Definition sexualisierte Gewalt Sexualisierte Gewalt bezeichnet alle Handlungen, die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Menschen verletzen. Wir sprechen von sexualisierter Gewalt auch dann, wenn Autorität, Macht oder Vertrauen gegenüber einem Kind/Jugendlichen benutzt werden, um eigene sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Dies muss nicht immer körperliche Spuren hinterlassen Zartbitter Münster e.V. Differenzierung Grenzverletzung/Übergriff/ Sexualstraftat Notwendige und sinnvolle Differenzierung und Charakterisierung von • sexuellen Grenzverletzung (unbeabsichtigt, im Überschwang, im Affekt, i.d.R. minderschwer und einmalig Beispiele • sexuellen Übergriffen • und Sexualstraftaten (vorsätzlich und strategisch, vorbereitet oder abgepasst, aber nicht zwingend strafbar (vorsätzlich, strategisch, abgepasst, i. d. R. durch Geheimhaltungsdruck begleitet und eindeutig eine Straftat) Werner Meyer-Deters DGFPI Glaubensverteilung • im Islam gibt es zwei große Glaubensrichtungen (Sunniten und Schiiten) • die Mehrzahl der Syrer bekennt sich zum Islam • 99% der Menschen in Afghanistan sind Muslime (80% Sunniten und 19% Schiiten) Mehr als 95% der Iraker sind Muslime (ca. 60% Schiiten und ca. 35% Sunniten (davon ca. 20% Araber • (74% sunnitische Muslime) und ca. 15-17% Kurden)) • Albanien 70% Muslime (ca20% Orthodoxe und ca. 10% Katholiken) • Kosovo 95% Muslime • Afrika/ Marokko …. Sexualität im Koran • Sexualität innerhalb ihres legalen Rahmens sieht man im Islam als positiv • ein Recht auf sexuelle Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse haben Mann und Frau • Gleichzeitig wird der Geschlechtsakt unter frommen Muslimen als unrein angesehen • der gläubige soll deshalb während des Koitus ein Gebet sprechen und sich danach einer Waschung unterziehen • emotionale Zuwendung zwischen den Geschlechtern wird eher als Schwäche definiert (Mann könnte Autorität gegenüber Frau verlieren) Sexualität im Koran • Sexualität ist so selbstverständlich, dass Männer bzw. Frauen unter sich meist sehr offen und häufig reden • Selbstverständlich heißt aber auch, dass davon ausgegangen wird , dass sie immer dort praktiziert wird, wo sich die Gelegenheit ergibt Man geht also davon aus, dass es innerhalb weniger Minuten zu sexuellen Handlungen (auch von völlig unbekannten Personen) kommen kann oder wird Sexualität im Koran • Geschlechtertrennung wird im öffentlichen und religiösen Bereich vollzogen • im privaten Bereich durch Aufgabenverteilung und Wohnraumaufteilung • der Mann muss in der Regel allein für den Unterhalt aufkommen - ihm steht daher auch die oberste Entscheidungsgewalt zu • es ist Aufgabe der Frau keinerlei Anlass zu Unmoral zu geben - Ehemann und Gesellschaft müssen das kontrollieren Sexualität im Koran • Koran erlaubt dem Mann im Prinzip bis zu vier Frauen • weitere Nebenfrauen, die nicht in rechtlicher Ehe leben, können dazukommen • der Ehemann muss darauf achten, dass alle Frauen gleichmäßig und gerecht versorgt werden (Nahrung, Kleidung, Wohnung, sexuelle Zuwendung,..) • Gesetzlich verbot die Türkei 1926 die Vielehe und Tunesien 1956 - dennoch gibt es sie noch Sexualität im Koran • Prostitution wird verurteilt • Homosexualität wird abgelehnt • Schiiten halten and er Zeitehe als rechtmäßige islamische Eheform fest, Sunniten verurteilen diese als eine Art legalisierte Prostitution Stellung der Frau im Islam • • • • in 40 verschiedenen islamischen Ländern gibt es unterschiedliche Meinungen (pol.System, Bildungsstand, Stadt-Land Gefälle,..) nicht alle Einstellungen sind religiös bedingt (stammen z.B. aus vorislamischer Zeit oder sind Zeichen für eine patriarchalische Gesellschaft) im Islam wird die männliche Überlegenheit auch mit der Gottesbevorzugung des Mannes begründet mit zunehmendem Alter wächst die Stellung der Frau in Familien (im letzten Drittel ihres Lebens als „entsexualsiertes Wesen“ ohne verführerische Reize bekommt sie ein Mitspracherecht zugestanden Stellung der Frau im Koran • • • • • • • an mehreren Stellen erwähnt der Koran, dass die Frau sich in Bezug auf die Menschlichkeit nicht vom Mann unterscheidet sie ist auf dem Mann geschaffen Aufgabe der Frau: ihrem Mann dienen, ihn sexuell zu befriedigen und für reichlich nachkommen zu sorgen in ihren religiösen Rechten und Pflichten ist sie dem Mann gleichgestellt/ beide sind Stellvertreter Allahs auf Erden und für ihr tun verantwortlich Männer haben Vollmacht gegenüber den Frauen rechtschaffene Frauen sind demütig ergeben und bewahren Geheimnisse ihres Gatten der Mann hat das Recht mit seiner Frau geschlechtlich zu verkehren wann immer er will - auch ohne Einwilligung Stellung der Frau im Islam • • • • • • im Koran ist kein Mindestalter für die Verheiratung von Mädchen vorgeschrieben Ehe hat eine hohe Stellung im Islam (moralische Verpflichtung jedes Muslims) jeder Vater hat die Pflicht seine Tochter zu verheiraten (familiäre und ökonomische Interessen spielen eine größere Rolle als die wünsche und Gefühle des Mädchens) Voreheliche Beziehungen sind ein grober Verstoß gegen das islamische Gesetz / die Ehre der ganzen Familie ist an die Keuschheit der Frauen gebunden bei der Hochzeit geht die Frau quasi in de Besitz des Mannes und wird durch ihn kontrolliert- erhält dadurch aber auch sozialen Schutz der Gehorsam gegenüber dem Mann, die Erfüllung der häuslichen Pflichten und das Gebärvermögen garantierend er Frau gesellschaftliche Anerkennung Sexuelle Gesundheit von Mädchen und Frauen • „Viele Frauen wurden so erzogen und sozialisiert, dass sie in ihrer Sexualität auf Schamgrenzen stoßen. Dadurch sind sie darin begrenzt,selbstbestimmt und verantwortlich Sexualität zu leben. • Gerade Frauen mit türkischem Migrationshintergrund sind z. B. von Zwangsverheiratung, arrangierter Ehe, häuslicher oder sexueller Gewalt betroffen, Frauen aus dem afrikanischen und arabischen Kulturkreis zudem von genitaler Verstümmelung. • Traditionelle Werte wie Ehre, Scham und Jungfräulichkeit haben häufig gerade in der Migration herausragende Bedeutung: Wer diese Werte hochhält, erfährt Anerkennung in der Gemeinschaft. Um diese Werte aufrechtzuerhalten, werden Gespräche über Sexualität häufig vermieden und auch unter älteren Frauen tabuisiert. • Die Folge: gesundheitsrelevante Basisinformationen fehlen. Diese Unwissenheit gilt positiv als Zeichen von Ehre und moralischer Reinheit. Erst mit der Ehe erhalten viele Frauen durch den Ehepartner oder andere Familienangehörige Informationen über Sexualität und diesbezügliche Körpervorgänge.“ Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung, BZgA 2011 17 Scheidung und Ehebruch • • • • • • • • die Kinder gehören im Falle einer Scheidung immer dem Mann Scheidung für den Mann ist nach traditionellem Eherecht relativ einfach eine Frau kann nur durch ein Gerichtsverfahren unter anführen schwerwiegender Gründe eine Scheidung erlangen auf Ehebruch stehen harte Strafen für Mann und Frau zur Feststellung sind vier Zeugen oder ein Geständnis notwendig Fälle von Ehebruch werden meist innerfamiliär geahndet bricht der Mann die Ehe - kein Trennungsgrund bricht die Frau die Ehe - harte Strafen Kinder(erziehung) • • • • • • das höchste Ziel einer Muslimin ist die Mutterschaft der eigentliche Reichtum der Familie sind ihre Kinder die Kindererziehung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Frau Söhne werden zu Prinzen erzogen und Mädchen zu Dienerinnen • bei der Erziehung der Jungen wird einerseits kaum Selbstständigkeit angestrebt, zugleich aber eine Vorrangstellung gegenüber weiblichen Familienmitgliedern betont bis zur Beschneidung der Söhne ist in der Regel die Mutter für die Erziehung des Jungen verantwortlich nach der Beschneidung ist traditionell der Vater als Erzieher