Moderne Architektur in Norwegen

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Moderne Architektur in Norwegen
Spätestens seit 2008 registrieren Architekturinteressierte weltweit mit einiger Verblüffung, was sich auf ihrem Gebiet in Norwegen tut. In diesem Jahr wurde das neue
Opernhaus in Oslo eröffnet. Das Gebäude aus blendendem weißem Carrara-Marmor
schiebt sich wie ein Eisberg aus dem Oslofjord. Die Dachfläche ist fast vollständig
begehbar, der Grundriss des großen Saals entspricht dem der Dresdner SemperOper. Der Entwurf des Osloer Architekturbüros Snøhetta löste weltweit Begeisterung
aus.
Oslo, im internationalen Vergleich kaum mehr als eine Kleinstadt, war im
20. Jahrhundert architektonisch nicht weiter aufgefallen. Erwähnenswert ist das Rathaus, das Anfang 1930 von Arnstein Arneberg und Magnus Poulsson entworfen,
aber erst 1950 fertig gestellt wurde. Der wuchtige Klinkerbau bewegt noch immer die
Gemüter, bei einer Umfrage unter den Osloern landete er unlängst gleich zweimal
auf Platz Eins. Er wurde zum schönsten und zum hässlichsten Gebäude der Stadt
gekürt. Wegweisend für den Aufbruch der neuen norwegischen Architektur war die
Halle des 1998 eröffneten Flughafens Gardermoen. Die norwegische Architektengruppe Aviaplan wählte einheimische Materialien wie Granit, Schiefer und Holz, es ist
ein Bau von elegantem Understatement.
Seit Jahrzehnten weit über Norwegen hinaus berühmt, wenn auch nicht aus architektonischen Gründen, war und ist die Skisprungschanze Holmenkollen. Die 1952 erbaute Schanze wurde unlängst abgerissen, völlig neu erbaut und 2011 eröffnet. Der
Entwurf stammt von dem in Dänemark ansässigen Architekten Julian de Smedt. Die
stählerne Fachwerkkonstruktion wirkt so fragil, dass sie auf dem Berg über Oslo zu
schweben scheint.
Außerhalb Norwegens waren lange allenfalls einzelne Architekten bekannt, allen voran Sverre Fehn mit seinem Pavillon der nordischen Länder, den er 1962 in den Biennale-Gärten von Venedig baute. Fehn arbeitete mit und nicht gegen die Gegebenheiten des Bauplatzes, was den Pavillon in gewisser Weise "typisch norwegisch"
macht. Der Boden in Norwegen ist nämlich häufig uneben und felsig, es wäre sehr
teuer, ihn so zu ändern, dass man darauf ein flaches rechteckiges Fundament errich-
Herausgeber: Innovation Norway | Caffamacherreihe 5 | 20355 Hamburg
Pressesprecherin: Hilke von Hoerschelmann
Stand: 01/2016
ten könnte. Klüger ist es, das Bauvorhaben den äußeren Gegebenheiten
anzupassen. Das tat Fehn in Venedig: Die Bäume auf dem Grundstück ließ
er nicht fällen, er integrierte sie in den Pavillon. Fehn wurde erst spät international
bekannt, dann aber wurde er mit vielen Preisen ausgezeichnet. 1997 erhielt er den
Pritzker Preis für sein Lebenswerk. Die Jury dieser als "Nobelpreis für Architektur"
bezeichneten Ehrung nannte Fehn „einen der letzten Romantiker der GegenwartsArchitektur“.
1989 gewann ein Osloer Architekturbüro mit dem unaussprechlichen Namen Snøhetta gegen eine internationale Konkurrenz von 650 Entwürfen die Ausschreibung um
die neue Bibliothek von Alexandria. Niemand hatte jemals von diesem winzigen Büro
gehört, spätestens seit Eröffnung der Bibliotheca Alexandrina im Jahr 2002 aber gibt
es keinen Architekturinteressierten mehr, der das Büro nicht kennt, denn sie ist eine
der wichtigsten architektonischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte.
