Basel.Stadt. | Dienstag, 6. Mai 2014 | Seite 14 «Wir dürfen Ritalin nicht dämonisieren» Alain Di Gallo, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik, zu ADHS und Ritalin ckeln, beispielsweise depressiv oder aggressiv werden. Das Medikament kann mithelfen, wieder positive Erfahrungen zu machen und auf diese Weise, wie bereits gesagt, das Selbstwertgefühl zu stärken. Ich will Methylphenidat überhaupt nicht idealisieren, doch manchen Kindern gibt es eine gute Basis. Von Franziska Laur BaZ: Sefika Garibovic, Expertin für Nacherziehung, äusserte sich in der BaZ kritisch gegenüber Ritalin. Was stört Sie daran? Alain Di Gallo: ADHS ist eine Funkti- onsstörung des Hirns und somit eine Krankheit, unter der manche Kinder und Jugendliche sehr leiden. Nun gibt es Patienten, die von Ritalin, also Methylphenidat, sehr profitieren. Wir dürfen Ritalin nicht dämonisieren. Doch es wird immer häufiger als Medikament dargestellt, das in den meisten Fällen unnötig sei. Das verunsichert diejenigen Menschen, die es brauchen und denen es wirklich hilft. Der Verbrauch von Methylphenidat ist in den letzten 15 Jahren nahezu explodiert. In der Schweiz hat er sich verneunfacht. Glauben Sie tatsächlich, dass alle diese Konsumenten Ritalin benötigen? Zum Teil wird in den Medien übertrieben. Es gibt eine Studie der Helsana-Versicherung, die zeigt, dass im Jahr 2009 rund 2,5 Prozent der Buben und nicht ganz ein Prozent der Mädchen im Alter zwischen 7 und 18 Jahren Methylphenidat einnahmen. Wenn man die Geschlechter zusammennimmt, so sind es knapp zwei Prozent. Diese Zahl entspricht auch den Ergebnissen aktueller Untersuchungen in Deutschland. Wie viele leben mit der Diagnose ADHS? Es sind zwischen fünf und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen. Die Beurteilung beruht auf der Erfassung der aktuellen Symptome und ihrer Entwicklung. Ich muss das Kind beobachten, muss mit ihm und auch mit den Eltern und Lehrpersonen sprechen. Die Diagnose erfordert eine grosse Sorgfalt. Kommt hinzu, dass die Symptome mit einem Leidensdruck verbunden sein müssen. Wenn das betreffende Kind nicht leidet, dann ist eine Behandlung mit Medikamenten nicht angebracht. Häufig empfindet das Umfeld das Verhalten des Kindes als krankhaft. Ja, starke Unruhe und Impulsivität können einen grossen Leidensdruck verursachen. Wenn das Kind überall aneckt, bei den Mitschülern, den Lehrern, den Eltern, kann dies dauernde negative Reaktionen hervorrufen. Wenn Methylphenidat einem Kind helfen kann, solche Situationen besser zu meistern, ist der Effekt des Medikaments nicht nur kurzfristig, sondern durch Stärkung des Selbstbewusstseins oft auch nachhaltig. Ist es nicht wettbewerbsverzerrend? Die einen haben mit Ritalin eine Hilfe, um sich zu konzentrieren, die anderen müssen sich alleine durchschlagen. Lediglich mit dem Medikament eine Leistung zu verbessern, lehne ich völlig ab. Das darf nicht sein und ist ein Missbrauch einer medizinischen Substanz. Doch wir sprechen von Kindern, die ernsthaft krank sind. Da geht es nicht darum, sich ein bisschen besser zu fühlen oder mehr Leistung zu erbringen. Negative Reaktionen. alain Di gallo (53): «aDHS ist eine Krankheit, unter der manche Kinder und Jugendliche sehr leiden.» Foto Dominik Plüss wirkt. Es ist ein Amphetaminabkömmling und bewirkt im Hirn eine Stimulierung. So kann es beispielsweise Müdigkeit bekämpfen. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass Patienten mit ADHS abhängig werden, wenn sie das Medikament über längere Zeit hinweg einnehmen. Handkehrum weiss man, dass ein unbehandeltes ADHS einen Risikofaktor für eine spätere Suchtanfälligkeit für andere Drogen darstellt. Ich kann da auch von meinen eigenen Erfahrungen sprechen. Diejenigen Patienten, die ich mit Methylphenidat behandelte, hatten nie das Reissen, es weiter zu nehmen. Im Gegenteil, häufig kommt in der Adoleszenz der Wunsch, es abzusetzen. Wäre es nicht sinnvoller, die persönliche Situation des Kindes zu verändern? Natürlich, das ist immer der erste Schritt. Wir besprechen mit den Eltern Veränderungen, die sie einleiten können, und wir fragen, ob es Belastungen im Leben des Kindes gibt. Konzentrationsstörungen können zum Beispiel auch Ausdruck einer Depression sein, oder es können familiäre Ereignisse wie eine Trennung der Eltern vorliegen. Kindern mit ADHS bereitet es oft Mühe, wenn zu viele Reize auf sie einwirken, man muss also ein beruhigendes Umfeld schaffen. Doch noch einmal: Es geht absolut nicht darum, das Kind mit einem Medikament gefügig zu machen. Das Medikament setzen wir erst ein, wenn alle anderen Mittel nicht ausreichen. Es dürfte allerdings viele Ärzte geben, die weniger seriös mit der Diagnose und der Vergabe von Ritalin umgehen, als es Ihre Institution tut. Das mag sein. Es gibt sicher unsorgfältig gestellte Diagnosen, die nach wissenschaftlichen Kriterien nicht gerechtfertigt sind. So wie es auch Jugendliche gibt, die mit Methylphenidat behandelt werden, obwohl sie es nicht nötig hätten. Aber man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und das Medikament an und für sich verteufeln oder die Diagnose ADHS als Krankheit gar grundsätzlich infrage stellen. Das hilft den Betroffenen nicht und ich finde es reichlich absurd. Wie steht es mit der psychischen Abhängigkeit? Diese Kinder bekommen so ja das Gefühl, nur liebenswert und leistungsfähig zu sein, wenn sie von einem Medikament unterstützt werden. Ja, das ist eine Angst, die manche Eltern äussern. Sie befürchten, ihre Kinder könnten die Erfahrung machen, dass jedes Problem mit einem Medikament lösbar ist. Es ist wichtig, dass man diese Sorgen anspricht und sagt, dass Ritalin nur eine Unterstützung ist, um das schon vorhandene Potenzial in ihrem Kind zu wecken. Doch noch einmal: Diese Kinder können ja nie die Erfahrung machen, dass sie aus eigener Kraft liebenswert und leistungsfähig sind. Macht Ritalin beziehungsweise Methylphenidat süchtig? Methylphenidat ist ein Medikament, das auf die Überträgerstoffe im Gehirn Wir sprechen von Kindern, die ein ernsthaftes Problem haben, wirklich krank sind. Der Leidensdruck ist manchmal so gross, dass die Betroffenen zusätzliche Störungen entwi- Sie sagen, ADHS ist eine ernsthafte Krankheit und drei bis zehn Prozent leiden daran. Sind das nicht etwas viel kranke Kinder? Die Zahl ist realistisch. Aber nicht alle diese Kinder brauchen eine Behandlung mit Medikamenten. Und dann gibt es ja noch diejenigen Kinder, die unter anderen psychischen Störungen leiden. Zuverlässige Studien besagen, dass 15 bis 20 Prozent der Kinder an einer psychischen Störung leiden. Nicht alle sind behandlungsbedürftig, einige Symptome gehen spontan zurück. Doch es ist schon so, rund zehn Prozent der Kinder haben ein psychisches Leiden, das behandelt werden muss. Angststörungen, Ticks und ADHS gehören zu den häufigsten Diagnosen. Die Anzahl der Erkrankten scheint in den letzten Jahrzehnten nicht zugenommen zu haben, aber wir sind sensibilisierter