge Ω).
In allen drei Beispielen hat die Ordnung die bemerkenswerte Eigenschaft,
dass es zu jedem Paar ein Maximum und ein Minimum gibt, d.h. eine kleinste
Majorante und eine größte Minorante.
Im Beispiel 2 heißt das Minimum der größte gemeinsame Teiler, das Maximum das kleinste gemeinsame Vielfache. Im Beispiel 3 ist das Minimum die
Schnittmenge, das Maximum die Vereinigungsmenge.
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Definition
(M, ≤) sei eine partiellgeordnete Menge.
Man sagt, c sei das Minimum von a und b und notiert c = min{a, b} oder auch
c = a ∧ b, wenn gilt
(i) c ≤ a, c ≤ b
(ii) ∀d : (d ≤ a, d ≤ b) ⇒ d ≤ c .
Man sagt, e sei das Maximum von a, b und notiert e = max{a, b} oder auch
e = a ∨ b, wenn gilt
(i) a ≤ e, b ≤ e
(ii) ∀d : (a ≤ d, b ≤ d) ⇒ e ≤ d .
Bemerke :
Wenn zu einem Paar a, b das Minimum (bzw. das Maximum) existiert, dann ist
es eindeutig bestimmt. Es können nicht zwei verschiedene Elemente als Minimum (Maximum) qualifizieren.
Größte untere Schranken nennt man auch Infima, kleinste obere Schranken heißen Suprema.
Definition
Eine partiell geordnete Menge (M, ≥) heißt ein Verband (engl. lattice“), wenn
”
zu jedem Paar a, b das Minimum und das Maximum existiert.
Beispiel 4
a) (K, ⊆) sei die Menge aller konvexen Teilmengen des d-dimensionalen
Anschauungsraums, geordnet durch die Inklusion. (K, ⊆) ist ein Verband.
Das Minimum ist der mengentheoretische Durchschnitt; das Maximum ist die
konvexe Hülle der Vereinigungsmenge.
b) (Ka , ⊆) sei die Menge aller abgeschlossenen Teilmengen des d-dimensionalen
Anschauungsraums. (Ka , ⊆) ist ein Verband. Das Maximum zweier Elemente ist
die abgeschlossene konvexe Hülle der Vereinigungsmenge. (Ka , ⊆) ist als geordnete Menge in (K, ⊆) enthalten, nicht aber als Verband. Es gibt abgeschlossene
konvexe Mengen, für welche die konvexe Hülle der Vereinigungsmenge nicht
abgeschlossen ist.
Allgemeine Relationen und Abbildungsgraphen
Ein Teilmenge R von M1 × . . . × Mn interpretiert man manchmal als eine
n-stellige Relation. Beispielsweise interpretiert man die Lösungsmenge der Gleichung x2 + y 2 + z 2 = 1 als die Relation im Raum der Tripel (x, y, z), die darin
besteht, dass sich die Quadrate zu 1 ergänzen. Unter den Begriff der Relation
kann man viele geläufige Begriffe subsumieren. Besonders wichtige Relationen
sind durch Abbildungen gegeben.
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Definition :
ϕ : M → N sei eine Abbildung. Der Abbildungsgraph ist dann die Menge
Γ = (x, y) : ϕ(x) = y ⊆ M × N .
Satz : Die folgenden Bedingungen an eine Teilmenge R von M × N sind
notwendig und hinreichend dafür, dass R der Graph einer Abbildung von M
nach N ist:
(i) ∀x ∈ M ∃y ∈ N : (x, y) ∈ R
(ii) ∀x∀y1 , y2 (x, y1 ) ∈ R ∧ (x, y2 ) ∈ R =⇒ y1 = y2 .
Man schreibt auch, (i) und (ii) zusammenfassend
∀x ∈ M ∃1 y ∈ N : (x, y) ∈ R
und liest; Zu jedem x ∈ M existiert genau ein y ∈ N , welches mit in x in der
Relation R steht.
Didaktische Anmerkung
Im Schuluntericht studiert man reellwertige Funktionen auf Intervallen und
man identifiziert diese Abbildungen gerne mit ihren Graphen. Durch die Wendung zum Abbildungsgraphen, also zur Relation, verliert man leicht den dynamischen Aspekt des Abbildens aus den Augen. Die Identifizierung einer Abbildung
mit ihrem Graphen blockiert in komplizierteren Fällen die Vorstellungskraft. In
der Anfängervorlesung muss daher die Fixierung auf den Graphen aufgebrochen
werden, wenn man als Student der Mathematik weiterkommen will. Wir haben
daran gearbeitet als wir Möbiustransformationen und polynomiale Abbildungen
im Komplexen studiert haben. Die Beziehung zwischen Funktionen (mehrerer
Variabler) und ihren Abbildungsgraphen wird später beim sog. Satz von der
impliziten Funktion weiter thematisiert werden.
