Simon Steen-Andersen: Piano Concerto (Orchesterpreis Donaueschinger Musiktage 2014) 70 Jahre SWR Sinfonieorchester Samstag, 07. Mai 2016, 21 Uhr Freiburg, Konzerthaus SWR Sinfonie-Orchester Baden-Baden und Freiburg Maurice Ravel: „La valse” u. a. Nicholas Hodges, Klavier Leitung: François-Xavier Roth Empfohlen ab Klasse 8 Von Maria Hörl 1 Inhaltsverzeichnis des Unterrichtsmaterials zu Simon Stehen-Andersens „Piano Concerto“ (Klavierkonzert) (2014) Für Lehrerinnen und Lehrer (mit Lösungsvorschlägen): Baustein A: Baustein B: Baustein C: Baustein D: Baustein E: Eigenkomposition „Sturz und Zerstörung“ 3 Multimedia-Reportage 4 Radiosendung: Gespräch mit dem Komponisten im SWR 5 Donaueschinger Musiktage 6 Informationen zum Komponisten: Rechercheaufgabe 6 Für Schülerinnen und Schüler: Baustein A: Baustein B: Baustein C: Baustein D: Baustein E: Eigenkomposition „Sturz und Zerstörung“ 7 Multimedia-Reportage 8 Radiosendung: Gespräch mit dem Komponisten im SWR 10 Donaueschinger Musiktage 11 Informationen zum Komponisten: Rechercheaufgabe 12 Anhang: - Links - Interviewtext: Bernd Künzig im Interview mit dem Komponisten - Sendung SWR Cluster als mp3 2 Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer mit Lösungsvorschlägen Inhalte: Eigenkomposition mit Aufnahme von Geräuschen und Zerstörung, Erarbeitung von Inhalten anhand einer Multimedia-Reportage im Internet, Hörverstehen mit Sendung „SWR Cluster“ mit Interview des Komponisten, Hintergrundinformationen zu den Donaueschinger Musiktagen (Recherche), Hintergrundinformationen zum Komponisten (eigene Homepage, Interview). Materialien: Multimedia-Reportage im Internet, SWR-Sendung als mp3 oder im Internet als stream, Interview mit dem Komponisten als Word-Dokument. Medien: Aufnahmegeräte oder Filmkameras (auch mit Handys oder Tablets möglich). Zielgruppe: Ab Klasse 8 Dauer der Unterrichtseinheit: Zwischen 2 und 4 Schulstunden 3 BAUSTEIN A Kompositionsauftrag: 1) Wähle einen Alltagsgegenstand aus, den zu zerstören kannst/darfst (z. B. einen einzeln Teller, alte Lego-Burg,…). 2) Werfe ihn in sicherer Umgebung mit genügend Abstand auf den Boden bzw. lass ihn von oben fallen und nimm das Geräusch mit einem Aufnahmegerät oder dem Handy auf (ggf. als Video, auch aus mehreren Perspektiven). 3) Höre die Aufnahme des Sturzes an. Wie klingt der Aufprall / die Zerstörung? Wie wirkt die Zerstörung im Video, wenn du die Aufnahmen in Zeitlupe abspielst? 4) Falls es nur eine Audio-Aufnahme gibt: Können deine Mitschülerinnen und Mitschüler anhand des Geräusches erraten, welchen Gegenstand du zerstört hast? 5) Komponiert ein Stück mit allen Aufnahmen, die in der Klasse entstanden sind. Überlegt, wie ihr Klänge von noch nicht zerstörten Gegenständen und die aufgenommenen Klänge der Gegenstände, die zerstört wurden, in die Komposition mit einbeziehen könnt. 6) Vergleicht nun eure Eigenkomposition mit dem Klavierkonzert von Steen-Andersen, indem ihr euch die Multimedia-Reportage anschaut. 4 BAUSTEIN B Multimedia-Reportage mit Videoelementen, Interviews, Hintergrundtexten und Musik zu Simon Steen-Andersens „Piano Concerto” (for piano solo, sampler, video and orchestra) (2014) Die folgenden Recherche-Aufgaben können Schülerinnen und Schüler eigenständig im PC-Raum erarbeiten. Sollte dies nicht möglich sein, können die Aufgaben als Hausaufgabe gegeben – oder gemeinsam im Unterricht am Smartboard erarbeitet werden. Aufgaben zur Multimedia-Reportage zu Simon Steen-Andersens Klavierkonzert Geht auf die Seite http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto und erarbeitet euch die Inhalte der Reportage eigenständig. Scrollt