Das Büro gewann auch den Wettbewerb um die neue Oper im Hafen von Oslo. Es
wurde ein sensationelles Bauwerk, das sich einerseits perfekt an seinen Ort anpasst,
andererseits radikal eigene Lösungen gefunden hat. 2008 eröffnet, wurde es umgehend zu Oslos, nein, zu Norwegens neuem Wahrzeichen. Zahlreiche Künstler haben
mitgewirkt, alle Kunstwerke passen sich geschmeidig ein. Eine Licht-Installation von
Olafur Eliasson beispielsweise umschließt eine Foyerwand, hinter der sich die Toiletten verbergen.
Die Oper ist Teil eines epochalen städteplanerischen Projektes: Die komplette Umstrukturierung und Neubebauung der gesamten Osloer Uferlinie. Bereits in den
1980ern wurde auf einem stillgelegten Werftgelände vor dem Rathaus Aker Brygge
eine kombinierte Shopping-, Wohn-, Büro- und Vergnügungsmeile gebaut. Die Gebäude sind wie Schiffsaufbauten gestaltet, davor reicht eine hölzerne Promenade bis
ans Wasser heran. Der erste Bauabschnitt wurde von dem Büro Telje-Torp-Aasen
geplant, das mittlerweile nicht mehr existiert. Das große Lob der Architekturkritiker
blieb zwar aus, aber der neue Stadtteil wurde von der Bevölkerung begeistert angenommen und ist zu jeder Tages- und Jahreszeit ein beliebter Treffpunkt.
In der Verlängerung von Aker Brygge, nur wenige hundert Meter entfernt, ist auf dem
Geländes des ehemaligen Containerhafens in den letzten Jahren der neue Stadtteil
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Tjuvholmen entstanden. Dessen Mittelpunkt ist der holzverkleidete Neubau
des privaten Astrup Fearnley Museums für Moderne Kunst, das im September 2012 eröffnet wurde. Große, geschwungene Glasdächer schweben wie Segel
über den Einzelgebäuden, zu dem Museum gehört ein Skulpturenpark, der direkt an
den Fjord grenzt. Der Entwurf stammt von Renzo Piano. Eine Steinwurf davon entfernt in Richtung Stadt liegt der still gelegte Westbahnhof, in der ehemaligen Ankunftshalle ist das Nobels Fredssenter (Nobel-Friedenszentrum) untergebracht. Auf
dem angrenzenden Gleisgelände entsteht das neue Nationale Museum für Kunst,
Architektur und Design. Der Siegerentwurf für das ca. 53.000 m² große Gesamtareal
stammt von dem Architekturbüro Kleihues + Schuwerk Gesellschaft von Architekten
mbH (Neapel/Berlin), die Eröffnung ist für Herbst 2018 geplant. In unmittelbarer
Nachbarschaft der Oper ist ein weiterer neuer Stadtteil mit – für Osloer Verhältnisse
– hohen Häusern entstanden. Die Barcode genannte Bebauung verweist auf die parallele Ausrichtung der Wohn- und Bürogebäude. In Planung ist dort die neue Stadtbibliothek, ursprünglich sollten auch das Wikingerschiffmuseum sowie das Munchmuseum dorthin umziehen. Die Wikingerschiffe können ihren jetzigen Ort möglicherweise aus konservatorischen Gründen nicht verlassen. Der Siegerentwurf für das
Munchmuseum stammt von dem spanischen Architekten Juan Herreros. Sein abgeknickter Glasturm gilt vielen als zu dominant; ob er realisiert wird, ist derzeit allerdings fraglich.
