Wo sich Naturhorn und Ventilhorn treffen Vorgelegt von Levente Szabó Künstlerische Masterarbeit Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz Institut für Blas- und Schlaginstrumente Graz, Juni 2015 Betreut von: O. Univ. Prof. Dr. phil. Peter Revers 2 Abstract In meiner Arbeit: Wo sich Naturhorn und Ventilhorn treffen werde ich die Zeitperiode der Entwicklung des Horns bearbeiten, in der die Ventilhörner die Naturhörner Schritt für Schritt ersetzen. Als Hilfe wähle ich das Werk „Villanelle“ von dem Komponisten Paul Dukas, da in diesem Stück die Stopftechnik eine sehr wichtige Rolle spielt. Außerdem kommen auch zwei verschiedene Hornarten in diesem einen Stück vor und so kann man sehr schön die Unterschiede dieser hervorheben und erkennen. Auch werde ich kurz den Werdegang von Dukas erläutern, und am Ende dieser Arbeit finden Sie eine Analyse über Villanelle von Paul Dukas. In my thesis Where the Natural Horn and Valve Horn meet (Wo sich Naturhorn und Ventilhorn treffen) I intend to present the period of the development of the horn during which the natural horn is gradually succeeded by horns of the valve variety. To illustrate this I rely on Paul Dukas’ piece titled Villanelle, in which the handstopping technique is heavily featured, even though the piece itself was primarily composed for natural horn and the horn with piston valves. In addition to the above, in my work I also present the most important stages of Dukas’ life, followed by a detailed description of the chosen piece itself. 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung ........................................................................................................................ 4 Das Inventionshorn und Joseph Hampel ..................................................................... 5 Das Ventil ........................................................................................................................ 7 Das Perinet Ventil ........................................................................................................... 8 Die Meinung zum neuen Ventilsystem ......................................................................... 9 Paul Dukas .................................................................................................................... 10 Paul Dukas: Villanelle .................................................................................................. 12 Bibliografie .................................................................................................................... 17 Bildnachweis ................................................................................................................. 18 4 Einleitung Als ich acht Jahre alt war, begann ich in Ungarn in der Musikschule Horn zu lernen. Dort habe ich auf einem Doppelhorn Unterricht bekommen. Erst als ich dann nach Graz kam und dort an der Kunstuniverstät Horn studierte, kam ich in Kontakt mit der Geschichte meines Instruments. Ich lernte wann und wie es entstand, mir wurde gesagt, dass es verschieden Arten von Hörnern gab und wie sich diese im Laufe der Zeit stark verändert haben - bis hin zum heutigen Modell, das ich seit 17 Jahren fast täglich in der Hand halte. In meiner Bachelorarbeit habe ich die Entwicklung des Horns recherchiert. In dieser Arbeit möchte ich einen wichtigen Meilenstein der Horngeschichte präsentieren und ausführlich analysieren. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Zeitperiode, in der das Naturhorn vom Ventilhorn ersetzt wurde. Zu diesem Zweck wähle ich „Villanelle“ von Paul Dukas. Dieser hat das Werk für Ventilhorn und Naturhorn komponiert und bringt somit zwei verschiedene Instrumente aus unterschiedlichen Epochen in ein Werk. Damit kann man sehr gut veranschaulichen, wie und von was sich diese beiden Typen des Horns unterscheiden. Viele Musiker vergessen, wo der Anfang ihres Instruments liegt. In so einem Stück wie „Villanelle“ wird auch noch in unserer heutigen Zeit verlangt, an das früher und davor zu denken. Mit dieser Arbeit möchte ich den heutigen Hornisten helfen, die Geschichte des Horns besser zu verstehen, um solche Werke wie zum Beispiel „Villanelle“ authentisch mit zwei verschiedenen Hörnern vortragen zu können. 