Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren (siehe Mannheimer Längsschnittstudie, Laucht et al.) Angesprochen sind werdende Eltern/Mütter/Väter sowie Alleinerziehende und Eltern mit Neugeborenen und Kleinkindern bis zum vollendeteten dritten Lebensjahr, die Hilfe und Unterstützung bei einem guten Start ins Leben benötigen, aber bisher keinen Zugang zu möglichen Hilfen gefunden haben. Deren Lebenssituationen sind gekennzeichnet durch vielfältige Belastungen, wie z.B.: Gesellschaftlich: Armut Belastender Migrationshintergrund Stigmatisierungsängste Fehlende soziale Kontakte/ Isolation Geringe/fehlende Bildung Soziale Benachteiligung Familiär: Alleinerziehende Eltern Minderjährige und junge Eltern Eigene Gewalterfahrung Broken-Home-Syndrom Mangelnde Kenntnis über den altersgerechten Umgang mit Kindern Chronische Krankheit oder Behinderung der Eltern Suchtprobleme Psychische Belastung bzw. Erkrankung Partnerschaftsprobleme Unerwartete Schwangerschaft/Wahrnehmung des Kindes als Problem Bindungsauffälligkeiten/Hinweise zu Bindungsstörungen Probleme in der Alltagsbewältigung (Schulden, Haushaltsorganisation, belastete Wohnsituation usw.) Kindbezogen: Behinderung/chronische Erkrankung des Kindes Viele Geschwisterkinder, Mehrlingsgeburten Stiefkind Niedriges Geburtsgewicht Neben der Verminderung von Risikofaktoren, ist es wichtig, sich auf die Stärkung von Schutzfaktoren, so genannten Resilienzen, zu konzentrieren. Diese Schutzfaktoren können Kinder in schwierigen Lebenslagen stärken und schützen und sind daher wichtige „Verbündete“ jeder prophylaktischen Hilfe. Die schützenden Faktoren finden sich in den personalen Ressourcen des Kindes, innerhalb der Familie und im außerfamiliären sozialen Umfeld. Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 1 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Schutzfaktoren des Kindes Kinder kann man für den Umgang mit Belastungen stärken, durch die Förderung von - Problemlösefertigkeiten - Eigenaktivität und persönlicher Verantwortungsübernahme - Selbstwirksamkeit/positives Selbstkonzept - Stärkung des Selbstwertgefühls - Sozialen Kompetenzen, verbunden mit der Stärkung von sozialen Beziehungen - Effektiven Stressbewältigungsstrategien wie z.B. die Fähigkeit, Unterstützung zu mobilisieren - Entspannungsfähigkeiten - Positive Temperamentseigenschaften - Talente, Interessen, Hobbys Schutzfaktoren innerhalb der Familie - eine stabil-emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson - Förderung eines positiven Erziehungsstils und Erziehungsklimas und somit die Erziehungskompetenz der Eltern fördern - familiäre Stabilität und familiärer Zusammenhalt - ein religiöser Glaube in der Familie - geringes Konfliktpotenzial innerhalb der Familie - ein soziales Eingebundensein der Familie in informelle und formelle Netzwerke darüber hinaus - hohes Bildungsniveau - hoher sozioökonomischer Status Schutzfaktoren im sozialen Umfeld Schutzfaktoren im sozialen Umfeld finden sich häufig in Personen außerhalb der Familie wie Lehrer, Erzieher, Nachbarn, Freunde etc. Ebenso wichtig sind der Zugang zu professionellen Hilfsangeboten, niedrigschwellige Unterstützungsmaßnahmen und gemeindenahe Angebote. Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 2 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Fragebogen/Checkliste zur Risikobestimmung In Anlehnung an die Ausarbeitungen des Deutschen Jugendinstitutes Die Familie wurde vermittelt von:______________________________________________ __________________________________________________am:_____________________ 1. Belastungen in der Schwangerschaft: ja A B C D E F G H I J K nein k.A. nein k.A. Ist die Mutter ungewollt schwanger? Ist die Schwangerschaft als überwiegend belastend empfunden worden? Ist die Mutter unter 18 Jahre? Ist die Mutter zwischen 19 und 25 Jahren? Sind die Vorsorgeuntersuchungen überwiegend wahrgenommen worden? Ist eine Behinderung oder Krankheit des Kindes festgestellt? Gibt es ein behindertes Kind/behinderte Kinder in der Familie? Gibt es ein chronisch krankes Kind/chronisch kranke Kinder in der Familie? Gibt es ein frühgeborenes Kind/frühgeborene Kinder? Gab es Tot- oder Fehlgeburten? Ist ein Kind/sind Kinder zuvor am plötzlichen Kindstod verstorben? 