Christus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der

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Matthäus 7, 24ff
Christus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der
gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein
Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen
an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und
wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten
Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die
Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel
es ein und sein Fall war groß.
Gespräch über Jesu Gleichnis
A Was hast du denn da ausgegraben, lieber Joachim? Stammen diese
Worte wirklich von Jesus?
B Ob du`s glaubst, oder nicht, lieber Martin, das hat Jesus so gesagt!
A Aber findest du nicht auch, dass das gar nicht nach Jesus klingt. Das
hört sich so kompromisslos an, so radikal! Denk doch mal: Der eine der
Loser, der andere der Vorbildliche – hier sein Haus, das natürlich genau
richtig ist, und dort das Haus des anderen, der alles falsch gemacht haben soll und dafür die göttliche Quittung bekommt. Entschuldige,
Joachim, aber das klingt für mich eher nach einem Fundamentalisten als
nach Jesus. Viel zu viel Schwarz-Weiß-Malerei bekomme ich da aufgetischt!
B Nun beruhig dich mal wieder, Martin. Mir scheint, du hast das vielleicht etwas in den falschen Hals bekommen! Ich geb` dir allerdings
recht: Die Worte Jesu sind ziemlich unzweideutig. Aber was willst du
auch groß rumdeuteln, wenn klar gesagt wird, dass das eine Haus einstürzt und das andere stehen bleibt.
A Eben, das ist ja mein Problem! Ist das wirklich Jesus, den ich da reden höre? Und was noch schwerer wiegt: Dieses sogenannte „Gleichnis
vom Hausbau“ steht nicht irgendwo im Neuen Testament, sondern steht
am Schluss der Bergpredigt. Dieses radikale Gleichnis beansprucht quasi
auch noch, die ganze, sonst so wunderbare Bergpredigt in ein solch
zweifelhaftes Licht zu rücken zu dürfen; schließlich beginnt Jesus mit den
Worten: „Wer diese meine Rede hört und sie tut, der gleicht…“ dem klugen Bauherrn, und wer sie nicht, dem andern, der Schiffbruch erleidet.
Da hast Du`s doch nochmal schriftlich und unzweideutig: Richtig hier,
falsch dort! Fromm hier ungläubig dort! So ist doch das Leben nicht, oder! Da muss ich mich doch wohl aufregen dürfen.
B Aber nun mal ganz sachlich und nüchtern, Martin: Eigentlich gibt`s
doch gar nichts aufzuregen. Schau doch mal an, was Jesus sagt: Einer
baut auf Sand, der andere auf Fels; und als nun Wetterkapriolen kommen – Sturm, Wasserfluten und das ganze Unwetterprogram – und den
beiden Gemäuern mal auf den Zahn fühlen, fällt das eine Haus ein, das
andere hält stand.
A Ja, aber ich bitt dich, Joachim: Wer baut schon auf Sand ein Haus?
Also, das klingt doch derart unrealistisch und weit hergeholt.
B Das ist es doch, was Jesus als Reaktion bei allen seinen Hörern hervorrufen will – die klare Antwort: Niemand baut ein Haus auf Sand! So
blöd ist doch keiner! Jeder, der auch nur für 2 Cent Verstand hat, weiß,
dass der Sand kein guter Bauplatz ist.
A Warum redet Jesus dann davon?
B Vielleicht, weil`s trotzdem so oft passiert!?
A Was passiert?
B Na, dass ein Mensch sein Leben „auf Sand baut“ – vielleicht müsste
man konkret sagen: Dass er in seinem Leben auf Dinge setzt, die nicht
wirklich tragen können, dass er sich auf Dinge verlässt und in sie viel
Kraft, Lebenszeit und vielleicht auch Geld reininvestiert, die sich in irgendeiner bestimmten Lebenssituation dann plötzlich als untauglich erweisen. Und oftmals sind solche besonderen Situationen irgendwelche
Lebenskrisen, Ereignisse jedenfalls, die Menschen in Not und manchmal
an den Rand bringen – körperlich oder seelisch oder auch beides. Ich
glaube, jeder Mensch macht irgendwann solche Erfahrungen.
A Ach, du glaubst, Jesu Gleichnis redet überhaupt nicht quasi drohend
und Menschen einteilen wollend, sondern sogar seelsorgerlich, einladend, besorgt um die Menschen, dass sie ihre Kräfte und Lebenshoffnungen bloß nicht vergeuden sollen und dann tief enttäuscht werden?