5 Das Inventionshorn und Joseph Hampel Das Horn begann sich vor etwa 400 Jahren aus dem Zustand primitiver Einfachheit zu lősen. Lange Jahrhunderte davor war es nichts anderes als die Kopie tierischer Hörner, das aus verschiedenen Materialien gemacht werden konnte.1 Das helikale Instrument, das als Aszendent des Horns angesehen werden kann, erschien im 16. Jahrhundert. Es brauchte weitere 150-200 Jahre, um ins Orchester zu gelangen. Damals hatte es aber noch keine tragende Rolle als Orchesterinstrument, da die Komponisten nicht viel mit den sehr eingeschränkten Möglichkeiten anfangen konnten.2 Die modernere Variante von cor de chasse, die später europaweit mit den Namen Waldhorn bzw. Orchesterhorn bekannt wurde, wurde von den Brüdern Leichnamb-schneider geschaffen. Sie hatte einen weniger scharfen und schmetternden, eher milden und dunkel getönten Klang. Diese Erneuerung machte das Horn geeigneter für das Orchester. Es war ein weiterer großer Verdienst der Leichnambschneider-Brüder, dass sie am Anfang der 1700er Jahre zum ersten Mal einen Bogen am Horn verwendeten. Im Gegenteil zur früheren Praxis, die Hörner mit einer fixen Einstimmung zu bauen, schuf Michael Leichnambschneider ein Instrument, dessen Grundton mithilfe des Austausches eines Bogens verändert werden konnte. 3 Von da an spaltete sich das Schicksal des Horns in zwei Richtungen. Eine Variante benutzte die soeben genannten Bögen. Die zweite Variante blieb dem alten Modell treu, da bei sportlichen Ereignissen, wie zum Beispiel dem Jagen, verschiedene Bögen bei sich haben zu müssen sehr unhandlich gewesen wäre. Es konnte ja in größter Eile nicht geblasen werden und der eingesetzte Bogen war auch nicht stabil genug, es konnte leicht herausfallen.4 Die von den Leichnambschneider-Brüdern eingeführten Instrumente dienten auch anderen Meistern zum Muster. 1 Reginald Morley-Pegge: The French Horn, London 1960, S.8 György Kecskés: A natúrkürttől a ventilkürtig, Doktorarbeit, Budapest 2009, S.16 3 Horace Fitzpatrick: The Horn and Horn-Playing and the Austro-Bohemian Tradition from 1760 to 1830, London, 1970, S.26-28. 4 Ebda, S.34. 2 6 Einer dieser Meister war der Dresdner Instrumentenbauer Johann Werner, der im Jahre 1753 mit Joseph Hampel ein neues Horn, das sogenannte Inventionshorn, entwickelte. Hampel war ab 1737 zweiter Hornist im Dresdner Orchester, aber auch einer der bedeutendsten Hornmusiklehrer seiner Zeit. Als sogenannter tiefer Hornist musste er in den tiefen Registern spielen, wo die Naturtöne sehr weit voneinander entfernt sind und so war die Intonation viel schwerer. Mit dem Stimmzug, 1. Abbildung: Inventionshorn den man in den mittleren Teil des Horns eingesetzt, wurde die Feinintonation schneller und genauer realisierbar. Mit der Anwendung der austauschbaren Bögen konnte man das Horn bereits in allen Tonarten spielen. Die Umstimmung des Instrumentes wurde durch die zwischen das Mundstück und den Körper des Instrumentes eingefügten, kreisförmigen Röhrchen verschiedener Länge (Bögen) ermöglicht.5 Da diese Bögen unterschiedlich gestimmt waren und somit auch unterschiedlich lang, veränderte sich der Abstand zwischen dem Mundstück und dem Instrument, sobald man wechselte. Das Spielen wurde außerdem dadurch labil, dass die Bögen mehrfach ineinander gesetzt wurden, um eine tiefe Tonart erreichen zu können. Auch hatte der Hornist es wegen der Sickerung der Luft an den Fügungen schwer.6 Außer dem Inventionshorn entwickelte Joseph Hampel auch die sogenannte Stopf- und Dämpftechnik, die bei der Chromatisierung des Hornes einen großen Fortschritt bedeutete. Er hat herausgefunden, dass er die Tonhöhe modifizieren kann, indem er die Hand in den Schalltrichter des Instrumentes steckt. Die feinen Nuancen ausnützend, konnte er sogar bereits Zwischentöne oder auch eine chromatische Skala spielen.7 Im Allgemeinen kann man mit der Hand vier verschiedene Positionen bestimmen: Stopfen (Verschließen der Öffnung), Dämpfen (Abdeckung der Öffnung), naturelle Handhaltung (die Öffnung nicht abgedeckt) und ganz offene Haltung (keine Hand in der Stürze). 