Eine Gruppe, so haben wir gelernt, ist eine Menge mit einem ausgezeichneten
Element e, einer Abbildung g 7→ g −1 und einer Verknüpfung (g, h) 7→ g·h, wobei
gilt
g·e = e·g =g
für alle g
(g · h) · k = g · (h · k) für alle g, h, k
g · g −1 = g −1 · g
für alle g .
In der Sprache der Relationen könnte man sagen:
In der Menge G ist eine einstellige, eine zweistellige und eine dreistellige Relation ausgezeichnet und diese Relationen erfüllen gewisse Bedingungen. Mit dieser
Sprechweise vermeidet man die Worte Abbildung“ und Verknüpfung“; man
”
”
spricht nur von Teilmengen von G, bzw. G × G bzw. G × G × G.
In der mathematischen Praxis dient es manchmal der Klarheit, wenn man von
den Assoziationen, die mit gewissen Terminologien verbunden sind, vorübergehend Abstand nimmt und alles in die Sprache der Mengen, der Produktmengen und ihrer Teilmengen übersetzt. An anderen Stellen schätzt man die Assoziationen; und man benützt verschiedene Worte für Dinge, die im Sinne der
Mengenlehre auf dasselbe hinauslaufen: z.B. Funktion, Funktional, Abbildung,
Operator.
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Äquivalenzrelationen, Äquivalenzklassen
Auf der Menge M sei eine Äquivalenzrelation ∼ gegeben.
Zu jedem x ∈ M nennt man die Menge aller zu x äquivalenten Elemente die
Äquivalenzklasse von x
Mx := {y : y ∼ x} .
Die Äquivalenzklassen zu zwei Elementen x1 , x2 sind entweder disjunkt oder
gleich. Das letztere ist genau dann der Fall, wenn x1 ∼ x2 ; in diesem Falle
nennt man x1 und x2 Repräsentanten derselben Äuivalenzklasse.
Sprechweisen
Eine Menge von Teilmengen der Grundmenge Ω heißt eine Partition der
Grundmenge Ω, wenn diese Teilmengen paarweise disjunkt sind.
Es versteht sich von selbst, was es heißt, eine Partition sei feiner als eine
andere Partition. Die Feinheit“ ist eine Ordnungsrelation auf der Menge aller
”
Partitionen von Ω.
P
Wenn {Ai : i ∈ I} eine Partition von Ω ist, dann schreiben wir Ω = P Ai
und sagen, Ω sei die disjunkte Vereinigung
Bj
P der Ai . Die Partition Ω =
ist genau dann feiner als die Partition Ω = Ai , wenn P
jedes Bj in einem der Ai
enthalten ist. Die nichtleeren Ai in einer Partition Ω = Ai heißen die Atome
der Partition. Die Gesamtheit aller Partitionen von Ω ist ein Verband.
Offenbar entsprechen die Partitionen von Ω den Äquivalenzrelationen über
Ω; die Atome der Partition sind die Äquivalenzklassen der entsprechenden Äquivalenzrelation. Die zur Äquivalenzrelation ≈ gehörende Partition ist genau dann
feiner als die zur Äquivalenzrelation ∼ gehörende, wenn sie eine striktere Forderung an die Äquivalenz stellt; d.h. wenn gilt
∀ω1 , ω2
ω1 ≈ ω2 ⇒ ω1 ∼ ω2 .
Man sagt in diesem Falle, dass ≈ eine feinere Äquivalenz ist als ∼, oder dass ∼
gröber ist als ≈. Die ∼-Äquivalenzklassen zerfallen in ≈-Äquivalenzklassen.
Beispiele
1) Zu einer natürlichen Zahl m definiert man auf Z die Äquivalenz modulo m“
”
x ∼ y (mod m) ⇐⇒ (x − y) ist ein Vielfaches m. Wenn m0 |m, dann ist die
0
Äquivalenz modulo m “ gröber als die Äquivalenz modulo m“.
”
”
Als Repräsentanten der Äquivalenzklassen modulo m nimmt man gerne die Zahlen 0, 1, 2, . . . , m − 1. (Die Zahl m ist äquivalent zur 0).
2) Sei ϕ eine beliebige Abbildung Ω → N . Man gewinnt dazu eine Äquivalenzrelation
ω1 ∼ ω2 (mod ϕ) ⇐⇒ ϕ (ω1 ) = ϕ (ω2 ) .
def
Die Atome der dazugehörenden Partition entsprenden den Punkten des Bilds
ϕ(Ω) ⊆ N . Seien ϕ1 : Ω → N1 und ϕ2 : Ω → N2 Abbildungen. Die Partition
zu (ϕ1 , ϕ2 ) : Ω → N1 × N2 ist eine Verfeinerung der Partitionen zu ϕ1 und
zu ϕ2 . Sie ist in der Tat die gröbste gemeinsame Verfeinerung dieser beiden
Partitionen.
