Mehrstufiges Marketing entlang der Value Chain

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Mehrstufiges Marketing entlang der Value Chain
Beigesteuert von Prof. Dr. Christian Lüthje, Direktor IMU-Innovation Institut für Marketing und Unternehmen Uni Bern
Unternehmen müssen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette erkennen,
dass die klassischen, auf die direkten Kunden gerichteten Massnahmen kaum
noch greifen. In dieser Situation entschliessen sich immer mehr Unternehmen,
das Marketing auf die Kunden ihrer Kunden auszurichten. Sie betreiben mehrstufiges
Marketing.
Flagschiffe des mehrstufigen
Marketings sind Unternehmen
wie Intel, Gore-Tex und
Tetra-Pack, die erfolgreiches «ingredient
branding» betreiben. Diese
Unternehmen haben eine Marke für
ihre Produkte kreiert, die auf allen
relevanten Stufen der Value Chain
bekannt ist. Damit kreieren sie einen
Nachfragesog über die indirekten
Kunden und binden somit direkte
Kunden an das Unternehmen. Der
Slogan «Intel inside» ist ein gutes
Beispiel für diesen Effekt. Dass die
Marke Intel nicht nur Computerherstellern,
sondern auch den Endkunden
bekannt ist, begründet einen
grossen Teil des Erfolgs bei Intel.
Mehrstufiges Marketing beschränkt
sich jedoch nicht nur auf die Markenpolitik,
auch wenn «ingredient
brands» die grösste Aufmerksamkeit
in diesem Bereich ausgelöst haben.
Wie im Folgenden gezeigt
wird, sind die Ansatzpunkte für
mehrstufiges Marketing wesentlich
vielfältiger.
Schritt für Schritt:
Der Entwicklungspfad in Richtung
Value Chain Management
Die Innovationsabteilung des Instituts
für Marketing und Unternehmensführung
an der Universität
Bern hat die mehrstufigen Marketingaktivitäten
zahlreicher Unternehmen
genauer unter die Lupe genommen
und dadurch Erfolgsfaktoren
im Management komplexer
Wertschöpfungsketten identifiziert.
Die Analysen zeigen, dass sich mehrstufiges
Marketing nicht nur für
Grosskonzerne eignet, sondern auch
von mittelständischen Unternehmen
erfolgreich betrieben wird. Die
Ergebnisse der Analysen sprechen
weiterhin eindeutig für die zunehmende
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Bedeutung des mehrstufigen Marketings: Die meisten der untersuchten
Unternehmen planen den
Ausbau ihrer Aktivitäten in diesem
Bereich.
Wenn Unternehmen den ersten
Schritt zum mehrstufigen Marketing
machen, beginnen sie häufig damit,
ihre «normalen» Aktivitäten in der
Kommunikation, in der Verkaufsförderung
und im persönlichen Verkauf
gezielter auf die Kunden ihrer Kunden
auszurichten. In der nächsten
Stufe versuchen Unternehmen dann
vielfach, neue Marketinginstrumente
zu konzipieren und diese eigens
für die indirekten Abnehmer masszuschneidern.
Eine Stufe höher stehen
dann Unternehmen, deren
mehrstufige Marketingaktivitäten in
einem umfassenden Value Chain
Management eingebettet sind. In
diesen Unternehmen kann beispielsweise
beobachtet werden, dass
mehrstufiges Marketing zur Anbahnung
und Umsetzung von Entwicklungskooperationen
mit indirekten
Abnehmern dient.
Mehrstufiges Marketing: Der indirekte Kunde ist mittendrin.
Den Hebel ansetzen:
Die zwei Stossrichtungen des
mehrstufigen Marketings
Durch mehrstufiges Marketing verfolgen
B2B Hersteller zwei Ziele: Sie
wollen zum einen bei indirekten
Kunden Präferenzen für die eigenen Produkte schaffen. Sie wollen zum
zweiten ein Verständnis über die abgeleitete
Nachfrage nach ihren Produkten
entwickeln. Wenn Anbieter
nicht nur die Bedarfe der nächsten,
sondern möglichst vieler nachgelagerter
Stufen der Wertschöpfungskette
kennen, können sie marktgerechte
Innovationen entwickeln.
Das erste Ziel ist vor allem durch
Kommunikationsmassnahmen und
Instrumente der Absatzförderung
zu erreichen. Das zweite Ziel verlangt
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nach mehrstufiger Marktforschung.
Prof. Dr. Christian
Lüthje, Gastautor
Mehrstufige Kommunikation
und Absatzförderung:
Der indirekte Kunde ist mittendrin
statt nur dabei!
