Güte, die verändert Predigt zu Röm 2,1-11 (Buß- und Bettag 2016) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, wer kann vor Gott bestehen? Du, ich? Wir alle? Oder keiner? Wer kann vor Gott bestehen? Ohne diese Frage wären wir heute Abend nicht versammelt. Es ist eine Besonderheit des Menschen, dass er fragen kann: Gibt es Gott? Und wenn ja – wer kann vor ihm bestehen? Tiere kommen nicht auf diese Frage. Wer kann vor Gott bestehen? Diese Frage war entscheidend auf dem Weg zur Reformation. Martin Luther hat mit dieser Frage gerungen, und als er die Antwort gefunden hatte, hat er gemerkt: Die Menschen um mich herum wissen es nicht. Es wird ihnen vorenthalten zu wissen, wie sie vor Gott bestehen können. Es gibt einen Weg, aber sie kennen ihn nicht. Weil die Kirche meiner Zeit diesen Weg zugemauert hat. Und so kam die Reformation in Gang. 1 Wer kann vor Gott bestehen? Martin Luther hat die Antwort im Römerbrief gefunden. Das ist kein Zufall, denn im Römerbrief stellt der Apostel Paulus ebenfalls genau diese Frage: Wer kann vor Gott bestehen? Du, ich? Wir alle? Oder keiner? Ich lese aus Römer 2, die Verse 1 bis 11: 1 Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. 2 Wir wissen aber, dass Gottes Urteil zu Recht über die ergeht, die solches tun. 3 Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? 5 Du aber, mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen, häufst dir selbst Zorn an für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der einem jeden geben wird nach seinen Werken: 7 ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; 8 Zorn und Grimm aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit; 2 9 Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die das Böse tun, zuerst der Juden und auch der Griechen; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die das Gute tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. 11 Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. (Gebet) Liebe Gemeinde, „Sieben Wochen ohne Ausreden“ – so hieß einmal eine Fastenaktion der Evangelischen Kirche. Jedes Jahr in den Wochen vor Ostern gibt es diese Aktion, immer mit einem anderen Motto. Im Jahr 2011 lautete dieses Motto: „Ich war´s – Sieben Wochen ohne Ausreden.“ Fastenzeit ist Bußzeit, und damit verwandt mit dem Tag, den wir heute begehen: Buß- und Bettag. Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist. Denn worin du den anderen richtest, verdammst du dich selbst. Paulus muss sich ganz schön sicher sein. Mit aller Klarheit stellt er fest: Kein Mensch hat das Recht, andere zu richten. Keiner hat das Recht, sich über andere zu stellen. Wenn wir damit anfangen, sprechen wir letztlich das Urteil über uns selbst. 3 Das muss man erstmal sacken lassen. Wir sind es doch gewohnt, die Fehler und Unzulänglichkeiten anderer herauszustreichen. Menschen in der Öffentlichkeit, Menschen in unserem privaten Umfeld: Da gibt es doch genügend Beispiele, von denen wir sagen würden: Nein, also das geht gar nicht, was der oder die macht. Diese Amerikaner…! Diese Terroristen vom IS…! Dieser unehrliche Politiker! Diese Betrüger mit den Schwarzgeldkonten! Und die Piloten der Lufthansa wollen schon wieder streiken. Das ist doch nicht zu fassen! Ich würde so etwas nie machen! Lass es bleiben, sagt Paulus: Du hast kein Recht, über andere zu richten. Du nicht! Ich auch nicht. Keiner von uns. Wir sitzen nicht auf der Richterbank, und auch nicht auf dem Stuhl des Anklägers, nein: Wir sitzen auf der Anklagebank, und wenn es nach dem Maßstab geht, wie wir eigentlich sein sollten, steht das Urteil fest: Schuldig. Denn: Selbstgerecht. Egoistisch. Lieblos. Nicht so, wie von Gott gedacht. Wie können wir vor Gott bestehen? Solange wir uns an unsere Möglichkeiten klammern, lautet die Antwort: Wir 4 können nicht vor Gott bestehen. Das hat Paulus erlebt und erkannt, das hat Martin Luther erlebt und erkannt. Aber sie haben auch erkannt: Das ist nicht das letzte Wort. Gott selbst hat die Wende vollbracht. Er macht es von sich aus möglich: Wir können vor ihm bestehen. Er lädt uns ein, neues Leben zu empfangen. Darum geht es an Buß- und Bettag. Buße bedeutet Umkehr, Veränderung. „Kehrt um!