B Genau! Jesus weiß nur zu gut, dass die Stürme und Wasserfluten von
außen nicht ausbleiben. Darum lädt er doch die ganzen Kapitel der Bergpredigt lang dazu ein, dass wir genau hinschauen und prüfen, wie ein
lebenstaugliches Fundament aussehen und woraus es bestehen könnte?
A Du könntest recht haben, und das fällt mir erst jetzt so richtig auf: In
der Berg predigt unterscheidet Jesus ständig zwischen dem, was Gottes
Sache ist und was wir als Menschen tun können und dann auch sollen.
Immer dort, wo das nicht klar unterschieden und manchmal sogar verwechselt wird, kommen Menschen irgendwie zu Schaden, ihre Beziehungen, ihre Gemeinschaft nehmen Schaden; und dann auch ihre Gemeinschaft mit Gott. Aber das ist ganz schön anspruchsvoll, immer zu prüfen,
was taugt und was nicht, was Sand ist und was Fels!
B Schon, aber Jesus möchte, dass unser Leben gelingt… auch wenn unser Lebenshaus schon ein oder auch mehrmals in irgendwelchen Sanden
versunken und eingefallen war.
A Meinst Du tatsächlich, so weit geht Jesu Gleichnis hier? Auch für Leute mit Sanderfahrungen und schon eingefallenem Haus gibt es eine neue
Chance, Fels zu suchen und dort zu bauen. Vielleicht ist das sogar eine
lebenslange Aufgabe, immer neu Sand und Fels voneinander unterscheiden lernen?
Szene „Petrus“ (von Joachim Pierro)
Von keinem anderen außer Jesus ist in den Evangelien so häufig die Rede wie von Simon Petrus. An ihm spielt sich so Vieles so beispielhaft ab,
dass wir mit ihm sozusagen die Höhen und Tiefen eines Lebens im Glauben, eines Lebens in der Nachfolge Jesus erleben. Am Anfang, als er Jesus begegnet und dieser ihn ruft, ahnt Simon, dass er einem ganz Besonderen gegenübersteht und im Blick auf das eigene Leben wehrt er:
Geh weg, Herr, ich bin ein sündiger Mensch. Doch je mehr und je länger
er dann bei Jesus ist, ihn kennen- und lieben lernt, desto mehr wird er
Feuer und Flamme für ihn und seine Botschaft: Herr es ist gut, dass wir
hier sind, spricht er zu ihm, als er Jesus erleuchtet sieht, ich will drei
Hütten bauen, also ich lege gleich los, ich gebe alles für Dich. Und von
Jesus selbst bekommt Simon, der Sohn des Johannes, die Auszeichnung:
Du bist Petrus, der Fels! Und was macht dieser gerade so als Fels Ausgewiesene? Als Jesus kurz darauf sein Leiden ankündigt, kommt Petrus
richtig in Fahrt: Nie und nimmer darf das geschehen. – Und muss sich
auch gleich von Jesus in die Schranken weisen lassen: Satan, weiche von
mir. So bezeichnet er ihn jetzt – also als jenen, der gegen die Menschen,
der gegen das Leben agiert. Das war so etwas wie ein erster unerwarteter Fall – aber noch ist nichts passiert. Bei der nächsten Leidensankündigung, meint Simon, es besonders gut machen zu müssen; voller Überzeugung und ganz bestimmt mit dem Herz am rechten Fleck, verkündet
er: Und müsste ich sterben mit dir – ich werde dich nie verleugnen. Es
hat nicht lange gehalten, dieses Versprechen; es dauert nur ganz kurze
Zeit, da brechen alle guten Worte, alle erstgemeinten Vorsätze und
Überzeugungen über ihm zusammen und es zieht ihm den Boden unter
den Füßen weg: Dreimal krähte der Hahn, und Petrus geht weg und
weint bitterlich, als er Jesus verraten hatte. Und es niederging der Wolkenbruch, und kamen die Ströme und schnaubten die Winde und schlugen jenes Haus an – und es fiel. Soll Petrus denn ein Mann gewesen
sein, der sein Haus auf Sand gebaut hatte? War er denn nicht einer, der
alles um Jesu Willen verlassen hatte, der auf ihn sein Leben gesetzt hatte? Das scheint nicht zusammenzupassen: Petrus, der Fels, und Haus auf
Sand. Der Sand unter seinem Lebenshaus war etwas anderes: Es war
von Anfang an der viel zu hohe Anspruch an sich selbst.