Häufig werden indirekte Abnehmer
über die normalen Kommunikationsund Absatzförderungsaktivitäten
mitbearbeitet, die eigentlich
zur Ansprache der direkten Kunden
konzipiert sind. Einige Unternehmen
haben jedoch erkannt, dass das
Erscheinungsbild von Messenständen,
die Botschaften in Anzeigen,
die Informationen in Fachartikeln
und die Gestaltung von Produktbroschüren
auf indirekte Kunden ausgerichtet
werden müssen, sollen sie auf
allen nachgelagerten Marktstufen
die erwünschte präferenzschaffende Wirkung entfalten. Zwei untersuchte
Hersteller der chemischen Industrie
(Spezialitätenchemie) platzieren
beispielsweise gezielt Fachartikel
in Branchenzeitschriften, die
insbesondere von den Kunden ihrer
Kunden gelesen werden.
Auch im persönlichen Verkauf
werden die indirekten Kunden häufig
über Vertriebsmitarbeiter mitbetreut,
die hauptsächlich für die direkten
Kunden zuständig sind. Einige
der analysierten Unternehmen
haben jedoch eine eigene Vertriebseinheit
für die Bearbeitung indirekter
Kunden eingerichtet
und die Mitarbeiter speziell
für diese Aufgabe
geschult. Einer der untersuchten
Hersteller in der
optischen Industrie geht
dabei noch weiter. Bei
der Vertriebsorganisation
dieses Unternehmens
wird nicht mehr
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zwischen direkten und
indirekten Kunden unterschieden.
Wenn ein indirekter
Kunde durch seine Nachfrage
letztlich für hohe Umsätze verantwortlich
ist, wird dieser Kunde
selbstverständlich von einem Key
Account Manager betreut.
Wie bereits angedeutet wurde, haben
einige der untersuchten Unternehmen
eigens auf indirekte Kunden
zugeschnittene Aktivitäten neu
eingeführt. Beispielsweise hat ein
Druckmaschinenhersteller ein umfangreiches
Schulungsprogramm
entwickelt, durch das grosse Abnehmer
von Printprodukten oder Verpackungen,
also die indirekten Kunden,
über neue drucktechnische
Verfahren, Color-Management oder
Sicherheitsdruck zum Schutz vor
Plagiaten informiert werden. Damit
sollen indirekte Kunden für die Qualitätsvorteile
der eigenen Druckmaschinen
sensibilisiert werden. Letztlich
ist das Ziel, dass die indirekten
Kunden ihren Druckereien und Verpackungsherstellern
die Verwendung
bestimmter Druckmaschinen
vorschreiben. Ein weiteres Beispiel
stammt von einem Lieferanten chemischer
Grundstoffe für die Bauchemie.
Dieses Unternehmen errichtete
Niedrigenergie-Musterhäuser, um
Architekten und Bauunternehmen
die positiven Energieeffekte innovativer
Grundstoffe in der Bauchemie zu verdeutlichen. Diese Aktion wurde
durch intensive Kommunikationsmassnahmen
flankiert (z.B.
publikumswirksame Richtfeste, Berichte
in den Medien, Zusammenarbeit
mit örtlichen öffentlichen Stellen).
Mehrstufige Marktforschung:
Weitsichtig ist der, der über den
eigenen Kunden hinausblickt!
Die mehrstufige Marktforschung ist
bei den Unternehmen, die sie betreiben,
eng mit Innovationszielen verbunden.
Zahlreiche der untersuchten
Hersteller stellen
fest, dass ihre direkten
Kunden oftmals zurückhaltender
auf Innovationen
reagieren als
ihre indirekten Abnehmer.
Darum versuchen
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Hersteller den Innovationswiderstand
zu
durchbrechen, indem
sie ihren direkten Kunden
die positiven Auswirkungen
der Innovationen
auf nachgelagerten Stufen
der Value Chain faktenbasiert verdeutlichen.
In einigen der untersuchten
Industrien wird mehrstufige
Marktforschung sogar von den direkten
Kunden verlangt. So ist zu beobachten,
dass grosse Konzerne der
Lebensmittelindustrie Endverbrauchermarktforschung
zunehmend an
ihre Lieferanten auslagern. Möchte
beispielsweise ein Hersteller von Geschmackstoffen
ein innovatives Produkt
vorstellen, verlangen die Lebensmittelhersteller
ein vollständiges,
durch Marktforschung gestütztes
Konzept für Endprodukte, in die
der neue Geschmacksstoff eingehen
soll.
Mit mehrstufiger Marktforschung
sollen also wichtige Marktentwicklungen
weiter vorne in der Wertschöpfungskette
proaktiv identifiziert
und bei der Entwicklung zukunftsfähiger
Innovationen berücksichtigt
werden. Hersteller können
damit vermeiden, von den eigenen
Kunden mit neuen Anforderungen
der indirekten Kunden überrascht zu
werden. Dies ist insbesondere dann
zu befürchten, wenn die direkten Abnehmer
selbst nur unzureichende
Marktforschung betreiben.