2. Belastungen der Familie: ja A B C D E F G H I J K L M Klagt die Familie über finanzielle Probleme? Wohnt die Familie in beengten Verhältnissen? Hat die Familie Schwierigkeiten aufgrund ihres Migrationshintergrundes (z.B.: Sprachschwierigkeiten)? Haben die Eltern einen geringen Bildungsstand? Sind die Eltern arbeitslos? Fehlt der Familie soziale Unterstützung? Klagt die Familie über Einsamkeit? Haben die Eltern Paarprobleme? Ist die Mutter/der Vater alleinerziehend? Hat die Familie viele Kinder? Gibt es vernachlässigte/fremd untergebrachte Geschwisterkinder? Sind die Eltern sehr jung? Hat die Familie Angst vor Stigmatisierung (z.B. durch das Jugendamt)? Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 3 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren 3. Belastungen des Kindes: ja A B C D E F G H I J K L M N O P Q nein k.A. nein k.A. War das Kind eine Frühgeburt? Hatte das Kind ein niedriges Geburtsgewicht? Hat das Kind Probleme bei der Nahrungsaufnahme? Ist das Kind sehr unruhig? Schreit das Kind viel? War das Kind erwünscht? Hat das Kind eine Behinderung? Ist das Kind ein Stiefkind? Hat das Kind eine hohe Infektanfälligkeit? Zeigt das Kind Schlafstörungen? (Einschlaf- Durchschlafstörung) Zeigt das Kind eingeschränktes, bzw. auffälliges Spielverhalten? Ist das Kind offensichtlich untergewichtig? Ist das Kind offensichtlich übergewichtig? Wirkt das Kind traurig und apathisch? Zeigt das Kind aggressives Verhalten? Zeigt das Kind autoaggressives Verhalten? Hat das Kind einen häufigen Ungezieferbefall? 4. Belastungen der Eltern: ja A B C D E F G H I J K L M Haben die Eltern/hat ein Elternteil eigene Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen? Haben die Eltern häufige Beziehungsabbrüche / eine erhebliche Bindungsstörung? Zeigen die Eltern Unwissen über die Entwicklung von Kindern? Ist der Vater/die Mutter allein erziehend? Zeigen die Eltern unangemessenes Erziehungsverhalten? Sind die Eltern nicht oder wenig in der Lage, sich in die Bedürfnisse des Kindes einzufühlen? Zeigen oder äußern die Eltern ausgeprägte Gefühle der Belastung, Hilflosigkeit und Überforderung? Zeigen die Eltern/ ein sehr impulsives Verhalten? Zeigen die Eltern eine geringe Planungsfähigkeit (z.B. Haushaltsorganisation, Schulden)? Sind die Eltern/ist ein Elternteil depressiv? Haben die Eltern/hat ein Elternteil eine niedrige Intelligenz? Haben die Eltern/hat ein Elternteil eine Sucht-/psychiatrische Erkrankung? Haben die Eltern/hat ein Elternteil eine chronische Erkrankung oder Behinderung? Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 4 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren 5. Ressourcen der Familie/Eltern: ja A B C D E F G H nein k.A. nein k.A. Existiert mindestens eine emotional unterstützende Beziehung (Partnerbeziehung, therapeutische Beziehung u.a.) Zeigen die Eltern/ein Elternteil positives Erziehungsverhalten? Zeigen die Eltern eine Bereitschaft und/oder die Fähigkeit zur Veränderung? Zeigt sich im Zusammenhalt der Familie Stabilität und/oder konstruktive Kommunikation? Existiert ein unterstützendes soziales Netzwerk? Findet die Familie Halt in ihrer Religiosität? Hat die Familie ein hohes Bildungsniveau? Hat die Familie einen hohen sozioökonomischen Status? 