verantwortlich (auch in sexuellen Fragen) Kommunikation über Sexualität im Elternhaus • Das Thema wird je nach Herkunftsgruppe sehr unterschiedlich behandelt • in sehr traditionellen Familien gibt es kaum Sexualerziehung in Form eines aufklärenden Gespräches • Schule ist häufig wichtigster Aufklärungsort • während für deutsche Jugendliche in erster Linie die Mutter die Person ihres Vertrauens ist, nutzen MigrantInnen eher gleichgeschlechtliche Personen (Geschwister, bester Frend/ beste Freundin, Partner/Partnerin) Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung, BZgA 2011 17 Kinder(erziehung) und sexuelle Aufklärung • • zwischen 7. und 10. Lebensjahr: Alter der Beachtung: • Kind lernt, dass es um Erlaubnis fragt wenn es ins Elternschlafzimmer möchte • zwischen 10. und 14. Lebensjahr: Pubertät: • Kind muss die Regeln für den Sexualakt erklärt bekommen.Ab jetzt ist es bereit für die Ehe. nach dem 14.Lebensjahr: weiterhin Jugendlicher: • wenn das Kind noch nicht verheiratet ist, muss es gelehrt bekommen, dass es Keusch bleibt. Erste sexuelle Erfahrungen und Sexualverhalten • Studien zur Folge sind Jungen mit Migrationshintergrund sexuell aktiver (37% zu 31%) • türkische Mädchen haben weitaus weniger sexuellen Kontakt als Mädchen anderer Herkunft • Schätzungen: 70 % der Mädchen aus türkischen und arabischen Kulturkreisen heiraten ohne vorehelichen Geschlechtsverkehr • mögliche Gründe: der richtige Partner fehlt, Angst Eltern könnten davon erfahren, sie wollen warten bis zur Ehe, Religionsbindung (je stärker, desto geringer sex. Aktivität) Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung, BZgA 2011 17 Erste sexuelle Erfahrungen und Sexualverhalten • Jungen streben aufgrund von Erziehung eher keine gleichberechtigte Rollenverteilung an • erste sexuelle Erfahrungen sollen bereits vor der Ehe gemacht werden (aber nicht mit potentiellen Ehefrauen) • Jungen und junge Männer sind verantwortlich über die sexuelle Moral der Familie zu wachen • Jungen nutzen die sexuelle Freizügigkeit der deutschen Gesellschaft - heiraten würden sie aber eine Frau aus ihrem Herkunftsland ohne sexuelle Erfahrungen • laut Forschungsberichten: orientieren sich die Jungen stärker an als bindend erlebten Geschlechterrollen - „ethnic revival" Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung, BZgA 2011 17 Sexualaufklärung und Familienplanung „Was für die Gesundheitsförderung allgemein zu beobachten ist, gilt besonders für Sexualaufklärung und Familienplanung: Kulturelle und religiöse Traditionen können dafür verantwortlich sein, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in puncto Sexualität, Fruchtbarkeit, Ehe und Familie unterschiedlich verhalten. Bedeutsam sind besonders Unterschiede in folgenden Punkten: • Rollenverhalten der Geschlechter • Kommunikation über Sexualität • das Wissen über Sexualität und das Körpergeschehen • die Bewertung und Bedeutung von Sexualität, Ehe und Familie sowie die Bedeutung von Sexualnormen und religiösen Werten“ Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung, BZgA 2011 17 Sexuelle Übergriffe während der Flucht • in den Camps gibt es häufig keine klare Geschlechtertrennung (Frauen schlafen bspw. neben Männern, teilen sich eine Toilette oder Dusche,..) • Schleuser bieten kürzere Wartezeiten oder einen ermäßigten Preis auf einem Schleuserboot im Austausch gegen sexuelle Gefälligkeiten • auf ihrem Weg werden viele Frauen verschleppt und zumindest zweitweise zur Prostitution gezwungen • auch in Algerien und Marokko gibt es afrikanische Zwangsprostituierte • mehr als die Hälfte der Frauen, die Marokko erreiche, seien alleinerziehende Mütter (Es wird angenommen, dass die meisten unterwegs schwanger wurden- wahrscheinlich im Zusammenhang mit Missbrauch) die IOM spricht von einem Anstieg von 300% des Frauenhandels zwischen Afrika und Europa im vergangenen Jahr Studie IOM Sexuelle Übergriffe an Kindern in Einrichtungen Bei den Übergriffen gibt es drei Tätergruppen: • Vermeintliche Helfer, die beispielsweise über Sprachkurse die Nähe zu Kindern suchen, Wachleute, aber auch Bewohner der Flüchtlingsunterkunft • Sexueller Missbrauch betrifft Kinder aus allen Kulturen. Im Querschnitt gehen wir davon aus, dass jedes 4.