Mehrstufige Marktforschung kann
jedoch nicht nur in angestammten
Märkten zum Einsatz kommen. Einige
der untersuchten Unternehmen
analysieren mittelbar nachgelagerte
Wertschöpfungsstufen, um gänzlich
neue Anwendungsfelder für ihre
Technologien und Vorprodukte zu
identifizieren. So konnte ein Hersteller
optischer Komponenten, der
ursprünglich auf Laserdioden für
Glasfasernetze spezialisiert war,
durch mehrstufige Marktforschung
neue Anwendungsfelder in den Bereichen
Laserschweissen, Computerperipherie,
Gassensoren sowie
potentielle indirekte Abnehmer medizinischer
und militärischer Applikationen
identifizieren. Durch mehrstufige
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Marktforschung kann also
das Potential neuer Anwendungen
evaluiert werden, bevor grosse Investitionen
zur Produkt- und Marktentwicklung
getätigt werden. Häufig
werden die neuen Anwendungen gemeinsam
mit fortschrittlichen indirekten
Kunden entwickelt. Insofern
dient mehrstufige Marktforschung
auch der Identifikation attraktiver
Kooperationspartner in Wertschöpfungsketten,
die ein Hersteller erstmalig
bearbeiten will.
Konzentrieren und Verbünden:
Zwei Erfolgsfaktoren
des mehrstufigen Marketings
Präferenzen bei einem indirekten
Kunden können nur dann geschaffen
werden, wenn die Eigenschaften
der Vorprodukte für diesen auch bedeutend
sind. Unternehmen sollten
ihre mehrstufigen Marketingaktivitäten
vor allem auf Leistungen
konzentrieren, deren Qualitätsvorteile
für den indirekten Kunden
noch wichtiger sind als für den indirekten
Kunden. Beispielsweise mag
ein neu entwickeltes chemisches
Additiv, das Lebensmittel in Verpackungen
länger frisch hält, für
den Verpackungshersteller (direkter
Kunde) nur von geringem Interesse
sein. Wenn dieser Zusatzstoff
gar die Veränderung der Produktionsprozesse
beim Verpackungshersteller
erfordert, sind sogar
Widerstände zu befürchten. Für
Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie
(indirekte Kunden) liegt
der Vorteil des neuen Einsatzstoffes
jedoch auf der Hand. Es macht somit
Sinn, das neue Additiv aktiv bei
den indirekten Kunden bekanntzumachen.
Ein weiteres Fallbeispiel aus der Nahrungsmittelindustrie
betrifft einen Hersteller modifizierter
Stärke. Das Unternehmen beschränkt
seine Aktivitäten zum Aufbau
einer Produktmarke bewusst
auf ein einzelnes Produkt seiner
breiten Produktpalette. Dieses Vorprodukt
wurde ausgewählt, weil es
die Gesundheit der Konsumenten
nachweislich fördert. Der Nutzen
für den Konsumenten lässt sich in
diesem Fall besonders leicht kommunizieren.
Nur weil dies gewährleistet
ist, besteht überhaupt eine
Chance, eine erfolgreiche «functional
food» Marke zu etablieren.
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Mehrstufiges Marketing ist nur
selten Ausdruck einer konfliktären
Beziehung zwischen Herstellern
und ihren direkten Kunden. Mehrstufige
Aktivitäten werden von Herstellern
daher nur selten zur Durchbrechung
der Marktmacht direkter
Kunden eingesetzt. Das Gegenteil
ist in den meisten der untersuchten
Unternehmen der Fall. Die NichtVerärgerung direkter Kunden ist eine
strenge Nebenbedingung, denen
alle Aktivitäten des mehrstufigen
Marketings genügen müssen. Folglich
wird mehrstufiges Marketing
häufig in Kooperation mit den direkten
Kunden geplant und umgesetzt.
Geschrieben von: Gastautor Prof. Dr. Christian Lüthje, Direktor IMU-Innovation Institut für Marketing und Unternehmen
Universität Bern
Über IMU-Innovation
Die Abteilung Industriegüter- und
Technologiemarketing (IMU-Innovation)
des Instituts für Marketing
und Unternehmensführung der Universität
Bern beschäftigt sich mit
zukunftsweisenden Fragestellungen
in der Schnittstelle zwischen
Marketing und Innovation. Dazu
gehören Themen wie Open Innovation,
Lead User Management und
Value Chain Marketing. Der Fokus
liegt damit auf Strategien und
Methoden eines marktorientierten
Innovationsmanagements. Das
IMU-Innovation steht als kompetenter
Kooperationspartner für den
Wissenstransfer zwischen Forschung
und Praxis zur Verfügung.
Weitere Informationen zum
IMU-Innovation finden Sie unter:
www.innovation.imu.unibe.ch
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