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zu Beispiel 1 : Die gröbste gemeinsame Verfeinerung der Äquivalenzen zu
m1 , . . . , mn ist die Äquivalenz modulo dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen
m = kgV {m1 , . . . , mn }. Die feinste gemeinsame Vergröberung ist die Äquivalenz modulo dem ggT {m1 , . . . , mn }
Definition (Verträgliche Relationen)
R sei eine n-stellige Relation über M1 × . . . × Mn , d.h. eine Teilmenge von
M1 × . . . × Mn .
Auf jedem Mi sei eine Äquivalenzrelation ∼ gegeben. Man sagt R sei mit
i
diesen Äquivalenzrelationen verträglich, wenn die Gültigkeit der Relation für
(x1 , . . . , xn ) nicht verändert wird, wenn man von den xi zu äquivalenten yi über
geht.
(x1 , . . . , xn ) ∈ R, ∀i xi ∼ yi =⇒ (y1 , . . . , yn ) ∈ R .
i
Satz : Wenn eine Relation mit vorgegebenen Äquivalenzrelationen verträglich
ist, dann induziert sie eine Relation zwischen den Äquivalenzklassen.
Beispiele
1) Addition und Multiplikation in Z sind mit der Äquivalenz modulo m verträglich.
c ∼ a (mod m)
c + d ∼ a + b (mod m)
=⇒
d ∼ a (mod m)
c · d ∼ a · b (mod m)
2) Wir haben die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen von rationalen CauchyFolgen eingeführt. Die Operationen + und · auf den rationalen Cauchy-Folgen
sind mit der Äquivalenzrelation verträglich. Sie liefern somit der gewünschten
Operationen + und · auf R.
Aussagen, Quantoren. Typische Schlußweisen
Der elementare Kalkül der Aussagen
Die Buchstaben A, B, C, . . . stehen hier für Aussagen. Die Und“–Verbindung
”
heißt Konjunktion, notiert A∧B; die Oder“–Verbindung heißt Disjunktion,
”
notiert A ∨ B. Diese zweistelligen Operationen sind kommutativ und assoziativ;
es gelten die Distributivgesetze
A ∧ (B ∨ C) = (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
A ∨ (B ∧ C) = (A ∨ B) ∧ (A ∨ C)
Weiter hat man die einstellige Operation der Negation. ¬A bezeichnet die
negierte Aussage. Es gilt ¬(¬A) = A.
Es gelten die de Morganschen Regeln
¬(A ∧ B) = (¬A) ∨ (¬B),
¬(A ∨ B) = (¬A) ∧ (¬B).
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Es gibt zwei ausgezeichnete Aussagen e
1 und e
0 ; es gilt für alle A
A ∨ (¬A) = e
1,
A∧e
1 = A,
A ∧ (¬A) = e
0
A∨e
0 = A.
Man definiert die Verbindung Wenn A, dann B“ folgendermaßen
”
A y B := ¬A ∨ B ( Subjunktion“)
”
(Wir vermeiden den bei Logikern üblichen geraden Pfeil →, um den Gleichklang
mit Abbildungs– und Konvergenzpfeil zu vermeiden.)
Die Operationen sind offensichtlich analog zu den Operationen der Mengenalgebra. Die Rechenregeln heißen die Rechenregeln in einer Boole’schen
Algebra.
Allquantor und Existenzquantor
(Ai V
: i ∈ I) sei Familie von Aussagen, I beliebige Indexmenge,
Ai wird gelesen Für alle i Ai“, meistens notiert ∀ i ∈ I : Ai
”
i∈I
W
Ai wird gelesen Es existiert i ∈ I, so daß Ai“, ∃ i ∈ I : Ai .
”
i∈I
Wenn I 0 ⊆ I, dann gewinnen wir weitere Aussagen
^
Ai = ∀ i ∈ I 0 : Ai = ∀ i : (i ∈ I 0 ) y Ai
i∈I 0
_
Ai
=
∃ i ∈ I : Ai
=
∃ i : (i ∈ I 0 ) ∧ Ai
i∈I 0
Die de Morgan’schen Regeln lauten hier
¬(∀ i ∈ I 0 : Ai )
¬(∃ i ∈ I 0 : Ai )
=
=
∃ i ∈ I 0 : (¬Ai )
∀ i ∈ I 0 : (¬Ai )
=
=
∃ i : (i ∈ I 0 ) ∧ (¬Ai )
∀ i : (i ∈ I 0 ) y (¬Ai )
Aus doppelt indizierten Familien (Cij : (i, j) ∈ I × J) gewinnt man einfach
indizierte durch Binden einer freien Variablen“, wie z.B.
