Uraufführung: Noch`n Gerücht: Heinz Erhardt war

Werbung
Uraufführung: Noch'n Gerücht: Heinz Erhardt war Türke - Nachrichten Kultur - Theater - WELT ONLINE
Artikel drucken
19.01.12 14:49
Bilder ausblenden
0
16.11.2009 | Autor: Stefan Grund
DIE WELT | URAUFFÜHRUNG
Noch'n Gerücht: Heinz Erhardt war Türke
Im Staatstheater Oldenburg ist ein Stück uraufgeführt worden, das "Ich, Heinz Erhardt" heißt. Allerdings geht es dabei
nur z. T. um den berühmten Komiker der Wirtschaftswunder-Jahre. Sondern Heinz Erhardt ist der Name eines
türkischen Deutschlehrers in Istanbul. Unser Autor ist trotzdem begeistert.
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/ DPA/STAATSTHEATER_OLDENBURG
Der Schauspieler Murat Yeginer spielt Ahmet Erhardt, einen angeblichen Sohn Heinz
Erhardts
Dieser Türke in Pluderhose, mit Hüftschal und orientalisch ornamental bestickter Weste überm weißen Hemd, sieht aus wie von Karl May
erfunden. Ahmet (Murat Yeginer) stellt sich als Lehrer vor, genauer: Deutschlehrer am Goethe-Institut in Istanbul. Forsch erklärt er das
Publikum im abendländisch verzierten Saal des Staatstheaters zu Oldenburg zu seinem Kurs, der brav wiederholt: "Man spricht Deutsch.
Warum auch nicht. Goethe sprach ja auch Deutsch." Goethe, der Erfinder der gleichnamigen Straße. Von wem war der noch? Heinz
Erhardt.
Nun stellt Ahmet sich uns zu Beginn der Uraufführung gleich noch einmal vor, im Kreise seiner Familie: Er sei, so die unglaubliche
Behauptung, der Sohn des berühmten Komikers. Dazu sehen wir auf einer großen Leinwand mit Bilderrahmen ein Schwarz-Weiß-Foto
aus Wirtschaftswunderzeiten: Heinz Erhardt mit Frau und allen neun Kindern. Der einstige Einwanderer aus Riga im Russischen Reich
(sein Vater zog mit ihm nach Deutschland, als er zehn Jahre alt war) als Vorzeigedichter der deutschen Kultur der 50er Jahre, mit
einwanderertypischer Großfamilie.
Nun wissen wir endlich, warum das neue Stück von John von Düffel "Ich, Heinz Erhardt" heißt und warum er es seinem Freund Murat
Yeginer auf den Leib schrieb. Der arbeitete 20 Jahre lang als erfolgreicher Charakterdarsteller und Komödiant in Oldenburg, bevor er
Schauspieldirektor am Theater Pforzheim wurde, das jetzt die Uraufführung koproduzierte. "Kann ich mal bitte einen
Migrationshintergrund haben?" bittet Ahmet die Technik und schwupps erscheint im Bilderrahmen eine Wüstenlandschaft mit Karawane,
was er wenig witzig findet. Auch Bilder vom Bazar und einem Harem lehnt er ab, so dass schließlich wieder eins der Heinz-ErhardtPorträts eingeblendet wird, aus denen von Düffel hier mit Hilfe von Dichtung (20 Prozent) und Wahrheit (80 Prozent) ein neues Bild baut.
Durch den vom Autor angewandten V-Effekt, die Verfremdung des Vorurteilen entsprechenden Fremden zum real assimilierten,
kulturellen Vorzeigesubjekt, also zum bestens bekannten Einheimischsten aller Hiesigen, wird Murat Yeginer tatsächlich im Verlauf
seines großen Solos zu Heinz Erhardt. Auch optisch, denn zum Ende hin tauscht er das Türkengewand gegen Erhardts grauen
Auftrittsanzug, um seinen skeptischen italienischen Pianisten mittels zur Schau gestellter Familienähnlichkeit zu überzeugen. Der
Italiener hält sich im Vergleich mit dem Türken für einen Gastarbeiter erster Klasse, was zu wunderbaren Scharmützeln führt
("Dönerbude" - "Pizza-Service" - "Das nimmst du zurück" - "O.K. das war zu hart"). Diese werden in der Inszenierung von Ingo Putz nur
dadurch geschwächt, dass Christoph Iacono dem Hauptdarsteller schauspielerisch nicht das Wasser reichen kann. Spielte er doch
ausschließlich Klavier zu Schlagern wie "Sag mir Quando" und den "Caprifischern". Später bringt der Türke dem Italiener bei, wie er den
fremdenfeindlichen Deutschen zur Begrüßung durch Worte entwaffnet: "Noch'n Gedicht".
Murat Yeginer aber überwältigt uns, wenn er als Entertainer viele der schönsten Heinz-Erhardt-Witze zum Besten gibt, charmant auf die
http://www.welt.de/kultur/theater/article5227987/Nochn-Geruecht-Heinz-Erhardt-war-Tuerke.html?print=true#reqdrucken
Seite 1 von 2
Uraufführung: Noch'n Gerücht: Heinz Erhardt war Türke - Nachrichten Kultur - Theater - WELT ONLINE
19.01.12 14:49
Damen im Saal zusingt und uns die Lebensgeschichte des Komikers zu Herzen gehend erzählt - ab und zu von kurzen Filmschnipseln
unterbrochen. "Ich - Heinz Erhardt" ist ein zutiefst menschlicher Abend.
Termine: 20. / 27. November
Karten: 0441 / 2225 111 oder www.staatstheater.de
0
http://www.welt.de/kultur/theater/article5227987/Nochn-Geruecht-Heinz-Erhardt-war-Tuerke.html?print=true#reqdrucken
Seite 2 von 2
Herunterladen