6. Ressourcen des Kindes: ja A B Zeigt das Kind ein sicheres Bindungsverhalten? Hat das Kind positive Temperamentseigenschaften, die Unterstützung und Aufmerksamkeit bei den Betreuungspersonen hervorrufen (flexibel, aktiv)? C Zeigt das Kind Problemlösefähigkeiten/aktives und flexibles Bewältigungsverhalten? Zeigt das Kind Selbstwirksamkeitsüberzeugung (Wissen, dass jemand kommt, wenn ich Hilfe brauche)? Zeigt das Kind Talente/Interessen? Zeigt das Kind die Fähigkeit zu entspannen? Hat das Kind soziale Kompetenzen (Sprache, Lächeln, adäquate Kontaktaufnahme) D E F G Die Familie wurde weitervermittelt an:_________________________________________ _____________________________________________________ am: ________________ Hilfe endet, weil ___________________________________________________________ _____________________________________________________ am:_________________ Hilfe wurde abgelehnt, weil ______________________________________________ _____________________________________________________am:__________________ Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 5 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Dokumentation der Besuchskontakte der Familienpatin/-begleiterin Name der Familienpatin/-begleiterin: ___________________________________ Name der Familie: ___________________________________ Datum: ____________________ Beschreibung des Kontakts persönlich telefonisch __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ ___________ Kontakt zur Koordinatorin aufgenommen: ja, am_______________ nein Datum: ____________________ Beschreibung des Kontakts persönlich telefonisch __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ ___________ Kontakt zur Koordinatorin aufgenommen: ja, am_______________ nein Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 6 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Definition und Beschreibung von Merkmalen altersgemäßer Entwicklung für Kinder von 0-3 Jahren (aus: „Die ungestörte Entwicklung des Säuglings“, Barbara Zukunft-Huber und „Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik Erstes Lebensjahr“, Theodor Hellbrügge, Fritz Lajosi, Dora Menara, Reglindis Schamberger, Thomas Rautenstrauch) Mit der Geburt eines Kindes beginnt ein neues, in der Regel selbständiges Leben, das besonders in den ersten zwölf Monaten ganz auf die Unterstützung kontinuierlicher Bezugspersonen angewiesen ist. Die Entwicklung des Kindes ist in hohem Maße abhängig von der Feinfühligkeit der Eltern, deren Fähigkeit, die Bedürfnisse und Signale ihres Kindes frühzeitig und richtig einzuschätzen und angemessen und zeitnah auf sie zu reagieren. Diese Fähigkeit wirkt sich positiv sowohl auf das Bindungs- wie auf das Explorationsverhalten des Kindes aus und hat damit eine wichtige, grundlegende Funktion in der emotionalen und auch allgemein altersgemäßen Entwicklung von kleinen Kindern. Dabei gilt es zu beachten, dass zwischen körperlicher, geistiger und sozial-emotionaler Entwicklung enge Wechselwirkungen bestehen, die bis zum dritten Lebensjahr und darüber hinaus durch kontinuierliche, der altersentsprechenden Entwicklung des Kindes angemessenen Anregungen im Umfeld erweitert werden müssen. Im Folgenden wird versucht eine grobe Darstellung der normalen altersgemäßen Entwicklung für die Kinder von 0-3 Jahren zu geben. Die Darstellung gibt nur einen allgemeinen Überblick. Die „Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik“, von Dr.Dr.h.c.Theodor Hellbrügge und das Buch „die ungestörte Entwicklung des Säuglings“ von Barbara Zukunft-Huber bilden die Grundlage für die Ausführungen. Die normale statomotorische Entwicklung Jede Entwicklung verläuft gesetzmäßig und stetig! In den ersten zwölf Monaten beginnt das Kind seinen Kopf in unterschiedlichen Lagen zu bewegen und zu halten. Sein Körper entwickelt sich stufenweise von Bauch-, Rücken- und Seitenlage in eine aufrechte Position, in der es dann häufig erst robbt, dann krabbelt und ca. mit Beginn des zweiten Lebensjahres erst mit Hilfe und dann selbständig läuft. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr versucht das Kind durch Klettern, Überwinden von Hindernissen, Anpassen an verschiedene Untergründe, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Ausprobieren und Anpassen an verschiedene Gegebenheiten, seine Fortbewegung zu stabilisieren und zu optimieren. Hier ist es wichtig, Kindern in ihrem natürlichen Umfeld die Möglichkeit zum „Ausprobieren“ zu ermöglichen, indem ihm Materialien und Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, die seine Phantasie und seine natürliche Neugier anregen und unterstützen. Die Bezugspersonen sollten „Begleiter“ sein, die dem Kind erst die Möglichkeit zur Selbsterfahrung lassen. Unterstützende Anregungen brauchen alle Kinder, hier sind das Maß und der Zeitpunkt immer ein Balanceakt. Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 7 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Die normale sensomotorische Entwicklung Auch hier unterliegt die Entwicklung wieder Gesetzmäßigkeiten und einer Abfolge. In den ersten zwölf Monaten entwickeln sich verschiedene Reflexe, die ein Leben lang erhalten bleiben oder vorhandene angeborene Reflexe, die verschwinden. Es entwickelt sich die Handgeschicklichkeit einhergehend mit der Wahrnehmung, also dem Erkennen von Zusammenhängen. Auch dieser Entwicklungsprozess muss durch Anregungen und Möglichkeiten des Ausprobierens lediglich begleitet werden. Wichtig ist immer, den Bezugspersonen verständlich zu machen, dass das kontinuierliche und immer wiederkehrende Spiel dazu beiträgt, dass sich sowohl die Feinmotorik, als auch die kognitiven Fähigkeiten des Kindes weiterentwickeln. Im ersten Lebensjahr entwickelt sich aus einer überwiegend geschlossenen Fausthaltung ein Öffnen der Hände, das beidseitige Greifen und Loslassen bis hin zum Pinzetten- und Zangengriff. Bis zum vollendeten 3. Lebensjahr versucht das Kind Punkte, Striche dann Kreise zu malen. Das Auf- und Zuschrauben gelingt ihm, es fädelt etwas auf, versucht sich mit der Schere, baut Türme usw. und erfährt dies alles mit Mund und Händen. In den ersten zwölf Monaten der Wahrnehmungsentwicklung reagiert das Kind erst auf Licht und Geräuschquellen. Es lernt Gegenstände zu verfolgen, sein Gesichtsfeld erweitert sich, es greift in etwas hinein und zieht Gegenstände an einer Schnur zu sich heran und bemüht sich durch Lageveränderung entferntere Gegenstände zu erreichen. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr kann es Dinge ineinander stecken, versteckte Dinge wieder finden, erste geometrische Formen sortieren und Farben zusortieren. Auch hier ist es im ständigen Prozess des Entdeckens und Ausprobierens und benötigt dazu ein anregendes Umfeld und feste Bezugspersonen, die es begleitend unterstützen. Die normale Sprachentwicklung Bei der Sprachentwicklung unterscheidet man zwischen der aktiven Sprache und dem Sprachverständnis. In den ersten zwölf Monaten äußert sich das Kind durch Schreien, dann bilden sich erste Lautäußerungen, die sich immer mehr differenzieren, es „gurrt“, es „juchzt“, es „lallt“ und bildet dann erste Silben. Es ahmt gerne Laute nach, spricht sein erstes sinnvolles Wort bis hin zu ca. zehn Wörtern in Kindersprache. Das Sprachverständnis beginnt mit Mienen- und Gestenverständnis, dann sucht es auf Befragen ihm bekannte Personen und Gegenstände, reagiert auf seinen Namen und Aufforderungen wie z.B. „winke, winke“, versteht Verbote und kann kleinen Aufforderungen, z.B. „bring mir den Ball“ nachkommen. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr kann es unterschiedliche Gegenstände und Tätigkeiten benennen und spricht zunehmend komplexere Sätze in der Kindersprache. Es spricht von sich in der Ich-Form, kennt erste Eigenschafts-, Zahl- und Fürwörter und gebraucht die Frageform „warum?