Simon Steen-Andersen: Piano Concerto

Werbung
Simon Steen-Andersen:
Piano Concerto
(Orchesterpreis Donaueschinger Musiktage 2014)
70 Jahre SWR Sinfonieorchester
Samstag, 07. Mai 2016, 21 Uhr
Freiburg, Konzerthaus
SWR Sinfonie-Orchester Baden-Baden und Freiburg
Maurice Ravel: „La valse” u. a.
Nicholas Hodges, Klavier
Leitung: François-Xavier Roth
Empfohlen ab Klasse 8
Von Maria Hörl
1
Inhaltsverzeichnis des Unterrichtsmaterials zu Simon Stehen-Andersens
„Piano Concerto“ (Klavierkonzert) (2014)
Für Lehrerinnen und Lehrer (mit Lösungsvorschlägen):
Baustein A:
Baustein B:
Baustein C:
Baustein D:
Baustein E:
Eigenkomposition „Sturz und Zerstörung“
3
Multimedia-Reportage
4
Radiosendung: Gespräch mit dem Komponisten im SWR 5
Donaueschinger Musiktage
6
Informationen zum Komponisten: Rechercheaufgabe 6
Für Schülerinnen und Schüler:
Baustein A:
Baustein B:
Baustein C:
Baustein D:
Baustein E:
Eigenkomposition „Sturz und Zerstörung“
7
Multimedia-Reportage
8
Radiosendung: Gespräch mit dem Komponisten im SWR 10
Donaueschinger Musiktage
11
Informationen zum Komponisten: Rechercheaufgabe 12
Anhang:
- Links
- Interviewtext: Bernd Künzig im Interview mit dem Komponisten
- Sendung SWR Cluster als mp3
2
Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer mit Lösungsvorschlägen
Inhalte:
Eigenkomposition mit Aufnahme von Geräuschen und Zerstörung, Erarbeitung von Inhalten
anhand einer Multimedia-Reportage im Internet, Hörverstehen mit Sendung „SWR Cluster“
mit Interview des Komponisten, Hintergrundinformationen zu den Donaueschinger
Musiktagen (Recherche), Hintergrundinformationen zum Komponisten (eigene Homepage,
Interview).
Materialien:
Multimedia-Reportage im Internet, SWR-Sendung als mp3 oder im Internet als stream,
Interview mit dem Komponisten als Word-Dokument.
Medien:
Aufnahmegeräte oder Filmkameras (auch mit Handys oder Tablets möglich).
Zielgruppe:
Ab Klasse 8
Dauer der Unterrichtseinheit:
Zwischen 2 und 4 Schulstunden
3
BAUSTEIN A
Kompositionsauftrag:
1) Wähle einen Alltagsgegenstand aus, den zu zerstören kannst/darfst (z. B. einen einzeln
Teller, alte Lego-Burg,…).
2) Werfe ihn in sicherer Umgebung mit genügend Abstand auf den Boden bzw. lass ihn von
oben fallen und nimm das Geräusch mit einem Aufnahmegerät oder dem Handy auf (ggf. als
Video, auch aus mehreren Perspektiven).
3) Höre die Aufnahme des Sturzes an. Wie klingt der Aufprall / die Zerstörung?
Wie wirkt die Zerstörung im Video, wenn du die Aufnahmen in Zeitlupe abspielst?
4) Falls es nur eine Audio-Aufnahme gibt: Können deine Mitschülerinnen und Mitschüler
anhand des Geräusches erraten, welchen Gegenstand du zerstört hast?
5) Komponiert ein Stück mit allen Aufnahmen, die in der Klasse entstanden sind.
Überlegt, wie ihr Klänge von noch nicht zerstörten Gegenständen und die aufgenommenen
Klänge der Gegenstände, die zerstört wurden, in die Komposition mit einbeziehen könnt.
6) Vergleicht nun eure Eigenkomposition mit dem Klavierkonzert von Steen-Andersen,
indem ihr euch die Multimedia-Reportage anschaut.
