Osteoporose – Eine unbekannte Bekannte

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21/3/2012
Dr. med. A. Thueler
Rehabilitiation und Rheumatologie
Kantonsspital Baden
Osteoporose – Eine unbekannte Bekannte
Die Osteoporose ist zwar eine bekannte Erkrankung.
In den Folgen für die Betroffenen und der gesund­
heitspolitischen Tragweite wird sie aber weiterhin
­unterschätzt. Knochenbrüche verursachen erhebliche
Schmerzen, führen zum Teil zu aufwändigen Opera­
tionen, zu Immobilisation und dadurch zu weiteren
Folgekrankheiten – und Kosten. Früherkennung,
­Primär- und Sekundärprävention sind wichtig, im
medizinischen und politischen Umfeld aber seit
­Jahren kontrovers diskutiert.
Tab 1. WHO Definition der Osteoporose (diagnostische Kriterien)
WHO Technical Report Series: 843; 1994
Definition
Knochendichte
Strategie
Normal
bis max. 10 % Verlust
T-Score > –1 SD
Prävention
Osteopenie
10 % bis 25 % Verlust
–1 SD > T-Score > –2,5 SD
Osteoporose
Verlust über 25 %
T-Score < 2,5 SD
Schwere
Osteoporose
Osteoporose mit Fraktur(en)
Behandlung
Definition
Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung,
die durch eine verminderte Knochenmasse und eine veränderte Mikroarchitektur des Knochengewebes charakterisiert ist.
Daraus folgt ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.
Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen als Männer.
Nicht jede Osteoporose führt zur Komplikation von
­Knochenbrüchen, denn unabhängig von der Knochenmasse und der Knochenarchitektur ist auch die Qualität
des Knochenkollagens eine Determinante.
Umgekehrt gilt aber auch: Selbst wenn in der Knochendichtemessung die WHO-Kriterien für die Osteoporose
nicht erfüllt sind (siehe Tabelle 1), kann eine erhöhte
Knochenbrüchigkeit vorliegen. Bei jeder Fraktur ohne
adäquates Trauma ist von einer primären oder sekundären
Osteoporose auszugehen.
Aus diesem Grund wird seit einigen Jahren versucht, das
Risiko für das Auftreten von Knochenbrüchen nicht
­alleine aufgrund der Resultate einer Osteodensitometrie
zu beurteilen. Es wurden Beurteilungshilfen geschaffen
wie das FRAX-Tool (international: http://www.shef.ac.
uk/FRAX/ ) und das Top-Tool (Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie: http://web.osteo-rheuma.ch/
TOP.aspx )
Tab. 2a. Allgemeine Risiken
– Weibliches Geschlecht
– Alter
–Familienanamnese positiv für osteoporotischer Frakturen
– Untergewicht
– Knochenbruch in Persönlicher Anamnese
– Verminderung der Sexualhormone
– Tiefer Oestrogenspiegel, Menopause eingeschlossen
– Tiefe Spiegel von Testoseteron und Oestrogen bei Männern
–Ernährung: geringe Zufuhr von Vitamin D3 und Calcium;
Exzessive Zufuhr von Proteinen, Natrium, Koffein
– Bewegungsarmut
– Nikotinkonsum
– Übermässiger Alkoholkonsum
– Medikamente gemäss Tabelle 2b
– Sekundäre Ursachen gemäss Tabelle 2c
Ursachen
Von verschiedenen Gesellschaften werden Risiken für die
Osteoporose aufgelistet, die letztlich auch in die Tools
zur Risikoeinschätzung von Frakturen einfliessen.
In Tabelle 2a bis 2c finden sich die Guidelines der
­American Medical Directors Association (AMDA).