euch dazu durch die verschiedenen Bilder und Hörbeispiele und recherchiert die Antworten zu den Fragen. Hinweis: Falls der Button „LOS GEHT‘S“ auf der Startseite nicht zu sehen ist, sollte ein anderer Browser verwendet werden. Zu „Bau eines Instruments“: Wie betrachtet der Komponist Steen-Andersen die Zerstörung des Klaviers? Als unkontrollierbare natürliche Form von der Schwerkraft entschiedene Präparation des Klaviers. Er konnte erst beginnen zu komponieren, nachdem er den Sturz mit seinen Klängen kannte. Zu „Das transformierte Klavier“: Beschreibe den Klavierklang des zerstörten Flügels. Wie wirkt er auf dich? Wie wirkt das Klavier in seiner veränderten, zerstörten Form auf dich? Zu „Beschreibung der Aufnahmen“: Woraus besteht das „Material“ von Steen-Andersens Stück? Aus sämtlichen Klängen des zerstörten Klaviers, alle Töne wurden aufgenommen, 5 verschiedene Dynamiken wurden aufgenommen etc. Das Orchester spielt quasi eine Instrumentation dieser zerbrochenen Klänge. Zu „Zwei Piano, ein Instrument“: Welche Elemente der Komposition sind erkennbar? Der Solist (Pianist) am echten Flügel, Video des kaputten Flügels auf einer Projektionsfläche in Flügelform. Im Video spielt der gleiche Solist auf dem kaputten Flügel. Daneben ist das Orchester im Hintergrund. Zu „Tanzendes Klavier“: Was hat der Film des Klaviers mit der Musik zu tun? Die Musik ist tänzerisch und ist auf das Auf- und Ab des Flügels abgestimmt. BAUSTEIN C SWR-Sendung mit Wibke Gerking und Simon Steen-Andersen (SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr) Aufgabe: Hört euch das Interview mit dem Komponisten an und beantwortet die Fragen. Ggf. ist es erforderlich, das Interview zu stoppen oder Passagen 2x zu hören. 1) Was hat Simon Steen-Andersen mit Alltagsgeräuschen gemacht? Er hat sie früher schon nachgeahmt und lässt das Orchester die Geräusche imitieren bzw. verdoppeln. 2) Wie verwendet der Komponist das Orchester? Als eine Art zerbrochenes Instrument. Es ist eine Nachahmung. Das Klavier funktioniert nicht so, wie man es gewohnt ist [nach dem Flügelsturz]. 3) Was sagt der Komponist zur Zerstörung? Um die Zerstörung an sich ging es ihm nicht. „Durch den Kontext kann es eventuell interessant werden“. 6 4) Wie wichtig ist Steen-Andersen das Bild? Welche zwei verschiedenen „Klangwelten“ schafft er? Es ist ihm wichtig, er filmt den Flügelsturz und bezieht das Visuelle mit in sein Stück ein. Er macht bei Konzerten nie die Augen zu. Er ließ den Sturz mit Zeitlupe-Kameras aufnehmen. Es gibt ein intaktes Klavier mit schönem Klang und im Gegensatzt das zerbrochene, imperfekte mit neuem Klang (= Erweiterung des regulären Klangs). BAUSTEIN D Das Klavierkonzert hat Steen-Andersen für die Donaueschinger Musiktage komponiert (= Auftragskomposition). Informiere dich über die Donaueschinger Musiktage. z. B. hier http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen 1) Was sind die Donaueschinger Musiktage? 2) Seit wann finden sie statt und wie oft? 3) Welche Art von Musik wird hier aufgeführt? 4) Was ist eine Uraufführung? 5) Welche Komponisten werden 2016 dort eine Uraufführung haben? 6) Wer ist der künstlerische Leiter der Donaueschinger Musiktage? BAUSTEIN E Informationen zum Komponisten 1) Recherchiert im Internet wichtige Lebens-Daten des Komponisten. 2) Nenne drei Titel seiner Kompositionen. z. B. unter http://www.cresc-biennale.de/de/kuenstler/simon-steen-andersen oder http://www.simonsteenandersen.dk (Website des Komponisten auf Englisch) Welchen Eindruck macht die Homepage des Komponisten auf euch? Wie stellt ihr euch den Komponisten als Person vor? 7 Unterrichtsmaterial für Schülerinnen und Schüler BAUSTEIN A Kompositionsauftrag: 1) Wähle einen Alltagsgegenstand aus, den zu zerstören kannst / darfst (z. B. einen einzeln Teller, alte Lego-Burg,…). 