5 http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grov e/music/12292?q=hampel&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit 10.06.2015 6 John Humphries: The Early Horn, Cambridge 2000, S.28 7 Kurt Janetzky/Bernhard Brüchle: Das Horn, Mainz 1984, S.46. 7 Das einzige Problem dieser verschiedenen Handhaltung ist, dass die Klänge keinen gleichen Tonus haben. Beim vollkommen verstopften Spiel sind die Töne sehr scharf, stark und nasal.8 Dank der Stopftechnik wuchs die Rolle der Hörner in den Orchestern. Die bisher „schlechten“, „falschen“ Töne wurden durch die Handkorrektur salonfähig gemacht und somit gaben die Komponisten den Hörnern eine wichtigere Rolle. Bei der Erwähnung der Stopftechnik sollte der Name von Giovanni Punto nicht außer Acht gelassen werden. Er war einer der größten Meister dieser Spieltechnik. Punto wurde im Jahre 1746 geboren, fing in München mit einem Gesangs- und Geigenstudium an und lernte schließlich Horn. Seine Studien setzte er von 1763 bis 1764 in Dresden bei Hampel fort. Dort erlernte er die Grundkenntnisse der Stopftechnik, die er später zur Vollendung brachte. Er starb 1803 in Prag an Wasserlunge, einer Krankheit, die damals unter den Bläsern sehr verbreitet war.9 Das Ventil Wegen der oben erwähnten Nachteile des veränderten Klang beim Stopfen, suchten die Hornisten weiter nach einer Lösung, um das Instrument chromatisch zu machen. Sie wollten alle Töne des Horns so verwenden, dass die Klangfarben immer gleich bleiben. Um dies zu erreichen, probierten die Instrumentenbauer zusammen mit den Hornisten zahlreiche Ideen aus und verwirklichten sie mit mehr oder weniger veränderlichen Erfolgen. Die bedeutendsten Instrumentenbauer dieser Zeit waren Ferdinand Kölbel, J. P. Dupont und A. Sax. Diese Instrumente wurden noch ohne Ventil gebaut, jedoch waren sie wegen der vielen eingebauten Röhren im Allgemeinen sehr schwer. Dies mag einer der entscheidenden Gründe gewesen sein, dass sich diese Hörner nicht verbreiteten. So suchte man also weiter nach Lösungen für den Ausgleich der Klangfarbe.10 11 Die revolutionärste Entwicklung in der Geschichte des Horns und der Blechblasinstrumente war die Erfindung des Ventilmechanismus. Er ermöglicht, dass der Spieler die Länge des Instrumentes und dadurch auch seine Stimmung verändert. 8 Levente Szabó: Die Entwicklung des Horns, Bachelorarbeit Kunstuniversität, Graz 2012, S.10 http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grov e/music/22558?q=stich+punto&search=quick&pos=1&_start=1 10.06.2015 10 Dullat, Günter: Metallblasinstrumentenbau, Frankfurt 1989, S.69-70 11 Levente Szabó: Die Entwicklung des Horns, Bachelorarbeit Kunstuniversität, Graz 2012, S.13 9 8 Mit dieser eleganten Mechanik konnte man erreichen, dass jeder Ton mit gleicher Klangfarbe ertönt. Auch hier wurden in dem Aufbau, der Vervollständigung der Ventile ungeheuer viele Lösungen geboren. Darunter waren das von Stölzel entwickelte Stölzel-Ventil, das Kastenventil, das Drehventil von Blühmel, das Berliner Ventil von Wieprecht, das Wiener Ventil von Sattler und das Peritnet Ventil12 Das Perinet Ventil Die Mechanik dieses Ventils wurde von François Perinet entwickelt, der anfangs in der berühmten Werkstatt von Raoux arbeitete. Er machte sich selbständig und präsentierte im Jahre 1839 sein System. Der Durchmesser des von Périnet verwendeten Ventils war ein Übergang zwischen dem des Stölzel-Ventils und des Berliner Ventils. Es ergab freiere Luftdurchlässigkeit, leichteres Durchblasen und Töne besserer Qualität. Das Ventil von Périnet (auch Pumpventil genannt) verbreitete sich unter dem Namen Pistonventil. Die längsgerichtete Bewegung des Kolbens leitet die eingeblasene Luft ab. Der Kolben hat vier Öffnungen: eine steht mit dem Mundrohr, eine andere mit dem Schalltrichter