4
BAUSTEIN B
Multimedia-Reportage
mit Videoelementen, Interviews, Hintergrundtexten und Musik
zu Simon Steen-Andersens „Piano Concerto”
(for piano solo, sampler, video and orchestra) (2014)
Die folgenden Recherche-Aufgaben können Schülerinnen und Schüler eigenständig im PC-Raum
erarbeiten. Sollte dies nicht möglich sein, können die Aufgaben als Hausaufgabe gegeben – oder
gemeinsam im Unterricht am Smartboard erarbeitet werden.
Aufgaben zur Multimedia-Reportage zu Simon Steen-Andersens Klavierkonzert
Geht auf die Seite http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto und erarbeitet
euch die Inhalte der Reportage eigenständig. Scrollt euch dazu durch die verschiedenen
Bilder und Hörbeispiele und recherchiert die Antworten zu den Fragen.
Hinweis: Falls der Button „LOS GEHT‘S“ auf der Startseite nicht zu sehen ist, sollte ein
anderer Browser verwendet werden.
Zu „Bau eines Instruments“:
Wie betrachtet der Komponist Steen-Andersen die Zerstörung des Klaviers?
Als unkontrollierbare natürliche Form von der Schwerkraft entschiedene Präparation des
Klaviers. Er konnte erst beginnen zu komponieren, nachdem er den Sturz mit seinen Klängen
kannte.
Zu „Das transformierte Klavier“:
Beschreibe den Klavierklang des zerstörten Flügels.
Wie wirkt er auf dich?
Wie wirkt das Klavier in seiner veränderten, zerstörten Form auf dich?
Zu „Beschreibung der Aufnahmen“:
Woraus besteht das „Material“ von Steen-Andersens Stück?
Aus sämtlichen Klängen des zerstörten Klaviers, alle Töne wurden aufgenommen,
5
verschiedene Dynamiken wurden aufgenommen etc.
Das Orchester spielt quasi eine Instrumentation dieser zerbrochenen Klänge.
Zu „Zwei Piano, ein Instrument“:
Welche Elemente der Komposition sind erkennbar?
Der Solist (Pianist) am echten Flügel, Video des kaputten Flügels auf einer Projektionsfläche
in Flügelform. Im Video spielt der gleiche Solist auf dem kaputten Flügel.
Daneben ist das Orchester im Hintergrund.
Zu „Tanzendes Klavier“:
Was hat der Film des Klaviers mit der Musik zu tun?
Die Musik ist tänzerisch und ist auf das Auf- und Ab des Flügels abgestimmt.
BAUSTEIN C
SWR-Sendung mit Wibke Gerking und Simon Steen-Andersen
(SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr)
Aufgabe: Hört euch das Interview mit dem Komponisten an und beantwortet die Fragen.
Ggf. ist es erforderlich, das Interview zu stoppen oder Passagen 2x zu hören.
1) Was hat Simon Steen-Andersen mit Alltagsgeräuschen gemacht?
Er hat sie früher schon nachgeahmt und lässt das Orchester die Geräusche imitieren bzw.
verdoppeln.
2) Wie verwendet der Komponist das Orchester?
Als eine Art zerbrochenes Instrument. Es ist eine Nachahmung. Das Klavier funktioniert nicht
so, wie man es gewohnt ist [nach dem Flügelsturz].
3) Was sagt der Komponist zur Zerstörung?
Um die Zerstörung an sich ging es ihm nicht. „Durch den Kontext kann es eventuell
interessant werden“.
6
4) Wie wichtig ist Steen-Andersen das Bild? Welche zwei verschiedenen „Klangwelten“
schafft er?
Es ist ihm wichtig, er filmt den Flügelsturz und bezieht das Visuelle mit in sein Stück ein. Er
macht bei Konzerten nie die Augen zu. Er ließ den Sturz mit Zeitlupe-Kameras aufnehmen.
Es gibt ein intaktes Klavier mit schönem Klang und im Gegensatzt das zerbrochene,
imperfekte mit neuem Klang (= Erweiterung des regulären Klangs).
BAUSTEIN D
Das Klavierkonzert hat Steen-Andersen für die Donaueschinger Musiktage komponiert
(= Auftragskomposition).
Informiere dich über die Donaueschinger Musiktage.
z. B. hier http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen
1) Was sind die Donaueschinger Musiktage?
2) Seit wann finden sie statt und wie oft?
3) Welche Art von Musik wird hier aufgeführt?
4) Was ist eine Uraufführung?