­Osteoporosis and fracture prevention in the long-term
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Tab. 2b. Risiken durch Medikamente
Tab. 3. Guidelines zur Durchführung einer Knochendichtemessung
– Aromatasehemmer
– Antiepileptika (Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepine)
– Chemotherapeutika (Methotrexat, Cyclosporine A)
– Übersubstitution von Schilddrüsenhormonen (TSH ist reduziert)
– Übermässiger Vitamin A-Konsum
– Glucocorticoide > 5 mg/Tag über mindestens 3 Monate
–Gonadotropin-Releasing Hormone Agonistem and
Antagonisten
– Heparin
– Lithium
– Glitazone
– Protonenpumpenhemmer
– Aromatasehemmer
–Frauen über 65 und Männer über 70, unabhängig von Risiko­
faktoren
–Postmenopausale Frauen sowie Männer zwischen 50 und 69
mit Risikofaktoren
–Frauen vor/bei Eintritt in die Menopause mit erhöhtem
Frakturrisiko z.B. durch:
–Untergewicht, Fraktur ohne adäquates Traum, Medikation
mit Osteoporose-Risiko
–Erwachsene mit einer Fraktur nach dem 50. Lebensjahr
–Erwachsene mit einer Risiko-Erkrankung (z.B. Rheumatoide
Arthritis) oder mit Risiko-Medikation (z.B. Glucocorticoide)
–Personen, bei denen eine Osteoporose-Therapie geplant wird
–Personen, bei denen eine Osteoporose-Therapie durchgeführt
wird
–Personen ohne Osteoporose-Therapie aber mit Risiko zur
Osteoporose-Entwicklung
–Frauen in Postmenopause mit Sistierung der Hormonersatz­
therapie
Tab. 2c. Risiken durch sekundäre Ursachen
– Chronisches Leberversagen
– Chronisches Nierenversagen
– Chronisch obstruktive Lungenkrankheit
– Cushing-Syndrom
– Immobilität
– Hyperthyreose
– Hypogonadismus (bei Frauen und Männern)
–Malabsorptions-Syndrome, Zirrhosen, Inflammatory Bowel
Disease
– Multiples Myelom, Leukämie, Maligne Lymphome
– Primärer Hyperparathyroidismus
–Rheumatoide Arthritis und andere entzündlich rheumatische
Krankheiten
– Diabetes Typ 1 und Typ 2
– Vitamin D3-Mangel
Tab. 4. Empfohlene Laboruntersuchungen
– Aromatasehemmer
– Blutsenkung/CRP
– Kalzium, Phosphat
– GOT, GPT, alk. Phosphatase, Gamma-GT
– Kreatinin
– Blutbild
– Gesamteiweiss und Albumin / Serum-Eiweiss-Elektrophorese
– 25-OH-Vitamin D3
– Evtl. Parathormon
– Evtl. TSH
–Evtl. Knochenresorptionsparameter (Pyridin-Crosslinks im Urin
– TRAP, CTX im Blut, …)
– Testosteron beim Mann
care setting. Columbia (MD): American Medical Directors Association (AMDA); 2009. 32 p. [76 references]
mit der Ergänzungen durch AWMF (Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) Deutschland 2011
Die Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der
­Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)
Deutschland sind sehr viel differenzierter.
Link: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/034-003.
html.
In Tabelle 3 sind die Richtlinien aufgeführt der National
Osteoporosis Foundation, Clinician›s Guide to Prevention
and Treatment of Osteoporosis, 2008 Update.
Link: http://www.nof.org/professionals/Clinicians_Guide.
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Abb. 1. Osteodensitometrie
Diagnostik
Klinische Untersuchung
können auf Wirbelkörperfrakturen Hinweisen. Fehlstellungen am Handgelenk können Hinweise geben auf „vergessene“ Radiusfrakturen.
Die Klinische Untersuchung kann Hinweise auf das Vorliegen einer Osteoporose geben.
Die Grössenabnahme um mehrere Zentimeter, eine Gibbusbildung der BWS oder das Tannenbaumphänomen
Laboruntersuchungen
Es gibt keine allgemein verbindlichen Laboruntersuchungen. Je nach Alter und Zusatzerkrankungen sollen diese
individuell gestaltet werden.
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Radiologische Untersuchungen
Zudem werden Kontrollmessungen höchstens alle zwei
Jahre übernommen.
Röntgenuntersuchung
Bei Verdacht auf ältere oder frische Wirbelfrakturen
empfiehlt sich ein konventionelles Röntgenbild der Wirbelsäule.
Cave:
–Es gibt unterschiedliche Messgeräte, deren Resultate
nicht immer direkt verglichen werden können, zum
Beispiel bei Kontrollmessungen im Verlauf.
–Degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern und
Hüfte lassen die Knochendichte falsch zu hoch erscheinen.
–Entsprechende Wirbel sollten bei der Beurteilung ausgeblendet werden.
–Im Zweifelsfall sollte eine weitere Lokalisation z.B.
die Vorderarme miteinbezogen werden.
