„Wenn es so bleibt, ist das kein Problem“

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Medizin • Makuladegeneration
„Wenn es so bleibt, ist das kein Problem“
Eine Makuladegeneration verändert das Leben. Was kann ich tun, um einen
weiteren Sehverlust zu vermeiden?, fragen sich die Betroffenen. Wir haben mit
zwei Patienten über ihre Erkrankung gesprochen.
A
mehr am Herzen und als Physiotherapeut macht er die
Spieler des örtlichen Vereins fit. Er ist selbst sportlich
aktiv, fährt Mountainbike und hat ein ausgefallenes
Hobby: Modellfliegen mit Hubschraubern.
nfang des Jahres haben wir über den Herforder
Augenarzt Dr. med. Norbert Koeller berichtet.
In seiner gut ausgestatteten Praxis setzt er auf
die Früherkennung und Vorbeugung von Augenerkrankungen, damit seine Patienten lange gut sehen
können (Ausgabe 1-2011, S. 16f). Dies soll auch dann
so bleiben, wenn sie bereits eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) haben oder eine Operation des
Grauen Stars bevorsteht, weshalb Dr. Koeller u.a. zur
Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und ergänzenden bilanzierten Diäten rät. Heute treffen wir
zwei seiner Patienten, um mit ihnen über ihr Leben mit
der Makuladegeneration zu sprechen.
Die Kunst und die Farbwahrnehmung
Die beiden Herren kommen spontan über die Kunst
und die in der Praxis hängenden Bilder unterschiedlicher Maler miteinander ins Gespräch. Über das Sehen
an sich und das Farbensehen im Besonderen: „Wie
ist das denn bei Ihnen?“ Der Künstler beschreibt seine Farbwahrnehmung nach der kürzlich erfolgten
Katarakt-Operation als „nicht anders, aber heller.“ Er
müsse sich beim Malen jetzt in den Farben etwas zurücknehmen. Der Physiotherapeut hat Probleme mit
dunklen Farben, er kann beispielsweise Dunkelblau
und Schwarz schlecht auseinanderhalten. Ansonsten
sei die normale Farbwahrnehmung bei gutem Licht
kein Problem, sagt er.
Ganz unterschiedliche Menschen und Krankheitsverläufe erwarten uns. Da ist zum einen der „typische“
AMD-Patient, typisch, weil die Erkrankung oft altersbedingt ist: Wolfgang Heinrich, Jahrgang 1928, Maler, Grafiker, ehemaliger Kunsterzieher, jetzt im „Unruhestand“. Aus Ost-Berlin ist er 1958 nach Herford
gekommen. Neben seiner pädagogischen Tätigkeit
hat er stets gemalt, wobei Landschaften und Blumenstilleben seine Hauptmotive sind. Unzählige Aquarelle, Zeichnungen, Radierungen und Linolschnitte sind
so entstanden. Einen Eindruck davon vermittelt seine
Website www.wolfgangheinrich-mbe.de; zwölf Kunstbände sind mittlerweile entstanden. Heinrich ist bis
heute aktiver Maler – obwohl er seit 2004 an AMD leidet und seine Augen durch den Grauen Star zunehmend eintrübten. Erst zwei Wochen vor unserem Besuch hat er sich daran operieren lassen.
Apropos Probleme. Eigentlich hatte Detlef Nakoinz keine, als er im Dezember 2010 zu seinem Augenarzt
Dr. Koeller ging. Er wollte nur eine Gleitsichtbrille haben und dafür die Sehstärke bestimmen lassen. Dabei
wurde seine Erkrankung durch Zufall bemerkt. Denn
bei der Augenprüfung mit der Sehtafel konnte er mit
einem Auge nichts erkennen. Bei weiteren Untersuchungen fand Dr. Koeller heraus, dass die linke Seite
hochgradig verändert war und diagnostizierte AMD.
