Skript: Das Verblexikon im unauffälligen und auffälligen Spracherwerb

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Das Verblexikon im
unauffälligen und
auffälligen Spracherwerb
Workshop 06 02 2009
©E.Swoboda
Themenbereiche
Spracherwerbsforschung
Linguistisch orientierte Diagnostik
Linguistisch orientierte Intervention
Spracherwerbstheorien
Paradigmenwechsel
• Wandel von Polarisierungen (Inside-Out vs.
Outside-In-Theorien) zu interaktiven
Modellen.
• Aktuell: Emergenzmodelle (Hirsh-Pasek
1993, Bindel 2007,Kauschke 2007):
Selbstorganisation von Sprache, Mittelweg
zwischen Nativismus und Interaktionismus.
Grammatikerwerb: Forschungsstand
Sprache: domänenspezifische kognitive Leistung,
Grammatik: autonomes Modul des kognitiven Systems
(Chomsky 1995)
Genetisch fixierte Prädisposition des Spracherwerbs
Fixierung von grammatischen Strukturen in der
Zweiwortphase
Start-up-Mechanismus, einzelsprachliche Gramma-tik
wird von den Inputdaten her determiniert (Haider
2001)
Optionality und variation sind charakteristisch für
grammatische Prozesse im Spracherwerb (SchanerWolles 1996: z.B. Erwerb der Verbposition)
Kontinuitätshypothese
Kontinuitätshypothese (u.a. Clahsen 1991,
1996, Penner & Weissenborn 1996,
Weissenborn 2000, 2006): Basis
Universalgrammatik
• Die unauffällige kindliche Grammatik unterscheidet sich nicht wesentlich von der
Grammatik der Zielsprache. Die
Zwischenstufen im Erwerb zeigen Elemente
der Zielsprache.
Sprachspezifische Lernprinzipien
Semantische Strukturen als Einstiegshilfe in
syntaktische Prozesse: Paul jost Anna
Argumentstruktur kann aus der semantischen
Struktur abgeleitet werden: Nomen bezeichnen
Personen und Objekte, Verben Handlungen (Pinker
1994).
Booststrapping: Basis: Lernbarkeitstheorie (Pinker
1984, 1996, Penner u.a. 2002...)
Grammatikerwerb findet in den Schnittstellen von
Semantik, Syntax, Morphologie, Phonologie statt.
Erwerb neuer Elemente auf Basis bereits erworbener Strukturen.
Meilensteine im
morphosyntaktischen Bereich
Tracy (2008):
• Meilenstein I: 14-18 LM: Nomen, Partikel: da,
nein, weg, .. Formelhafte Äußerungen
• Meilenstein II: 18-24 LM: erste
Wortkombinationen: Nomen+Partikel,
Partikel+Partikel, Nomen+Partikel+Nomen,
Nomen+Verb…
• Individuelle Erwerbsverläufe, keine klare
Trennung zwischen den Meilensteinen,
Revidieren von Annahmen etc.
Aufbau der Satzstruktur
Tracy (2008)
• Syntax: Erwerbsreihenfolge: rechts nach links
• Partikel: stabile Position, starke Betonung,
• Partikel+Partikel: auch auf
_______________________________________
• V2: ich lauf auch hin; mama holt eis
• Nebensatz: Einleiter, z.B. weil V2-Position und
Verbend: …weil Paul aufhört
Topologisches (Felder-) Modell
S a t z k l a m m e r
VF
Vorfeld
lea
da
lea
ich
das
LK
RK
MF
Linke
Rechte
Mittelfeld
Klammer
Klammer
Verbzweit
Verbend
dose
auf
papa noch
keks
keks
essn
is
ball
mag
noch eine
essn
hol
ein saft
mach
ich jetzt
auf
NF
Nachfeld
Lexikonerwerb
Produktives Lexikon: Basis für den Grammatikerwerb
Rasche und effiziente Informationsaufbereitung:
Eintrag eines Wortes mit den wichtigsten
phonologischen, grammatischen und
semantischen Informationen ins Lexikon
3 Prozesse: Erfassen des Objekts (worauf wird
referiert?),Erfassen der Bedeutung (bezeichnet
das Wort den Referenten?), Erfassen der
Funktion durch die Wortform.
