„Typologisierung werbenaher Kommunikationsangebote im Fernsehen“ Ausschreibungsunterlagen und Projektbeschreibung Düsseldorf, 15. September 2006 Bitte beachten Sie unbedingt auch die Bedingungen für die Übersendung der Projektanträge auf der letzten Seite. Nach § 88 Abs. 4 Mediengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) gehört es zu den Aufgaben der LfM, die Veranstaltung, Verbreitung und Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen und Mediendiensten einschließlich neuer Programmformen und -strukturen regelmäßig wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die Forschungsschwerpunkte orientieren sich dabei am Handlungsbedarf und am Erkenntnisinteresse der LfM. I. Allgemeines Die LfM hat durch ein formalisiertes Verfahren sicherzustellen, dass aus der Gesamtheit der eingegangenen Anträge eine sinnvolle Auswahl getroffen wird. Die folgenden Kriterien sollen eine Entscheidungshilfe für eine angemessene Beurteilung der Anträge darstellen. Anträge bzw. Antragsteller sollen die folgenden Anforderungen erfüllen: 1. Unabhängigkeit der forschenden Personen/Institutionen Die beantragenden Personen/Institutionen dürfen in den angegebenen Forschungsfeldern keine Eigen- oder Fremdinteressen vertreten, sondern müssen unabhängig sein. Die LfM berücksichtigt ausschließlich solche Anträge, die eindeutig nicht (auch) auf Verwertungsinteressen Dritter gerichtet sind. Diese Unabhängigkeit kann als gegeben angenommen werden, wenn die Anträge von Hochschulen, unabhängigen Forschungsinstitutionen, gemeinnützigen Vereinen o.ä. Einrichtungen gestellt werden. 2. Medienwissenschaftliche Kompetenz Antragsteller sollten im Bereich der Medien- und Kommunikationsforschung ausgewiesen sein und dieses durch ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen be2 legen können. Vorhandene forschungspraktische Erfahrungen und methodisches Wissen bzgl. der Untersuchungsgegenstände werden als Voraussetzung einer effizienten Forschung angesehen. Hierdurch sollen keineswegs interessante und jenseits traditioneller "Forschungspfade" angelegte innovative Untersuchungen noch nicht etablierter Wissenschaftler (-gemeinschaften) abgewiesen werden. 3. Integration bestehender Forschungsergebnisse Dem Forschungsgegenstand angemessen sollen beantragte Untersuchungen mit innovativen Ansätzen arbeiten. Das schließt jedoch im forschungsökonomischen Interesse nicht aus, bestehende Erkenntnisse und Forschungsergebnisse der Medienforschung zu integrieren bzw. für das Untersuchungsdesign zu verwenden. Ein Vergabekriterium ist deshalb auch, inwieweit neuere Forschungsergebnisse einbezogen werden. Aus der Gestaltung der beantragten Untersuchung, nicht jedoch aus gesonderten Kapiteln des Antrages zum Stand der Forschung, soll geschlossen werden können, ob der gegenwärtige Stand der Medienforschung in der Projektkonstruktion berücksichtigt wurde. 4. Methoden Die Vergabe hängt davon ab, ob die methodische Konzeption der Untersuchung dem jeweiligen Forschungsgegenstand angemessen ist. Wichtig ist deshalb eine genaue Auflistung der beabsichtigten Methoden. Bevorzugt gefördert werden im Einzelfall Projekte mit einer Kombination quantitativer und qualitativer Methoden. 5. Realisierung des geplanten Forschungsprojektes Erforderlich ist eine genaue Auflistung der berücksichtigten Untersuchungsschritte. Das Verhältnis zwischen Untersuchungsfragen und -aufbau muss in 3 sich schlüssig sein. Generell wird vorausgesetzt, dass die geplanten Untersuchungen auch faktisch realisierbar sind, besonders im Hinblick auf den zeitlichen und den finanziellen Rahmen. 6. Für die Vergabe von Projekten sind auch forschungsökonomische Gesichtspunkte von Bedeutung. Die LfM erwartet von den Projektnehmern keine Subordination wissenschaftlicher unter wirtschaftliche Kriterien. Forschungsaufwand, -ergebnisse und -etat müssen indessen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Werden die der Untersuchung zugrunde liegenden Fragestellungen und die methodischen Vorgehensweisen als sinnvoll erachtet, so wird innerhalb dieser vorgegebenen Rahmenbedingungen nach dem Kriterium der Forschungsökonomie ausgewählt werden. Hiermit ist nicht nur die Höhe der beantragten Gelder gemeint. Der Begriff der Forschungsökonomie umfasst vielmehr die Verwendung der Gelder, die Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Untersuchungen und den Rückgriff auf eine bereits vorhandene forschungstechnische Ausstattung der Antragsteller (hierzu gehören z.B. Rechneranlagen und Erhebungsgeräte). II. Forschungsfragen Vor dem Hintergrund der zunehmenden Entgrenzung zwischen den drei Sphären Journalismus, PR und