Und wie machen wir es? Methoden für

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Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft
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Und wie machen wir es? Methoden für BürgerInnenbeteiligung
„Es ist eine demokratische und inhaltliche Selbstverständlichkeit, dass die Menschen das
Haus, in dem sie leben wollen, selbst planen und gestalten können.“
Bertolt Brecht
Seit den 70ger Jahren entwickelte sich eine Fülle von Methoden, mit dem Ziel, Partizipation und
Beteiligung fair zu organisieren. Sie werden seit Jahren erprobt und vielen ist gemeinsam, dass
BürgerInnenbeteiligung1 nicht als formaler Akt, sondern als kommunikativer Prozess verstanden wird.
Diese Moderationsmethoden gelangen isoliert oder als Mix in einem Beteiligungsverfahren zum Einsatz –
je nach Intention, Länge und Komplexität des Beteiligungsprozesses.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden in
• Methoden, die eher für langandauernde Beteiligungsprozesse geeignet sind bzw. als
kontinuierliches Bürgerbeteiligungsverfahren eine grundsätzliche Klimaveränderung in der
Kommune/dem Gemeinwesen zum Ziel haben.
• Methoden, die isoliert für kurze oder punktuelle Verfahren verwendet werden oder als
Einzelwerkzeug (auch kombiniert) für Teile von langdauernden Verfahren.
Bei der Auswahl der Methode ist auch zu überlegen, in welchem Grad die Öffentlichkeit beteiligt werden
soll. Dies geht von der Information über die Konsultation zur Mitbestimmung.
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• Literaturauswahl
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Wegweiser Bürgergesellschaft; Modelle und Methoden der Bürgerbeteiligung, wegweiser-bürgergesellschaft.de
www.partiziapation.at
Praxis Bürgerbeteiligung, Methodenhandbuch, hrsg. von Astrid Ley und Ludwig Weitz, Stiftung Mitarbeit, 2003
Helmut Klages u.a.: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie, mitarbeiten.skript, Stiftung Mitarbeit
Zur Bonsen, Matthias, Maleh, Carole: Appreciative Inquiry. Der Weg zu Spitzenleistungen, Beltz-Verlag 2001
Harrison Owen: Open Space Technology-Ein Leitfaden für die Praxis, Schäffer-Poeschel 2011
Matthias zur Bonsen u.a.:Real Time Strategic Change. Schneller Wandel mit großen Gruppen, Klett-Cotta 2008
Marvin Weisbord, Sandra Janoff: Future Search. Die Zukunftskonferenz, Klett-Cotta 2008
Juanita Brown, David Isaacs: Das World Café, Carl-Auer 2007
Methodensammlung für Trainerinnen und Trainer, managerSeminare GmbH 2005
Systemische Intervention, Architekturen und Designs für Berater und Veränderungsmanager, hrsg. Von Roswita
Königswieser und Alexander Exner, Klett-Cotta 2009
Peter M. Senge: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation, Klett-Cotta 2008
1
Bei der oft gebrauchten Bezeichnung Bürgerbeteiligung fühlen sich Frauen nicht in gleicher Weise angesprochen, daher sollte
nach Möglichkeit die Formulierung BürgerInnenbeteiligung verwendet werden. Der Terminus Öffentlichkeitsbeteiligung ist
zwar etwas sperrig, auch wird er in Deutschland kaum verwendet, würde aber Menschen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft,
also alle BewohnerInnen inkludieren.
1
Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft
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Nachfolgend sei eine Reihe von bekannten Methoden (viele sind ähnlich oder überschneiden sich) der
Partizipation angeführt, eine Auswahl davon wird näher beschrieben, diese sind in der Tabelle unterlegt.