“. Das Sprachverständnis erweitert sich; das Kind versteht zwei hintereinander folgende Aufforderungen, ebenso erste Eigenschaftswörter und Verhältniswörter. Es kann auf erste Fragen richtig antworten, erste Körperteile auf Befragen zeigen und weiß, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 8 von 9 Zielgruppe und Bestimmung der Risikofaktoren Die normale Sozialentwicklung In der Entwicklung des Sozialalters ist die Bindung zwischen Kind und festen Bezugsperson besonders hervorzuheben. Ohne diese Bindung und körperliche Beziehung kann sich keine „normale“ Sozialentwicklung aufbauen. Gerade in den ersten zwölf Monaten baut das Kind im Körperkontakt mit seiner/seinen Bezugsperson/-en eine soziale Struktur auf. Es lässt sich durch Streicheln, Stillen, Aufnehmen und Ansprechen beruhigen. Es reagiert freudig auch auf fremde Personen, die sich mit ihm beschäftigen und mag das Versteckspiel, erst hinter einem Tuch und später auch hinter Möbeln. Das Kind beginnt ungefähr im sechsten Monat, unbekannte und bekannte Personen zu unterscheiden und ca. ab dem neunten Monat „fremdelt“ es. Es versteht jetzt Lob und fühlt sich damit zur Wiederholung seiner Aktivitäten aufgefordert. Es beginnt, auf Verbote zu reagieren und kann auch selbst Aufforderungen durch Protest ablehnen. Es liebkost Stofftiere oder Puppen und beginnt ein Spiel mit Erwachsenen. Das Kind hilft beim Aufräumen, ahmt Tätigkeiten aus dem häuslichen Umfeld nach und mit ungefähr fünfzehn Monaten kann es schon kleine Aufträge im Haushalt ausführen. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr versucht es traurige Personen zu trösten, versorgt Puppen oder Stofftiere spontan, spielt gerne mit Gleichaltrigen Fangen, kann Gefühle sprachlich und Wünsche in der Ich-Form ausdrücken und sich an die Spielregel: „Einmal ich, einmal Du“ halten. Die normale Selbständigkeitsentwicklung In der Entwicklung des Selbständigkeitsalters ist es schwieriger, genauere Altersangaben vorzugeben, da es hier nicht so starre Gesetzmäßigkeiten wie z.B. in der statomotorischen Entwicklung gibt. Natürlich spielt der Einfluss der Erziehung eine große Rolle und Kinder, deren Bezugspersonen bewusst auf die Selbständigkeit hinwirken, sind meist ihrem Entwicklungsalter voraus. In den ersten sechs Lebensmonaten spricht Hellbrügge nicht von einer Selbständigkeitsentwicklung. Dann beginnt das Kind z.B. sich die Mütze vom Kopf zu ziehen und kleinere essbare Stücke alleine aufzunehmen. Es versucht beim Ankleiden durch eigene Bewegungen mitzuhelfen und das eigenständige Trinken und Essen beginnt, bis es ungefähr gegen Ende des dritten Lebensjahres das Essen mit dem Löffel beherrscht, überwiegend ohne zu kleckern. Das Trinken aus der Tasse gelingt schon seit Ende des zweiten Lebensjahres. Beim An- und Ausziehen fängt es in der Mitte des zweiten Lebensjahres an , seine geöffnete Jacke auszuziehen, dann seine Schuhe oder sein Unterhemd anzuziehen, es öffnet große Knöpfe selbst und bis Ende des dritten, Anfang des vierten Lebensjahres kann es sich komplett unter Anleitung alleine anziehen. In der Mitte des zweiten Lebensjahres beginnt die Sauberkeitserziehung, indem das Kind Interesse an den Ausscheidungen der Erwachsenen zeigt. Es bleibt erst manchmal tagsüber trocken, später während des Mittagsschlafs und gegen Ende des dritten, Anfangs des vierten Lebensjahres ist es in der Regel erst tagsüber, dann auch nachts trocken. Natürlich ist auch gerade in der Sauberkeitserziehung eine große Spanne in der Entwicklung möglich, die die Bezugspersonen häufig verunsichert. Der Kinderarzt sollte immer als erster Ansprechpartner genutzt werden, natürlich auch in Fragen zu allen anderen Entwicklungsbereichen. Erstellt von: B. Nierhoff-Kunze, E. Macherey-Müller, A. Winter Arbeitspaket 1 Stand: 05.08.2009 Seite 9 von 9