und wieder zwei andere mit den Zügen in Verbindung. In gedrücktem Zustand der Ventile strömt die Luft durch die Züge, in einem 2. Abbildung: aufgelassenen Zustand bewegte sich die Luft ungehindert in die Richtung Périnet Ventil des Korpus (des Schalltrichters des Instrumentes) fort. Die Pistons werden durch eine Feder betätigt, es ist einfach abzumontieren und leicht instand zu halten. Bei den Hörnern mit Pistons kann sich der Kolben jedoch wegen des Seitendruckes an der Wand des Zylinders reiben und es kann bei dem Auflassen des Pistons Lässigkeit zur Folge haben, in einem schlechteren Fall kann es sogar kleben. Diese Mechanik verbreitete sich vor allem in Frankreich und England und man spielte in diesen Ländern bis zur 12 Kurt Janetzky/Bernhard Brüchle: Das Horn, Mainz 1984, S.76-78. 3. Abbildung: Horn mit Pumpventil 9 zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Hörner mit Pistons. Dann wurden sie auch in diesen Ländern allmählich durch die Hörner mit Drehventilen verdrängt.13 Ein charakteristisches Beispiel dafür ist der weltberühmte Dennis Brain (1921-1957), der sehr lange Horn mit Pistons spielte. In den 1950er Jahren widmeten ihm die zeitgenössischen Komponisten zahlreiche Werke. Dafür war das Spielen mit Pistons aber nicht mehr geeignet und so ging der legendäre Hornist mit der Zeit zum Gebrauch des deutschen Erzeugnisses „Alexander“ über.14 Mit der Erfindung der Klappen kam eigentlich ein völlig neues Instrument zustande, das dem Künstler ermöglichte, jeden Ton mit gleicher Klangfarbe und Stärke ertönen zu lassen. Diese Möglichkeit ließ sich am Naturhorn nicht verwirklichen. Wegen des veränderten Tons war Widerwille dem neuen Instrument gegenüber nicht nur unter den Hornisten, sondern auch unter den Komponisten sehr groß. Die Meinung zum neuen Ventilsystem Das Aufkommen der Ventile wurde anfangs nicht gewürdigt. Weder Komponisten noch Hornisten selbst wussten dieses Instrument zu schätzen. Beethoven kannte beim Komponieren seiner neunten Sinfonie die Erfindung der Ventile schon. Allerdings findet man im Notentext keine Spuren davon. Johannes Brahms wurde von dem angesehenen Hornisten der Wiener Philharmoniker Emil Wipperich (1854-1917) gebeten, ein Solokonzert oder eine Sonate zu komponieren. Die Antwort von Brahms war das Folgende: „Für eure Blechbratschen schreibe ich nichts”. Diese Antwort widerspiegelt genau, die Meinung Brahms zum Ventilhorn. Dies war auch nicht ganz überraschend, da er von seinem Vater das Naturhornspielen gelernt hatte. Vielleicht blieb auch aus diesem Grund der Ausgangspunkt bei Brahms immer das Naturhorn.15 Weber bevorzugte das traditionelle Horn, er begeisterte sich für das weiterentwickelte Instrument nicht, er nannte es verächtlich nur „Maschinenhorn“. Es gab jedoch auch viele Hornisten und Komponisten, die die Erscheinung des Ventilhorns begrüßten. Der Leipziger Musikdirektor, Orgelspieler und Komponist 13 http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/gro ve/music/28961?q=pump+ventil&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit 10.6.2015 14 Reginald Morley-Pegge: The French Horn, London 1960, S.116 15 William J. Rogan: Das Naturhorn in der Klassik und Romantik Teil 2, Inauguraldissertation RuhrUniversität, Bochum 1991, S.452 10 Friedrich Schneider (1786-1853) würdigte die Wichtigkeit und Bedeutung des Ventils. Im Jahre 1817 pries er in einem Artikel in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ das von Stölzel gebaute Ventilhorn hoch.16 Unter den damaligen Komponisten zeichnet sich Paul Dukas aus. Sein Werk Villanelle, das für Horn und Klavier komponiert wurde, ist außerordentlich individuell, da er in diesem allbeliebten Stück das Naturhorn und das Ventilhorn gleichzeitig benutzt. Paul Dukas Paul Dukas wurde am ersten Oktober 1865 in Paris geboren. Er war französischer Komponist, Kritiker und Lehrer. Er war der zweite Sohn seiner Mutter, die eine ausgezeichnete Klavierspielerin war, was auf ihn in den frühen Jahren einen sehr tiefen Eindruck machte. Sein Vater, Jules Dukas, war