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Agenda-Konferenz
AI –Appreciative Inquiry
Aktivierende Befragung
Anwaltsplanung
Arbeitsbuchmethode
Bürgerausstellung
Bürgerforum
BürgerInnenpanel
BürgerInnenrat
BürgerInnenversammlung
Community Organizing
Delphi-Befragung
Demokratiewerkstatt
Dialog
Diskurs
Walt-Disney-Methode
Dynamic Facilitation
e-Democracy
Ephesus-Modell
Fishbowl
Focusgruppe
Gemeinsinnwerkstatt
Gemeinwesenarbeit
Kompetenzwerkstatt
Agenda-Konferenz
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Konsensus-Konferenz
Kooperativer Diskurs
Marktplatzmethode
Mediation
Moderationsmethode
Neo-Sokratischer Dialog
Open-Space-Technology
Perspektivenwerkstatt
Planning for real
Planspiel/Handlungsspiel
Planungswerkstatt
Planungszelle
PRA –Participatory Rapid Appraisal
RTSC – Real Time Strategic Change
Runder Tisch
Soziokratie
Stadtteilforum
SUP am runden Tisch
Systemisches Konsensieren
Szenariotechnik
Workshop
World Café
Zukunftskonferenz
Zukunftswerkstatt
1 Tag bis 1 Woche, bis sehr große Gruppen2
Der aktuelle Stand eines bestimmten Sachverhalts wird resümiert.
Bewertung – was ist zu verbessern? Was kommt auf uns zu?
Ziele für die Zukunft werden entwickelt. Wo wollen wir hin?
Ein Beteiligungsprozess wird angestoßen – Entwicklung von Maßnahmen und Projekten.
AI Appreciative Inquiry
2 bis 3 Tage, bis sehr große Gruppen
Die Teilnehmenden tauschen in Zweier-Gesprächen die wertvollsten Erlebnisse aus, die sie mit ihrer
Stadt/ihrer Umgebung verbinden und fragen, wie dies möglich war und was sie draus lernen können. Dann
entwerfen sie eine Vision. Schließlich erarbeiten sie, wie die wertvollen Dinge die Tat umgesetzt und in
der Realität verstärkt werden können.
2
Kleine Gruppe = bis 15 Personen, mittlere Gruppe = 15 bis 40 Personen, große Gruppe = 40 bis 80 Personen, sehr große
Gruppe = mehrere Hundert bis über 1000 Personen.
2
Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft
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Bürgerforum
einige Tage, mittlere Gruppen
Die TeilnehmerInnen werden nach dem Zufallsprinzip gezogen, drei Schritte:
• Erkennen: Teilnehmende lernen Problemlage durch Vorträge, Besichtigungen usw. kennen.
• In kleinen Gruppen Reflexion der Erkenntnisse, Fragen an Experten, eigene Rückschlüsse . . .
• Handlungsempfehlung an die Politik
Dann werden nach der Metaplanmethode3 Diskussionsbeiträge auf Kärtchen geschrieben und auf
Pinnwänden befestigt.
BürgerInnenpanel4
einige Jahre, bis sehr große Gruppen
BürgerInnenpanels stellen einen übergreifenden, allgemein zugänglichen und breitere Bevölkerungsteile
einbeziehenden Ansatz zur BürgerInnenbeteiligung dar. Sie tragen zu einer Bewusstseinsentwicklung und
–veränderung bei den BürgerInnen bei, in deren Verlauf nicht nur öffentliche Themen für die Menschen
eine zunehmende Relevanz erhalten, sondern auch deren Bereitschaft zur Partizipation an weiteren
Beteiligungsangeboten angehoben wird.
1. Lokale Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung werden für ein BürgerInnenpanel gewonnen.
Umfragethemen (lokale) werden jeweils durch Kommune oder Bürgerschaft vorgeschlagen.
Repräsentativität wird angestrebt.
2. Befragungen einer repräsentativen Gruppe von 500 bis 1000 Bürgerinnen und Bürgern, drei viermal jährlich über drei bis vier Jahre (Internet, Telefon usw.).
3. Ergebnisse werden zeitnah der Bürgerschaft bekanntgegeben und es wird mitgeteilt, was umgesetzt
werden kann, was aus welchen Gründen nicht.
BürgerInnenrat / Rat der Weisen / Wisdom Council
ein- bis eineinhalbtägig, kleine Gruppe
Eine Gruppe von 12 bis 15 zufällig ausgewählten Personen einer Gemeinde / einer Organisation arbeitet
gemeinsam an Empfehlungen, Verbesserungs- oder Lösungsvorschlägen für eine Thematik (moderiert
nach der Methode Dynamic Facilitation). Die Ergebnisse werden öffentlich präsentiert und z.B. in einem
World-Café diskutiert - neue Erkenntnisse werden ermöglicht, das Bewusstsein der Gemeinschaft
entwickelt sich weiter.
