Todesstrafe auf homosexuellen Beziehungen als „göttliche Ordnung“

Werbung
05.08.2015, KVP Schweiz
Bischof Vitus Huonder im Bibelfundamentalismus
Todesstrafe auf homosexuellen Beziehungen als „göttliche Ordnung“
Bischof Vitus Huonder hielt einen Vortrag zum Thema „Die
Ehe – Geschenk, Sakrament und Auftrag“. Dabei zitierte er
eine alttestamentliche Bibelstelle in Levitikus 20,13, wonach
auf homosexuellen Beziehungen die Todesstrafe verhängt
ist.
Die
Bibelstelle
versteht
Huonder
als
Begründungselement
für
eine
„christliche
Familienordnung“. Diese Ordnung dient ihm ausserdem
dazu, mittels einer Herrschafts- und Unterwerfungstheorie
den Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau in der Ehe
anzugreifen.
Des Bischofs Äusserungen widersprechen selbst für Laien erkennbar der katholischen Soziallehre,
verletzen den Grundsatz von Achtung und Takt gegenüber Homosexuellen und leisten den
laufenden gesetzgeberischen Bestrebungen Vorschub, homosexuelle Diskriminierung
ausdrücklich unter Strafe zu stellen und letztlich, die homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe
gleichzusetzen.
Die KVP distanziert sich von Huonders wörtlicher Zitierung der erwähnten Bibelstelle ohne
Einschränkung und seiner Interpretation des Prinzips der Über- und Unterordnung in der
christlichen Familie.
Bischof Huonder begründet das Verbot der Homo-Ehe und die christliche Eheordnung mit der Todesstrafe
auf homosexuellen Beziehungen gemäss dem alttestamentlichen Text in Levitikus 20,13. Seine
Äusserungen machte er in einem Vortrag am Kongress des „Forum Deutscher Katholiken“ am 31. Juli 2015.
Huonder widerspricht der katholischen Soziallehre
Einige Verse zuvor (Levitikus 20,10) ist die Todesstrafe für Ehebruch vorgesehen. Bischof Huonder
übersieht: Die Soziallehre mit ihrem Homoehe-Verbot stützt sich nicht auf Levitikus 20,13 (Katechismus,
Ziffer 2357–2359). Die Begründung Huonders zum Homoehe-Verbot, hinter dem die KVP auch für das zivile
Recht durchaus steht, widerspricht insofern von vorneherein der Soziallehre. Des Bischofs Sprache in
diesem Punkt ist nicht die Sprache des Katechismus und erst recht nicht jene von Papst Franziskus.
Mit einem homophoben Bibelzitat
Den Vorwurf, mit seinen Äusserungen homosexuelle Menschen herabgesetzt zu haben, führt Huonder auf
ein „Missverständnis“ zurück. Das bedauere er. Er habe das nicht so gemeint. Der Vorwurf sei in den Medien
Seite 1 von 4
„vereinzelt“ erhoben worden. Das trifft jedoch nicht zu. Es berichteten mehrere grosse Tageszeitungen. Das
Katholische Medienzentrum kath.ch nennt das von Huonder erwähnte Bibelzitat „homophob“. Ausserdem
kommt es wohl nicht darauf an, wie viele Medien berichtet haben. Die Interpretationen Huonders fordern
den Widerspruch auch zahlreicher Katholiken heraus (vgl. Facebook). Vertreterinnen und Vertreter von CVP
und EVP haben deutliche Kritik geäussert.
„Göttliche Ordnung“
Levitikus 20,13 gehört nach Bischof Huonder in seiner Einleitung des Vortrages zu den „Marksteinen“ der
Heiligen Schrift. Er zitiert diese Bibelstelle, weil er der Auffassung ist, „dass in der gegenwärtigen Situation
das authentische Wort, das Wort der Offenbarung, zu kurz komme. Er formuliert damit eine Kritik;
gegenüber wem, lässt er offen. Das authentische Wort „muss uns prägen“. Die Bibelstelle hat „Bedeutung
für die Definition der Ehe und Familie“, entspricht der „göttlichen Ordnung“ (6). Todesstrafe für
Homosexuelle als göttliche Ordnung? „Die Normen und Weisungen, welche im Gesetz des Alten Bundes
niedergeschrieben sind“, ermöglichen dem Menschen, die Ehe dem Schöpfungswillen und der
Schöpfungsordnung gemäss zu leben, führte Huonder am Schluss des Vortrages aus.
Das Wort Gottes wird „uns helfen, Krisen zu bewältigen und Probleme zu lösen“ (Einleitung). Wie das
beispielsweise aufgrund von Levitikus 20,13 (und anderen zitierten Bibelstellen) gehen soll, wäre äusserst
spannend gewesen zu erfahren und an sich entscheidend. Dazu führte Huonder konkret aber nichts aus.
Warum er überhaupt zum Thema Homosexualität Stellung nahm, kann ebenfalls hinterfragt werden. Von
Professor Hubert Windisch kannte er aus einem Vortrag (Anmerkung 5) die Meinung, dass „Homosexualität
an einer Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie nichts zu suchen“ habe. Warum hielt der Churer
Bischof sich beim eigenen Vortrag und dem gleichen Thema nicht daran?
„Laudato si‘“ übersehen
Bischof Huonder zitiert im Hinblick auf die Schöpfung die Herrscher- und Unterwerfungstheologie nach
Altem Testament, die „zu wenig bedacht“ werde (3). Hier kommt eine Kritik gegenüber dem Lehramt der
Kirche zum Vorschein. Die Herrscher- und Unterwerfungstheologie wurde in der Enzyklika „Laudato si‘“,
Ziffer 67 und 200, stark relativiert und korrigiert zu Gunsten der Bebauung und Pflege der Schöpfung.
