Offener Brief an den Bischof von Chur: Msgr. Dr. Vitus Huonder Hof 19 7000 Chur Zürich, 2. März 2011 Stellungnahme der kath. Spitalseelsorgerinnen und Spitalseelsorger im Kanton Zürich Sehr geehrter Herr Bischof Huonder Wir kath. Spitalseelsorgerinnen und Spitalseelsorger (Priester, Diakone und Laien) im Kanton Zürich distanzieren uns dezidiert von den Äusserungen und Positionen des Churer Generalvikars Dr. Martin Grichting. Generalvikar Grichting vertritt die Ansicht, dass die staatskirchenrechtlichen Körperschaften die Religionsfreiheit verletzten und beabsichtigt, die Kirchensteuer abzuschaffen. Seine Positionen hat er leider an die Öffentlichkeit getragen, ohne zuvor den Dialog mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern gesucht zu haben, was uns sehr irritiert. Aus diesem Grund sehen auch wir uns dazu veranlasst, öffentlich Stellung zu beziehen. Die Kirchensteuer finanziert u.a. die pastorale Arbeit in den öffentlichen Spitälern und Kliniken, die vor allem den Patientinnen und Patienten, deren Angehörigen und dem Spital- und Klinikpersonal, die von uns seelsorglich begleitet werden, zu Gute kommt. Die Kirchensteuer ist daher auch im Kontext der Spitalseelsorge eine grosse und wertvolle Errungenschaft. Wenn durch die Abschaffung derselben die finanzielle Absicherung der Spital- und Klinikseelsorge (dies beträfe die Spezialseelsorge insgesamt!) nicht mehr gewährleistet wäre, hätte dies auch verheerende Konsequenzen auf die pastorale Arbeit in den Spitälern und Kliniken. Die Akkreditierung zahlreicher Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Spitälern und Kliniken wäre nicht mehr gewährleistet und unsere Kirche könnte ihren diakonischen Auftrag an kranken und sterbenden Menschen nicht mehr ausreichend gerecht werden. Für viele Gläubige ist der Besuch von Spitalseelsorgenden oftmals der einzige Besuch von Seelsorgepersonen - teils seit Jahrzehnten - den sie erfahren. Ferner würde die Kirche ihre ethischen Anliegen nicht mehr in die Welt der Spitäler und Kliniken einbringen können. „Die Sorge um Kranke ist eine wesentliche Aufgabe der Kirche. Dazu sind wir aufgrund des Lebens und Wirkens Jesu Christi aufgerufen.“ (Vgl. 2 Konzept für die Katholische Seelsorge in Spitälern, Kliniken und Pflegezentren im Kanton Zürich, Vorwort von Weihbischof Paul Vollmar, Zürich 2005, S. 7.) Die Spital- und Klinikseelsorge ist in ihrem Selbstverständnis eine christlich-soziale Praxis und trägt wesentlich mit dazu bei, die Kirche in unserer Gesellschaft lebendig zu halten bzw. lebendig zu machen. Unsere Meinung, dass die pastorale Arbeit von uns Spitalseelsorgerinnen und Spitalseelsorgern ein geschätzter und wertvoller Dienst am Menschen ist, wird auch durch eine im letzten Jahr durchgeführte Untersuchung begründet. In diesem Zusammenhang weisen wir mit Nachdruck auf die Evaluation des Konzepts der katholischen Spital- und Klinikseelsorge im Kanton Zürich von 2009/10 hin. Im Folgenden einige Ergebnisse in Zahlen, die für sich sprechen: Die katholischen Spital- und Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger alleine im Kanton Zürich, mit 20,05 Vollstellen, nebst vielen anderen Seelsorgetätigkeiten, führen pro Jahr ca. 55'000 Gespräche, ca. 2'500 Sakramente werden ausserhalb der Gottesdienste gespendet und zudem wird im Schnitt einmal täglich (respektive: nächtlich!) ein Piketteinsatz geleistet. Die detaillierten Untersuchungsergebnisse lassen wir Ihnen zu Ihrer Kenntnisnahme mit dem folgenden Link zukommen: http://www.zh.kath.ch/beratung/organisation/synode/sitzungen/2010/17-synodensitzung-vom-2-dezember-2010/evaluation-des-konzepts-der-katholischen-spital-undklinikseelsorge-im-kanton-zuerich-inhaltliche-ueberlegungen-und-finanzielleauswirkungen/ Wir Spitalseelsorgerinnen und Spitalseelsorger (Priester, Diakone und Laien) verstehen unsere