Werbung im Hörfunk, hat die LfM im letzten Jahr die Expertise „Typologisierung werbenaher Kommunikationsangebote im Hörfunk“ in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser von der LfM durchgeführten Programmanalyse wurde deutlich, dass die Übergänge von Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, die sich in ihrem Selbstverständnis eigentlich voneinander abgrenzen, zunehmend fließend erscheinen und die ursprüngliche Informationsquelle für die Rezipienten somit häufig nicht transparent erscheinen. Die LfM verfolgte mit diesem Projekt vor dem Hintergrund des Trennungsgebotes redaktioneller und werblicher Programmelemente das Ziel, die Angebote im Hörfunk zu untersuchen, die im Grenzbereich zwischen Programm und Werbung liegen. Auf der Basis einer Programmanalyse erfolgt derzeit eine Typologisierung der identifizierten 4 Hybridformen. Die Typologisierung wird weitere Hinweise für möglicherweise problematische Vermischung von Werbung, Programm und PR geben, die es dann vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben zu bewerten gilt. Die Ergebnisse der Expertise werden im Herbst 2006 erwartet. Die im Jahr 2005 identifizierten und veröffentlichten Fälle von Schleichwerbung sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Fernsehen verdeutlichen, dass die für den Hörfunkbereich festgestellte Problematik auch auf das Fernsehen übertragbar ist. Als mögliche Gründe hierfür werden zum einen der aufgrund zurückgehender Werbeeinnahmen zunehmende ökonomische Druck sowie zum anderen das Zuschauerverhalten, sich den Werbeblöcken u.a. durch Umschalten zu entziehen, angeführt. Zwar sieht die neue Fernsehrichtlinie der EU in ihrem bisherigen Entwurf entgegen den Empfehlungen der Landesmedienanstalten die Zulässigkeit einer gekennzeichneten Produktplatzierung in Programmen vor, neben dem klassischen Product Placement sind jedoch auch andere, wesentlich subtilere Formen der geldwerten Absprachen, bei denen keine konkreten Produkte oder Dienstleistungen im Vordergrund stehen, kritisch zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die so genannte Themenplatzierung zu nennen, bei der etwa die Berichterstattungen über Wellness, Reiseziele oder andere Themen „gekauft“ werden, um diese öffentlich wahrnehmbar zu machen. Eine andere Form stellt die Einbindung von vermeintlichen Experten dar, die jedoch nicht neutral sind, sondern vielmehr die Interessen bestimmter Unternehmen bzw. Institutionen vertreten. Insbesondere Serviceformate sind „anfällig“ für diese Vermischung von werblichen bzw. PR-induzierten und programmlichen Elementen. Da für den Zuschauer nicht immer ersichtlich ist, ob die ausgesprochene Empfehlung gekauft, von PR-Spezialisten im Programm untergebracht oder unter journalistischen bzw. fachlichen Gesichtspunkten von der Redaktion ausgewählt wurde, müssen solche Tendenzen als problematisch bewertet werden. Auch das Netzwerk Recherche mahnt in seinem Positionspapier zum Verhältnis von PR und Journalismus an, dass der PR-Einfluss auf Journalismus, der massiv zugenommen habe, zurückgedrängt werden müsse.1 Vor diesem Hintergrund sollen in Ergänzung zu den Programmbeobachtungen der LfM 1 Netzwerk Recherche: Positionspapier zum Verhältnis von PR und Journalismus. 1.8.2005 unter www.netzwerk-recherche.de 5 in einer Untersuchung Fernsehangebote analysiert werden, die im Grenzbereich zwischen Programm, PR und Werbung liegen. Im Jahr 1996 hatte die LfM die Studie „Die Trennung von Werbung und Programm im Fernsehen. Programmliche und werbliche Entwicklungen im digitalen Zeitalter und ihre Rechtsfolgen“2 in Auftrag gegeben. Die Untersuchung lieferte eine Bestandsaufnahme aktueller und einen Ausblick auf mögliche neue Werbeformen unter Berücksichtigung der Digitalisierung. In der nun ausgeschriebenen Studie soll ermittelt werden, welche aktuellen Entwicklungen zehn Jahre später auszumachen sind. Dabei soll insbesondere auch der Einfluss, die Bedeutung und die Art der Einbindung von PR-Maßnahmen und -Materialien in den Blick genommen werden. Neben den acht bedeutendsten deutschen Vollprogrammen (ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, VOX, Kabel eins und RTL II) sollen in die Untersuchung auch Spartenprogramme wie z.B. Super RTL oder Viva einbezogen werden.3 Neben fernsehpublizistischen Beiträgen sollen auch non-fiktionale Unterhaltungsangebote analysiert werden. Analog zu der Hörfunkuntersuchung soll anhand der gesammelten Fallbeispiele eine Typologisierung werbenaher Kommunikationsangebote erfolgen. In die Typologisierung sind auch Erkenntnisse der Untersuchung der Wirtschaftsberichterstattung in den Programmen