5) Welche Komponisten werden 2016 dort eine Uraufführung haben?
6) Wer ist der künstlerische Leiter der Donaueschinger Musiktage?
BAUSTEIN E
Informationen zum Komponisten
1) Recherchiert im Internet wichtige Lebens-Daten des Komponisten.
2) Nenne drei Titel seiner Kompositionen.
z. B. unter http://www.cresc-biennale.de/de/kuenstler/simon-steen-andersen oder
http://www.simonsteenandersen.dk (Website des Komponisten auf Englisch)
Welchen Eindruck macht die Homepage des Komponisten auf euch?
Wie stellt ihr euch den Komponisten als Person vor?
7
Unterrichtsmaterial für Schülerinnen und Schüler
BAUSTEIN A
Kompositionsauftrag:
1) Wähle einen Alltagsgegenstand aus, den zu zerstören kannst / darfst (z. B. einen einzeln
Teller, alte Lego-Burg,…).
2) Werfe ihn in sicherer Umgebung mit genügend Abstand auf den Boden bzw. lass ihn von
oben fallen und nimm das Geräusch mit einem Aufnahmegerät oder dem Handy auf (ggf. als
Video, auch aus mehreren Perspektiven).
3) Höre die Aufnahme des Sturzes an. Wie klingt der Aufprall / die Zerstörung?
Wie wirkt die Zerstörung im Video, wenn du die Aufnahmen in Zeitlupe abspielst?
4) Falls es nur eine Audio-Aufnahme gibt: Können deine Mitschülerinnen und Mitschüler
anhand des Geräusches erraten, welchen Gegenstand du zerstört hast?
5) Komponiert ein Stück mit allen Aufnahmen, die in der Klasse entstanden sind.
Überlegt, wie ihr Klänge von noch nicht zerstörten Gegenständen und die aufgenommenen
Klänge der Gegenstände, die zerstört wurden, in die Komposition mit einbeziehen könnt.
6)Vergleicht nun eure Eigenkomposition mit dem Klavierkonzert von Steen-Andersen,
indem ihr euch die Multimedia-Reportage anschaut.
8
BAUSTEIN B
Multimedia-Reportage
mit Videoelementen, Interviews, Hintergrundtexten und Musik
zu Simon Steen-Andersens „Piano Concerto”
(for piano solo, sampler, video and orchestra) (2014)
Aufgaben zur Multimedia-Reportage zu Simon Steen-Andersens Klavierkonzert
Geht auf die Seite http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto und erarbeitet
euch die Inhalte der Reportage eigenständig. Scrollt euch dazu durch die verschiedenen
Bilder und Hörbeispiele und recherchiert die Antworten zu den Fragen.
Hinweis: Falls der Button „LOS GEHT‘S“ auf der Startseite nicht zu sehen ist, sollte ein
anderer Browser verwendet werden.
Zu „Bau eines Instruments“:
1) Wie betrachtet der Komponist Steen-Andersen die Zerstörung des Klaviers?
____________________________________________________________________
____________________________________________________________________
Zu „Das transformierte Klavier“:
Beschreibe den Klavierklang des zerstörten Flügels.
Wie wirkt er auf dich? Wie wirkt das Klavier in seiner veränderten Form auf dich?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
Zu „Beschreibung der Aufnahmen“:
Woraus besteht das „Material“ von Steen-Andersens Stück?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
9
Zu „Zwei Piano, ein Instrument“:
Welche Elemente der Komposition sind erkennbar?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
Zu „Tanzendes Klavier“:
Was hat der Film des Klaviers mit der Musik zu tun?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
10
BAUSTEIN C
SWR-Sendung mit Wibke Gerking und Simon Steen-Andersen
(SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr)
Aufgabe: Hört euch das Interview mit dem Komponisten an und beantwortet die Fragen.
1) Was hat Simon Steen-Andersen mit Alltagsgeräuschen gemacht?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
2) Wie verwendet der Komponist das Orchester?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
3) Was sagt der Komponist zur Zerstörung?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
4) Wie wichtig ist Steen-Andersen das Bild? Welche zwei verschiedenen „Klangwelten“
schafft er?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
11
BAUSTEIN D
Das Klavierkonzert hat Steen- Andersen extra für die Donaueschinger Musiktage
komponiert (= Auftragskomposition).