“ das ist die erste kurze Predigt, die Jesus hält. Markus 1,15: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist da. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Das ist eine Einladung – und eine Aufforderung. Und sie gilt allen. Nicht nur irgendwelchen Schwerverbrechern. Nicht nur denjenigen, die im Ruf stehen, besonders viel und besonders schlimme Dinge auf dem Kerbholz zu haben. Kehrt um! Das ist Aufforderung und Einladung für mich, für uns alle. Auch zum Gottesdienst an Buß- und Bettag sind wir alle eingeladen. Genauso wie nachher zum Abendmahl. Keiner sitzt hier gerade am falschen Ort. 5 Die Frage ist: Was bringt uns dazu, der Einladung zu folgen? Umzukehren, unser Vertrauen wieder neu auf Gott zu setzen? Wie geschieht es, dass sich unser Leben zum Guten verändert? In Vers 4 steht ein wunderbarer Satz: Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr leitet? Was für eine Zusage! Es muss nicht Gottes Zorn sein, kein Drohen und Warnen mit erhobenem Zeigefinger, sondern: Gottes Güte, die Botschaft von der Barmherzigkeit und Freundlichkeit Gottes, die in Jesus Gestalt gewinnt – das bewirkt Veränderung. Konkrete Veränderung. Ich möchte mal versuchen, das an vier Punkten zu zeigen: Erstens: Im Licht von Gottes Liebe wird deutlich, wie weit wir von dieser Liebe entfernt sind – und es entsteht die Sehnsucht, selbst mit dieser Liebe erfüllt zu leben und sie weiterzugeben. Dazu braucht es Umkehr. Gottes Güte leitet zur Umkehr. 6 Zweitens: Im Licht der Freiheit, auf deren Weg uns Gottes Güte leitet, wird deutlich, wie unfrei wir sind, nämlich solange wir nicht erlöst sind durch das Blut Jesu. Dadurch entsteht die Sehnsucht, diese Freiheit kennen zu lernen und nicht mehr gebunden zu sein an das, was mein Leben einengt. Dazu braucht es Umkehr. Gottes Güte leitet zur Umkehr. Drittens: Im Licht der Kraft Gottes, die in der Auferstehung Jesu von den Toten sichtbar wird, erkennen wir, wie kraftlos unser Leben ist: zu schwach um zu lieben, zu schwach um uns gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung zu stellen, zu schwach um andere auf ihrem Weg zu begleiten, zu schwach um auf andere zuzugehen und uns zu entschuldigen, zu schwach um warten zu können, dass sich eine Situation nochmal ändert. Um in dieser Kraft zu leben, braucht es Umkehr. Gottes Güte leitet zur Umkehr. Und schließlich viertens: Im Licht der Hoffnung, die Gott uns über den Tod hinaus gibt, wird deutlich, wie hoffnungslos und trostlos ein Leben ohne diese Zusage ist: Ich will dir ewiges Leben schenken. 7 Diese Hoffnung zu ergreifen – dazu braucht es Umkehr. Gottes Güte leitet zur Umkehr. Darum: Wenn du dich danach sehnst, dass dein Leben gelingt, dass es heil wird von Schuld – dann mach dir bewusst, was das ist: Gottes Güte. Dann hör hin, wenn er dir durch Jesus zusagt: Deine Schuld ist vergeben. Ich hab sie auf mich genommen. Du bist frei. Buße bewirkt Veränderung. Zuerst bei mir selbst. Und dann? Was ist mit der Ungerechtigkeit weltweit? Den Kriegen, den vielen Menschen, die hungern? Auch hier kann Veränderung nur Schritt für Schritt passieren. Und sie beginnt im Herzen von Menschen. Deshalb gehört zur Buße das Gebet und die Bitte: Gott, wirke du dort, wo wir nicht hinkommen, und mach Menschen bereit umzukehren und das Gute zu tun. Und wenn es an mir liegt – dann hilf mir umzukehren. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 8