Bürgerversammlung
eintägig, oft mehrmals in Serie, bis sehr große Gruppen
Die Gemeindeordnungen der Länder sehen als Mittel bürgerschaftlicher Beteiligung die
Einwohnerversammlung / Bürgerversammlung vor.
Community Organizing
mehrere Jahre, unbegrenzte Personenanzahl
Beziehungskultur von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Interessen wird aufgebaut. In
Einzelgesprächen wird herausgefunden, was die Menschen in einem Stadtteil, einer Kirchengemeinde usw.
ärgert, was sie interessiert, was sie sich wünschen. Änderungswürdiges benannt und Lösungen werden
erarbeitet. Ist auf langfristige und kontinuierliche Veränderungen ausgerichtet.
3
Metaplanmethode/Pinnwandmoderation – Kann als Werkzeug in den verschiedensten Moderationsmethoden eingesetzt
werden. Mit Visualisierungsmitteln (meist Kärtchen auf Pinnwände) werden die Gedanken jedes Teilnehmenden rasch sichtbar
gemacht. Dann wird geordnet und ev. bewertet.
4
Beitrag von Carmen Doramus, Helmut Klages, Kai Masser in:Praxis Bürgerbeteiligung, S. 90 ff
Helmut Klages, Ralph Keppler, Kai Masser: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie, Stiftung Mitarbeit.
Mitarbeiten. Skript 04
3
Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft
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Dynamic facilitation
2 Stunden bis ein Tag, kleine bis mittlere Gruppen
Besonders geeignet, wenn Problemdefinition, mögliche Lösungen und Bedenken gegen diese Lösungen
bereits Emotionen hervorrufen. Alle Probleme, Lösungsvorschläge, Bedenken werden visualisiert, es
entsteht eine gewisse Leere, die Raum gibt für Neues – ein gemeinsamer, kreativer Durchbruch wird
erlangt.
E-Demokratie
mehrere Monate, unbegrenzte Personenanzahl
Ermöglicht auch ungeübten Nutzern, wesentliche Informationen aus der Gesamtmenge herauszufiltern. z.B. Online-Foren; Beiträge für verschiedene Zielgruppen werden aufbereitet. Möglichkeit wird
geschaffen, Anregungen und Bedenken bekanntzugeben.
Focusgruppe
1,5 bis 2 Stunden, kleine Gruppen
Motivation für ein bestimmtes Verhalten wird erkundet, ev. als Vorstufe zu einem größeren Prozess.
Moderierte Diskussion.
Konsensuskonferenz
mehrere Wochen, bis sehr große Gruppen
Für bestimmtes, viele Menschen betreffendes Thema werden Freiwillige so ausgewählt, dass sie ein
Spiegelbild der Gesellschaft ergeben. Keine Vertreter von Interessengruppen! Referate von
Sachverständigen, Auswertung der Informationen durch die Teilnehmenden, Zusatzfragen an die
Sachverständigen, dann Erarbeiten eines Schlussdokuments, das veröffentlicht wird.
Marktplatzmethode
2 bis 2 ½ Stunden, bis sehr große Gruppen
Verschiedene Partner der gesellschaftlichen Bereiche (Unternehmen, Gemeinnützige, Bürgerinitiativen
usw.) stellen sich und ihre Vorhaben dar und lernen einander besser kennen. Sie bauen Vertrauen auf und
bereiten gegenseitige Unterstützung vor.
Mediation
1 Tag bis einige Wochen, kleine bis große Gruppen
Freiwilliges Verfahren der Konfliktlösung, in dem die streitenden Parteien mit Hilfe eines unparteiischen
Dritten, des Mediators, Lösungen entwickeln, die sie akzeptieren können.
Open Space
1 bis 3 Tage, kleine bis sehr große Gruppen
Freiwillige, die sich für ein Thema interessieren, arbeiten eigenverantwortlich in selbstorganisierten
Gruppen an neuen Konzepten, Ideen und Zielen für Veränderungen, die sie beschäftigen, die sie als
Probleme empfinden, für die Lösungen gesucht werden müssen.