Informiere dich über die Donaueschinger Musiktage.
z. B. hier http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen
1) Was sind die Donaueschinger Musiktage?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
2) Seit wann finden sie statt und wie oft? _________________________________________
3) Welche Art von Musik wird hier aufgeführt?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
4) Was ist eine Uraufführung?__________________________________________________
__________________________________________________________________________
5) Welche Komponisten werden 2016 dort eine Uraufführung haben?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
6) Wer ist der künstlerische Leiter der Donaueschinger Musiktage und seit wann?
___________________________________________________________________________
12
BAUSTEIN E
Informationen zum Komponisten
1) Recherchiert im Internet wichtige Lebens-Daten des Komponisten.
z. B. unter http://www.cresc-biennale.de/de/kuenstler/simon-steen-andersen oder
http://www.simonsteenandersen.dk (Website des Komponisten auf Englisch)
2) Nenne drei Titel seiner Kompositionen.
______________________________________________________________________________
3) Welchen Eindruck macht die Homepage des Komponisten auf euch?
4) Wie stellt ihr euch den Komponisten als Person vor?
______________________________________________________________________________
13
Links
Klavierkonzert von Simon Steen-Andersen auf youtube (nur Audioaufnahme)
https://www.youtube.com/watch?v=i5Zt6vgvSMo (Dauer ca. 27 Minuten).
SWR-Radio-Sendung (SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr)
Gespräch von Wibke Gerking mit dem Komponisten (Möglichkeit zum Download als mp3)
http://swrmediathek.de/player.htm?show=20de09e0-5612-11e4-91d1-0026b975f2e6
(Dauer ca. 10 Minuten)
Multimedia-Reportage zum Klavierkonzert
http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto
Interview mit dem Komponisten im Internet:
Simon Steen-Andersen im Gespräch mit Bernd Künzig während der Videovorproduktion,
Ettlingen, 3. September 2013
http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen/programme/steen-andersen-simonpiano-concerto/-/id=2136962/did=14198708/nid=2136962/1sw3ed5/index.html
14
Werke des Jahres 2014
Piano Concerto
Simon Steen-Andersen
Der Flügelsturz
Simon Steen-Andersen (SA) im Gespräch mit Bernd Künzig (BK) während der
Videovorproduktion, Ettlingen, 3. September 2013
BK: Der stürzende, fallende Flügel oder eine Flügel-Zerstörung – das ist fast schon ein
klassisches Motiv. Man kann es im Hollywood-Kino finden, wenn man etwa an Stan und Olli
denkt, es gab eine Flügel-Zerstörung bei Karl Valentin 1942 und natürlich in der FluxusBewegung mit der Aktion von George Maciunas bei den „Internationalen Festspielen Neuester
Musik“ in Wiesbaden 1962. Ist es in Ihrem Fall ein Anknüpfen an diese Traditionen von
Instrumentenzerstörung, vielleicht auch von Institutionskritik?
SA: Jein. Es ist selbstverständlich ein Klassiker, auf den ich mich durchaus beziehe. Aber in
meinem Fall handelt es sich um eine Umdeutung. Weder die Zerstörung selbst steht im
Mittelpunkt, noch ist diese als Provokation oder Kritik gemeint. Es handelt sich zunächst einmal
um einen Versuch, den Moment des stürzenden Flügels und seiner dabei eintretenden
Zerstörung festzuhalten. Dabei werden ungeheure Energien im Instrument freigesetzt, ohne
dass dieses tatsächlich „be-spielt“ wird; man könnte fast von einer „Ver-Spielung“ sprechen.
Die Freisetzung dieser instrumentalen Energien durch den Sturz werden in Zeitlupe
festgehalten, um das Geschehen detailliert betrachten zu können. Vor uns liegt mithin eine Art
Mikroskopierung eines hoch-energetischen Geschehens, wie man sie auch sonst durchaus aus
der Musik kennt. Darum geht es ja meiner Ansicht nach in der Musik im Allgemeinen und in
meiner Musik im Besonderen: intensive Momente aus der Nähe zu beobachten.