Bankier, interessierte sich aber sehr für das kulturelle Leben in Paris. Paul lernte 4. Abbildung: Paul Dukas (1865Klavierspielen und begann im Alter von 14 Jahren, 1935) während einer Krankheit, zu komponieren. So entschied die Familie, dass der Sohn von einem Musiker erzogen werden sollte. Mit 16 Jahren fing er mit seinen Studien am Conservatoire Paris an. Er studierte Harmonielehre bei Théodore Dubois und Klavierspielen bei Georges Mathia. Auch nahm er an mehreren anderen Kursen teil, wo er die Leitung und die Orchestrierung erlernte. Sein erster Erfolg beim Komponieren waren zwei Ouvertüren, die er im Jahre 1883 komponierte. 1888 trug er mit seiner Kantate Velléda beim Prix de Rome den zweiten Preis davon. Seine Kantate Sémélé, die er im nächsten Jahr komponierte, bekam bei diesem Wettbewerb nur 3 Stimmen von 9, und so traf er die Entscheidung, mit seinen Studien aufzuhören und seinen Militärdienst zu beginnen. Außerdem setzte er sich in den Kopf, Musikkritiker zu werden. Zum Glück fuhr er nach dem Wehrdienst mit seiner Musikausbildung dennoch fort und wurde so Komponist und Kritiker. Sein Debut als Komponist in Paris war die Aufführung seiner Ouvertüre Polyeucte, die er 1891 komponierte. Als Kritiker stellte er sich im Jahre 1892 vor, als er über Richard Wagners Tetralogie Ring des Nibelungen einen Bericht schrieb. 16 John Q. Ericson: Why was the Valve Invented?, The Horn Call 28.No.3. (May 1998), S.36 11 1892 wandte er sich der Kunstgattung der Oper zu. Er schrieb selbst das Libretto der dreiaktigen Oper Horn et Riemenhild, aber er komponierte Musik nur zum ersten Akt so blieb die Oper unvollendet. Er komponierte eine Sinfonie mit drei Sätzen, dann komponierte Dukas sein berühmtestes Werk L'apprenti sorciere (Der Zauberlehrling), das auf Goethes Ballade basiert. Im Jahre 1899 begann er an seiner einzigen vollendeten Oper Ariane et Barbebleue zu arbeiten, die auf Maurice Maeterlincks Libretto basiert. Dukas arbeitete daran sieben Jahre lang und schließlich wurde die Oper 1907 in Opéra Comique aufgeführt. Nach dem Zauberlehrling komponierte Dukas noch ein großes Werk, das Ballett mit dem Titel La Péri, das er der Tänzerin Natalia Trouhanova widmete, die es 1912 bei der ersten Aufführung im Théátre du Chatelet auch tanzte. Diesem Werk folgten viele andere kleinere Werke. Die meisten komponierte er auf Auftrag, aber Dukas beendete keines seiner groß angelegten Werke, an denen er nach 1912 arbeitete. Obwohl er zahlreiche Werke schuf, kam seine schonungslose Selbstkritik in ihm immer zum Vorschein, deshalb vernichtete er viele seiner Stücke. Im Jahre 1916 heiratete er Suzanne Pereyra, die von portugiesischer Abstammung war. Sie bekamen im Dezember 1919 ein Kind, Adrienne-Thérése. Seine letzten Jahre widmete er dem Lehren. Er unterrichtete Komponieren von 1910 bis 1913 am Paris Conservatoire, und im Jahre 1928 wurde er zum Professor der Komposition ernannt. Unter seinen Schülern erscheint auch Olivier Messiaen mit seinem Solostück Appel Interstellare (der sechste Satz des Werkes Des canyons aux étoiles), das sich unter den Hornisten sehr großer Beliebtheit erfreut. Außer am Pariser Conservatoire unterrichtete er auch noch in vielen anderen Institutionen Komponieren. Zwischen 1892 und 1932 wurden ungeheuer viele seiner Artikel in mehreren Zeitungen (Revue hebdomadaire, Chronique des Arts et de la Curiosité, La Gazette, La Figaro) veröffentlicht. In diesen Artikeln schreibt er über die Aspekte der zeitgenössischen Musik und Kultur. In den ersten Monaten von 1935 hatte Dukas dreimal schwere Herzprobleme, er wurde zu absoluter Ruhe gezwungen. Im Mai begann er wieder zu unterrichten, starb aber am 17. Mai infolge eines Lungenödems im Alter von 69 Jahren. Er wurde 12 eingeäschert und seine Asche befindet sich im Kolumbarium des Pariser Friedhofes Père-Lachaise.17 Paul Dukas: Villanelle Das französische Wort villanelle (italienisch: villanella) stammt aus dem italienischen Wort villano, das Bauer oder Landwirt bedeutet. Die Villanella ist eine der volkstümlichen, mehrstimmigen