darauf geworden. Doch wir dürfen nicht vergessen: Den weitaus meisten Kindern geht es gut. Sie brauchen das Vertrauen von uns Erwachsenen in ihre gesunde Entwicklung. Ich bin dezidiert der Meinung, dass man eine Generation nicht krankreden darf. Und weshalb wird vor allem bei Knaben ADHS diagnostiziert? ADHS ist hauptsächlich genetisch bedingt. Ich denke, dass Knaben eher zu Impulsivität und Hyperaktivität neigen, während Mädchen auf Belastungen häufiger mit Angststörungen und Depressionen reagieren. Gut möglich ist auch, dass man die ADHSSymptome bei Knaben eher wahrnimmt und abklärt. Wettbewerb für Kombi-Neubau Naturhistorisches Museum und Staatsarchiv im St. Johann Von Urs Rist Basel. Für den kombinierten Neubau zweier bedeutender Basler Kulturinstitutionen können sich mögliche Wettbewerbsteilnehmer bis am 2. Juni melden. Das Bau- und Verkehrsdepartement hat jetzt im Kantonsblatt den Projektwettbewerb für den Neubau des Naturhistorischen Museums und des Staatsarchivs ausgeschrieben. Beide Institutionen benötigen aus Platz- und betrieblichen Gründen neue Räumlichkeiten. Der Grosse Rat hat im Juni 2013 sieben und vier Millionen Franken für die Projektierung der beiden Neubauten separat bewilligt. Sie sollen auf zwei benachbarten Parzellen an der Entenweidstrasse südlich des Bahnhofs St. Johann entstehen. Das gemeinsame Kostendach von 190 Millionen Franken für die Neubauten soll gemäss den Angaben des Regierungsrats nicht überschritten werden. Das Neubauensemble soll «Synergien ermöglichen und gleichzeitig den unterschiedlichen Bedürfnissen und Identitäten der Institutionen gerecht» werden, heisst es in der Ausschreibung. Das Raumprogramm des Naturhistorischen Museums umfasst eine Hauptnutzfläche von rund 12 000 Quadratmetern, das des Staatsarchivs eine solche von rund 8000 Quadratmetern. Eröffnung voraussichtlich 2021 Im Wettbewerb sollen rund 20 Teams berücksichtigt werden, davon maximal drei Nachwuchsteams. Der Jury, die von Thomas Blanckarts, Leiter des Hochbauamts, präsidiert wird, gehören unter anderen die Architekten Roger Diener, Emanuel Christ und Barbara Holzer an; die Regierung ist durch Guy Morin vertreten, zu dessen Präsidialdepartement die beiden Institutionen gehören. Die Angebote müssen bis am 4. Dezember eingereicht werden. Im Anschluss an den Wettbewerb soll mit den Projektierungsarbeiten begonnen werden. Danach ist ein Grossratsbeschluss über die Baukosten erforderlich. Die Realisierung ist ab 2018 geplant; bei der Präsentation des Vorhabens im Januar 2013 war noch von 2017 als Beginn die Rede. Die Neubauten dürften damit wohl eher 2021 eröffnet werden. Der bestehende Bau des Naturhistorischen Museums an der Augustinergasse soll in Zukunft vom Antikenmuseum genutzt werden. Das Staatsarchiv ist auf drei Standorte verteilt, der Hauptsitz befindet sich derzeit an der Martinsgasse. anzeige Einer für alle, die kleine Preise das Grösste finden. Schweinsnierstück am Stück, Schweiz, im Kühlregal, ca. 800 g, per 100 g Douglass Hill Cabernet Sauvignon 2012, Kalifornien, USA, 6 x 75 cl Kunden-Rating: Grilladen, Wild, reifer Käse Cabernet Sauvignon 1.79 33% sparen statt 2.69* 1/2 Coca-Cola Coca-Cola light Coca-Cola zero PET, 12 x 50 cl Preis 2–3 Jahre 23.70 statt 47.40 Einzelflasche: 3.95 statt 7.90 *Konkurrenzvergleich Aktionen gültig vom 6. bis 12. Mai 2014 / solange Vorrat / Jahrgangsänderungen sowie Druck- und Satzfehler vorbehalten / jetzt abonnieren: www.denner.ch/newsletter 11.25 statt 15.– 9g+rati3s