BK: Wenn wir jetzt einmal die Idee aufgreifen, dass der Flügel herunterfällt: Natürlich wird er
irgendwie beschädigt oder verzogen sein – man weiß zuvor nicht, wie das Ergebnis sein wird –,
aber auf jeden Fall wird der Flügel auf irgendeine Art und Weise wieder zusammengebaut, so
dass er bespielbar ist. Helmut Lachenmann formulierte, dass Komponieren bedeute, ein
Instrument zu bauen. Auch hier geht es ja buchstäblich darum, ein Instrument zu bauen. Und
15
wie ist dieses Instrument dann zu verstehen? Ist es verzogen, ist es zerstört, ist es wieder
rekonstruiert? Oder ist es ein neues Instrument?
SA: Es ist tatsächlich eine Wiederherstellung. Allerdings wird das Instrument nicht nur nach
meiner Vorstellung hergestellt. Der Sturz lässt sich ja nicht genau berechnen oder kalkulieren in
Hinblick auf ein zu erzielendes Ergebnis. Tatsächlich wird sich auch vieles durch den Zufall
dieses Geschehens ergeben. Dadurch wird letztendlich ein neues Instrument entstehen, mit
neuen Begrenzungen und Möglichkeiten, die nicht von mir erdacht sind, sondern sich aus
diesem nicht ganz steuerbaren Prozess ergeben. Im übertragenen Sinne könnte man von einem
„Dogma“-Instrument sprechen (gemeint ist eine Analogie zur spontanen, zufallsbestimmten,
nur partiell determinierten Dogma-Ästhetik im dänischen Kino der 1990er Jahre, Anmerkung
BK), das ich dann erst einmal untersuchen und ausprobieren muss, um zu erfahren, wie ich mit
ihm komponieren kann. Ich bleibe wahrscheinlich über Nacht hier in der Aufnahmehalle, um zu
sehen, welche Möglichkeiten sich nun tatsächlich ergeben haben. Wie kann man die
Begrenzungen ausnutzen? Was kann ich mir genau mit diesem Instrument ausdenken?
BK: Nicolas Hodges wird anschließend das hier in der Aufnahmehalle „rekonstruierte“, wieder
hergestellte Instrument bespielen – das wird akustisch und visuell aufgenommen werden. Und
diese Aufnahme geht dann in das Orchesterstück ein, das noch nicht komponiert ist, sondern
erst in der Folge daraus entstehen wird. Was geschieht jetzt also mit der Aufnahme, wie wird
mit diesen Klängen umgegangen?
SA: Diese Zeitlupenaufnahme der Slow-Slow-Motion-Kameras ist nicht der Hauptteil des
Stückes; sie ist eher eine Art Präludium. Dieses soll nur ein Moment sein, der dann in ein
veritables Klavierkonzert mündet, das sowohl auf einem intakten als auch auf diesem
zerbrochenen Klavier gespielt wird. Das heißt: Live wird Nicolas Hodges ein intaktes Klavier
spielen, jedoch gegenüber des Instruments auf einem Videoscreen, und auf dieses selbst wird
die Video-Aufnahme des Flügelsturzes projiziert. Auf den ersten Blick scheint es, dass wir es mit
zwei Klavieren zu tun haben, zwischen denen man sozusagen hin- und herspringen kann. Ich
sehe die Situation aber anders: Für mich handelt es sich um ein Instrument, das aus einem
perfekten, intakten und einem beschädigten, verbogenen Klavier besteht. Die Klangwelt dieses
16
sozusagen kombinierten Instruments wird sich auch ins Orchester verlagern, und das Orchester
wird zwischen den beiden Zuständen vermitteln. Insbesondere freue ich mich darauf, die
zerbrochenen Klänge zu instrumentieren und mit dem Orchester zu imitieren. Dann wird man
diese Klangwelt auch anders wahrnehmen können. Denn es handelt sich nicht mehr um eine
Musik oder musikalische Sprache im Sinne eines abstrakten Ausdrucks, sondern der Vorgang
wird konkret: Es ist die Nachahmung eines zerbrochenen Instruments. Und diese Nachahmung
findet im und mit dem Orchester statt, und wir erleben dieses als zerbrochenes Instrument –
darauf freue ich mich!