von n-tv, N24 und Bloomberg TV einzubeziehen. In der von der Gemeinsamen Stelle Programm, Werbung und Medienkompetenz in Auftrag gegebenen Untersuchung steht insbesondere die Berichterstattung zu Börsen und Kapitelmärkten hinsichtlich des Trennungsgebotes von Werbung und Programm im Mittelpunkt. Die Zwischenergebnisse zu der Hörfunkuntersuchung haben gezeigt, dass es zur systematisierenden Beschreibung werbenaher Kommunikationsangebote sinnvoll ist, auch den Kontext der Programmproduktion einzubeziehen. Hierdurch können Aussagen über das Verhältnis der beteiligten Akteure und ihrer Intentionen getroffen werden. Auch 2 Volpers, Helmut/Herkströter, Dirk/Schnier, Detlef: Die Trennung von Werbung und Programm im Fernsehen. Programmliche und werbliche Entwicklungen im digitalen Zeitalter und ihre Rechtsfolgen. Opladen 1998, Band 25 der Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Rundfunk NordrheinWestfalen. 3 Hinsichtlich der Untersuchung der Vollprogramme kann auf die digitalen Aufzeichnungen der ALMProgrammstrukturanalyse zurückgegriffen werden. Hier stehen jährlich zwei Stichproben (Frühjahr und Herbst) á einer Programmwoche aller acht Programme zur Verfügung. Das Material für die Stichprobe 6 mögliche Hybridformen, die bei einer Programmbeobachtung nicht offensichtlich sind, könnten hierüber ermittelt werden. Zu den Akteuren, die auf der Produktionsebene eine Rolle spielen gehören zum einen die Mitarbeiter der Programmveranstalter sowie die Produzenten. Zum anderen sind auch werbe- bzw. PR-treibende Institutionen (Wirtschaftsunternehmen ebenso wie soziale Organisationen), die von ihnen beauftragten Werbe-, Media- und PR-Agenturen sowie solche Agenturen, die sich auf die Vermittlung von so genannten „Sonderwerbeformen“ spezialisiert haben, in den Blick zu nehmen. Wie die Zwischenergebnisse der Hörfunkuntersuchung gezeigt haben, können insbesondere hinsichtlich der letztgenannten Gruppe über das Internet veröffentlichte Informationen über Leistungsspektrum und ggf. auch Kundenreferenzen ermittelt werden. Durch die Auswertung dieser und anderer Brancheninformationen können Strukturen und Abläufe nachvollzogen werden, die ggf. zur Vermischung von Werbung, PR und Programm führen können. Zudem sollen mit den unterschiedlichen Akteuren Expertengespräche geführt werden, um sowohl über die jeweiligen Handlungskontexte, Einstellungen und Ziel als auch Bewertungsmaßstäbe Informationen zu erhalten. Die hieraus resultierenden Erkenntnisse sollen mit den Ergebnissen der Programmanalyse mit Blick auf die Typologisierung kontrastiert werden. Die Typologisierung ist insbesondere für die aufsichtliche Tätigkeit der LfM von Relevanz, um das qualitative Spektrum persuasiver Kommunikationsangebote in seiner aktuellen Erscheinungsform einschätzen zu können und im Sinne des Nutzerschutzes werberechtlich problematischen Angeboten entsprechend nachgehen zu können. Darüber hinaus können die Ergebnisse auch im Rahmen der Qualifizierung von Fernsehredakteuren Verwendung finden, um das Problembewusstsein der Journalisten bezogen auf die Entgrenzung von programmlichen und werblichen Elementen zu sensibilisieren. Sie können Grundlage sein für die Diskussion mit Interessenverbänden über journalistische Standards. Für das Forschungsprojekt stehen bis zu € 60.000,- (inkl. Mehrwertsteuer) zur Verfügung. Das Projekt sollte im Dezember 2006 beginnen und eine Laufzeit von neun Monaten nicht überschreiten. „Spartenprogramme“ müsste im Zuge der Untersuchung noch aufgezeichnet werden. 7 8 Das detaillierte Projektkonzept sollte neben Ausführungen zu dem Methodendesign einen Zeit- und Kostenplan beinhalten. In dem Kostenplan ist die ggf. abzuführenden Mehrwertsteuer (ab 2007 gültigen Mehrwertsteuersatz!) auszuweisen. Darüber hinaus ist dem Antrag eine 1- bis 2-seitige Zusammenfassung beizufügen. Ende der Ausschreibungsfrist ist Dienstag, der 31. Oktober 2006 (Datum des Poststempels). Anträge dürfen nicht per Fax oder per Email eingereicht werden. Für Rückfragen steht Ihnen bei der Landesanstalt für Medien NRW Antje vom Berg unter der Tel.-Nr. 0211/77007-168 oder per E-Mail ([email protected]) zur Verfügung. Sollte das Projekt Ihr Interesse finden, übersenden Sie Ihre Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag an folgende Anschrift: Landesanstalt für Medien NRW, Bereich Förderung, Kennwort: „Werbenahe Kommunikationsangebote im Fernsehen“, Postfach 103443, 40025 Düsseldorf. Bei persönlicher Übergabe können Sie den Projektantrag bei der Landesanstalt für Medien NRW unter der Adresse Zollhof 2, 40221 Düsseldorf, einreichen. Bitte geben Sie unbedingt das Kennwort an! 9