Gleich als Jesus ihn rief, meinte er, der Simon, er genüge Jesus nicht, er
wäre seiner nicht würdig. Das mochte ein sehr demütiger und sehr sympathischer Wesenszug gewesen sein, aber er offenbarte eine viel zu hohe Erwartung an sich selbst. Und von Jesus als Fels ausgezeichnet und
ausgewiesen müssen sich die Ansprüche in ihm weiter gesteigert haben.
Bis dahin, dass er es wohl als seine Aufgabe ansah, von sich alles zu fordern – selbst dort, wo Jesus von ihm gar nichts forderte als allein der zu
sein, der er war: Simon – Simon Petrus. Dass er daher selber mit sich
gnädig sei, um auch mit den anderen gnädig sein zu können. Darin wäre
er der Simon gewesen; darin, denn auch Petrus, der Fels, als den ihn
Jesus ausgesucht hatte. Das wäre der Anspruch Gottes an Petrus, darauf
hätte er bauen dürfen. Dem Anspruch, den Petrus selber an sich (und an
die anderen) erhob, konnte er nicht gerecht werden, an ihm konnte er
nur zu Fall kommen, wenn die Ströme schnauben und der Wolkenbruch
niedergeht.
Eine der tröstlichsten Ostererfahrungen vollzieht sich dann später an Petrus selbst: Als der Auferstandene ihm am See Genezareth begegnet,
fragt er Petrus dreimal: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Und
Petrus bejaht es – dreimal! Und er erkennt und bekennt beim dritten
Mal: Herr, du weißt alles, du weißt doch, dass ich dich liebe. Und jetzt ist
er Simon Petrus geworden, jetzt hat sein Lebenshaus Fels unter dem
Boden bekommen, jetzt kann er – ohne ungnädig mit sich selbst zu sein
müssen und sich zu überfordern – seinen Weg gehen mit und für Jesus.
Seinem Lebenshaus haben die Ströme und Winde des Lebens nun nichts
anhaben können. Am Ende sogar nicht einmal der Tod – Petrus vermag
es sogar, Jesus in den Tod am Kreuz zu folgen: Nicht als Held, sondern
als Simon, dem Sohn des Johannes, jenem Petrus, der Jesus liebt.
Szene „Bonhoeffer“ / von Martin Kaschler
Dietrich Bonhoeffer – Der Spielfilm „Die letzte Stufe“ erzählt die letzten
Jahre seines Lebens in der Zeit des Nationalsozialismus. Die letzte Szene
wird dem Film seinen Namen geben: Bonhoeffer hat seine Kleider abgelegt und erklimmt nackt die letzte Stufe seines Lebensweges – die Stufe
zum Galgen. Auf ausdrücklichen und persönlichen Befehl Hitlers wird er
am 9. April 1945 kurz vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands noch hingerichtet. Hitler möchte an im offenbar ein Exempel statuiert sehen. Warum? Die Szene des Spielfilms, die uns in einigen zusammengeschnittenen Bildern jetzt vor Augen steht, gibt eben darüber Auskunft. Seit 5.
April 1943 sitzt Bonhoeffer im Gefängnis. Er wird verdächtigt, Mitverschwörer zweier Attentatsversuche zu sein, die im März 1943 auf Hitler
erfolgt waren. Trotz intensiver Verhöre und Untersuchungen gelingt es
aber nicht, Beweise dafür zu erbringen. Erst im Zusammenhang des
Stauffenberg-Attentats im Juli 1944 und den anschließenden intensiven
Ermittlungen taucht eine Akte auf, die Bonhoeffers Unterstützung der
Attentatsversuche unzweifelhaft belegt. Bonhoeffers Schicksal ist besiegelt. Doch nun tut sich ihm unerwartet die Möglichkeit auf, aus der Haft
zu entfliehen. Er lehnt ab, weil er die übliche Sippenhaftmethode der Nazis kennt und um seine Familie fürchtet. Wenige Tage vor seiner geplanten Hinrichtung scheint sich das Blatt aber doch noch einmal zu wenden.
Und eben diesen Augenblick fängt der Spielfilm mit diesen Bildern ein.
Diese Szene ist für mich die stärkste des ganzen Films. Ohne zu ahnen,
was dort auf ihn zukommen würde, wird Bonhoeffer aus seiner Zelle geholt und in eine Halle geführt, die die Herrschaftsideologie des Nationalsozialismus auch ohne Worte zum Ausdruck bringt. Bonhoeffer steht verloren inmitten eines Nazi-Tempels. Kein anderer Ort könnte die götzenhafte Dimension der Hitler-Religion besser zum Ausdruck bringen.