Verben
•
•
•
•
•
•
Constraints
Fast Mapping
Verhältnis Verb-Ereignis
Einzelsprachliche Beschränkungen
Verblexikon Kauschke 1999
Verberwerb Penner 1998 - 2008
Testverfahren
• Grimm et al. 2000: SETK-2:
Sprachentwicklungstest für 24-36 M:
Lexikonerwerb, rezeptive und produktive
Sprachverarbeitung.
• Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen, Kauschke & Siegmüller
(2002)
• Aktiver Wortschatztest - Revision für
3-6jährige Kinder: AWST-R, Kiese (2005)
• Marburger Sprachverständnistest für Kinder: MSVK,
Elben & Lohaus (2000)
Late Talker
Sprachliche Symptomatik
Verzögerte Repräsentation erster Wörter
Verlangsamter Lexikonaufbau, besonders
Vollverben sehr verspätet
Reduzierte (keine) Wortkombinationen
Reduzierte Effizienz und Qualität der Verarbeitung
Reduzierte analytische Verarbeitungsstrategien
Unterschiedliche Profile: Auffälligkeiten in
einzelnen Sprachmodulen, oder Modul
übergreifend.
Grammatikerwerbsstörung
SSES
F80 Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der
Sprache
Kauschke & Siegmüller (2002) 3 SSES-Profile:
Isolierte Störung
Übergreifende, synchrone Störung
Übergreifende, asynchrone Störung
Eingebettete SES
Allgemeine Entwicklungsstörung
genetische Syndrome
Hörstörungen
Austismus
Interventionsansätze
Naturalistische Ansätze:
Entwicklungsproximaler Ansatz
(Dannenbauer 1997), Hansen (1996)
Programmansatz Kon-Lab (Penner 2002)
Sprachspezifische Ansätze:
sprachspezifisch-entwicklungsorientierter
Ansatz Penner & Kölliker Funk (1998),
Motsch (2002), Siegmüller & Kauschke
(2006)
Entwicklungsübergreifende Ansätze
(Zollinger 1994)
Modellierung
Technik: korrigierende Rückmeldungen
(Dannenbauer 2002, Katz-Bernstein 2003),
Erweiterungen, Fragen, Umstrukturierungen,
Bestätigungen, Spiegelungen, Wiederholung,
Sinnerweiterung, metasprachlicher Kommentar
Ziel: Festigung und Generalisierung neu
erworbener Strukturen
Aufgabe des Kindes: Vergleich der modellierten
Struktur mit der eigenen
Einsatz in verschiedenen Spielsequenzen
Kontrastierung
Technik: Kontextreduzierung: Zielstruktur in
einfachen Kontexten, zeitlich begrenzt, Analyse
der Äußerungen durch das Kind selbst, der Input
wird optimal aufbe-reitet, vorerst rezeptiv, dann
produktiv
Ziel: Auslösen von Instabilität, als
Entwicklungsanstoß für den Erwerb von
Zielstrukturen, Erkennen des Kontrasts, in
Beziehung zur eigenen Äußerung setzen.
Lexikon
Rezeptive Phase
Konzepte, Wortschatzaufbau: taxonomische
Strukturen
Ordnen von Handlungen: gehen, sitzen, schauen,
Gleiche Handlungen mit unterschiedlichen
Dingen
Speicherphase
Abspeicherung neuer Wörter in verschiedenen
Kontexten, unterschiedlichen Satzstrukturen
(Aussage, Frage, Topikalisierung...)
Inputgeschichten
Expressive Phase: Einbau in Wortkombinationen –
Abruf verbessert Speicherung!
Fokus Verb
Übertragung der Argumentstruktur von
Allzweckverben, Modalverben auf
Transitive Verben: Strukturen an der
lexikalisch-semantischen und syntaktischen
Schnittstelle werden deutlich: Der Pauli will
einen Turm machen. Einen hohen Turm will
der Pauli bauen. Den Turm baut der Pauli ganz
hoch.
Sensorische Verben: sehen, hören…
Kommunikationsverben: sagen…
Mentale Verben: glauben, meinen, denken,
wissen
Verbbewegungsprozess
• Negierte Sätze (Schaner-Wolles)
• Auxiliare (Hauptbedeutung): haben,
sein
• Zweitposition des unbetonten hat für
Markierung im Aussage-und wFragesatz (Tracy)
• „Du-Trigger“ (Penner)
• Hoch frequente Verben
• Nebensätze
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