Aber auch außerhalb Oslos wird spektakulär gebaut. Begeistertes Lob von der
Fachwelt und mehrere internationale Preise bekam das 2009 eröffnete HamsunZentrum auf der Insel Hamarøy vor den Lofoten. Der Bau des Amerikaners Steven
Holl ist sechs Etagen hoch, was in dieser ländlichen Gegend absolut ungewöhnlich
ist. Andererseits nimmt der Turm norwegische Traditionen auf, ohne historisierend zu
sein. Die Fassade beispielweise zitiert mit ihrem gebeizten schwarzen Holz die Stabkirchen, die riesigen Halme auf dem Dach spielen mit der Tradition norwegischer
Grasdächer.
Seit einigen Jahren realisieren regionale und überregionale Stellen das ehrgeizige
Vorhaben, achtzehn landschaftlich herausragende Routen im ganzen Land so zu
erschließen, dass sie allen Ansprüchen des modernen Tourismus genügen. Zu jeder
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Route gehören moderne Bauwerke, manche diskret, andere sehr auffallend,
nahezu alle haben eine Funktion, sei es als Aussichtsplattform, Sitzbank oder Rastplatz. Man merkt den fertigen Projekten an, dass Architekten und Künstler
schon bei der Planung und nicht erst bei deren Umsetzung hinzugezogen werden.
Seit 2011 schwebt über der Serpentinenstraße Trollstigen eine architektonisch äußerst gewagte Aussichtsplattform, entworfen von dem Büro Reiulf Ramstad. Auf der
Route Sognefjell hat das Büro Jensen & Skodvin einen Rastplatz mit Sitzplätzen,
Informationstafel und Toilettenhaus verwirklicht, der zurückgenommen und dabei ästhetisch befriedigend ist.
Bei Vardø, an der Landschaftsroute Varanger, ist ein künstlerischer wie architektonischer Glücksfall gelungen: Die Gedenkstätte für die Opfer der nordnorwegischen Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bildhauerin Louise Bourgeois und dem Architekten Peter Zumthor.
Erst jüngst eröffnet wurde ein Servicegebäude der etwas anderen Art: Im beliebten
Erholungsgebiet Ersfjordstranda an der Norwegischen Landschaftsroute Senja lädt
nun eine Toilette mit vergoldeten Aluminium-Schindeln direkt am Strand zu Sitzungen ein.
Nur zu Fuß lässt sich die Berghütte Rabot in der Nähe des nordnorwegischen Gletschers Okstindan erleben: die 2014 eröffnete Hütte gehört zu den insgesamt 500
Hütten des norwegischen Wandervereins DNT und setzt in Sachen Design völlig
neue Maßstäbe. Das bekannte Architekturbüro Jarmund/Vigsnæs Arkitekter setzte
bei der Konstruktion auf einheimische Baustoffe, die den Anforderungen der rauen
Winterlandschaft gerecht werden. Die großen Fenster bieten einen spektakulären
Blick auf einige der höchsten Berge Norwegens.
Von den vielen bemerkenswerten neuen Bauten sei nur noch eines erwähnt: Das
Bibliotheksgebäude im südnorwegischen Vennesla mit einem 2000 qm großen Lesesaal. Die Holzrippenstruktur aus 27 Einzelelementen wurde von dem Büro Helen &
Hard entworfen und im Oktober 2011 eröffnet.
Neben Snøhetta ist das Architektenbüro Jensen & Skodvin erwähnenswert, das immer wieder ungewöhnliche Entwürfe vorlegt und auch baut. Einer ist das Juvet
Landskapshotell im westnorwegischen Bezirk Møre og Romsdal. Jedes seiner sieben
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Zimmer ist ein perfekt in die Landschaft eingepasstes Holzhaus. Glaswände
lassen das Innen und Außen verschmelzen, die Häuser sind untereinander
nicht zu sehen. Ebenso bemerkenswert ist die Kirche des Osloer Stadtteils Mortensrud. Auch hier wurden Baugrund und Kiefernwald in das Gebäude integriert, beispielsweise ragen im Innenraum Felskuppen aus dem Fußboden.
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