2) Werfe ihn in sicherer Umgebung mit genügend Abstand auf den Boden bzw. lass ihn von oben fallen und nimm das Geräusch mit einem Aufnahmegerät oder dem Handy auf (ggf. als Video, auch aus mehreren Perspektiven). 3) Höre die Aufnahme des Sturzes an. Wie klingt der Aufprall / die Zerstörung? Wie wirkt die Zerstörung im Video, wenn du die Aufnahmen in Zeitlupe abspielst? 4) Falls es nur eine Audio-Aufnahme gibt: Können deine Mitschülerinnen und Mitschüler anhand des Geräusches erraten, welchen Gegenstand du zerstört hast? 5) Komponiert ein Stück mit allen Aufnahmen, die in der Klasse entstanden sind. Überlegt, wie ihr Klänge von noch nicht zerstörten Gegenständen und die aufgenommenen Klänge der Gegenstände, die zerstört wurden, in die Komposition mit einbeziehen könnt. 6)Vergleicht nun eure Eigenkomposition mit dem Klavierkonzert von Steen-Andersen, indem ihr euch die Multimedia-Reportage anschaut. 8 BAUSTEIN B Multimedia-Reportage mit Videoelementen, Interviews, Hintergrundtexten und Musik zu Simon Steen-Andersens „Piano Concerto” (for piano solo, sampler, video and orchestra) (2014) Aufgaben zur Multimedia-Reportage zu Simon Steen-Andersens Klavierkonzert Geht auf die Seite http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto und erarbeitet euch die Inhalte der Reportage eigenständig. Scrollt euch dazu durch die verschiedenen Bilder und Hörbeispiele und recherchiert die Antworten zu den Fragen. Hinweis: Falls der Button „LOS GEHT‘S“ auf der Startseite nicht zu sehen ist, sollte ein anderer Browser verwendet werden. Zu „Bau eines Instruments“: 1) Wie betrachtet der Komponist Steen-Andersen die Zerstörung des Klaviers? ____________________________________________________________________ ____________________________________________________________________ Zu „Das transformierte Klavier“: Beschreibe den Klavierklang des zerstörten Flügels. Wie wirkt er auf dich? Wie wirkt das Klavier in seiner veränderten Form auf dich? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Zu „Beschreibung der Aufnahmen“: Woraus besteht das „Material“ von Steen-Andersens Stück? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 9 Zu „Zwei Piano, ein Instrument“: Welche Elemente der Komposition sind erkennbar? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Zu „Tanzendes Klavier“: Was hat der Film des Klaviers mit der Musik zu tun? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 10 BAUSTEIN C SWR-Sendung mit Wibke Gerking und Simon Steen-Andersen (SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr) Aufgabe: Hört euch das Interview mit dem Komponisten an und beantwortet die Fragen. 1) Was hat Simon Steen-Andersen mit Alltagsgeräuschen gemacht? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 2) Wie verwendet der Komponist das Orchester? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 3) Was sagt der Komponist zur Zerstörung? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 4) Wie wichtig ist Steen-Andersen das Bild? Welche zwei verschiedenen „Klangwelten“ schafft er? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 11 BAUSTEIN D Das Klavierkonzert hat Steen- Andersen extra für die Donaueschinger Musiktage komponiert (= Auftragskomposition). Informiere dich über die Donaueschinger Musiktage. z. B. hier http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen 1) Was sind die Donaueschinger Musiktage? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 2) Seit wann finden sie statt und wie oft? _________________________________________ 3) Welche Art von Musik wird hier aufgeführt? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 4) Was ist eine Uraufführung?__________________________________________________ __________________________________________________________________________ 5) Welche Komponisten werden 2016 dort eine Uraufführung haben? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 6) Wer ist der künstlerische Leiter der Donaueschinger Musiktage und seit wann? ___________________________________________________________________________ 12 BAUSTEIN E Informationen zum Komponisten 1) Recherchiert im Internet wichtige Lebens-Daten des Komponisten. z. B. unter http://www.cresc-biennale.de/de/kuenstler/simon-steen-andersen oder http://www.simonsteenandersen.dk (Website des Komponisten auf Englisch) 2) Nenne drei Titel seiner Kompositionen. ______________________________________________________________________________ 3) Welchen Eindruck macht die Homepage des Komponisten auf euch? 4) Wie stellt ihr euch den Komponisten als Person vor? ______________________________________________________________________________ 13 Links Klavierkonzert von Simon Steen-Andersen auf youtube (nur Audioaufnahme) https://www.youtube.com/watch?v=i5Zt6vgvSMo (Dauer ca. 27 Minuten). SWR-Radio-Sendung (SWR Cluster am 17.10.2014 um 15.05 Uhr) Gespräch von Wibke Gerking mit dem Komponisten (Möglichkeit zum Download als mp3) http://swrmediathek.de/player.htm?show=20de09e0-5612-11e4-91d1-0026b975f2e6 (Dauer ca. 10 Minuten) Multimedia-Reportage zum Klavierkonzert http://multimedia.swr.de/steen-andersen-piano-concerto Interview mit dem Komponisten im Internet: Simon Steen-Andersen im Gespräch mit Bernd Künzig während der Videovorproduktion, Ettlingen, 3. September 2013 http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen/programme/steen-andersen-simonpiano-concerto/-/id=2136962/did=14198708/nid=2136962/1sw3ed5/index.html 14 Werke des Jahres 2014 Piano Concerto Simon Steen-Andersen Der Flügelsturz Simon Steen-Andersen (SA) im Gespräch mit Bernd Künzig (BK) während der Videovorproduktion, Ettlingen, 3. September 2013 BK: Der stürzende, fallende Flügel oder eine Flügel-Zerstörung – das ist fast schon ein klassisches Motiv. Man kann es im Hollywood-Kino finden, wenn man etwa an Stan und Olli denkt, es gab eine Flügel-Zerstörung bei Karl Valentin 1942 und natürlich in der FluxusBewegung mit der Aktion von George Maciunas bei den „Internationalen Festspielen Neuester Musik“ in Wiesbaden 1962. Ist es in Ihrem Fall ein Anknüpfen an diese Traditionen von Instrumentenzerstörung, vielleicht auch von Institutionskritik? SA: Jein. Es ist selbstverständlich ein Klassiker, auf den ich mich durchaus beziehe. Aber in meinem Fall handelt es sich um eine Umdeutung. Weder die Zerstörung selbst steht im Mittelpunkt, noch ist diese als Provokation oder Kritik gemeint. Es handelt sich zunächst einmal um einen Versuch, den Moment des stürzenden Flügels und seiner dabei eintretenden Zerstörung festzuhalten. Dabei werden ungeheure Energien im Instrument freigesetzt, ohne dass dieses tatsächlich „be-spielt“ wird; man könnte fast von einer „Ver-Spielung“ sprechen. Die Freisetzung dieser instrumentalen Energien durch den Sturz werden in Zeitlupe festgehalten, um das Geschehen detailliert betrachten zu können. Vor uns liegt mithin eine Art Mikroskopierung eines hoch-energetischen Geschehens, wie man sie auch sonst durchaus aus der Musik kennt. Darum geht es ja meiner Ansicht nach in der Musik im Allgemeinen und in meiner Musik im Besonderen: intensive