Huonder lässt das ausser Acht.
Die Folge der Erbsünde sei in der Ehe die „hierarchische Struktur“ (2), “ein Verhältnis der Herrschaft, des
Beherrschens, des Beherrschtwerdens, des Verlangens, der Leidenschaft“ (3). Diese Erkenntnis sei eine
„realistischen Einordnung“ (3). Im Vordergrund steht für Vitus Huonder hier die Sexuallehre des Apostels
Paulus, die er als „paulinischen Realismus“ bezeichnet (10). Wissenschaftlich oder auch nur mit kirchlichen
Dokumenten belegt werden all diese Ausführungen indes kaum.
Seite 2 von 4
Papst Johannes Paul II. übersehen
Als Folge dieser Hierarchie wiederum nennt Bischof Huonder den „Missbrauch der Überordnung bzw. die
Auflehnung gegen die Unterordnung“ (3). Woher er diese Sicht der Dinge nimmt, sagt er abermals nicht.
Papst Johannes Paul II. hat dem mit dem Grundsatz der grundlegenden Gleichheit von Mann und Frau und
der „Überwindung dieses schlimmen Erbes“ geantwortet (Apostolisches Schreiben „Über die Würde und
Berufung der Frau“, Ziffer 10). Dass abgesehen vom Missbrauch und der Auflehnung ein Restbestand von
Hierarchie bestehen bleiben soll, wie Huonder offenbar meint, ist nicht (mehr) Lehre der Kirche.
Der Churer Bischof erläutert den Zweck der Ehe mit Nachkommenschaft, gegenseitiger Hilfe und Vollzug
des Geschlechtsaktes – eine Reihenfolge, die die Kirche immer hatte, „bis in neuerer Zeit“ (gesprochener
Text gemäss Video). Auch hier kommt eine Kritik an der Kirche zum Ausdruck. Die neuere Zeit behandelt
Huonder aber nicht, verlangt aufgrund im Wesentlichen der alttestamentlichen Bibelstellen „die
Notwendigkeit einer Gesetzgebung, eine „äussere Ordnung“ (4). Die neueren Dokumente zitiert er lediglich
in einem Rattenschwanz gegen Schluss des Textes in Anmerkung 16, ohne mit ihnen seine Ausführungen
zu begründen. Wissenschaftlich ist diese Anmerkung ohne jeden Wert.
Mehr Kenntnis brauchen wir nicht
Seine Thesen verkündet der Bischof „in aller Schlichtheit“ (Einleitung). Er mochte zu den einzelnen
Bibelstellen keinen Kommentar geben, sondern nur eine „Akzentsetzung“ (gesprochener Text gemäss
Video). Die Texte müssten beachtet werden, „auch wenn sie unangenehm sind“ (gesprochener Text
gemäss Video). „Mehr Kenntnis brauchen wir nicht, um die Wirklichkeit der Ehe aus christlicher Sicht zu
verstehen.“ (Einleitung). Auf die Lehre des Katechismus, die Soziallehre und weitere Lehrdokumente geht
er praktisch nicht ein. Dort hätte er gesehen, dass die Fragen durchaus auch in biologischer, sozialer und
rechtlicher Hinsicht behandelt werden (zum Beispiel in den „Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen
Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen“ der Kongregation für die
Glaubenslehre vom 3. Juni 2003). Er aber macht seine Ausführungen nur aus Sicht des Glaubens.
Ansprüche gegenüber der staatlichen Ordnung formuliert er direkt keine, weist aber doch darauf hin, dass
der Apostel Paulus „über Mann und Frau im grossen Kontext (…) der menschlichen Gesellschaft“
gesprochen habe (11).
Einmal mehr Achtung und Takt gegenüber Homosexuellen verletzt
Ein Missverständnis liegt unter diesen Voraussetzungen nicht vor. Widerrufen oder korrigiert hat Bischof
Huonder keine seiner Ausführungen. Er hat es so gemeint, wie er es sagte. Dass Levitikus 20,13 seinem
Wortlaut nach heute beispielsweise nicht mehr gilt oder zumindest nicht wörtlich zu nehmen ist, präzisierte
er nicht. Die Ausführungen Huonders zu Levitikus 20,13 verletzen daher Achtung und Takt gegenüber
Homosexuellen (Katechismus Ziffer 2358). Freude an diesem Glauben haben zweifellos manche
Evangelikalen, aber auch das Internetforum kath.net.
Seite 3 von 4
Bischof Huonder praktiziert evangelikalen Bibelfundamentalismus durch wörtliche Zitierung alter Bibeltexte
ohne Einschränkung. Damit leistet er einmal mehr den politischen Bestrebungen Auftrieb, solche öffentlich
publizierten Argumentationen aus Sicht des staatlichen Rechts explizit als Diskriminierung unter Strafe zu
stellen. Die Mehrheit des Nationalrates hat sich bereits dafür ausgesprochen. Irgendwie jedenfalls muss
das permanente Homo-Bashing aus der rechtskonservativen Ecke ein Ende finden. Die Lehre der Kirche
wäre im vorliegenden Fall nicht berührt gewesen, die Ausführungen Huonders eventuell aber schon.
Bischöfe und Papst sind offenbar nicht in der Lage, dem Bashing faktisch ein Ende zu setzen. Wenn ein
Imam die Todesstrafe für Homosexuellenverkehr als „göttliche Ordnung“ ausgäbe, würde er wohl des
Landes verwiesen.
Mit am Vortrag waren gemäss Video der Lebensschützer Martin Lohmann und Bischofsvikar Christoph
Casetti. Wer schweigt, von dem wird angenommen, dass er zustimmt. Die Medienseminare am Kongress
erteilte der Bistumssprecher von Chur, Giuseppe Gracia.
Seite 4 von 4
Herunterladen