Schneidigen Schrittes kommt sein Verfolger und Verkläger auf ihn zu,
Gestapo-Mann und Militärrichter Manfred Roeder. Ungewohnt und unerwartet spricht er Bonhoeffer in einer Art Flüsterton an. Offenbar soll
niemand hören, was gesprochen wird. „Herr Dr. Bonhoeffer, ich komme
im Auftrag von Reichsführer-SS Heinrich Himmler; er bittet sie, mit den
Alliierten zu sprechen und einen Waffenstillstand auszuhandeln. Auf sie
werden sie hören!“ Bonhoeffer ist zunächst sprachlos. Dann antwortet
er: „Ich verstehe Sie nicht, Sie wollen, dass ich mit den Alliierten verhandle!“ „Ja!“ „Für wen soll ich verhandeln, für Sie und die Nazis?“ fragt
Bonhoeffer nach. Röder erhebt sein Haupt, spitzt seinen Mund und antwortet schneidig: „Für Deutschland!“ Dann hält er einen Augenblick inne,
kontrolliert Bonhoeffers Gesichtszüge und schiebt die Worte nach: „Bedenken Sie doch, Herr Dr. Bonhoeffer, Sie wollen doch leben und ihre
reizende Verlobte wiedersehen. Denken sie auch an ihre Familie, Sie
könnten sie retten.“ Einen Augenblick zögert Bonhoeffer, dann antwortet
er mit fester Stimme: „Meine Antwort lautet: Nein!“ Bonhoeffer lehnt ab,
widersteht diesem verführerischen Angebot. Er lehnt ab, in die Dienste
dessen zu treten, der sich mit dem Heils-Gruß anreden lässt und damit
unzweifelhaft dokumentiert, wer er zu sein beansprucht: Der Messias.
Doch dieser Platz ist in Bonhoeffers Leben und Seele längt besetzt –
durch den einen und einzig Messias Gottes: Jesus Christus. Der Stuhl in
seiner Wesensmitte ist besetzt, ist nicht mehr zu vergeben, gleicht einem
Fels, der steht und trägt und auch nicht bröckelt und fällt, als ein anderer sich darauf setzen möchte. Hitler hat das mit seinem Instinkt des
skrupellosen Machtmenschen gespürt: Hier ist einer, der meinem innersten Anspruch widersteht und zu widerstehen vermag. Er lehnt meinen
Anspruch auf Messianität ab, weil er sein Leben längst auf den Fels des
jüdischen Messias gebaut hat. Welch eine Herausforderung. Kein Wunder, dass er an diesem Glaubenszeugen besondere Rache nehmen muss.
Bonhoeffer vermag zu widerstehen… nicht aus eigenen Kräften, sondern
getragen vom Fels Jesus Christus, der ihn zum Zeugen erwählt hat, zum
Licht, das auch in den schweren Wettern nicht verlöschte.
Mein Lebenshaus gebaut auf… / von Martin Kaschler
Ob unser Lebenshaus auf Fels gebaut ist – Ihres und meines? Ich frage
ja nur! Man wird doch wohl noch fragen dürfen! Wer sich von meinen
fragenden Worten jetzt verführen lässt, in sein Inneres zu schauen, sein
Leben und was zu ihm gehört zu betrachten, zu wägen und zu messen,
ist meines Erachtens allerdings im Begriff, eine Dummheit zu begehen.