-5. Mädchen und jeder 10.-12. Junge sexuell missbraucht wird (Bange 2011) • Täter sind i.d.R. aus dem sozialen Nahraum und nutzen Bedürfnisse des Kindes nach Zuwendung, Aufmerksamkeit, Nähe, Hilfe und Unterstützung, aber auch materielle Nöte des Kindes für eine Anbahnung des Missbrauchs aus. Notsituationen, in denen sich Kinder und Jugendliche befinden, stellen ganz generell ein Risiko für sexuellen Missbrauch dar, da sie deren Eigenschutzfähigkeit einschränken. Auch der Missbrauch durch Fremde kann dadurch weniger abgewehrt werden. • Quelle: Amyna Sexuelle Übergriffe an Kindern in Einrichtungen • Einige Gruppen sind besonders gefährdet, z.B. • Kinder mit Behinderung (z.T. ein bis zu 5,5fach höheres Risiko, Sullivan et al. 2000) • Kinder, die negative Lebensereignisse, z.B. Tod eines Elternteils erleben mussten (bis zu 4fach höheres Risiko, Brown et al, 1998) • Kinder, die bereits sexuell missbraucht worden sind (bis zu 6,5fach höheres Risiko, Finkelhor, Omrod & Turner, 2007) • Kinder, die andere Formen von Kindeswohlgefährdung erleben mussten (bis zu 4,3fach, Finkelhor, Omrod & Turner, 2007) • Kinder, die (Partner)-Gewalt erleben mussten (bis zu 6,4fach, Finkelhor, Omrod & Turner, 2007) Quelle: Amyna Sexuelle Übergriffe an Kindern in Einrichtungen • Zusammenfassende Risiken (Kindler, Schmidt-Ndasi, 2011): • Geminderte Selbstschutz- und Mitteilungsfähigkeiten, mit hoher emotionale Bedürftigkeit • familiäre Bezugspersonen bieten wenig emotionalen Rückhalt (selbst stark belastet) Quelle: Amyna Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge • • • • • 11,7% einer Stichprobe von UMFs waren vor Ankunft im Aufnahmeland bereits sexuell missbraucht worden (Hodes, 2011) 3⁄4 einer Stichprobe von UMFs in England erlebten mindestens einen sexuellen Übergriff im Aufnahmeland bis zur Befragung. Die meisten Übergriffe geschahen innerhalb der ersten 12 Monate. Viele Übergriffe geschahen im Aufnahmelager. Täter waren oft andere Asylsuchende. (Lay 2009) UMF haben ein 6,5fach erhöhtes Risiko sexuell missbraucht zu werden (T. Bean et al., 2006) „... Wohl aber existieren mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und Kindern illegaler Einwanderer besondere HOCHRISIKOGRUPPEN innerhalb der Gruppe aller Kinder mit Migrationserfahrung“ (Kindler, Schmidt-Ndasi 2011) Quelle: Amyna Die Gefahr Kinder, • • • • • • • die einer Hochrisikogruppe (UMF oder Flüchtlingskind mit Eltern) angehören, häufig bereits vor der Ankunft im Aufnahmeland den Tod von Angehörigen,Missbrauch und Gewalt erleben mussten, deren Eltern in der Schutzfähigkeit eingeschränkt sind oder gar nicht da sind, die sich sprachlich nicht oder kaum verständigen können, nicht wissen, was in dieser Kultur erlaubt oder verboten ist, das Hilfe- und Beratungssystem nicht kennen, einen kulturellen Hintergrund mitbringen, bei dem das Thema in der Regel so stark tabuisiert ist, dass es für „sexuellen Missbrauch“ manchmal nicht mal ein Wort gibt, Quelle: Amyna Die Gefahr kommen in überfüllte Aufnahmeeinrichtungen (Gefahr des Missbrauchs im Rahmen der Erstaufnahmestelle durch andere Flüchtlinge bzw. Aufsichtspersonal und Securities, Amtspersonen, Ärzte, Anwälte, Dolmetscher usw.), • Wohngruppen für UMFs mit z.T. überforderten PädagogInnen (Gefahr des Missbrauchs in Institutionen durch Mitarbeitende, Gefahr der sexuellen Übergriffe durch andere Jugendliche) • in Einzelbetreuung von Ehrenamtlichen, die sich im Rahmen einer Patenschaft o.ä. „kümmern“ wollen (Gefahr des Missbrauchs durch Ehrenamtliche) • Quelle: Amyna