BK: Die Visualität spielt in Ihren Werken eine wichtige Rolle. Sie arbeiten oft mit
Videoprojektion, teilweise live, teilweise aufgezeichnet. Jetzt wird dieser Flügelsturz in SlowSlow-Motion-Technik aufgenommen. Sie haben zu dieser Art der Verlangsamung schon einiges
gesagt. Aber was verbirgt sich noch weiter hinter der Anwendung dieser komplexen AufnahmeTechnik?
SA: Ich mag ja gerne komplexe, hoch-energetische Momente. Aber es gibt eine Begrenzung für
die Sinne. Es wird so viel in diesen zwei, drei Sekunden des Sturzes passieren, was man mit
unseren gewöhnlichen Sinnen gar nicht sofort erfassen kann. Der Sturz rauscht sozusagen
vorbei. Was sich hinter diesem Vorgang des Vorbeirauschens aber alles verbirgt, wird die SlowSlow-Motion-Technik, dieses Zeitmikroskop, überhaupt erst sichtbar machen. Dabei wird das
zeitlich Allerkleinste zu einer Art Großform ausgedehnt. Es gibt den auslösenden Moment des
Sturzes, dann den Fall selbst, das Aufprallen und schließlich das Auseinanderbrechen des
Instruments und die sich daran anschließende Beruhigung. Das ist fast schon ein Ablauf einer
musikalischen Form, die aber derart beschleunigt ist, dass wir sie mit unseren begrenzten
Sinnen gar nicht wahr- oder aufnehmen können. Erst durch die Wahrnehmung dieses Ablaufs
durch die Zeitlupenbrille der Slow-Slow-Motion-Technik können wir den Vorgang mit seinen
Elementen und Formbildungen beobachten, hören, sehen und erleben. Zugleich werden wir
den Vorgang aber auch mit einem gewissen Abstand wahrnehmen können, wenn er durch die
kompositorische Arbeit dann ins Orchester verlagert werden wird.
BK: Wenn wir jetzt noch einmal diesen Gestus des fallenden Flügels betrachten, dann könnte
man – frei nach Bruce Nauman – sagen, dass das eine Art von Skulptur ist. Nauman hat das
einmal so definiert, dass eine Skulptur nicht dadurch bestimmt ist, dass man einen Stein behaut
17
oder ein Holz besägt, um eine Form herzustellen, sondern dass die Skulptur eigentlich nur im
Raum ist. Das heißt, sie besteht aus einem Raumgestus. Er hat in seinen Videoarbeiten, in
denen es gar nicht um materielle Gegenstände geht, derartige Raumgesten ausgeführt, ohne
eine materielle Form herzustellen. Und hier durchquert ein Flügel, ein Klang-Körper, den Raum.
Wird dabei wirklich eine Klangskulptur oder ein skulpturaler Klang als Idee umgesetzt? Können
Sie mit der Idee etwas anfangen?
SA: Ja, und zwar auf vielen verschiedenen Ebenen. Hier passiert ein Geschehen im Raum, das
festgehalten wird. Und weil es in der Wiedergabe durch die Slow-Slow-Motion-Technik so
langsam abläuft, ist es fast gefroren. Aber dennoch wird sich dieser eben nur scheinbar
eingefrorene Ablauf bewegen. Da wir den Vorgang mit mehreren Kameras aus verschiedenen
Perspektiven festhalten, können wir den Vorgang auch aus verschiedenen Raumperspektiven
betrachten. Wir nehmen das Objekt und was mit ihm geschehen wird aus verschiedenen
Raumperspektiven wahr, die es sozusagen umrunden. In diesem raumperspektivischen,
dreidimensionalen Sinne wird der Vorgang in der Tat als Skulptur oder zumindest als Teile einer
Skulptur zu sehen sein. Man kann folglich auch Klangskulptur sagen, da es ja die gestreckte Zeit
der Slow-Slow-Motion-Aufnahme ist, die diesen Vorgang mit und an einem Klangkörper
ausdehnen wird. Dadurch entsteht für mein Empfinden eben auch etwas Skulpturales.
Stand: 19.9.2014, 15.36 Uhr
Quelle: http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen/programme/steen-andersen-simon-piano-concerto//id=2136962/did=14198708/nid=2136962/1sw3ed5/index.html (Zugriff im März 2016)
Das Interview ist auch im Programmheft der Donaueschinger Musiktage 2014 veröffentlicht worden (S. 89-91).
Herunterladen