Arbeit im Sinne der Pastoralpläne der Katholischen Kirche im Kanton Zürich als Dienst am Menschen, als Menschendienst im Sinne der biblisch begründeten und gebotenen Nächstenliebe. Dieser Dienst am Menschen (Diakonia) ist neben der Martyria und der Leiturgia ein wesentlicher Grundvollzug von Kirche. Wir sind der Meinung, dass dieser Grundvollzug durch die Ideen Martin Grichtings gefährdet ist und somit die Glaubwürdigkeit der Kirche mit ihrer Dienstbereitschaft und Offenheit zu solidarischdiakonischem Handeln Schaden nimmt. Durch die Besuchsdienste und seelsorgliche Betreuung von Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Pflegepersonal wird Kirche als eine „Geh-Hin-Kirche“ und in der Person der Seelsorgenden als menschlich mitfühlendes „Ich bin da“ praktiziert und erlebt. Die Spital- und Klinikseelsorge im Kanton Zürich leistet einen enormen Beitrag, wie die Untersuchungsergebnisse der Evaluation zeigen. Wir Spitalseelsorgerinnen und Spitalseelsorger sind davon überzeugt, dass Kirche nicht Selbstzweck ist, sondern vor allem für die Menschen da sein sollte! Ein ganzheitlicher christlicher Glaube erweist sich in der Liebe zu Gott und den Menschen. Das ist unser geistlich-spirituelles Proprium als katholische, hauptamtlich engagierte Christinnen und Christen in der Spital- und Klinikseelsorge im Kanton Zürich. Wir unterstützen die Stellungnahme unseres Generalvikars Dr. Josef Annen zu den Äusserungen von Generalvikar Martin Grichting im Sonntagsblick (vom 21.2.2011): http://www.zh.kath.ch/publikationen/pressemitteilungen/stellungnahme-desgeneralvikars-von-zuerich-zu-den-aeusserungen-von-generalvikar-martin-grichting-imsonntagsblick-21-2-2011 3 Wir möchten Sie daher bitten, dass Sie sich von den für viele Menschen unangemessenen und gering schätzenden Positionen und Äusserungen Ihres Generalvikars Dr. Martin Grichting im Hinblick auf die aus unserer Sicht völlig unangebrachte Forderung, die Kirchensteuer abzuschaffen, distanzieren. Mit freundlichen Grüssen Die Spital- und Klinikseelsorgerinnen und –seelsorger der Konvente Zürich-Albis und Winterthur-Zürich Unter- und Zürich Oberland: Urs Länzlinger, Dienststellenleiter Madeleine Amstutz, Spitalseelsorgerin Stadtspital Triemli Theres Arn, Spitalseelsorgerin Kinderspital Daniel Burger-Müller, Spitalseelsorger Spital Affoltern a.A. Christiane Burrichter, Spitalseelsorgerin Spital Limmattal Rolf Decrauzat, Spitalseelsorger Uniklinik Balgrist Tatjana Disteli, Leiterin Spitalseelsorge Stadtspital Triemli Stefan Eicher, Klinikseelsorger Schulthess Klinik Nadja Eigenmann-Winter, Spitalseelsorgerin See-Spital Horgen Marlène Inauen, Spitalseelsorgerin Universitätsspital Zürich Audrey Kaelin, Spitalseelsorgerin Klinik Hirslanden Jeanine Kosch, Spitalseelsorgerin Universitätsspital Zürich Axel Landwehr, Leiter Spital- und Klinikseelsorge See-Spital Horgen und Kilchberg, Sanatorium Kilchberg und Spital Affoltern a.A. Lisa Palm, Spitalseelsorgerin Spital Zollikerberg Martin Paulus, Klinikseelsorger Integrierte Psychiatrie Winterthur - Zürcher Unterland Clemens Plewnia, Spitalseelsorger Spital Männedorf und Klinik Hohenegg Rolf Maria Reichle, Spitalseelsorger Psychiatriezentrum Rheinau Anni Rickenbacher, Spitalseelsorgerin Spital Uster und Klinik Schlössli Thomas Rohner, Spitalseelsorger Höhenklinik Wald und Universitätsspital Zürich Verena Schlauri-Kormann, Spitalseelsorgerin Klinik im Park Rut Schumacher, Spitalseelsorgerin Universitätsspital Zürich Oliver Stens, Spitalseelsorger GZO Winterthur und Klinik Bethanien Andrea Thali, Spitalseelsorgerin Spital Bülach Ernesto Vigne, Spitalseelsorger Psychiatrische Universitätsklinik Christoph Wettstein, Spitalseelsorger Stadtspital Triemli Pater Ursmar J. Wunderlin, Kantonsspital Winterthur und Klinik Lindberg Markus Zweifel, Leiter Spitalseelsorge Universitätsspital Zürich