„Ich hatte nichts bemerkt“, berichtet Nakoinz. Und
nun? „Das erste war, ich musste das realisieren. Ich bin
nach Hause gefahren, habe mir ein Auge zugehalten
– und nichts gesehen. Das war mir vorher nicht aufgefallen.“ Die Diagnose war ein Schock. Im Nachhinein erinnerte er sich, dass er beim Modellfliegen mit den
Hubschraubern die Tiefe des Raumes nicht abschätzen
konnte. Doch das habe er immer auf schlechtes Licht
Der andere Patient, Detlef Nakoinz, Jahrgang 1952, ist
Physiotherapeut. Er steht mitten im Berufsleben und
betreibt in Herford eine Praxis für Massage, Krankengymnastik und Sportphysiotherapie. In den 1990er Jahren war er Masseur der Fußball-Bundesligamannschaft
von Arminia Bielefeld. Doch Eishockey liegt ihm heute
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Augenlicht 3 | 2011
Makuladegeneration • Medizin
Detlef Nakoinz (li.) und Wolfgang Heinrich (Mitte) im Gespräch mit Dr. Norbert Koeller
geschoben. „Ich habe AMD vorher nicht gekannt, ich
wusste gar nicht, was das ist.“
Wolfgang Heinrich ernährt sich „vernünftig“, zumal
bei ihm ein leichter Diabetes festgestellt wurde.
Heute weiß er es und versucht alles, um zu verhindern,
dass die Erkrankung schlimmer wird, denn: „Wenn es
so bleibt, ist das kein Problem.“ Um die Sehkraft zu
erhalten, nimmt Nakoinz Mikronährstoffe. Echtes Lutein aus Pflanzen und echtes Fischöl mit Omega-3-Fettsäuren, „die beste Qualität“, wie sein Augenarzt sagt.
Schließlich habe sein Patient nur noch ein Auge. Das
zweite zeige geringfügige Veränderungen, sei aber seit
einem dreiviertel Jahr unverändert konstant geblieben. Auch Wolfgang Heinrich setzt auf die Einnahme
von Mikronährstoffen, seit bei ihm vor sieben Jahren
eine trockene AMD festgestellt wurde. Seine Befunde
sind seitdem konstant ohne die geringste Verschlechterung über einen so langen Zeitraum geblieben, wie
Dr. Koeller uns anhand von Untersuchungsprotokollen mit seinem hochauflösenden OCT-Gerät zeigt. Die
Kontrollen finden viertel- bis halbjährlich statt.
Die Diagnose in vergleichsweise jungen Jahren hat Nakoinz nach den Ursachen seiner Erkrankung forschen
lassen und beschäftigt ihn immer noch. „Ist die Makuladegeneration bei Ihnen vererbt?“, fragt er den Leidensgenossen. „Bei mir ist es wohl so. Ich habe immer
gesund gelebt, nicht geraucht, viel Sport getrieben“,
ergänzt er. Umwelteinflüsse als Auslöser schließt er bei
seinem gesunden Lebensstil aus. Also müsse es an der
Genetik liegen, vermutet er im Umkehrschluss. Trotzdem ist ihm kein Fall von AMD in der Verwandtschaft
bekannt. Was bleibt, ist eine gewisse Ratlosigkeit.
Konsequent gesunde Ernährung
Detlef Nakoinz beschäftigt sich mit allen nur denkbaren Behandlungsoptionen seiner trockenen AMD.
Demnächst will er noch eine Sauerstofftherapie machen und weiterhin Q10-Kapseln für den zelluären
Sauerstoffwechsel einnehmen. Auch seine Ernährung
hat konsequent umgestellt. Er isst nur noch vollwertig und backt sein Brot selbst. Bei ihm kommen weder Konzentrate noch Zusatzstoffe, Glutamat oder Zucker
auf den Tisch – und er fühlt sich wohl dabei. Auch
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Ein Problem beschäftigt beide Patienten: Wie weit darf
man kranke Augen beanspruchen? Heinrich berichtet,
dass seine Augen tränen, wenn er viel liest. Dr. Koeller
beruhigt: Das macht nichts, es ist ein Zeichen von Ermüdung. Vielleicht solle er Zeitungslesen und Fernsehen
begrenzen und stattdessen Dinge tun, die die Augen
nicht fordern, regt er an. Nakoinz hat das Gefühl, seine Augen werden zu trocken. „Dann spüle ich sie gelegentlich mit Leitungswasser“, berichtet er. Der Augenarzt rät hier außerdem zu Tränenersatzmitteln.