Momente aus der Nähe zu beobachten. BK: Wenn wir jetzt einmal die Idee aufgreifen, dass der Flügel herunterfällt: Natürlich wird er irgendwie beschädigt oder verzogen sein – man weiß zuvor nicht, wie das Ergebnis sein wird –, aber auf jeden Fall wird der Flügel auf irgendeine Art und Weise wieder zusammengebaut, so dass er bespielbar ist. Helmut Lachenmann formulierte, dass Komponieren bedeute, ein Instrument zu bauen. Auch hier geht es ja buchstäblich darum, ein Instrument zu bauen. Und 15 wie ist dieses Instrument dann zu verstehen? Ist es verzogen, ist es zerstört, ist es wieder rekonstruiert? Oder ist es ein neues Instrument? SA: Es ist tatsächlich eine Wiederherstellung. Allerdings wird das Instrument nicht nur nach meiner Vorstellung hergestellt. Der Sturz lässt sich ja nicht genau berechnen oder kalkulieren in Hinblick auf ein zu erzielendes Ergebnis. Tatsächlich wird sich auch vieles durch den Zufall dieses Geschehens ergeben. Dadurch wird letztendlich ein neues Instrument entstehen, mit neuen Begrenzungen und Möglichkeiten, die nicht von mir erdacht sind, sondern sich aus diesem nicht ganz steuerbaren Prozess ergeben. Im übertragenen Sinne könnte man von einem „Dogma“-Instrument sprechen (gemeint ist eine Analogie zur spontanen, zufallsbestimmten, nur partiell determinierten Dogma-Ästhetik im dänischen Kino der 1990er Jahre, Anmerkung BK), das ich dann erst einmal untersuchen und ausprobieren muss, um zu erfahren, wie ich mit ihm komponieren kann. Ich bleibe wahrscheinlich über Nacht hier in der Aufnahmehalle, um zu sehen, welche Möglichkeiten sich nun tatsächlich ergeben haben. Wie kann man die Begrenzungen ausnutzen? Was kann ich mir genau mit diesem Instrument ausdenken? BK: Nicolas Hodges wird anschließend das hier in der Aufnahmehalle „rekonstruierte“, wieder hergestellte Instrument bespielen – das wird akustisch und visuell aufgenommen werden. Und diese Aufnahme geht dann in das Orchesterstück ein, das noch nicht komponiert ist, sondern erst in der Folge daraus entstehen wird. Was geschieht jetzt also mit der Aufnahme, wie wird mit diesen Klängen umgegangen? SA: Diese Zeitlupenaufnahme der Slow-Slow-Motion-Kameras ist nicht der Hauptteil des Stückes; sie ist eher eine Art Präludium. Dieses soll nur ein Moment sein, der dann in ein veritables Klavierkonzert mündet, das sowohl auf einem intakten als auch auf diesem zerbrochenen Klavier gespielt wird. Das heißt: Live wird Nicolas Hodges ein intaktes Klavier spielen, jedoch gegenüber des Instruments auf einem Videoscreen, und auf dieses selbst wird die Video-Aufnahme des Flügelsturzes projiziert. Auf den ersten Blick scheint es, dass wir es mit zwei Klavieren zu tun haben, zwischen denen man sozusagen hin- und herspringen kann. Ich sehe die Situation aber anders: Für mich handelt es sich um ein Instrument, das aus einem perfekten, intakten und einem beschädigten, verbogenen Klavier besteht. Die Klangwelt dieses 16 sozusagen kombinierten Instruments wird sich auch ins Orchester verlagern, und das Orchester wird zwischen den beiden Zuständen vermitteln. Insbesondere freue ich mich darauf, die zerbrochenen Klänge zu instrumentieren und mit dem Orchester zu imitieren. Dann wird man diese Klangwelt auch anders wahrnehmen können. Denn es handelt sich nicht mehr um eine Musik oder musikalische Sprache im Sinne eines abstrakten Ausdrucks, sondern der Vorgang wird konkret: Es ist die Nachahmung eines zerbrochenen Instruments. Und diese Nachahmung findet im und mit dem Orchester statt, und wir erleben dieses als zerbrochenes Instrument – darauf freue ich mich! BK: Die Visualität spielt in Ihren