Liedformen Italiens im 16. Jahrhundert und formte sich wahrscheinlich aus der Tanztradition des 15. Jahrhundertes. Die Villanella ist ursprünglich ein drei- oder vierstimmiges Strophenlied, mit Zeilen von überwiegend elf oder sieben Silben in dem Schema von Strambotto, durch einen Refrain erweitert.18 Ihr Text ist komisch oder rustikal und wurde im Dialekt von Neapel verfasst. Die Franzosen haben sie in der Mitte des 16. Jahrhundertes übernommen. In musikalischen Kreisen von Paris erscheint sie zum ersten Mal im Jahre 1554 in dem dreistimmigen Werk La Pastorella mia von Arcadelt, im Stück Chansons tant francoises qu’italienne von Clereau im Jahre 1559 und mit dem Titel Villanelle alla napolitana von einem unbekannten Komponisten aus dem Jahr 1565.19 Dukas komponierte sein Werk Villanelle, das großen Erfolg hatte und bis zum heutigen Tag oft gespielt wird, für Horn und Klavier im Jahr 1906. Er schrieb dieses Werk als Prüfungsstück für das Lehrfach Horn des Pariser Conservatoire. Im Gegensatz zu den anderen Ländern Europas blieb man in Frankreich dem Naturhorn und der Stopftechnik länger treu. 1833 wurde ein eigenes spezielles Lehrfach für Hornisten errichtet, wo man nur Ventilhorn spielte. Der Professor des Lehrfaches wurde PierreJoseph-Emile Mei-fried. Die zwei Richtungen erhielten sich bis 1864, als Meifried in Rente ging. Durch seine Pensionierung wurde der Unterricht des Ventilhornes eingestellt, und die Studenten studierten nun nur Naturhorn. Francois Brémond wurde Professor des Pariser Conservatoire im Jahr 1891. Auch er bevorzugte das Naturhorn, aber ab 1897 erschien auch schon das Ventilhorn im Lehrstoff, so dass das Ventilhorn ab 1903 zum offiziellen Musikinstrument des 17 http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/gro ve/music/08282?q=paul+dukas&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit 10.6.2015 18 http://www.komoly-zene.eoldal.hu/cikkek/mufajok/villanella.html 10.6.2015 19 http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/gro ve/music/29379?q=villanella&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit 10.6.2015 13 Lehrfaches Horn wurde. Sonst überall wurde das Naturhorn vergessen, in Paris bleib man treu dabei. Als Dukas dann gebeten wurde, ein Werk für die Hornisten für die Prüfung am Jahresabschluss (morceau de concours) zu komponieren, schuf er deshalb ein Stück, in dem die Studenten beide Techniken und beide Hörner anwenden sollten.20 Die Villanella von Dukas verlangt besonderes technisches Wissen. Auf der Erstausgabe stand unter dem Titel des Werkes: pour Cor (simple et chromatique), daraus kann man sehen, dass Dukas dieses Werk für Naturhorn und chromatisches Horn komponierte. Der Spieler musste während des Stückes das Musikinstrument wechseln. Deshalb hat er für das Klavier einen langen Überleitungsteil komponiert. Es ist fraglich wie man dieses Stück spielt. Da der Begriff „pour Cor (simple et chromatique)“ unter dem Titel steht, könnte man davon ausgehen, dass man zur Aufführung des Stückes zwei Instrumente benutzen muss. Allerdings erscheint am Ende des Stücks erneut eine Instruktion (sans les Pistons), die das Spielen ohne Ventile vorschreibt. Das Wechseln der Hörner ist aber an dieser Stelle zeittechnisch nicht möglich. Erneut wird man aufgefordert das Naturhorn mit dem Ventilhorn zu wechseln (avec les Pistons), aber auch hier ist es aus Zeitgründen nicht machbar. Die Instruktion (simple et chromatique) ist in Klammern geschrieben worden. Ab 1903 war das Ventilhorn das offizielle Instrument. Es kann eine intermediäre Lösung geben. Der Spieler beginnt das Stück mit Naturhorn, während des Übergangsteils (mit Klavier) wechselt er zum Ventilhorn. Wenn er wieder die Instruktion bekommt, die Ventile zu verlassen, wechselt er das Instrument nicht, es gibt ja dafür keine Zeit, aber er benutzt das Ventilhorn bereits ohne Ventile als Naturhorn. Dies lässt sich allerdings mit den heute gebräuchlichen modernen Hörnern nicht durchführen, da man es wegen der Größe des Schalltrichters schwer benutzen