Perspektivenwerkstatt
2 bis 3 Tage, große bis sehr große Gruppen
Es gibt schon eine Reihe von Planungs- und Entwicklungskonzepten zu einem Projekt der
Stadtentwicklung - die Interessen der Eigentümer, Nachbarn, Investoren sollen in eine Lösung integriert
werden. Zunächst entsteht eine Vision für die Zukunft des Gebiets, bei der neue Möglichkeiten sichtbar
werden und aus der Fachleute und Betroffene ein realistisches Gesamtkonzept erarbeiten.
Planungszelle
einige Tage bis mehrere Wochen, mittlere Gruppen
Im Zufallsverfahren ausgewählte BürgerInnen erarbeiten an mehreren Tagen Lösungsvorschläge für ein
bestimmtes Planungsproblem. Die Ergebnisse liegen als sog. Bürgergutachten vor.
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Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft. Gemeinschaft statt Gesellschaft
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RTSC (Real Time Strategic Change = Veränderung in Echtzeit)
2-3 Tage, bis sehr große Gruppen
Die Teilnehmenden - Querschnitt aus allen Interessengruppen – analysieren, erörtern und verstehen ein
vorgegebenes Konzept, schlagen Veränderungen vor und planen nächste Maßnahmen.
Runder Tisch
1 Tag bis mehrere Monate, mittlere bis große Gruppen
Teilnehmende, die aus verschiedenen Institutionen kommen und verschiedene Positionen zu einem Thema
vertreten, erarbeiten gemeinsame Lösungen. Vorher ist zu klären, wie Entscheidungsträger aus Politik und
Verwaltung mit den Ergebnissen des Runden Tisches umgehen wollen.
Szenariotechnik
1 bis 2 Tage, kleine bis sehr große Gruppen
Alternative Vorstellungen über positive und negative Entwicklungen werden modellhaft dargestellt. „Was
wäre, wenn . . . „ Szenarien können erwünschte und unerwünschte Entwicklungen modellieren und damit
frühzeitiges Eingreifen ermöglichen.
World Café
2 Stunden bis 1 Tag, mittlere bis sehr große Gruppen
In wechselnden Kleingruppen denken Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher
Hierarchieebenen über ein (komplexes) Thema nach, ihre Meinung wird sichtbar, Entscheidungen werden
vorbereitet, ein Veränderungsprozess kann begonnen werden.
Zukunftskonferenz
2 bis 3 Tage, bis große Gruppen
Eine Organisation oder eine Gemeinde plant eine Neuorientierung, an der möglichst alle Interessengruppen
mitwirken sollen; Teilnehmende sollen repräsentativ für die Betroffenen sein. Sie bearbeiten die folgenden
Fragen und schlagen am Ende Maßnahmen vor.
Wo kommen wir her? Welche Entwicklungen kommen auf uns zu?
Worauf sind wir stolz? Was bedauern wir?
Was wollen wir erreichen? Worin stimmen wir überein?
Zukunftswerkstatt
1 bis 3 Tage, kleine bis mittlere Gruppen
Mit verschiedenen Methoden und Arbeitsformen (Einzelarbeit, Kleingruppen usw.) werden die Gedanken
und Wünsche der Teilnehmenden sichtbar gemacht, zu Themenschwerpunkten zusammengefasst, nach
Wichtigkeit sortiert und in einem weiteren Schritt zu konkreten Projektideen weiterentwickelt.
Schlussbemerkung
Fast immer sind Gruppen klüger als Einzelne - Anhand einer Vielzahl von Experimenten und
Untersuchungen belegt Surowiecki5 in seinem Buch „Die Weisheit der Vielen“, dass Entscheidungen von
herausragenden Einzelnen, also von Experten oder charismatischen Führern, in der Regel in ihrer Qualität
erheblich schlechter sind als die einer gut informierten heterogenen Gruppe. Meist erweist sich demnach
eine zufällig zusammengesetzte Gruppe der Kompetenz eines einzelnen Experten überlegen.
© Eva Wienker-Salomon
Hermann-Löns-Weg 22, 69118 Heidelberg, Tel: 0049 6221 804255, Mobil: 0049 172 4361243
e-mail: [email protected], web: evasalomon.com
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James Surowiecki: Die Weisheit der Vielen. Warum Gruppen klüger sind als Einzelne. Goldmann-Verlag 2007
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