”
Bj := ∀ i : Cij oder Ai = ∃ j : Cij
Beachte: ∀ j ∀ i : Cij = ∀ i ∀ j : Cij = ∀ (i, j) : Cij
Ebenso kann man Existenzquantoren zusammenfassen.
Beachte aber: ∀ i ∃ j : Cij ist im allg. verschieden von ∃ j ∀ i : Cij .
Zu jedem i existiert ein j . . .“ ist etwas anderes als Es existiert ein j, so
”
”
daß für alle i . . .“.
Anwendung auf klassische Schlußweisen der Analysis“
”
Die Menge R der reellen Zahlen ist nicht nur vollständig im Sinne von oben ( Al”
le Cauchy–Folgen konvergieren“), sie ist auch vollständig als geordnete Menge.
Vollständigkeitsprinzip :
Zu jeder nichtleeren nach oben beschränkten
Menge reeller Zahlen gibt es in R eine kleinste obere Schranke. Sie wird das
Supremum der Zahlenmenge genannt
sup A = sup{a : a ∈ A}.
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Konvention : Der leeren Menge ordnet man das Supremum −∞ zu, den
nach oben unbeschränkten Mengen das Supremum +∞ . Für jedes A ⊆ R
ist dann sup A ein wohldefiniertes Element der erweiterten Zahlengerade R =
R ∪ {−∞, +∞}.
Beachte : R kann man nicht als Teilmenge von C = C ∪ {∞} auffassen. −∞
ist das kleinste, +∞ ist das größte Elemente von (R, ≤).
Satz :
Sei A ⊆ R und e
a ∈ R. Es gilt dann
a) sup A > e
a ⇐⇒ ∃ a ∈ A : a > e
a
b) sup A ≥ e
a ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃ a ∈ A : a > e
a−ε
Wenn man von einer Zahl b nachweisen will, daß sie ≤ 0 ist, dann genügt es
nachzuweisen, daß sie b ≤ ε ist für jedes ε > 0 ( klassische Schlußweise der
”
Analysis“).
Definition :
Für jede Folge reeller Zahlen (an )n definiert man
lim sup an = lim & sup{am : m ≥ n}.
n
n→∞
Satz :
lim sup an ≥ e
a ⇐⇒ ∀ ε > 0 ∀ N ∃ n ≥ N : an > e
a−ε
Spiegelbildlich zum Limessuperior definiert man den Limesinferior einer Zahlenfolge (an )n .
Satz :
Es gilt stets
lim inf an ≤ lim sup(an ).
Genau dann, wenn Gleichheit gilt, ist (an )n eine konvergente“ Folge (mit
”
Grenzwert ∈ R).
Zur Metasprache; Beweisen
Mathematiker beweisen immerfort Behauptungen von der Gestalt A =⇒ B“,
”
gelesen: A impliziert B“. Gezeigt wird: Immer wenn A wahr ist, dann ist auch
”
B wahr ( direkter Beweis“). Manchmal zeigt man lieber: Immer wenn ¬B wahr
”
ist, dann ist auch ¬A wahr ( indirekter Beweis“).
”
Beim Widerspruchsbeweis“ (für die Behauptung A =⇒ B) zieht man so
”
lange Schlüsse aus der (falschen!) Prämisse, daß A und ¬B wahr sind, bis man
bei einer offensichtlich falschen Aussage angelangt ist. Widerspruch!
Beispiel :
Es gibt keine rationale Zahl, deren Quadrat = 2 ist“.
”
Als eine Implikation geschrieben, lautet die Behauptung :
r rational ⇒ r2 6= 2“.
”
Beweis : Angenommen r2 = 2 und r = m
n . (O.B.d.A. nehmen wir m und n
als teilerfremd an.) Es gilt 2n2 = m2 , also ist m gerade (nach dem Satz von der
Eindeutigkeit der Primfaktorenzerlegung) m = 2`, 4`2 = 2n2 , n2 = 2`2 . Also n
gerade. — Widerspruch zur angenommenen Teilerfremdheit von m und n.
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Hinweis : Die Mathematiker in ihrer Umgangssprache unterscheiden nicht
konsequent zwischen Sprache und Metasprache. Sie benützen die logischen Zeichen oft nur wie umgangssprachliche Kürzel. So kommt es z.B. häufig vor, daß
der Implikationspfeil an Stellen auftaucht, wo der Subjunktionspfeil eher passen würde. Die Mathematiker vertrauen darauf, daß der Leser aus dem Zusammenhang entnimmt, ob die Behauptung A y B ist immer wahr“, d.h.
”
A =⇒ B“gemeint ist oder ob nur einfach die Aussage A y B = ¬A ∨ B
”
gemeint ist.
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