Bereits im Alter von vier Jahren erhielt der seinen ersten Klavierunterricht. Harmonielehre), das er 1992 1985 1974 geborene, aus Heraklion/Kreta stammende Grieche Minas Borboudakis begann er sein Studium in seiner Heimatstadt bei Georgios Kaloutsis C(Klavier-und bei Olaf Oressler und Urszula Mitrenga (Klavier), Wilfried Hiller und Peter Michael Hamel (Komposition) in München und Hamburg fortsetzte. Sein Studium bereicherte er mit zahlreichen Meisterklassen bei George Crumb, Luciano Berio, Wolfgang Rihm, Alexander Nasedkin und Rudolf Kehrer. Borboudakis konzertiert als Pianist und war als Komponist und Pianist in Europa und Japan bei namhaften Festivals vertreten, etwa bei der Münchener Biennale, dem internationalen Kammermusikfest wie auch bei Gidon Kremers Festival <des museiques» in Basel. Richard-Strauss-Stipendium, dem 3. Preis des Internationalen dem Bayerischen Staatsförderpreis für Musik. 2005 Lockenhaus, dem «young.euro.classic» Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Günter Bialas Kompositions-Wettbewerbs erhält er für Chorochronos 11 und und 2004 mit I,-Cassiopeia den Rodion Shchedrin- Kammermusikpreis. . Entropic Polyphonies, dasals Auftragswerk für dasFestival «young.euro.classic» entstand, im vergangenen August in Berlin zur Uraufführung kam und im April bei dem Festival «neuemusik im stadthaus ulm» aufgeführt wird, steht zwischen zwei entgegengesetztenPolen, die durch Iannis Xenakis (Anaktoria) und John Adams (Shaker Loops) markiert werden. Beide treffen sich allerdings darin, dasssie ein klassischesI nstrumentalensemble in seiner Tauglichkeit als PerkussionsInstrument untersuchen.Auch bei dir scheinen sämtliche Instrumente hinsichtlich ihrer Qualitäten alsperkussive Klangerzeuger erforscht zu werden... Ja, das stimmt. Ich versuche oft in meiner Musik die unterschiedlichsten Instrumente perkussiv einzusetzen. Dasselbe gilt hier für die Stimme. Meine kompositorischen Ansätze sind näher an Xenakis als an Adams, weil wir eine gemeinsame Herkunft teilen, die sehr bedeutend ist: Griechenland. Eine prägende Rolle spielte in meiner Entwicklung die Rhythmik in der Volksmusik Griechenlands - und im weiteren Sinn der des Balkans, in der ungerade Rhythmen selbstverständlich sind. Ich bin mit diesen Rhythmen aufgewachsen. Obwohl ich eine westeuropäische musikalische Ausbildung genossen habe, merke ich im Lauf der Zeit immer mehr, wie sehr hier meine Wurzeln liegen - und dabei meine ich auch die Beschäftigung mit altgriechischer Mythologie, Philosophie und Mathematik. Auch in meinem gerade fertig gestellten Orchesterwerk Maiandroi (Mäandern) spielen Modalität und altgriechische Rhythmen eine zentrale Rolle. Ich halte es in der Zeit der Globalisie- Damit meine ich auch jenen antiken Blickwinkel auf den Menschen und auf die Welt. Wenn ich von Rhythmus spreche, dann geht der ganz konkret auf die antike griechische Musizierpraxis, das heißt die Tragödie, zurück. Die ungerade Rhythmik basiert auf dem Duktus der alten griechischen Sprache. Ähnlich verhält es sich mit der Modalität meiner Musik und meinem Interesse für Mikrotonalität.. . . Xenakis antwortete auf die Frage, warum er Musik schreibe einmal mit dem Satz, weil er sich «dadurch weniger unglücklich fühle». Musik war für ihn «ständige Entdeckungsreise» in die grundsätzlichsten Philosophie, Fragen der des Denkens, des Verhaltens, der Theorie des Universums... rung für sehr wichtig, eine Identität zu finden - und zu behalten. Ich möchte dabei die ponierst du? mythologische Seite nicht ausklammern. Zeiten eine Kinderpistole Du weißt, dass Picasso Warum kom- in seinen wilden mit sich getragen . thema hat und alleJournalisten «erschossen» hat, die ihm die Frage stellten, warum er male... (lacht). Was Xenakis als «Entdeckungsreise» bezeichnet, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich würde «psychologische Entdeckungsreise» ergänzen. Für mich ist Komponieren immer ein Tauchgang in mein Innerstes, um eine Antwort auf das jeweilige Thema zu finden. Manchmal ist die Antwort eine weitere Frage und so entstehen Formen, Systeme, Klänge... so wie Theseus auf der Suche nach dem Minotaurus im Labyrinth. So wie das Leben selbst. . Außerdembin ichneugierig,wiedas,was wir mit unseren Sinnesorganen aufnehmen, in Klänge umgesetzt werden kann. Man kann sagen, ich versuche meine Weltbetrachtung in Musik zu setzen. . Xenakis geht zwar oft von archaischanmutenden, einfachen rhythmischen Keimzellen aus, transformiert diesejedoch durch der Naturwissenschaft entnommene mathematische oder auch vollkommen abstrahierte Prozesse in kaum mehr nachvollziehbare Komplexität und in einen neuen abstrakten Raum, wo sichjene Synthese von philosophischem Gedankengut mit moderner Naturwissenschaft sowie griechisch-mythologischer Archaik vollzieht. Auch du sprichst von essenziellen kleinen Bauteilen, aus denen dann das Ganze wachse. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die Resultate, vielleicht auch der Prozess, dabei eher nachvollziehbar bleiben... Es ist tatsächlich vor allem die Antike, wo wir uns treffen. Auch Xenakis komponierte in den 60er Jahren sehr transparent und blieb auch über ganze Stücke bei diesem archaischen Gestus. Eines meiner letzten Werke, Archegonon ist vielleicht für einen studierten Musiker nachvollziehbar, für einen nicht derartig gebildeten Hörer oder das Publikum ist das jedoch etwas ganz anderes... ihrem Ursprung übermittelt und das gefällt mir. Aber die Perkussionsinstrumente besitzen auch eine ungeheure Palette an Klangfarben und so ergeben sich unendliche Kombinationen. Dadurch lassen sich sehr feine Stimmungen und Klangbilder erzeugen. . Washältstdu von der kürzlich . Wasbedeutet für dich Komponieren für Wie ich vorhin sagte, verstehe ich mich als einen Rhythmiker. Natürlich ist das Schlagzeug das erste Instrument, das diesem Fühlen am nächsten kommt. Das Schlagzeug- und insbesonderedie Nicht-Melodieinstrumente - haben fast nichts Artifizielles. Botschaften werden in meiner Erfahrung als Pianist und Dirigent. Vielleicht ist «Groove» gar kein falscher Begriff. Nur ist der «Groove» viel komplizierter als man es gewöhnt ist... in der ZEIT getroffenen Aussage Pierre Boulez', . Gibteseine Traditionslinie Komponieren für Schlagzeug sei scheinbar durchaus im Sinne der europäischenAvant- sehr einfach, da die Instrumente immer ir- garde? Gibt esKomponisten, Stile, von denen gendwie interessant klängen. In Wahrheit jedoch sei der Einsatz von Schlaginstrumen- du beeinflusst bist? ten extrem schwierig, da diese Klänge viel unterschiedlichen komplizierter lassen und mich durch ihre kompositorischen als etwa die einer Geige seien. Erkenntnisse Geige und dabei so eigenständig, dass er Verarbeitung schwerin einemKontextzu beherrschen sei. Ohne den Artikel gelesenzu haben, kann ich verstehen, wovon Pierre Boulez spricht. Vielleicht stimmt es doch, dass die Natur des Schlagwerks effektheischend ist. Nur: Gut zu komponieren dafür, ist was völlig anderes. Ich könnte nie behaupten, dassdie ScWagzeugpartien in Sur Incisesnur Effekt erzeugen! . RhythmusalsPhänomenund musikalischerParameter hat Komponisten zu unterschiedlichstenHaltungen bewogen. Was bedeutet Rhythmus für dich? Wenn ich an das Phänomen Rhythmus denke, muss ich unvermeidbar an das Mysterium Zeit denken. Wie kann man Zeit definieren? Gibt es etwas im ganzen Universum außerhalb der Grenzen der Zeit bzw. des Rhythmus? Wenn ich versuche es zu konkretisieren, ist es für mich der Mechanismus, durch den die Zeit geteilt, entfaltet und weiter getragen wird. Im Mikro- und Makrokosmos. Beim Komponieren liegt es in der Hand des Komponisten, wie er die Zeit teilen wird. . In deiner Musik glaube ich oftmals so etwas wie «Groove» entdecken zu können. physische Komponente zu haben: Atmung spielt immer eine große Rolle - im für uns geschriebenen Stück sogar als direktes musi- für dich - Ich nehme mir heraus, mich von ganz Der Klang eines Tam- Tams beispielsweise sei viel komplexer und schönerals der einer Überhaupt scheint mir deine Musik eine stark Schlagzeug? gerne die «Gefahr», die nach einem bestimmten Punkt in der Musik besteht. Man muss wach bleiben. Das kommt mit Sicherheit aus Komponisten anregen zu zu bereichern. So beschäftige ich mich beispielsweise mit der motivischen bei Beethoven oder der Rhyth- mik des frühen Strawinsky genauso wie mich die Xenakis' Multidimensionalität beeinflusst. . Morton Feldman hat in, seiner berühmten Middleburg Lecture einmal gesagt"Rhythmusexistierefür ihn nicht,vieleherdasMetrum.An gleicherStellemeinteer,wenner etwas gegen die heutige Musik habe, dann dasssie nicht ernst genug sei. Und wenn er anfange,mit denFüßenmitzugehen,verlasse er denSaal.Deine EntropicPolyphonies kann manchmal durchaus etwas komisch, vielleicht ironischwirken... Ist deine Musik ernst? Ich möchte nicht, dass meine Musik etikettiert wird... vielmehr möchte ich, dass meine Musik ein Mittel zur Kommunikation ist, zwischen Komponisten, Musikern und Publikum. Das ist mir wichtiger. Etikettierungen wie «Ernst», «Avantgarde», «Neu», «Klassisch»und «Pop» haben die Musik in die heutige Situation geführt. Unsere Generation muss die Musik wieder aus ihren durch verschiedene Schulen, Stilen und Haltungen, also den vorgegebenen Korsetts zu befreien versuchen. Ein Kritiker schrieb über RebondsvonXenakisund meineEvlogitaria für Schlagzeugsolo, dass sie sowohl im KonzertsaalwieauchaufUnderground- Partys funktionieren . würden! kalisches Element. Die Schlagzeugstücke . selbst sind meist virtuos, expressiv, erfordern gent beim Festival «neue musik im stadthaus» physische Kraft. Ulm (Programm erleben sein. Atmung ist ja Rhythmus! Ja, meine Musik ist sehr vital und erfordert physische und seelische Kraft und Virtuosität. Ich mag sehr 41 Minas Borboudakis wird als Pianist und Diri- in dieser Ausgabe, Informationen unter: www.minasborboudakis.cam S. 47) zu