Predigt zur Konfirmation am 20.3.16 in D zu Philipper 2,5-11 Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Gemeinde! Die Kirche ist frisch renoviert und mit Blumen geschmückt. Ihr kommt herein, neu eingekleidet. Dieser Tag war im Kalender fest vorgemerkt. Er ist ein Höhepunkt in eurem Leben, ein Festtag. Das gilt materiell: Schon das Essen ist eher umfangreich. Auch die Geschenke sind meistens reichlich. Hoffentlich wird dieser Tag auch ein Festtag und Höhepunkt in eurem Glauben. Schließlich habt ihr etwa eineinhalb Jahr den Präparandenunterricht und den Konfirmandenunterricht besucht. Ihr habt Zeit investiert. Ihr habt gelernt. Ihr habt auf diesen Tag geblickt, wie man nach oben blickt. Oben – so stellen es sich viele vor – oben ist Gott. Oben ist aber auch das höhere Alter, die größere Reife. Ihr werdet allmählich erwachsen. Oben ist auch der Erfolg. Wer möchte nicht gern nach oben kommen? Wer möchte nicht Erfolg in seiner Laufbahn haben, womöglich Karriere machen? Und wenn man dann oben ist, z.B. als guter Fußballspieler, wird man von manchen sogar zum „Gott“ ernannt, zum „Fußballgott“ in diesem Fall. Dass man ganz schnell unten sein kann, das steht auf einem anderen Blatt. Den Abstieg: auch den gibt es. Aber wir können uns nicht vorstellen, dass jemand freiwillig absteigt. Oder doch? Wir haben vorhin ein Bekenntnis aus dem Philipperbrief gehört. Ich lese es noch einmal in der Übersetzung der Guten Nachricht vor: „Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat: Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein. Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen. Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt. Vor Jesus müssen alle auf die Knie fallen – alle, die im Himmel sind, auf der Erde und unter der Erde; alle müssen feierlich bekennen: »Jesus Christus ist der Herr!« Und so wird Gott, der Vater, geehrt.“ Am Ende ist Jesus also nicht ganz unten – im Gegenteil: Er ist bei Gott. Das Ganze ist eine Bewegung, wie wenn wir ein „U“ schreiben: Erst geht es steil hinunter, dann wieder steil hinauf. Beim Buchstaben „U“ ist das nicht zu vermeiden. Aber warum steigt Jesus steil bergab: Jesus, der Gott gleich ist, wird ein Mensch – und das auch noch freiwillig? Das ist schon merkwürdig. Gibt es doch viel mehr Menschen, die am liebsten Götter wären. Das Umgekehrte können wir uns kaum vorstellen. Mensch zu sein, kann auch sehr schön sein – warum nicht gerade an einem Tag wie heute?! Ja, sicher. Aber das Menschsein hat noch eine andere Seite: Als Jesus Mensch wurde, sagt dieses Bekenntnis, da hat er die Gestalt eines Knechtes angenommen. Als Sklave war er zu erkennen. Das bedeutet: Im Grunde sind wir Menschen Sklaven. Da fragt sich: Was versklavt uns? Was macht uns abhängig? Abhängig machen Alkohol, Nikotin und Drogen. Abhängig macht auch die Frage: „Was sagen die anderen dazu?“ Oder der Gedanke: „Hoffentlich komme ich nur gut raus und stehe gut da.“ Abhängig macht die Furcht: „Ich kann verlieren. Ich kann ins Abseits gestellt werden. Ich kann krank werden. Sterben muss ich irgendwann sowieso.“ Wir wollen nach oben kommen – nicht nur, weil es da oben so schön ist. Auch deshalb, weil wir nicht unten bleiben wollen. Und wenn wir nicht oben sind, dann träumen wir wenigstens von „da oben“. „Die da oben“, die Reichen, die Berühmten und die Mächtigen“: Sie geben Stoff für die Illustrierten. Über sie berichten Zeitschriften, die in so mancher Arztpraxis aufliegen. Auch in der Bibel kommen reiche, mächtige und berühmte Menschen vor. Aber die Bibel ist keine Illustrierte. In der Bibel kommen v. a. Menschen aus Fleisch und Blut vor. Menschen, die Fehler machen. Menschen, die immer wieder Sklaven sind, Sklaven der Sünde. Der König David war mächtig und auch reich. Aber im Alten Testament wird schonungslos berichtet: Er hat die Ehe gebrochen und den lästigen Ehemann in den Tod an die Front geschickt. Seine Leidenschaft hat David getrieben. Ein Sklave ist nicht nur abhängig. Er dient auch anderen. Jesus hat nicht der Sünde gedient. Aber er hat Sündern gedient, Menschen, die als solche verschrien waren. Im Tod landet Jesus unter den Verbrechern, am Kreuz. Das ist schwer zu verstehen. Warum macht er das? Warum lässt Gott das zu? Warum sieht so der Weg Jesu mit Gott aus? Im Johannesevangelium lese ich: Der Grund ist Liebe. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn hingab. An Liebe gibt es eigentlich nicht viel zu verstehen. Sie ist da oder sie fehlt. Ich weiß nur: Jemand kommt mir nahe. Jemand zieht mich an. Anziehend, attraktiv seid ihr heute ja angezogen. Ihr steht im Mittelpunkt. Aber wie ist das an einem anderen Tag, in einem anderen Zustand? Wie ist das, wenn die anderen nichts von dir wissen wollen? Wie ist das, wenn du einmal ganz unten angelangt bist? Ich wünsche es dir nicht, aber wenn es so ist …? Ihr habt im Konfirmandenunterricht gelernt: „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand …“ Ganz unten fängt dich Gottes Hand auf. Ganz unten: Auch da wartet Jesus auf dich. Auch da steht er dir zur Seite, weil er selbst ganz unten war. Nicht erst die Geschenke, nicht erst ein Festtag wie heute zeigen dir: Gott hat dich lieb. Das hat dir Gott schon in der Taufe bestätigt. Seit der Taufe ist dein Leben in dem großen „U“ drin, in dem Weg von Jesus. Er kommt von Gott her, er kommt ganz unten an, er geht auch wieder zu Gott. Darin steckt die Hoffnung: Wenn du mal ganz unten bist, dann geht dein Weg auch nach oben, zu Gott hin. Du kannst das „U“ auch englisch aussprechen: „ju“. Dann klingt es wie das englische „you“, das „du“ bedeutet. For U, für dich ist dieser Weg da. Aber auch für all die anderen ist der Weg Jesu da. Das ist das Großartige an diesem biblischen Bekenntnis: In ihm haben sich die Christen nicht klein gemacht. Sie haben nicht gesagt: „Wir paar Hanseln haben sowieso nichts zu sagen.“ Sie haben ausgesprochen: „Jesus Christus ist der eigentliche Herrscher der Welt. Das Ziel ist, dass alle das zugeben.“ Das war mutig in einer Welt, in der der römische Kaiser mit seiner Macht, seinen Statthaltern, Soldaten und Gesetzen herrschte. Das war mutig in einer Welt, in der noch andere Götter verehrt wurden – z.T. Götter, die ihr gar nicht mehr kennt, aber auch Götter wie die Macht und das Geld. Da hat sich nicht bloß eine kleine Gruppe von Christen selbst Mut gemacht. Da haben sie ausgedrückt: Das was Jesus gelebt hat, wofür er gestorben ist, wozu er auferstanden ist, das zählt. Er musste nicht immer der Erste sein. Er war und er ist für andere da. Für dich, for U ist er ganz unten angekommen. Für manche ist einer, der so verhält, schwach und dumm. Überlebt nicht der Stärkere? Ich weiß nur: Auch der Stärkere muss sterben. Er stirbt sogar sozusagen doppelt, weil seine Stärke mit ihm verschwindet. Anders die Liebe Gottes! Sie ist nicht schwach. Die Liebe, die von Gott kommt, ist stärker als Macht und Geld – ja sogar stärker als der Tod. Diese Liebe hat ihre eigene Macht. Die Konfirmation ist auch Antwort auf diese Liebe. Ihr sprecht nachher zusammen das Glaubensbekenntnis. Konfirmation ist auch das Bekenntnis, dass nicht die Eitelkeiten und Gemeinheiten von Menschen das letzte Wort haben. Wer hat dann das letzte Wort? Davon spricht das Bekenntnis am Schluss: „alle müssen feierlich bekennen: »Jesus Christus ist der Herr!« Und so wird Gott, der Vater, geehrt.“ Ein kurzes Bekenntnis! „Jesus Christus ist der Herr!“ Viel kürzer als unser Glaubensbekenntnis. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war bei meiner eigenen Konfirmation. Sicher haben wir damals auch das Glaubensbekenntnis gesprochen. Ich weiß nur noch, dass wir damals zum Abendmahl noch niederknien mussten. „Jesus Christus ist der Herr!“ Ich weiß noch, wie begeistert ich damals von Jesus war, besonders auf einer Freizeit. Ich weiß auch, dass ich ein bisschen später meinte, dass ich eigentlich genug Herren über mir hatte, und ein kleines Stück Freiheit würde mir auch ganz guttun. Dann hat mir jemand vermittelt, dass Jesus Christus Freiheit schenkt. Das hat mir gutgetan. Und das andere habe ich auch verstanden: Dass es keine Schwäche ist, für andere da zu sein. Könnte die Menschheit existieren ohne Angeberei, Gewalt und Krieg? Ich denke schon. Könnte die Menschheit leben ohne die Liebe, ohne das füreinander Dasein? Ich glaube nicht. Sie wäre schon ausgestorben. Der Weg von Jesus ist wie ein „U“. Dieses „U“ steht dafür, dass er von Gott kommt und auch zu Gott geht. Es steht dafür, dass er seinen Weg mit Gott gegangen ist, dass er sich nicht gescheut hat, bis nach ganz unten zu kommen. Es steht auch dafür, dass euch so der Weg zu Gott offensteht. Nehmt dieses „U“ mit, als Zeichen für euren Weg und den Weg Jesu, als Zeichen für den, zu dem ihr euch heute bekennt! Amen.