kann. Die damaligen Hörner mit Pumpventil hatten einen viel kleineren Schalltrichter, so konnte man die Stopftechnik leichter ausführen. Das Klavier beginnt das Stück mit zwei kraftvollen Akkorden. Danach ertönt das Horn mit einem fanfarenartigen Eintritt, der auf C1 endet und drei und halb Takte lang dauert. Dann wiederholt sich dieses Motiv ein bisschen leiser, indem es eine Echowirkung zur Folge hat -es wirkt weicher in der Dynamik wie im Charakter. Der nächste Teil ist ein sehr gefühlvoller, melancholischer und an schönen Melodien reicher Abschnitt. Als Prüfungsstück achtete Dukas nicht darauf, dass er die Aufgabe der 20 Susan J. Rekward: The Horn at the Paris Conservatoire and its Morceaux de Concours to 1996, Masterarbeit University of North Texas, Denton Texas, 1997, S.31-35. 14 Hornisten erleichtert. So schrieb er sehr viele gestopfte Töne. Am Ende der Phrase hört man das Rufmotiv des Anfangs wieder. Dann beginnt er das Tempo zu erhöhen. Es ergibt sich eine Spannung mit Triolen, Sechzehnteln, die er dann durch ein lang ausgehaltenes G1 auflöst. Das Klavier übernimmt mit einer langen Überleitung, währenddessen der Hornist das Musikinstrument wechselt. Das Klavier stellt uns das nächste Thema vor. Nach einer Pause von 19 Takten spielt das Horn diesen schnellen und manchmal wilden, gleichzeitig aber auch leichten, mit großen Triolen- und Achtelpassagen gespickten Teil. Es folgt wieder eine Überleitung mit Klavier, aber hier ohne den Wechsel der Instrumente. Man hört wieder das Rufmotiv, das Tempo bleibt aber in diesem schnellen Pulsieren. Hier verlangt Dukas von dem Hornisten erneut eine besondere Technik - En écho. Der im Notentext geforderte Klang wird erreicht, indem der Schalltrichter fast vollständig bedeckt wird und die Töne einen halben 1. Notenbeispiel: Dukas: Villanelle, Takte 41-53 Ton höher gespielt werden: dies 2. Notenbeispiel: Dukas: Villanelle, Takte 150-156 ist der Stopftechnik sehr ähnlich. Bei dieser wird der Schalltrichter völlig bedeckt (gestopft) und einen Ton niedriger transponiert. Beim Klangecho bekommt man jedoch eine schöne, weiche, tatsächliche Echowirkung – im Gegensatz zum vollkommen gestopften Spiel, wo die Töne sehr scharf, stark und nasal klingen. Der Echoteil stimmt mit dem Teil, der auf der ersten Seite mit dem Naturhorn gespielt wird, vollständig überein. Der Echoteil aber nimmt sehr plötzlich ein Ende, das Dukas elegant gelöst hat. Er will, dass der Hornist die Hand in die normale Position zurücksetzt. So schreibt er in den Notentext ein Atemzeichen, um die Handposition fast unbemerkt zu wechseln. Nach diesem kurzen Echoteil kehrt das schnelle und leichte Thema zurück, wo das Horn und das Klavier die schon bekannte Melodie wechselweise spielen. Danach kommt ein Teil 15 mit Dämpfer, vor dem sowohl das Horn als auch das Klavier verlangsamen müssen, damit man genug Zeit hat, den Dämpfer einzusetzen. Man hat auch nicht viel Zeit den Sordino herauszunehmen. Danach kommt eine sehr wilde und laute Phrase, die der Vorläufer des Abschlusses ist, aber vor dem großen Finale kehrt das erste Thema noch einmal zurück. Hier muss man wieder die beim Naturhorn benutzte Stopftechnik anwenden. Diese Phrase endet mit einem Triller und einem großen Crescendo. Am Ende dieses Konzertstückes, wo der Komponist im Vergleich zum Vorherigen ein viel schnelleres und lebhafteres Tempo verlangt, verwahrt er dem Hornisten auch hier technische Herausforderun gen. Man soll acht Takte lang die sogenannte „Triplezunge“ verwenden, die nicht jeder Hornist 3. Notenbeispiel: Dukas: Villanelle, Takte 252-279 beherrscht. Außerdem schrieb der Komponist auch ein C3 am Ende des Werkes, was das „iTüpfelchen“ des Stückes sein soll. Die Villanelle von Dukas ist ein sehr gelungenes Stück und es blieb bei den Hornisten bis zu dem heutigen Tag an sehr populär. Hornwerke, das Es ist eines der 20 Top- 3. Notenbeispiel: Dukas: Villanelle, Takte 252-279 auch bei Internationalen Hornwettbewerben verlangt wird. Für die heutige Horngesellschaft ist es allerdings sehr schwer, dieses Stück am Horn authentisch vorzutragen. Es gibt mehrere Herausgeber (Chambers oder Mason Jones Edition) mit verschiedenen Instruktionen. Es ist außerdem auch schwierig die ehemalige Spielmethode und den damaligen Spielstil auf dem heutigen Horn umzusetzen, da das moderne Horn im Vergleich zum früheren Instrument einen fast sterilen Klang hat. Heutzutage beschäftigen sich sehr wenige Hornisten mit dem Naturhorn. In Musikschulen wird dieses alte Instrument leider fast vergessen. Ich finde, jeder der sich mit der Geschichte seines Instruments beschäftigt, kann besser und klüger mit Musik umgehen. 