–In der Prämenopause gilt der Z-Score: –2.0 und
­tiefer gilt als Osteoporose!
Cave:
–Die Schmerzen sind oft tielf lumbal, die Frakturen finden sich aber häufig im thorako-lumbalen Übergang.
–Eine frische Fraktur kann oft erst einige Tage später im
Röntgenbild nachgewiesen werden, da die Wirbelkörperkontur zuerst erhalten bleibt und erst allmählich einbricht.
–Die Hinterkante der Wirbelkörper bleibt meistens intakt.
Bestehen Zweifel im Röntgenbild, sollte eine CT-Untersuchung gemacht werden um eine instabile Fraktur zu
erkennen und die Operationsindikation abzuschätzen.
Therapie
Knochendichtemessung
Die heute mit vielen Studien geprüfte und best anerkannte Methode ist die DXA (Dual Photon X-Ray).
Substitution von Vitamin D3
Empfehlung des Institut of Medicine IOM:
Vitamin D mind. 800 IE/Tag
Zur Indikation siehe Tabelle 3.
In der Schweiz gilt bezüglich Bezahlung der Untersuchung
durch die Krankenkassen folgendes:
–Bezahlt wird nur, wenn das Resultat eine Osteoporose
zeigt
–Ausnahmen sind:
•Kontrolle der Knochendichte bei Fraktur ohne
­adäquates Trauma
•Erkrankungen oder Medikation mit hohem Osteo­
poroserisiko
Die Ausnahmen sind noch nicht bei allen Versicherungen
gleichermassen anerkannt.
Es empfiehlt sich somit, bei einer „Routinemessung“ die
Patientinnen darauf aufmerksam zu machen, dass die
Krankenkasse für die Kosten der Untersuchung allenfalls
nicht aufkommt.
Cave: Das IOM basiert auf Erhebungen in den USA, wo
Milchprodukte mit Vitamin D ergänzt werden!
Empfehlung der Deutschen Vereinigung für Osteoporose:
800–2000 IE/Tag.
Ziel ist ein Serumspiegel von 25-OH-Vitamin D3 von
50 nm/l.
Substitution von weiblichen Sexualhormonen
Die HRT ist in der Osteoporose-Prävention eine gute Wahl.
Andere Hormontherapien
Calcitonin (Miacalcic®)
Ist geeignet in den ersten 1–3 Monaten bei frischer Wir24
Cave: Das IOM basiert auf Erhebungen in den USA, wo Milchprodukte m
Empfehlung
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der Deutschen Vereinigung für Osteoporose: 800
– 2000 IE/
Abb. 2. Signifikante Zunahme der Knochendichte unter einer 2jährigen Low-dose-HRT mit 1 mg 17beta-Estradiol und 0,25 mg bzw. 0,5 mg
Norethisteronacetat (NETA) an LWS, Oberschenkelhals, distalem Radius sowie Ganzkörper; mod. nach [Hadji P: Journal für Menopause
2003; 10:26–29]
Abbildung 2:
Signifikante
Zunahmewirkendes
der Knochendichte
2jährigen
Low-dose-HRT
mit 1werden.
mg 17beta-Estradiol und 0,25
belfraktur
als analgetisch
Hormon. Zur unter
länger-einerEs
muss täglich
subcutan appliziert
an LWS,Osteoporosetherapie
Oberschenkelhals,
distalem
Radius sowie Ganzkörper;
mod.gleichzeitig
nach [Hadji
P: Journal
für Menopause 2003; 1
fristigen
ist es
nicht geeignet.
Vitamin D muss
substituiert
werden.
Es dürfen keine Bisphosphonate oder Denosumab gleichzeitig gegeben werden.
Nach dem Absetzen von Teriparatid sollen aber direkt
wieder Bisphosphonate oder Denosumab gegeben werden.
Teriparatid (Forsteo®)
Indikation:
Forsteo ist angezeigt zur Behandlung postmenopausaler
Frauen mit manifester Osteoporose und hohem Frakturrisiko und bei Männern mit primärer oder hypogonadaler
Osteoporose mit hohem Frakturrisiko sowie zur Behandlung der Glukokortikoid-induzierten Osteoporose bei Erwachsenen mit erhöhtem Frakturrisiko.