Hat eine Katarakt-Operation Auswirkungen auf die
AMD? Diese Frage beschäftigte Heinrich vor dem Eingriff. Bei der Operation wird die eingetrübte Augenlinse entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt. Dadurch
geht ein Teil des natürlichen Schutzes vor schädlichem
Blaulicht verloren. Schützen könne man die Augen von
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Medizin • Makuladegeneration
Dr. Norbert Koeller zeigt Patientenbefunde am OCT-Gerät.
Regelmäßig finden Kontrolluntersuchungen statt
Der Maler vor seinem Werk: Auch in der Praxis hängen Blumenstillleben von Wolfgang Heinrich
außen durch eine Sonnenbrille, eventuell sogar mit
speziellem Blaufilter, erklärt Dr. Koeller. Aber es gebe
auch eine Art innere Sonnenbrille durch Lutein und Zeaxanthin. Daher empfiehlt er seinen Patienten bereits
einige Wochen vor der Katarakt-OP die Einnahme dieser Vitamine, um den Schutz vorab aufzubauen.
sieht. Seine Hobbys müsse er umstellen, er habe die
Lust am Modellflug(bau) verloren, sagt er, doch alles
in allem „nehme ich es, wie es ist, und versuche, mir
keinen Kopf zu machen.“ Dann schwingt er sich aufs
Fahrrad und fährt zur Arbeit in seine Praxis zurück.
Wolfgang Heinrich ist mit dem eigenen Auto gekommen. Mobil sein ist wichtig für ihn. Schließlich malt er
seine Bilder nicht nur im Atelier, sondern seine Landschaftsmotive gerne auch draußen an der Weser.
Seit Feststellung seiner Erkrankung lebt Detlef Nakoinz bewusster. Er schaut sich viele Filme an („wer weiß,
wie lange ich das noch kann?“) und genießt, was er
Von Susanne Wolters
AMD und Mikronährstoffe
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD;
zur Therapie siehe Seite 13) ist eine Erkrankung
der Netzhaut, die zum irreversiblen Verlust des
zentralen Sehvermögens führt. Nach und nach
verlieren die Netzhautzellen im Bereich der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens, ihre Funktion.
Die trockene Form der AMD, von der etwa 85 %
der Erkrankten betroffen sind, schreitet meist nur
langsam voran. Die feuchte Form (15 %) ist die aggressivere, hier kommt es schneller zum Sehverlust.
Bestätigte Risikofaktoren sind u.a. höheres Alter,
Rauchen, weibliches Geschlecht, Bluthochdruck,
Stoffwechselstörungen, erhöhte Blutwerte. Vermutet werden genetische Faktoren, hoher Blutdruck,
der Mangel an gewissen Vitaminen und Mineralstoffen sowie hohe UV-Strahlung.
Literatur als „makuläres Pigment“ bekannt, eine
Art natürlicher Sonnenbrille. Vermutlich filtern sie
die blauen Anteile des Lichts heraus und schützen
so die Makula. Neuere Untersuchungsergebnisse
(AREDS, Last-Studie) deuten darauf hin, dass durch
eine gezielte Zufuhr von Mikronährstoffen einer
AMD vorgebeugt bzw. der Krankheitsverlauf verlangsamt werden kann. Zu diesen Mikronährstoffen
gehören neben den Vitaminen A, C und E, Zink
und Selen besonders Lutein und Zeaxanthin. Der
Effekt von Omega-3-Fettsäuren wird derzeit untersucht. Als hochdosierte, langfristig einzunehmende
Nahrungsergänzungsmittel sind Mikronährstoffe
speziell auf den Bedarf der Augen abgestimmt.
Diese bilanzierten Diäten („diätetische Lebensmittel
für besondere medizinische Zwecke“) müssen eine
medizinisch begründbare Zusammensetzung haben.
Sie werden unter der medizinischen Überwachung
des Arztes eingenommen.
Lutein und Zeaxanthin, zwei Carotinoide als Vorstufe von Vitamin A, sind in der wissenschaftlichen
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