16 Es wäre meiner Ansicht nach sehr wichtig, die Geschichte und die Spielmethode des gewählten Musikinstrumentes zu kennen, da dies ausschlaggebend für den Vortrag der Konzertstücke, Sinfonien oder Opern ist. Die Komponisten mussten die Grenzen der Instrumente kennen, damit sie ein Werk komponieren konnten, das für ihre Zeit spielbar war. Wenn man sich im Klaren ist, welche Instrumente zu dieser Zeit benutzt wurden und wie sie geklungen haben, kann man ein Stück authentischer vortragen und es getreu nach dem Komponisten erklingen lassen. So kann man eine Parallele zwischen der Entwicklung der einzelnen Musikinstrumente und den Werken herstellen und immer schnell reagieren. Villenelle von Paul Dukas ist ein sehr gutes Beispiel dafür, da man weiß, dass zu dieser Zeit in Paris Naturhörner und Ventilhörner im Einsatz waren. Jedoch werden heute die meisten Konzerte oder Wettbewerbe ausschließlich mit dem modernem Horn gespielt. Das heutige Publikum ist gestopfte oder nasale Töne nicht mehr gewohnt und runzelt bei solchen Klängen die Stirn. So kann man natürlich verstehen, wieso viele Hornisten die Anweisung des Komponisten außer Acht lassen. Ich hoffe aber sehr darauf, dass die Vortragsweise mit ehemaligen Musikinstrumenten nicht völlig verschwinden wird. Es wird hoffentlich immer Orchester und Musiker geben, die dem Weg des authentischen Vortrags folgen und so dem Komponisten dadurch Hochachtung entgegenbringen. In meiner Arbeit versuchte ich die Wichtigkeit und Schönheit der authentischen Vortragsweise hervorzuheben - wie viel Erlebnis, Vorstellung und Merkwürdiges sie dem vorgetragenen Werk dazugibt, und ich hoffe, dass meine Arbeit als eine Art Motivation den Hornisten dienen kann, mit dem Kennenlernen der Wurzeln unseres wunderschönen Musikinstrumentes anzufangen. 17 Bibliografie Herbert H e y d e , Das Ventilblasinstrument, 1. Aufl., Leipzig 1987 Kurt J a n e t z k y , Bernhard B r ü c h l e , Das Horn, Mainz 1984 Günter D u l l a t , Metallblasinstrumentenbau, Frankfurt 1989 John H u m p h r i e s , The Early Horn, Cambridge 2000 Bahnert H e r z b e r g , S c h r a m m , Metallblasinstrumente, Wilhelmshaven 1986 Horace F i t z p a t r i c k , The Horn and Horn-Playing and the Austro-Bohemian Tradition form, London 1970 Bernhard B r ü c h l e , Kurt J a n e t z k y , Kulturgeschichte des Horns, Tutzing 1976 Reginald M o r l e y - P e g g e , The French Horn, London 1960 György K e c s k é s , A natúrkürttöl a ventilkürtig, Doktorarbeit, Budapest 2009 Levente S z a b ó , Die Entwicklung des Horns, Bachelorarbeit Kunstuniversität, Graz 2012 William J. R o g a n , Das Naturhorn in der Klassik und Romantik Teil 2, Inauguraldissertation Ruhr-Universität, Bochum 1991 John Q. Ericson, Why was the Valve Invented?, in The Horn Call, 28. No.3. (May 1998) Susan J. R e k w a r d , The Horn at the Paris Conservatoire and its Morceaux de Concours to 1996, Masterarbeit University of North Texas, Denton 1997 Oxford Music Online Michael N a g y , Aus der Werkstatt eines Hornisten (Gesammelte Aufsätze von Kurt Janetzky), Wien 1993 18 Bildnachweis 1. Abbildung: http://www.rjmartz.com/horns/Orchesterhorn_035/DSCN0253a.jpg 11.6.2015 2. Abbildung: http://www.public.asu.edu/~jqerics/earlval.htm 11.6.2015 11.6.2015 3. Abbildung: http://hornmatters.com/wp-content/uploads/2010/09/Selmer.jpg 11.6.2015 4. Abbildung: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Paul_Dukas_01.jpg 11.6.2015