Werken eine wichtige Rolle. Sie arbeiten oft mit Videoprojektion, teilweise live, teilweise aufgezeichnet. Jetzt wird dieser Flügelsturz in SlowSlow-Motion-Technik aufgenommen. Sie haben zu dieser Art der Verlangsamung schon einiges gesagt. Aber was verbirgt sich noch weiter hinter der Anwendung dieser komplexen AufnahmeTechnik? SA: Ich mag ja gerne komplexe, hoch-energetische Momente. Aber es gibt eine Begrenzung für die Sinne. Es wird so viel in diesen zwei, drei Sekunden des Sturzes passieren, was man mit unseren gewöhnlichen Sinnen gar nicht sofort erfassen kann. Der Sturz rauscht sozusagen vorbei. Was sich hinter diesem Vorgang des Vorbeirauschens aber alles verbirgt, wird die SlowSlow-Motion-Technik, dieses Zeitmikroskop, überhaupt erst sichtbar machen. Dabei wird das zeitlich Allerkleinste zu einer Art Großform ausgedehnt. Es gibt den auslösenden Moment des Sturzes, dann den Fall selbst, das Aufprallen und schließlich das Auseinanderbrechen des Instruments und die sich daran anschließende Beruhigung. Das ist fast schon ein Ablauf einer musikalischen Form, die aber derart beschleunigt ist, dass wir sie mit unseren begrenzten Sinnen gar nicht wahr- oder aufnehmen können. Erst durch die Wahrnehmung dieses Ablaufs durch die Zeitlupenbrille der Slow-Slow-Motion-Technik können wir den Vorgang mit seinen Elementen und Formbildungen beobachten, hören, sehen und erleben. Zugleich werden wir den Vorgang aber auch mit einem gewissen Abstand wahrnehmen können, wenn er durch die kompositorische Arbeit dann ins Orchester verlagert werden wird. BK: Wenn wir jetzt noch einmal diesen Gestus des fallenden Flügels betrachten, dann könnte man – frei nach Bruce Nauman – sagen, dass das eine Art von Skulptur ist. Nauman hat das einmal so definiert, dass eine Skulptur nicht dadurch bestimmt ist, dass man einen Stein behaut 17 oder ein Holz besägt, um eine Form herzustellen, sondern dass die Skulptur eigentlich nur im Raum ist. Das heißt, sie besteht aus einem Raumgestus. Er hat in seinen Videoarbeiten, in denen es gar nicht um materielle Gegenstände geht, derartige Raumgesten ausgeführt, ohne eine materielle Form herzustellen. Und hier durchquert ein Flügel, ein Klang-Körper, den Raum. Wird dabei wirklich eine Klangskulptur oder ein skulpturaler Klang als Idee umgesetzt? Können Sie mit der Idee etwas anfangen? SA: Ja, und zwar auf vielen verschiedenen Ebenen. Hier passiert ein Geschehen im Raum, das festgehalten wird. Und weil es in der Wiedergabe durch die Slow-Slow-Motion-Technik so langsam abläuft, ist es fast gefroren. Aber dennoch wird sich dieser eben nur scheinbar eingefrorene Ablauf bewegen. Da wir den Vorgang mit mehreren Kameras aus verschiedenen Perspektiven festhalten, können wir den Vorgang auch aus verschiedenen Raumperspektiven betrachten. Wir nehmen das Objekt und was mit ihm geschehen wird aus verschiedenen Raumperspektiven wahr, die es sozusagen umrunden. In diesem raumperspektivischen, dreidimensionalen Sinne wird der Vorgang in der Tat als Skulptur oder zumindest als Teile einer Skulptur zu sehen sein. Man kann folglich auch Klangskulptur sagen, da es ja die gestreckte Zeit der Slow-Slow-Motion-Aufnahme ist, die diesen Vorgang mit und an einem Klangkörper ausdehnen wird. Dadurch entsteht für mein Empfinden eben auch etwas Skulpturales. Stand: 19.9.2014, 15.36 Uhr Quelle: http://www.swr.de/swr2/festivals/donaueschingen/programme/steen-andersen-simon-piano-concerto//id=2136962/did=14198708/nid=2136962/1sw3ed5/index.html (Zugriff im März 2016) Das Interview ist auch im Programmheft der Donaueschinger Musiktage 2014 veröffentlicht worden (S. 89-91).