Natürlich: Menschen müssen ihr Leben betrachten, müssen wählen und
unterscheiden lernen, was gut ist oder zumindest gut zu sein scheint und
was nicht, was dem Leben dient und was dagegen Leben und Gemeinschaft schädigen und zerstören kann, was in der Nachfolge Jesu Zusage
und Verheißung hat und was nicht. Das steht für mich außer Frage. Der
Versuch aber, das eigene Leben im Sinne von Besitz und Haben zu wägen und dann festzustellen, ob ich auf Fels oder Sand gebaut bin, ist
deshalb eine Dummheit, weil daraus nur ein Mensch erwachsen kann,
den Martin Luther den homo incurvatus in se ipsum bezeichnet hat, den
in sich selbst verkrümmten Menschen. Der in sich selbst verkrümmte
Mensch existiert als lebende Kurve mit gekrümmtem, ja gerundetem Rücken, weil sein Gesicht und seine Augen stets auf die Befindlichkeit seines Innern und Bauchgefühls schauen müssen. Wo stehe ich vor Gott
und mit Gott? Bin ich im Lebensplus oder im Lebensminus, gerettet oder
verloren, gesegnet oder gestraft, auf Fels gebaut oder auf Sand? So
fragt und so lebt der in sich selbst verkrümmte Mensch. Er meint nicht
selten glauben zu dürfen, dass sein als Fels-Dasein vor Gott ermittelter
Lebenszustand eine Art von Besitz ist, den er sich durch Anstrengung
und eine entsprechende Lebensgestaltung quasi erworben hat. Vielleicht
würde Petrus sich in dieser Beschreibung ein wenig wiedererkennen… bis
zu jenem Augenblick, den dieses Bild zeigt. Er scheitert an seiner Selbstverkrümmung, an seiner Selbstbetrachtung und Selbsteinschätzung, die
ihn verführt hat, bis dahin viel zu hohe Maßstäbe an sich anzulegen,
Maßstäbe, die dem Menschen und dem, wie ihn sein Schöpfer gemacht
hat, nicht entsprechen. Sie führen ihn zu Versprechungen, großspurigen
Aussagen und übermütigen Schwüren, die er niemals wird halten können
und an denen er wird scheitern müssen. Es sind die Wetterkapriolen dieser Nacht der Gefangenenahme Jesu, die seine Sandexistenz so
schmerzhaft zutage bringen.
Dietrich Bonhoeffer scheint gnädiger mit sich selbst umgegangen zu
sein, als der große Apostel es zunächst gewagt hat. Denn wie es um sein
Herz wirklich stand, bezeugt Bonhoeffer in seinem Gedicht „Wer bin
ich?“, das er in der Haft verfasst hat. Wer bin ich, fragt er vor Gott: Der
stets Souveräne, den viele vermuten und von außen erkennen zu können
glauben, gelassen im Leiden, beherrscht und glaubensstark, überlegen
und stolz, oder ein ganz anderer: Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein
Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem als würgte mir einer die Kehle,
hungernd, dürstend, zitternd und ohnmächtig bangend? Welch eine
Dramatik liegt in diesen Seelenworten Bonhoeffers. Aber dann ist es, als
ob plötzlich eine große und segnende Glocke zu läuten begänne und den
Abendfrieden einläuten wollte. Bonhoeffer fährt fort: Wer bin ich? Der
oder jener? Gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in
Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg? Wer bin ich? Einsames
Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin
ich, o Gott!
Im Augenblick und Eingeständnis scheinbar größter
Schwachheit zeigt sich der gefangene Bonhoeffer auf dem einen Fels
stehend, der nicht wankt: Auf Christus. Im bekennt der Gefangene: Wer
ich auch bin und was auch kommen mag, Dein bin ich, Christus. Ob mein
Leben und Wirken schließlich in den Augen von Menschen die Vorzeichen
Gelingen oder Scheitern tragen werden, lasse ich getrost außen vor und
stehe gerade dabei auf dem Christusfels: Denn nichts vermag mich mehr
zu scheiden von ihm, dein bin ich, dein bleibe ich…. das ist der Fels und
ich nur so Haus auf dem Fels.
Petrus und der Hahn/offenes Grab wird sichtbar
Petrus, solange er Ostern nicht sieht und annehmen kann, bleibt er bei
seinen eigenen Möglichkeiten, bleibt gefangen im Glaubensdenken von
Haben, Besitzen, Leisten und Geltenwollen… und wird auf diesem Sand
immer nur weinen können, manchmal laut und noch öfter still in sich
hinein. Aber er muss sich nur umdrehen, muss sich wenden und sein Gesicht Ostern und dem leeren Grab zuwenden. Denn hier hat Gott gesprochen ein und für allemal: Wo ihr das letzte Scheitern vermutet habt, sagt
ER, da habe ich das Heil der Welt beschlossen… und mehr noch: erkämpft, durchlitten und bezwungen. All euer Scheitern habe ich in dieses
Grab längst mithineingenommen. Warum wollt ihr es dort nicht
belassen – euer Scheitern, eure Lasten, eure Unmöglichkeiten, euer Wollen und doch nicht vollbringen Können. All eure Schwachheit habe ich in
diesen Fels eingeschlossen. Du geliebter Mensch, gehe mit mir aus diesem Grab und steig auf den Felsen, der trägt, weil Gott ihn tragen lässt.
Mit mir, deinem Christus, stehe auf dem Fels und lache der Ostersonne
entgegen.
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