Bisphosphonate
Es gibt mehrere Bisphosphonate, die seit Jahren auf dem
Markt sind.
Cave:
–Für einzelne Bisphosphonate gelten unterschiedliche
Indikationen
Teriparatid kann über 18 bis 24 Monate Knochen aufbauen.
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Die HRT ist in der Osteoporose-Prävention eine gute Wahl.
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Abbildung 2:
Signifikante Zunahme der Knochendichte unter einer 2jährigen Low-dose-HRT mit 1 mg 17beta-Estradiol und 0,25 mg bzw. 0,5 mg Norethisteronacetat (NETA)
an LWS, Oberschenkelhals, distalem Radius sowie Ganzkörper; mod. nach [Hadji P: Journal für Menopause 2003; 10: 26-29]
Indikation:
Denosumab kann eingesetzt werden zur Behandlung der
Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Verhinderung vertebraler und nichtvertebraler Frakturen und zur
Begleitbehandlung bei Frauen mit Brustkrebs unter adjuvanter Behandlung mit Aromatasehemmern sowie bei
Männern mit Prostatakarzinom unter Hormonablationstherapie, wenn ein erhöhtes Frakturrisiko vorliegt.
Applikation:
2× jährlich subcutan.
Es besteht keine Einschränkung bei verminderter Nierenfunktion.
Abb. 3. Signifikante Reduktion der Frakturrate im Rahmen der
Women›s Health Initiative (WHI); [Robbins et al. JAMA 2002;
288:321–33; JBMR 2003]
Cave: Einsatz immer zusammen mit Vitamin D – Substitution.
Prävention
–Bei oraler Gabe ist auf die Einhaltung der Einnahmevorschrift zu achten, da sie sonst nichts nützen oder
Nebenwirkungen verursachen.
–Bei Niereninsuffizienz ist Vorsicht geboten oder
­besteht eine Kontraindikation.
–Es sind seltene Falle von Kieferknochennekrosen
­beschrieben. Abschätzung des Einsatzes allenfalls im
Zusammenhang mit dem Zahnmediziner.
–Einsatz immer zusammen mit Vitamin D –
Substitution.
Die Primär- und Sekundärprävention ist äusserst wichtig.
Nebst der frühzeitigen Erfassung des Osteoporose-­
Risikos und der entsprechenden Behandlung gilt es auch
das Sturzrisiko zu verringern.
Wie lange ein Bisphosphonat eingesetzt werden soll, ist
noch umstritten. Nach etwa fünf Jahren sollte abgeschätzt
werden, wie hoch das Frakturrisiko noch ist. Ein längerer
Einsatz von Bisphosphonaten hat gezeigt, dass die Neigung zu atypischen Frakturen wieder erhöht sein könnte.
Kernaussagen
•Auch beschwerdefreie Patientinnen in der Postmenopause nach Risiken für eine Osteoporose befragen.
•Nach Knochenbrüchen ohne adäquates Trauma eine
Osteoporoseabkärung veranlassen.
•Die Osteoporose-Therapie begleiten, hinterfragen
und anpassen: Etwa alle zwei Jahre eine Osteoden­
sitometrie durchführen und spätenstens nach fünf
­Jahren eine antiresorptive Therapie hinterfragen.
Denosumab
Denosumab (Prolia®) ist ein RANK-Ligand-Hemmer:
der Botenstoff zur Aktivierung der Osteoklasten wird
­gehemmt. Die Osteoklasten selbst werden nicht beeinflusst.
•Zu einer antiresorptiven Therapie immer mindestens
eine Vitamin D3 Substitution durchführen.
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Dazu gehören therapeutische Massnahmen wie Förderung von Kraft, Ausdauer und Gleichgewicht.
Somit sollten wir in einer effizienten Prävention darauf
achten, dass unsere Jugendlichen eine genügende Knochenmasse aufbauen. Dabei spielt die richtige Ernährung
(Rolle von Vitamin D?) und die Benutzung des Skeletts
(körperliche Betätigung) eine wichtige Rolle. Die Folgen
eines ungenügenden Knochenaufbaus werden erst in
20–30 Jahren zu sehen sein.
Noch viel wichtiger erscheint mir folgender Aspekt:
Bis ca. zum 20. Lebensjahr wird die Knochenmasse aufgebaut, danach kommt es nur noch zum kontinuierlichen
Abbau.
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