Artikel aus ”Wohnung + Gesundheit” Nr. 147/2013 IBN - Institut für Baubiologie + Ökologie, D-83115 Neubeuern • www.baubiologie.de Da Vinci Schule in Amsterdam Biologische Revitalisierung Im Jahr 2009 renovierten wir eine Wohnung in einem denkmalgeschützten Viertel von Amsterdam nach baubiologischen Kriterien (s. W+G Nr. 134). Mit diesem Beispiel versuchten wir Politiker und Wohnungsbaugesellschaften davon zu überzeugen, dass dies auch in größerem Maßstab möglich ist. Von unserer Initiative “Sieben Ökoprojekte für Amsterdam” überlebten leider nur wenig Teilnehmer die Wirtschaftskrise. Einige Projekte konnten jedoch realisiert werden, wovon ich eines vorstellen möchte: Eine ehemalige denkmalgeschützte Grundschule (Baujahr 1886), aus der ein Kindergarten und Nachbarschafts-Zentrum werden sollte. Als wir davon erfuhren, dass das Gebäude im Besitz des Stadtteils “Out West” renoviert werden sollte, schlugen wir den Vorsitzenden des Stadtteilrats in einem persönlichen Gespräch vor, dies nachhaltig zu tun. Die Vorsitzende der Partei der Grünen rief: “Super”! Der Vorsitzende der PvdA (der deutschen SPD nahestehend) knurrte: “Von mir aus... wenn’s bloß nichts extra kostet”. Also mussten auch wir gegen unbekannte Konkurrenz das niedrigste Honorar bieten, um den Auftrag zu erhalten. Mit Glück klappte das und Anfang 2010 legten wir nahezu ohne Planungsvorgaben los. Denn den Stadtbeamten sowie dem Manager des Kindergartens waren Entwurf und Nachhaltigkeit weitgehend gleichgültig. Dass wir davon Ahnung hatten, fanden sie aber prima und ließen uns deshalb freie Hand. Das erste ‘biologisch monument’ von Amsterdam “biologisch monument” Mein Büropartner Luigi Pucciano, Bauhistoriker/Architekt (Venedig/ Wien), und ich als Baubiologe/Architekt entwickelten ein Konzept, um das Gebäude mit denkmalgeschützer Fassade, hohen Holzfenstern und in den 70er Jahren “zugepappten” Portalen in ein komplett baubiologisch und sehr energiesparendes KinderHaus zu “verzaubern”. Das Projekt nennen wir “biologisch monument” (monument = denkmalgeschütztes Gebäude). Themen wie Wohngesundheit und Innenraumklima erreichen mittlerWohnung + Gesundheit 6/13 - Nr. 147 Rückseite. Auf dem Dach die Wärmepumpe 13 Architektur und Handwerk Eichentüren und Rohstahl-Türen, behandelt mit Essig u. Öl weile auch in den Niederlanden eine gewisse Populariät. Begeisterung kommt aber erst auf, wenn man Geld sparen kann. Deshalb wollten wir auf jeden Fall auch energetisch vorbildhaft sanieren, denn nur so werden auch die Medien aufmerksam und berichten. Ganzheitliches Konzept Gemeinsam mit unseren Bauphysikern entwickelten wir ein spannendes Konzept: Auf dem Dach positionierte Luft-Wärmepumpe, Photovoltaik (unsichtbar von der Gracht aus), CO2-gesteuerte Belüftung mit Wärmerückgewinnung (Schächte unsichtbar, aber zugänglich), ergänzend auch manuelle Fensterlüftung möglich, Fußboden- und Wandhei- Bambusgarten abends 14 Yoga-Zirkus-Tanz-Gesangssaal zung, Regenwasser-Toiletten, Wärmedämmung Dach und Erdgeschoß mit 30 cm Zellulose, belüfteter Kriechkeller mit Muscheln als Kapillarbrecher, Fassadenisolierung mit 6 cm Holzweichfaserdämmung, Lehmputz. Gemeinsam mit der hier sehr strengen Denkmalbehörde galt es die beste Lösung für die Fenster zu finden: Denkmalglas, Vorsatzfenster innen, kein Holz darf ausgetauscht werden…!? Schließlich die Entscheidung: Die Zargen 20 mm aufdoppeln und Isolierglas einsetzen, mit massiven Eichensprossen und weißen Glasabstandhaltern. Gebäude = Rohstofflager Nachdem die auf 2,40 m abgehängten Decken ausgebaut und entsorgt wurden und so die alten Raumhöhen von 4,70 m wieder zum Vorschein kamen, wollten wir keinen zukünftigen “Abfall” mehr einbauen. So bestehen die neuen nahezu unverwüstlichen Innentüren (trotz Brandschutzauflagen) entweder aus Glas und sehr dünnem Rohstahl, vorgerostet mit Essig und Öl, oder massiver geölter Eiche. Falls irgendwann mal diese Türen nicht mehr benötigt werden, können sie z.B. noch als Tischblätter dienen – klassisches “Upcycling”. Unsere Parole lautet “Ein Gebäude sollte wie ein Rohstofflager funktio­ nieren”: So wie wir die ausgetretenen Treppenstufen einfach umgedreht haben, taten es schon die alten Römer. So wie wir alte Holzböden und -decken zu Küchenzeilen und Gartenhaus umfunktioniert haben, so recycelten sie im Mittelalter die römischen Ruinen. Ein Gebäude sollte seine Vergangenheit zeigen, auf ihr aufbauen, heute optimalen Komfort und Gesundheit bieten und in Zukunft nur Gutes in petto haben. Ein Problem bei der Wiederverwendung von Baustoffen oder Bauteilen ist der hohe Zeitaufwand und damit die hohen Lohnkosten. Obwohl den Handwerkern und Künstlern solche Arbeiten viel Spaß machen, möchten oder müssen die Projektleiter eines Bauunternehmens deshalb leider meist alles entsorgen und neu kaufen. Das Dilemma unserer Zeit. Ein verstecktes Bambusgärtchen, ein Kräuterdach und ein hängender Gemüsegarten runden das Kindervergnügen ab. Ende 2012 wurde das Projekt eingeweiht, die ersten Zirkus- und Gesangsstunden werden gehalten. Wer reinkommt, reagiert euphorisch. Viele Eltern wollen ihre Kinder in diesem ‘biologisch monument’ mit Lehmputz, dicken Eichentüren und Bambushain anmelden. Die Denkmalpfleger sind begeistert. Die Stadtteil-Vorsitzenden sind längst abgewählt. Daniel Höwekamp Architekt und Baubiologe IBN aayu architecten, Amsterdam Wohnung + Gesundheit 6/13 - Nr. 147